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Bauherrenberatung «hindernisfrei Bauen»

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Sophie Gnaegi

Sophie Gnaegi

BEDÜRFNISGERECHTE PLANUNG

Der Bau oder Umbau von Wohnbauten oder Geschäftsimmobilien ist ein komplexes Unterfangen. Wir vom ZHB stehen den Bauherren bei Bedarf beratend zur Seite.

Von Felix Schärer

55Jährige eine Wohnung für ihre Bedürfnisse gestalten lassen. Im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung erteilte ihr das ZHB eine erste Expertise (individuelle Bauberatung). Diese Erstberatung reichte der arbeitstätigen Treuhänderin, die von zu Hause arbeitet, noch nicht und sie erteilte dem ZHB ein Bauherrenberatungsmandat. Dies beinhaltete die Projektbesprechung mit der Wohnbaugenossenschaft, die Fachberatung während der Ausführungsplanung sowie die Baubegleitung und die Schnittstelle zur IV.

Planbesprechung: Theres Rickenbacher lässt sich beraten

Die Bauherrschaft hat sich um vieles zu kümmern. Es sind nicht nur architektonische Sachfragen zu klären, sondern auch juristische oder wirtschaftliche. Bei der Hindernisfreiheit kommt ein architektonischer Bereich hinzu, auf welchem der planende Architekt als Generalist in der Regel kein Experte ist. Um diese Lücke zu schliessen, bietet das ZHB eine Bauherrenberatung «hindernisfrei Bauen» für private Bauherren (Wohnen) sowie auch für Firmen (Arbeiten) an. Die Bauherrenberatung umfasst Dienstleistungen als Mittler zwischen der Bauherrschaft und den Bau planern. Unsere Aufgabe ist es, die Fachkompetenz beider Seiten miteinander zu verbinden und gegenseitig nutzbar zu machen. Was das beinhaltet, erläutere ich anhand zweier Beispiele.

Wohnen

Theres Rickenbacher wohnt in der Innerschweiz. Sie betont, sie fühle sich nicht behindert, sondern werde durch das bauliche Umfeld behindert gemacht. Bereits seit fünf Jahren sucht sie nach einer Lösung, um näher ins urbane Zentrum zu ziehen. Bei der Orthotec liess sie ihr Auto umbauen und hörte dort zum ersten Mal von den Dienstleistungen des ZHB. Im Sommer 2020 nahm sie mit uns Kontakt auf. Im geplanten Haus Abendruh möchte die Dank guten Argumenten kann die Baukommission überzeugt werden, bereits in einer frühen Projektphase die Fachberatung des hindernisfreien Bauens beizuziehen. Man entschliesst sich, zwei Mietwohnungen im MFH mit erhöhten Anforderungen hindernisfrei auszustatten. Die übrigen Wohnungen sind «hindernisfrei anpassbar» geplant. Sie entsprechen der gültigen Norm SIA 500 Hindernisfreie Bauten. Zusätzlich werden die individuellen Bedürfnisse von Theres Rickenbacher aufgenommen und in der späteren Planungsphase berücksichtigt. Dies alles wird an einer Baukommissionssitzung im November 2020 besprochen.

Für die Innerschweizerin ist es nicht das erste Mal, dass sie kämpfen muss. Mehrmals habe sie früher erfahren, dass ihre individuellen Bedürfnisse immer vorschnell mit der Kostenfrage abgetan wurden. Zum ersten Mal hatte die ERollstuhlfahrerin

das Gefühl, ernst genommen zu werden. Die Präsidentin der Wohnbaugenossenschaft, Monika Arnold, habe sich immens eingesetzt und mit Zuzug des ZHB konnte Theres Rickenbacher einen Beitrag leisten, um dem Ziel ihrer hindernisfreien Wohnung näher zu kommen. Ehrlich gesagt, sei sie sehr gespannt auf das Endergebnis!

Für Monika Arnold wäre es toll, wenn die Liegenschaft ein «Haus für alle» wird. Es hat sie begeistert, in der Neubauplanung Wohnungen für Menschen mit Beeinträchtigung zu integrieren. Dafür engagiert sie sich, deswegen ist sie an den Vorstand gelangt. Das Ziel ist es, Menschen in verschiedenen Lebenssituationen ein attraktives und möglichst selbständiges Wohnen in einer schönen Umgebung und Gemeinschaft zu ermöglichen. Wir vom ZHB sind zusätzlich überzeugt, dass die Vermietbarkeit eines hindernisfrei geplanten Objektes besser ist. Ein Mehrwert für alle also.

Arbeiten

Wir erhalten auch Anfragen von Firmen. So beraten wir zurzeit ein technologieund innovationsgetriebenes Unternehmen aus dem Aargau. Dieses beschäftigt ambitionierte Mitarbeitende und hat das Ziel seine Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, indem Chancengleichheit für alle gilt. Der 2018 fertig gestellte Neubau wurde zwar gemäss der relevanten Norm SIA 500 Hindernisfreie Bauten geplant – in der betrieblichen Umsetzung zeigte sich dann nach der Anstellung von Personen im Rollstuhl aber Verbesserungspotenzial bezüglich Hindernisfreiheit. So erhielten wir den Auftrag zur Prüfung des Hauptsitzes, der folgende Punkte beinhaltete: Überprüfung der Zugänglichkeit unter Einhaltung von betrieblichen Konzepten (Sicherheitsstandards), Aufzeigen der Anpass barkeit der Arbeitsplätze; Aufzeigen von Verbesserungspotenzial.

Nachhaltigkeit im Bauen

Sowohl für Wohnbauten als auch für Gewerbe, Industrie und Bürobauten ist die Hindernisfreiheit ein Teil der Nachhaltigkeit. Fortschrittliche Firmen haben dies erkannt und holen sich die nötige Fachunterstützung, um ihre Ziele zu erreichen. Damit werden Menschen mit Behinderungen gegen Diskriminierung geschützt und ihre Inklusion und ihre Gleichstellung in der Gesellschaft gefördert.

Haus Abendruh, Ibach SZ, Wohnbaugenossenschaft St. Martin, Schwyz

Nach dem öffentlichen Auftrag zur Umsetzung von günstigem Wohnraum konnte die Wohnbaugenossenschaft die Gemeinde Schwyz mit ihrem Wohnkonzept überzeugen.

An zentraler Lage und umgeben von Altersheim, heilpädagogischer Schulanlage und Einkaufscenter bildet die Liegenschaft den Übergang zum anschliessenden Wohngebiet. Das Projekt bildet in diesem sozialen Umfeld ein Bindeglied zwischen betreuten, öffentlichen Einrichtungen zum Wohnungsbau. Die Bauherrschaft wollte neben attraktivem und günstigem Mietwohnraum eine weitere fehlende Komponente zur Wohnraumqualität einbinden: das selbstständige Wohnen für Menschen mit Beeinträchtigung.

Diese Aufgabenstellung weckte bei allen Beteiligten die Frage nach dem Umfang respektive der Bedeutung von hindernisfreier Architektur. Welchen Beeinträchtigungen und welchem Behinderungsgrad muss und will man gerecht werden, damit selbständiges Wohnen möglich ist? Diese Fragen und das Verständnis konnten in einem ersten aufklärenden Beratungsgespräch mit Felix Schärer von der SPV und anhand des Fallbeispiels von Frau Rickenbacher angegangen werden und bilden eine fundierte Grundlage für weitere Bauentscheide. Dabei war die gegenseitige planerische Kompetenz der SPV und des Architekten zielführend für das Ergebnis.

Wir als Architekten wurden für ein weiteres Thema der Nachhaltigkeit sensibilisiert und konnten feststellen, dass ohne Einschränkung der Architektur auf Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen eingegangen werden kann und diese auch für Menschen ohne Beeinträchtigung eine Bereicherung sind. Es wurde uns aber auch bewusst, dass es in der Vielfalt der Beeinträchtigungen nicht das einzige abschliessende Rezept gibt. Nachhaltig ist, wenn mit einer fundierten Basis und geringem Mehraufwand auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingegangen wird.

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