Thun-Magazin Nr. 6, November 2021

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KUNST

Wenn die Zeit Form annimmt Der Thuner Bildhauer Martin Bill schafft seit vielen Jahren Skulpturen aus Holz. Es sind grosse, geschwungene Gebilde, filigran und doch robust. Ab 5. Dezember stellt er die neusten Werke in der Kunstgalerie Hodler aus.

Unverkennbar sind sie, Martin Bills Skulpturen. Sie sind wellenförmig, jedes Werk auf ganz eigene Weise. Manche muten an wie ein mäandernder Fluss, andere wie ein gerafftes Tuch. Durch die geschwungene Form wirken sie bewegt und fliessend – wie die Zeit, das Haupt­ thema der Werke Bills. «Zeit schreitet voran und fliesst, und zwar eigentlich für alle gleich, aber doch für jeden anders», sagt der Bildhauer. «Je nach Situation vergeht sie manchmal schneller, manch­ mal langsamer.» Zeit sei auch Leben und dieser Lebensfluss habe Höhen und Tiefen. Diese fliessende, wellenför­ mige Eigenschaft der Zeit bildet er in seinen Werken ab.

Spuren der Zeit Martin Bill erschafft vorwiegend Stelen und Wandskulpturen, allesamt aus Holz. Das ist sein Element. «Ich mag die Wärme, die Holz ausstrahlt, und die Be­ schaffenheit. Jedes Holz reagiert an­

ders, wenn ich es bearbeite.» Dabei lo­ tet er aus, wie fein er das Holz bearbei­ ten kann, ohne dass es bricht. Bei jeder Skulptur beginnt er mit der Kettensäge und verfeinert dann mit Meissel und Hammer und schliesslich mit der Raspel. Nur selten schleift er die Oberfläche glatt, die Spuren der Raspel bleiben meist sichtbar. «Sie sind Spuren meiner Zeit, die ich in das Werk gesteckt habe», führt er aus.

Über 50-jähriges Schaffen Die Schaffenszeit des Thuners ist lang. Bereits während der Lehre zum techni­ schen Modellbauer schuf der heute 74-Jährige erste Skulpturen. Später war er selbstständiger Architekturmodell­ bauer und widmete sich seiner Leiden­ schaft zum Bildhauen nebenher. Aus­ serdem fertigte er Surfbretter an – eine erste Annäherung an geschwungene Formen aus Holz. Seinen künstlerischen Ausdruck prägte auch die Passion fürs

Bilder: Die Wellenform ist ein wieder­kehrendes Motiv in Martin Bills Holzskulpturen.

Windsurfen. Er war einer der ersten Windsurfer auf dem Thunersee. «Auch deshalb faszinieren mich fliessende For­ men und Wellen», sagt er. Seit 2011 ar­ beitet Martin Bill hauptberuflich als Holzbildhauer. Dabei hat er sich auch international einen Namen gemacht. Er stellt in verschiedenen Ländern rund um den Globus aus und besucht Bild­ hauersymposien und -festivals. Vom 5. Dezember bis Mitte Januar zeigt Martin Bill seine neusten Skulptu­ ren in der Kunstgalerie Hodler in Thun. Ausserdem ist im Oktober das Buch «Spuren in Holz» über ihn erschienen. Er und Weggefährten blicken darin zurück auf sein Wirken – sein bisheriges Wirken, denn Martin Bill bleibt im Fluss. Text: Cilia Julen Bilder: zvg

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