Paracontact Herbst 2021_d

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WIR BEWEGEN

IM GEDENKEN AN

Werner Waldispühl

Als erster und langjähriger Zentralsekretär der SPV prägte Werner Waldispühl den Dachverband und die Situation von Para- und Tetraplegikern in der Schweiz wie kein zweiter. Am 4. Juni 2021 ist er im Alter von 84 Jahren verstorben. Nachruf von Guido A. Zäch

Werner Waldispühl ist am 20. Oktober 1936 in Kriens geboren und wuchs dort mit vier Geschwistern auf. Nach der Schulzeit per­ fektionierte er in der Romandie seine Fran­ zösischkenntnisse. Er schloss mit Erfolg seine Ausbildung als Kaufmann ab. Es folg­ ten Aufenthalte in Chiasso und London zur beruflichen Weiterbildung. Der damals 26-jährige Oberleutnant erlitt wenige Tage vor Eintritt in die militärische Zentralschule zum Hauptmann einen schick­salshaften Arbeitsunfall. Die dabei

er­littene Stauchung der Wirbelsäule wur­ de in der Uniklinik Zürich abgeklärt. Wer­ ner Waldispühl erinnerte sich genau: Wäh­ rend einer Umlagerung im Bett schoss ein stechender Schmerz von der Verletzungs­ stelle an der Wirbelsäule ausgehend wie ein Blitz durch seine Beine – dann war Toten­ stille, er spürte überhaupt nichts mehr. In­ tuitiv und schlagartig wurde ihm bewusst: die bisher inkomplette Querschnittläh­ mung war jetzt komplett, definitiv, irrever­ sibel. Das war am 4. August 1965. Er be­ schrieb das selber so: «Der Bruchteil einer

Sekunde genügte, ein Leben grundlegend zu ändern, gesteckte Ziele aufzugeben, Plä­ne zerrinnen zu lassen.» Sein erster Ge­ danke galt seiner jungen Gattin Monika, seiner 13 Monate alten Tochter Andrea und dem Sohn Philipp, der vor vier Wochen zur Welt gekommen war. Seine Familie brauchte ihn. Er wollte für sie da sein. Die­ ses Ziel verfolgte er mit Zuversicht und Ausdauer. Nach mehrmonatigem Aufenthalt im Bal­ grist wurde er trotz Querschnittlähmung ohne Rollstuhl entlassen. Um zur Woh­ nung zu gelangen, musste er zwei Treppen überwinden, mit Schienen und Stöcken oder auf einem Badetuch rutschend sich fortbewegen. Das war damals üblich, weil die IV gemäss Gesetz erst Hilfsmittel finan­ zieren durfte, wenn jemand über ein Jahr als invalid galt. Die Konstruktion des not­ wendigen Rollstuhls musste bei einem Ve­lo­mechaniker auf private Kosten in Auf­ trag gegeben werden. Zur Überbrückung lieh ihm sein Freund Toni Lustenberger ei­ nen seiner Rollstühle. Ebenso erfolgte der Umbau des Autos auf Handbetrieb zur Überwindung des Arbeitsweges in einer Spezialwerkstatt. Weil er seine bisherige Tä­tigkeit als Speditionskaufmann nicht mehr ausüben konnte, setzte er seine be­ rufliche Laufbahn bei der Luzerner Kan­ tonalbank in Kriens fort. Gründerväter Zusammen mit seinen Freunden im Roll­ stuhl, Toni Lustenberger und Ernst Michel, bildete dieses Trio den Kern des 1966 ge­ gründeten Rollstuhlclubs Kriens (heute

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