alpenblick, Ausgabe 3/2022

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Natur / Umwelt / Kultur

Der Wildfluss Lech. Foto: unsplash/Alina Anders

Einzigartige Heiden im Alpenvorland Der Lech als vielfältige aber zunehmend bröckelnde Biotopbrücke von Meriem Abbes Die alpinen Flussschotterheiden gehören zu einer der artenreichsten Vegetationen und Lebensräume im mitteleuropäischen Raum. Ihre einzigartige Brückenfunktion schaff t geeignete Bedingungen für die Ausbreitung verschiedenster, speziell für diesen Lebensraum angepasster, Arten. Trotz der in Europa einzigartigen und vielfältigen Artenvielfalt ist die ökologische Verbundfunktion stark eingeschränkt und durch wasserbauliche Maßnahmen gestört. Die Regulierungen durch menschliche Hand führen zu dem Verlust vieler Lebensräume und rauben dem Wildfluss zunehmend seine, über die Jahrtausende entwickelte, Artenvielfalt.

Kreuz-Enzian. Foto: Eberhard Pfeuffer

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Die Entstehungsgeschichte der Flussschotterheiden In den drei flachen Schotterkegeln bei Hurlach, Augsburg und Thierhaupten liegen die Talbereiche mit ihrem geringen Gefälle. An diesen drei Orten neigt der Lech zu ausgeprägten und wilden Verzweigungen und pendelte in den letzten Jahrtausenden weiträumig hin und her. Dies verlieh dem Lech seinen Ruf des unberechenbaren, tosenden und grollenden Wildflusses. Es entstanden immer wieder neue Rinnen und größere Flussschlingen, stetig veränderte der Fluss sein Gesicht. Durch das sich beständig ändernde breite und flache Flussbett, beeinflusst durch den schwankenden periodischen Hochwasserspiegel, bildeten sich im Laufe der Zeit tiefe Mulden. Schließlich entstanden über Jahrtausende hinweg die heute als artenreich geltenden Kiesund Sandbänke. Auch wenn die Dynamik auf den ersten Blick für ein artenreiches Leben ungeeignet erscheint, hat keine andere Flusslandschaft eine zentralere Bedeutung für die Wander- und Ausbreitungsroute der Pflanzen- und Tierwelt als das Lechtal. In seiner spät-

glazialen (ca. 14.000 bis 10.000 v. Chr.) sowie postglazialen (seit ca. 10.000 v. Chr.) Entwicklung, verlagerte sich der Lech immer weiter nach Osten, allein in den letzten 700 Jahren um dreieinhalb Kilometer. Die entstandenen Trockenstandorte, mit den charakteristischen metertiefen Schotterablagerungen, waren nun unbeeinflusst von Überschwemmungen durch periodisches Hochwasser und ermöglichten der Flora eine artenreiche und einzigartige Evolution. Genau dort haben sich über Jahrtausende Spezialisten der Tier- und Pflanzenwelt an die vorherrschenden Bedingungen angepasst und breiteten sich nach der Eiszeit auf den Offenlandstandorten vom Mittelmeer, dem Balkan sowie entlang des Lechs in Richtung Alpen und Jura aus. Einzigartige Biodiversität und vielfältiges Artenaufkommen Mit der Entstehung der großflächigen Schotterfelder, wuchs auch das Angebot von trockenresistenten Flächen, die seit jeher eine geeignete Ausbreitungsroute für Pflanzen im Lechtal darstellten. Auf diesem Weg gelang es alpinen Schwemmlingen in der eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Florenentwicklung sich Richtung Norden auszubreiten. Dadurch wanderten die angepassten Pflanzenarten mit der Zeit immer weiter flussaufwärts. Damit bildete das Lechtal eine

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14.06.2022 11:33:24


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