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Sommer-Gesundheits gespräche
Sommer-Gesundheitsgespräche
Die großen standespolitischen Themen 2021

Dr. Wolfgang Mückstein Bundesminister für Gesundheit und Soziales, Arzt für Allgemeinmedizin (karenziert)

Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres Präsident der Österreichischen Ärztekammer
„Die Honorare von Hausärzten, Kinderärzten und Gynäkologen müssen an jene der anderen Fachgruppen angeglichen werden.“

Mag.a Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer
„In Europa wird immer häufiger in Apotheken geimpft. Deshalb bieten wir auch standardisierte Impffortbildungen an.“
Foto: © shutterstock.com/ loveaum, Sozialministerium_AKS_flickr_com, ÖAEK_Christian Leopold, Husar
Gesundheits- und Sozialminister Dr. Wolfgang Mückstein wirkt entspannt, als wir ihn an einem Feiertag im Frühsommer im Gesundheitsministerium treffen. Auf die Frage hin, ob er seit seinem Amtsantritt schon freie Tage habe genießen können, lacht er und meint: Am Wochenende sei sich schon ein bisschen Privatleben ausgegangen. Dazwischen ruft seine Tochter an, er scheint ihr sehr verbunden. Dann konzentriert sich der Gesundheitspolitiker und Arzt auf unsere standespolitischen Fragen.
HAUSARZT: Immer öfter hört und liest man, dass Kassenpraxen nicht nachbesetzt werden könnten. Wie kann Jungärzten die Niederlassung schmackhaft gemacht werden?
Dr. Wolfgang Mückstein: Man muss den Jungen Gemeinschaftsmodelle zeigen, bei denen sie gemeinsam arbeiten und einander vertreten können. Man kann sich zu zweit einen Kassenvertrag teilen, Jobsharing machen. Diese Möglichkeit gibt es seit zwei Jahren. Man kann Ärztinnen und Ärzten anbieten, Kooperationen einzugehen, dass sie also in ihre Ordinationen auch andere Berufsgruppen hineinnehmen. Das geht ja auch im Kleinen. Wobei: Die persönliche Leistungserbringung ist in Wien erst 2019 aufgehoben worden. Man muss sich das vorstellen: Bis 2019 mussten Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel ein EKG, das sie verrechnen wollten, persönlich schreiben!
Was kann man gegen den Landärztemangel tun?
Wir sehen, dass es nicht nur am Land, sondern auch in Wien unbesetzte Kas-
senstellen für Allgemeinmedizin gibt. Vor fünf bis zehn Jahren war das undenkbar, weil eine Kassenstelle eine Art Pragmatisierung darstellte. Vor zwölf Jahren arbeiteten Ärzte noch jahrelang darauf hin, einen Kassenvertrag zu bekommen. Jetzt gibt es keine Wartezeiten für Kassenverträge, weder am Land noch in der Stadt. Aber gerade die Jungen wollen das leider nicht mehr machen. Weil sie ein Bild vom praktischen Arzt in der Gemeindebau-Ordination haben, der nur Rezepte ausstellt und krankmeldet. An diesem Bild müssen wir arbeiten.
Welche Bedeutung wird Primärversorgungseinrichtungen in Zukunft zukommen?
Primärversorgungszentren sollen Aufgaben übernehmen, die aktuell der Landarzt als zentraler Ansprechpartner in der Gemeinde erfüllt. Die Medizin ist arbeitsteilig geworden, es gibt viel mehr Aufgaben, die ein Einzelner gar nicht mehr schaffen kann. Das Konzept einer gestärkten Primärversorgung, im Sinne von Primärversorgungszentren, wäre, einen zentralen Ort zu schaffen, an dem die Patienten etwa koordiniert erfahren, wo welche Leistungen angeboten werden. Zur Attraktivierung des Arztberufs gehört, dass man die Aufgaben aufteilt. Nicht jeder kann Wunden versorgen. Das könnte ein Wundmanager machen. Die Jungen wollen nicht gleichzeitig Psychotherapeuten, Wundpfleger und Diätologen sein.
Sollen auch die im Regierungsprogramm geplanten „Community Nurses“ in die Primärversorgung integriert werden?
Absolut. In dem Wiener Primärversorgungszentrum, in dem ich gearbeitet habe, waren fünf diplomierte Community Nurses tätig. In dieser Form wollen wir das jetzt bundesweit umsetzen. Die Aufgaben der Community Nurses umfassen: Erstkontakt bei der Pflege, Hausbesuche, eine Art des CaseManagements. Community Nurses sollen zentrale Anlaufstellen auch für Behördenwege sein, also diese auf lokaler und auf Gemeinde-Ebene im ländlichen Gebiet koordinieren.

Gesundheitsminister Dr. Mückstein im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Mag.a Jelenko-Benedikt.
Kommt der Facharzt für Allgemeinmedizin noch heuer und wie wichtig ist die Umsetzung aus Ihrer Sicht?
Der Facharzt für Allgemeinmedizin wird wahrscheinlich 2022 kommen. Es gibt eigentlich niemanden mehr, der diese Aufwertung der Hausärzte nicht will. Das ist eine Wertschätzung der Berufsgruppe, wird allein aber zu wenig sein.
Was erwarten Sie sich von den aktuellen Vertragsverhandlungen zwischen Ärztekammer und ÖGK?
Die besten Ergebnisse! Bekannt ist mir der Leistungskatalog, den sich die ÖAK überlegt hat. Das ist kein Honorar-, sondern wirklich nur ein Leistungskatalog. Die Systempartner werden die Inhalte jetzt miteinander besprechen. Das Ziel des gemeinsamen Leistungskatalogs besteht darin, eine große Basis von gemeinsamen Leistungen zu haben, die aber im Kleinen da und dort unterschiedlich honoriert werden können. Das heißt: Regionale Anpassungen soll es geben dürfen. Beispielsweise muss der Tiroler Landarzt, der in einer Skiregion ordiniert, gipsen können, nicht aber der Wiener Allgemeinmediziner.
Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie generell bei den Honoraren?
Der bisherige Honorarkatalog mit seinen vielen Einzelleistungen ist nicht mehr zeitgemäß. Künftig wird man vermutlich auf eine Mischung aus mehr Pauschalen und weniger Einzelleistungen setzen.
Und was erwarten Sie sich von der bevorstehenden Ärztekammerwahl 2022?
Ich erwarte mir faire Wahlen und bin gespannt auf das Ergebnis. Ich glaube, dass der Gesundheitsbereich einem Wandel unterzogen gehört. Was sich lange Zeit nicht verändert, verschlechtert sich. Wir brauchen in Österreich dringend Strukturreformen. Auch hinsichtlich der Abstimmung zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor gibt es immer noch zu viele Reibungsverluste an den Schnittstellen. Aber das ist ein großes Thema, für die Umsetzung braucht man wahrscheinlich zwei Regierungsperioden. Doch man muss damit beginnen. Die Ärztekammer ist dabei ein wichtiger Systempartner.
Mag.a Maria JelenkoBenedikt
(zuerst erschienen auf meinbezirk.at, adaptiert für den HAUSARZT) >
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Am 20. September 2021 ab 18 Uhr laden die Regionalmedien Austria (RMA) gemeinsam mit dem HAUSARZT zu einer zweiten „Runde der Regionen“ zum Thema Pflege. U. a. hat Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein seine Teilnahme zugesagt. Die Podiumsdiskussion kann auf meinbezirk.at/ rundederregionen live mitverfolgt werden. Sie finden online auch den ersten Teil der Diskussion zum Schwerpunkt „Kippt das System der AngehörigenPflege?“ als Video zum „Nachsehen“.

Ärztechef Prof. Dr. Thomas Szekeres im Interview mit HAUSARZT-Chefredakteurin Mag.a Karin Martin.
Unser Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, findet nach einer Pressekonferenz in der ärztlichen Standesvertretung in der Wiener Weihburggasse statt. Nach der Veranstaltung beweist der oberste Ärztechef Ausdauer, als er am Gang immer wieder dieselben Fragen zur COVID-Krise und zu den Impfungen vor einer anderen Fernsehkamera beantwortet. Er meistert es mit Bravour. Chapeau! Unser Versprechen im Anschluss für das HAUSARZTSommergespräch: Wir haben „neue“ Fragen vorbereitet. Bei uns steht die Standespolitik im Fokus. Der Ärztechef lächelt entspannt – und lädt uns ein, im Besprechungszimmer mit ihm Platz zu nehmen.
HAUSARZT: Herr Präsident, zum Thema Corona und Impfungen haben Sie heute schon viele tagesaktuelle Fragen beantwortet. Wir haben eine standespolitische: Die Apotheker sprechen sich regelmäßig dafür aus, ebenfalls zu impfen. Wie sehen Sie das?
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, dass Apotheker impfen. Erstens haben sie das nicht gelernt. Zweitens kann es immer wieder zu Situationen nach Impfungen kommen, in denen man akut medizinisch helfen muss. Dafür ist ein Apotheker sicher nicht die richtige Person und die Apotheke nicht der richtige Ort. Wir haben in Österreich fast 48.000 Ärztinnen und Ärzte, die alle impfen dürfen. Das sind ausreichend, um auch in kurzer Zeit große Teile der Bevölkerung zu immunisieren. Ich sehe also die Notwendigkeit nicht. Ganz im Gegenteil, ich halte es sogar für gefährlich, Apotheker impfen zu lassen.
Aber in einigen Nachbarländern funktioniert das Impfen in Apotheken schon gut. In München will man damit noch heuer starten …
Aus medizinischer Sicht ist die Aufklärung rund um die Anwendung einer Impfung ganz wichtig. Auch dafür haben Apotheker die Ausbildung nicht. Sie sind gefragt, wenn es z. B. um Medikamentenfragen geht. Die Anwendung einer Impfung in der Apotheke ist bei uns weder aus Kapazitätsgründen notwendig noch sinnvoll.
Umgekehrt sind vielen Apothekern die ärztlichen Hausapotheken ein Dorn im Auge. Die ärztliche Standesvertretung fordert eine Ausweitung des Dispensierrechts für niedergelassene Ärzte. Warum soll das dann gerechtfertigt sein?
Die Hausapotheken werden von den Patienten sehr gut angenommen. Wir wissen das aus Umfragen. Es erspart dem Patienten den Weg in die Apotheke, wenn er das benötigte Medikament direkt beim Arzt erhält. Aus unserer Sicht macht es daher Sinn, wenn man hier großzügiger ist und das Dispensierrecht ausdehnt bzw. Restriktionen aufhebt.
Im Regierungsprogramm steht, dass nicht ärztliche Berufe aufgewertet werden sollten. In welchen Bereichen wäre das denkbar?
Ich weiß nicht, was sich die Regierung unter einer Aufwertung der nicht ärztlichen Berufe vorstellt. Sie sind ja schon aufgewertet. Aber ein ganz wichtiger Ansatz wäre schon, mehr Ausbildung anzubieten, z. B. in der Intensiv- oder Anästhesiepflege. In Pandemiezeiten hat sich gezeigt, wie wesentlich es ist, entsprechende Initiativen zu setzen. Auch weil die Menschen älter und kränker werden, werden sie in Zukunft wesentlich mehr Hilfe diesbezüglich benötigen.
Für viel Aufruhr in der Ärztekammer hat jüngst eine ÄrztegesetzNovelle gesorgt. Inwiefern ist davon auch die niedergelassene Kollegenschaft betroffen?
Der niedergelassene Bereich wird potenziell davon berührt, dass in Zukunft das Gesundheitsministerium die Qualitätssicherung übernehmen soll. Bisher hat es keine gemeinsamen Gespräche gegeben, man ist über die Ärzteschaft einfach drübergefahren. Das ist nicht nachvollziehbar. Zumal die Qualitätssicherung sehr gut funktioniert!
Besteht die Chance, dass die Gesetzesnovelle noch rückgängig gemacht bzw. entschärft wird? Als Kritik am aktuellen Modell kam wiederholt auf, die Ärzte würden sich selbst kontrollieren …
Ja, es wird noch Gespräche mit den Verantwortlichen im Ministerium – einschließlich dem Herrn Bundesminister – geben. Ich gehe nicht davon aus, dass sie im Gesundheitsministerium ernsthaft Interesse daran haben, die Qualitätssicherung selbst zu übernehmen. Wir werden sehen, ob wir gemeinsam eine Lösung finden. Die Frist geht bis
2024. Im wissenschaftlichen Beirat, der die Vorgaben für die Qualitätssicherung macht, sind Ärzte und die Kammer ja nur als Minderheit vertreten.
Aktuell laufen Vertragsverhandlungen mit der ÖGK. Was möchten Sie unbedingt für die Kassenärzte erreichen?
Für uns ist es wesentlich, dass man den niedergelassenen Bereich attraktiver gestaltet. In manchen Bereichen haben wir wirklich große Schwierigkeiten, Bewerber zu finden. Außerdem fordern wir schon die längste Zeit 1.300 zusätzliche Kassenstellen in Österreich, um den niederschwelligen Zugang zur Kassenmedizin zu erleichtern und Leistungen auch verbreitet anbieten zu können. Es gibt viele Leistungen, die im niedergelassenen Bereich gar nicht angeboten werden, etwa Nuklearmedizin, um nur ein Beispiel zu nennen.
Bei Hausärzten ist z. B. nicht mal die Sonografie im Leistungskatalog enthalten …
Ja, auch bei den Allgemeinärzten gehören die Leistungen ausgeweitet, aber das passiert nicht. Zur Aufwertung der Hausärzte soll zudem der Facharzt für Allgemeinmedizin beitragen. Die Umsetzung wird im Regierungsprogramm angekündigt. Ich hoffe, sie erfolgt auch tatsächlich.
2022 ist Ärztekammerwahl. Sie werden wieder kandidieren?
Ich gehe davon aus, dass ich kandidieren werde, ja.
Was wird bei dieser Wahl anders sein, was erwarten Sie sich davon?
Ich hoffe, es wird nichts anders sein. Ich hoffe, dass wir die Wahl ganz normal durchführen können und es nicht wieder zu einer aufflackernden Pandemie kommt. Falls doch, bestünde die Möglichkeit, die Briefwahl verstärkt zu nutzen.
Einige hohe Funktionäre werden altersbedingt nicht mehr kandidieren. Gehen Sie von einem Generationenwechsel innerhalb der Kammer aus?
Das weiß ich noch nicht, wer in Pension geht (lacht). So wie in der Ärzteschaft insgesamt, haben wir natürlich auch unter den Funktionären viele aus der Babyboomer-Generation, die nun ins Pensionsalter kommen. Daher muss man in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass Nachwuchs nachkommt. Wir müssen die Jungen motivieren, sich zu engagieren.
Wird sich ein bundesweit einheitliches Honorarsystem durchsetzen?
Erstmals ist es nun gelungen, einen österreichweiten Leistungskatalog zu erstellen. Das hat mit den Honoraren nichts zu tun. Diese müssen extra verhandelt werden – wie schon in der Vergangenheit. Hier wird sich ein bundeseinheitliches System deshalb nicht durchsetzen, weil es regional unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt, die es zu berücksichtigen gilt. Je nachdem, ob sich eine Ordination in der Großstadt oder in einer ländlichen Gegend befindet, sind allein die Kosten für Miete und Personal sehr unterschiedlich. Wichtig ist uns z. B. auch, dass die Honorare von Hausärzten, Kinderärzten
und Gynäkologen an jene der anderen Fachgruppen angeglichen werden. Da gibt es große Unterschiede.
Auch Frauen sind unter den hohen Funktionären rar …
Die Ärzteschaft ist weiblicher geworden. Wir haben mittlerweile ca. 50 % Frauen. Der legitime Wunsch nach Familie und Kindern lässt sich nicht immer so leicht mit dem intensiven „Ich gehe davon aus, dass Beruf einer Kas senärztin oder ei ich bei der Ärztekammer- ner Spitalärztin mit wahl 2022 wieder kandi- vielen Nachtdiensdieren werde.“ ten vereinbaren. Prof. Dr. Thomas Szekeres Deshalb braucht es Teilzeitmodelle. Es muss Wege geben, um Familie und Beruf – und eventuell noch Standespolitik – unter einen Hut zu bringen.
Die Spitalsärzte gewinnen innerhalb der Kammer immer mehr an Bedeutung. Mittlerweile fühlen sich Niedergelassene oft ein wenig wie „Stiefkinder“…
Die Spitalsärzte haben tatsächlich eine wichtigere Funktion bekommen. War die Kammer vor zwanzig Jahren vorrangig für die Niedergelassenen da, so ist sie inzwischen für angestellte Ärzte ebenfalls ein wichtiges Vertretungsgremium. Beispielsweise ist es uns gelungen, in den letzten Jahren die Gehälter österreichweit massiv anzuheben. Trotzdem glaube ich, dass es uns gelingt, heute sowohl die Interessen der Spitals- als auch die der niedergelassenen Ärzte gut zu vertreten.
Bei den Kammerwahlen gibt es immer mehr kleine Fraktionen. Wie sehen Sie diesen Trend?
Wir hatten während der letzten zehn Jahre schon viele wahlwerbende Gruppierungen. Auch viele kleine, weil es teils divergente, aber teils auch differente Interessen von niedergelassenen und angestellten Ärzten, von Fachärzten und Allgemeinmedizinern usw. gibt. Und da muss es uns gelingen, einen gemeinsamen Nenner zu finden, um alle Ärztegruppen gut zu vertreten. Ohne Koalitionen würde man heute keinen Präsidenten wählen können oder keine Präsidentin.
Das Interview führte Mag.a Karin Martin.
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X HAUSARZT-Buchtipps
Im Verlagshaus der Ärzte sind zwei Bücher erschienen, die auf beliebten Veranstaltungsreihen der Wiener Standesvertretung für Ärztinnen und Ärzte basieren. Die Neuerscheinungen richten sich auch an Laien. Das Urteil der Chefredaktion: sehr empfehlenswert.
Med-Kitchen. Gesund & Genuss
Von Alexandra Wolffinger, Oliver Helk
Auf den Spuren der alten Heilkunst in Wien
Von Bibiane KrapfenbauerHorsky, HansPeter Petutschnig aerzteverlagshaus.at

Im lockeren Sommergespräch (v. l. n. r.): Apotheker-Chefin Mag.a Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr, Pressereferent Wolfgang Müller, MA, MSc und HAUSARZT-Chefredakteurin Mag.a Karin Martin.
Der Empfang in der Apothekerkammer an diesem heißen Sommertag in der Wiener City ist sehr herzlich: Bei Kaffee und Torte nimmt sich Präsidentin Mag.a Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr viel Zeit, uns aktuell brisante standes- und gesundheitspolitische Fragen in entspannter Atmosphäre zu beantworten.
HAUSARZT: Frau Präsidentin, der VfGH hat den Apothekern jüngst Recht gegeben, dass Arzneimittel in die Apotheke gehören. Welche Bedeutung kommt dem aus standespolitischer Sicht zu?
Mag.a Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr: Ein Drogeriemarkt ist hier Kläger gewesen. Die Geschichte hat sich Jahre hingezogen. Jetzt ist die Entscheidung gefallen, dass Arzneimittel in die Apotheke gehören. Das ist wichtig für die Bevölkerung, für die Arzneimittelsicherheit und für uns.
Wie stehen Sie dann dazu, dass die Ärztekammer eine Ausweitung des Dispensierrechts fordert?
Wir haben in Österreich eine flächendeckende Versorgungsstruktur – mit über 800 Hausapotheken. Auf europäischer Ebene sind es insgesamt rund 1.500. Wir sind also hervorragend versorgt. Es ist – wie es ist – okay. Eine Ausweitung braucht es nicht.
Dafür wirbt die Apothekerkammer fürs Impfen in Apotheken …
Mit unserer großen Kampagne „Wir sind da“ wollten wir zeigen, dass wir immer zur Verfügung stehen, wenn man uns braucht. Wir sind und fühlen uns verpflichtet, die Apotheken immer offen zu halten. Das Impfen in Apotheken ist kein Werbethema, sehr wohl aber ein strategisches Angebot zur Erhöhung der Durchimpfungsrate der Bevölkerung. Und natürlich ist es auch ein inhaltliches Thema, in Europa wird immer häufiger in Apotheken geimpft. Deshalb bieten wir standardisierte Impffortbildungen an. Mittlerweile haben etwa 1.000 Apotheker in Österreich eine solche absolviert.
D. h., Sie befürworten jedenfalls das Impfen in Apotheken?
Egal, ob es sich um das Gesundheitsministerium, um Landesgesundheitsreferenten, das IHS oder andere Gremien handelt: Es gibt ein gemeinsames Commitment, dass es für alle Menschen ein möglichst niederschwelliges Impfangebot geben soll. Das steht schon im Regierungsprogramm. Neu ist, dass während der COVID-Pandemie immer mehr Länder beim Impfen zusätzlich auf Apotheker setzen. Unter klinischer Begleitung wird evaluiert, wie sehr man dabei dem Anspruch des niederschwelligen Impfens gerecht wird. Dadurch kommt das Thema natürlich auch bei uns immer wieder auf – und wir bereiten uns vor. Bei den niederschwelligen Testangeboten waren wir ja an vorderster Front und konnten so, in Kooperation mit den Ländern, viele weiße Flecken in Österreich schließen.
Ist schon absehbar, wie lange in Apotheken noch getestet wird?
Wir haben die rechtlichen Voraussetzungen für Gratis-Antigentests und Gratis-PCR-Tests in Apotheken bis Ende des Jahres. Die Kommunen wollen sich mit ihren Testangeboten zurückziehen, in den Apotheken werden Tests im Regelbetrieb angeboten. Das bringt den Menschen Sicherheit und entlastet die Kommunen.
Im Regierungsprogramm steht auch die Aufwertung der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe. Was wünschen sich die Apotheker diesbezüglich?
Es geht im Wesentlichen um drei Säulen: Prävention, Gesundheitsberatung und -betreuung sowie Pflege. Apotheker sind nicht nur Arzneimittel-Versorger, sondern sie können auch im Dienstleistungssektor viel übernehmen, und hier wollen wir in Zukunft versorgungsrelevant Fuß fassen.
Welche Rolle spielen die Apotheker in der Prävention und Gesundheitsberatung ?
Eine wichtige. Wir können z. B. vorscreenen. Ein Drittel der Bevölkerung geht nicht zum Doktor, aber zu uns kommen sie. Eine gute Beratung ist rund um die Selbstmedikation notwendig. Bei Gesundheitsfragen oder -problemen sind wir eine Art von Lotsen. Wir schicken Personen, die rein auf Selbstmedikation setzen, gegebenenfalls zum Arzt, damit dieser früh eine Diagnose stellen und eine Therapieentscheidung treffen kann. Die Apotheker sind die häufigsten Zuweiser zu den Ordis!
Das dritte Standbein – die Pflege: Was kann die Apotheke in diesem Bereich tun?
Wir optimieren z. B. die Arzneimittelversorgung der betreuten Patienten. Regional kooperieren wir mit unterschiedlichen Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz, Hilfswerk und so weiter. Und wir schauen dann im Einzelfall, welche Unterstützung die Pflege braucht. So gibt es etwa Projekte, bei denen Pflege, Arzt und Apotheker gemeinsam versuchen, die Arzneimittelkombinationen der Patienten zu optimieren.
Im elektronischen Bereich ist in der Coronakrise viel vorangegangen …
Ja, alles, was digital umgesetzt wurde, war ein Musterbeispiel für die Kooperation zwischen Sozialversicherung, Apothekern und Ärzten: papierlose Rezepte, E-Medikation, E-Impfpass … Die Software war noch nicht richtig erprobt, die Usability oft schwierig, aber wir haben es „Apotheken sind ja Primär- geschafft und regiversorger, Erstversorger, onal sehr intensiv erste Anlaufstellen. In Zukunft wird es Spezializusammengearbeitet, um die Patienten gut papierlos sierungen und zusätzliche zu versorgen. Auf
Angebote geben.“ Projektebene wird
Mag.a Dr.in Ulrike MurschEdlmayr jetzt daran gearbeitet, die Usability, z. B. von Sicherheitschecks und Medikamentenanalysen, weiter zu verbessern. Auch der E-Impfpass muss noch mit Leben erfüllt werden. Patienten können sich ihn – ebenso wie die EUZertifikate – sowohl beim Arzt als auch in der Apotheke ausdrucken lassen. Das läuft alles über die Sozialversicherungsnummer – ebenso wie die Teststrategie. Mit diesen digitalen Anwendungen sind wir europaweit Meister. Sie sind hochtransparent.
Sind die Apotheken ausreichend in die Primärversorgung integriert?
Apotheken sind ja Primärversorger, Erstversorger, erste Anlaufstellen. In Zukunft wird es Spezialisierungen und zusätzliche Angebote geben. Schon jetzt existieren viele sehr unterschiedliche Modelle in den Bundesländern, zum Beispiel, dass eine Wundschwester einmal wöchentlich den Patienten in der Apotheke zur Verfügung steht. Wichtig ist, die Angebote an die regionalen Bedürfnisse anzupassen.
Bei den Primärversorgungseinrichtungen sind die Apotheker nicht im Inner Circle …
Leider. Aber es gibt PVE direkt neben Apotheken, da ist die Zusammenarbeit genial. Wer in einer PVE arbeitet, hat in der Regel keine Berührungsängste. Interdisziplinarität ist das Um und Auf. Die Wege sind kurz, man kann zum Beispiel Polymedikationsthemen gemeinsam besprechen. Besonders junge Ärzte sind dankbar für den Support.
Gibt es auch bei den Apothekern Nachwuchsprobleme wie bei den Ärzten?
In den Universitätsstädten haben wir wenig Nachbesetzungsprobleme, auf dem Land schon auch.
2022 ist Apothekerkammerwahl – werden Sie wieder kandidieren?
Zunächst wird sich ab dem Herbst entscheiden, wie die Teams der Zukunft aussehen. Ich wünsche mir ein gutes Gesamtsetting, um gemeinsam kraftvoll agieren zu können. Dann könnte ich mir auch vorstellen, wieder als Präsidentin zur Verfügung zu stehen.
Das Interview führte Mag.a Karin Martin.
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