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Spital STS AG: Interview
«Wir sind ein Spital mit Drive»
Bruno Guggisberg ist seit elf Jahren CEO der Spital STS AG. Nebst Sanierungsprojekten, Kostendruck, Fachkräftemangel und dem Dossier SimmentalSaanenland war die CoronaKrise bisher die grösste Herausforderung. Guggisberg blickt aber positiv in die Zukunft.
Bruno Guggisberg, Sie sind nach Ihrer Ausbildung direkt ins Gesundheitswesen eingestiegen. Was reizte Sie daran?
Es ist eine hochinteressante Branche und eine Aufgabe mit sehr viel Sinngebung. In einem Akutspital ist man nahe am Leben – Freud und Leid sind eng beieinander. Jeden Tag gibt es Todesfälle – aber auch Geburten. Als CEO ist man zwar der Chef der Geschäftsleitung – aber die Musik machen die anderen, die Pfleger, Ärztinnen und Therapeuten.
Wie sehen Sie Ihre Rolle? Meine Rolle ist es, gute Rahmenbedingungen für die Spital STS AG und alle Mitarbeitenden zu schaffen. Ich habe die Aufgabe, eine gute Verbindung zum Verwaltungsrat sicherzustellen, das Spital gegen aussen zu vertreten und in Krisensituationen die Führung zu übernehmen.
Wie in der Corona-Pandemie. Wie ha-
ben Sie diese gemeistert? Ob eine Organisation funktioniert, merkt man nicht, wenn die Sonne scheint – sondern in Krisenzeiten. Ich darf rückblickend sagen, dass wir einen guten Job gemacht haben. Wir konnten die Erwartungen weitgehend erfüllen. Nicht zuletzt dank der Flexibilität aller Mitarbeitenden. Das funktioniert nur als Team.
Was waren die grössten Herausforde-
rungen? Wir hatten keine Erfahrung mit dieser Art von Krise. Dementsprechend brauchte es eine Lernkurve. Anspruchsvoll zu handhaben waren vor allem die Ungewissheit in Bezug auf die Krankheit und die Entwicklung der Pandemie. In der ersten und zweiten Welle mussten dann Operationen umdisponiert und verschoben werden. Das war mehr als herausfordernd – in allen Belangen. Sicher auch für das Personal. Die Belastung für das Personal war gross. Wir haben zwei CovidStationen eröffnet, die doppelt mit Personal bestückt werden mussten. Unsere Leute mussten sich von einem Tag auf den anderen anpassen und dort arbeiten. Sie waren es nicht gewohnt, Patientinnen mit einer hochansteckenden Krankheit zu pflegen. Da war verständlicherweise viel Unsicherheit. Aufgrund der hohen Arbeitspensen wurden die Mitarbeitenden auch müde. Zum Glück konnten sie sich im Sommer wieder etwas erholen.
Wie hat sich die Krise finanziell ausge-
wirkt? Wenn man so lange nicht operiert, fehlen Millionen. Zum Glück sind wir finanziell aber gut aufgestellt, ausserdem hat der Kanton den Spitälern einen Grossteil der Ausfälle und Mehrkosten 2020 entschädigt.
A propos Finanzen: Regionalspitäler geraten mehr und mehr unter Druck. Wie begegnen Sie dem Kostendruck?
Um wirtschaftlich als Spitalbetrieb überleben zu können, braucht es eine kritische Grösse. Und die haben wir. Mit über 2000 Mitarbeitenden, zwei SpitalStandorten, zahlreichen Kliniken und 10000 Operationen pro Jahr sind wir ein relativ komplexes Unternehmen. Nach dem Inselspital sind wir das zweitgrösste öffentliche Spitalunternehmen im Kanton Bern. Das verpflichtet: Wir wollen einen guten Job machen. All unsere Patienten sollen zufrieden sein und bestmöglich versorgt werden, auch bei komplexen Problemen. Nur das zählt.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Patientenwohl?
Wichtig ist es, Fehlanreize zu eliminieren, also zum Beispiel Modelle zu vermeiden, in denen der Arzt mehr verdient, wenn er mehr operiert. Ganz wichtig ist die strikte Trennung zwischen Geschäftsführung und Ärzteschaft. Wir lassen diese und die Pflege ihren Job machen und reden ihnen nicht ins Tagesgeschäft. Sie tun genau das, was medizinisch angezeigt ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Qualität, an der wir laufend arbeiten.
Die Grundversorgung im Spital Thun macht zwei Drittel aus, ein Drittel ist Spezialversorgung. Wie stark spüren Sie den Trend hin zur Spezialisierung? Die hochspezialisierte Medizin ist sinnvollerweise zentralisiert, im Kanton Bern im Inselspital. Hier geht es um hochkomplexe Eingriffe wie Operationen am offenen Herzen oder am Kopf. Das können und müssen wir nicht anbieten. Allein mit der Grundversorgung kann das Spital Thun jedoch nicht überleben. Deshalb bieten wir auch spezialisierte, überregionale Versorgung an. Wenn künftig der Raum Berner Oberland nicht mehr in Ost und West getrennt wäre, hätte man ganz andere Fallzahlen, mehr Volu
Zur Person
Bruno Guggisberg ist 1962 in Ostermundigen geboren. Nach der KVLehre sowie der Ausbildung an der HFW und dem MBA in Integrated Management war er in verschiedenen leitenden Funktionen im Gesundheitswesen und in der Privatwirtschaft tätig. Seit 2011 ist er CEO der Spital STS AG. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Er wohnt in Münsingen. men und im Bereich Spezialversorgung mehr Möglichkeiten, um Spezialisten ins Oberland holen zu können.
Damit sprechen Sie den Fachkräftemangel an. Wie holen Sie die guten Leute
nach Thun? Im Vergleich zu den Unispitälern fehlt natürlich der Strang der Forschung. Aber wenn ich sehe, welch kompetente Leute bei uns arbeiten, zeigt das, dass wir ein spannendes Umfeld und attraktive Angebote haben, eben auch dank der Spezialversorgung und flexibler Arbeitsmodelle. Die Vorteile eines «kleineren» Spitals sind die kurzen Wege und dass wir manche Dinge schneller umsetzen können. Etwa im Bereich Krankenhausinformationssystem.
Und Thun ist ein schöner Wohnort. Klar, die Wohn und Lebensqualität von Thun hilft uns bei der Rekrutierung. Wir investieren zudem viel in die Ausbildung, viele Pflegefachpersonen und Ärztinnen kehren zu uns zurück. Wir sind ein Spital mit Drive.
Sie haben in den letzten Jahren 160 Millionen Franken investiert in Infrastruktur und Medizintechnik. In diesem Zusammenhang fiel der Satz «man müsse das Spital neu denken». Was heisst das?
Bild linke Seite: Bruno Guggisberg auf dem Dach des Spitals Thun. Bild unten: Rund 160 Millionen Franken hat die STS AG in den letzten zehn Jahren in Infrastruktur und Medizintechnik investiert. Zum Beispiel in den neuen Operationssaal. Erstens, dass wir wirtschaftlich noch besser werden müssen. Zudem wird die Medizin immer ambulanter, die Patienten übernachten immer weniger. Das braucht ganz andere Prozesse. Drittens: Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten. Der vierte Strang sind die Patienten: Sie sind mündiger – heute ist die Begegnung auf Augenhöhe, sie kommen gut vorbereitet zu uns, wissen, was sie wollen. Das Halbwissen von Dr. Google macht es aber nicht immer einfacher.
Was haben Sie noch vor mit der Spital
STS AG bis zur Pensionierung? In der Unternehmensstrategie haben wir zahlreiche Pflöcke eingeschlagen für die kommenden fünf Jahre. Da will ich gerne das eine oder andere noch umsetzen. Leider stockt das Dossier SimmentalSaanenland noch immer. Gespräche mit dem Kanton und der Region sind aktuell intensiv am Laufen. Wenn ich in diesem politischen, hochemotionalen und komplexen Geschäft einen Beitrag leisten kann, freut mich das. Wichtig finde ich auch, dass ich das Spital gut aufgestellt übergeben kann.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie be-
züglich der Pandemie in die Zukunft? Relativ optimistisch. Wenn die Impfquote weiter steigt, glaube ich, dass wir die Sache langsam in den Griff kriegen. Zudem sind wir in den Spitälern vorbereitet. Die Krisenstäbe funktionieren. Das Virus wird uns sicher weiter beschäftigen, aber wir haben gelernt, damit zu leben.
Interview: Simone Tanner Bilder: Erich Häsler und Spital STS AG
