KULTUR UND FREIZEIT
PILOTPROJEKT NACH CORONA -PAUSE
Auf zu neuen Ufern Nach 18 Monaten konnte die erste Reise der SPV wieder stattfinden. Eine Gruppe Tetraplegiker fuhr für eine Woche nach Locarno. Von Gabi Bucher
Da stand er endlich wieder, der SPV-Reise bus, zum ersten Mal nach über 18 Monaten, bereit zur Abfahrt. Grosse Vorfreude herrschte, aber auch ein bisschen Nervosi tät. Annullationen, Verschiebedaten, Um buchungen, Vertröstungen waren während der letzten 18 Monate tägliches Brot der Reisefachfrauen gewesen. Nun durfte die Reisesaison 2021 endlich beginnen.
freute sich, endlich wieder unter Leute zu kommen, Marcello wollte einfach nur den Alltag hinter sich lassen und Martin fand, es habe doch auch etwas Gutes, so sei die Reise viel kürzer! «Und die Abwechslung einer solchen Reise ist für mich unbezahl bar.» Spätestens nach dem Bezug der Un terkunft im Tertianum in Locarno waren auch die letzten Vorbehalte verschwunden. So luxuriös habe sie noch nie gewohnt, meinte eine der Begleiterinnen, welche seit 20 Jahren mit dabei ist: Eine richtige Woh nung mit einem Zimmer für den Tetraplegiker und einem für die Begleitperson, «und endlich mal genügend Platz für all das Material, welches wir jeweils mitführen», schwärmte sie.
Die Voraussetzungen stimmten: Alle Reise teilnehmenden hatten ihren PCR-Test ab gegeben, waren vor der Abfahrt nochmals getestet worden und ihre gemessene Tem peratur war auf der Teilnehmerliste ver merkt. Kurz vor 13 Uhr ging es los, nicht Richtung Südtirol wie ursprünglich ge plant, sondern nach Locarno, denn fürs erste Halbjahr hatte die Reiseabteilung für Schulreiseatmosphäre jede Auslandreise eine Alternativ-Reise in Die Teilnehmenden waren alle erfahrene der Schweiz angeboten. Reisende, unkompliziert «und schnell für etwas zu begeistern», stellte Gruppenleiter Hauptsache, weg Bruno Ehrensperger fest. Die gut gelaunte Für Ines war das zwar eine Enttäuschung, Schar erinnerte ab und zu an eine Gruppe sie hatte sich aufs Südtirol gefreut, für Paul Jugendlicher auf Schulreise. Es wurde viel kein Problem, er liebt das Tessin, für Alex gelacht und gescherzt, vor allem im Extra wars eine Reise in seine alte Heimat, Sepp wagen für Rollstuhlfahrer der Monte-Ge
neroso-Bahn. Paul traute zwar den Fixiergurten nicht ganz, Martin fragte sich, ob er den steilen Aufstieg heil überstehen würde, Marcello rief kurz mal «Mamma mia», was Ines zur Bemerkung verleitete, die könne jetzt auch nicht helfen. Sie ihrer seits hoffte, dass dies nun nicht der Mo ment ihres letzten Stündleins sei, und Alex brauchte ein Bier. Aber man merkte, dass die Bahnmitarbeitenden gewohnt sind, mit Rollstuhlfahrern unterwegs zu sein. «Gerade sechs aufs Mal brauche ich aber nicht alle Tage», meinte einer lachend, der beim Fixieren der Stühle ins Schwitzen ge raten war. So ratterten die sechs mit Blick auf die steilen Gleise und schroff runter ins Tal – «und das alles ohne Leitplanken», murmel te Marcello – Richtung Gipfel. «Geschüttelt, nicht gerührt», wie Alex feststellte, wurden sie oben ausgeladen. Im imposanten Res taurant «Fiore di pietra» von Mario Botta wartete die Belegschaft bereits, wies Tische an, half beim Registrieren. Nach der ruhi geren Talfahrt erwartete die allseits beliebte Chauffeuse Marianne Kenel die Truppe und führte sie sicher zurück nach Locarno. Neuanfang Die Reise verlaufe eigentlich wie üblich, meinte Frédéric Stutz, Pflegeleitung der ParaHelp. Einziger Unterschied seien die Masken, allenfalls noch die Tatsache, dass die fixe Sitzordnung und die VierertischRegel beim Essen im Hotel nicht viel Durchmischung in der Gruppe ermögliche. Aber fürs gesellige Zusammensein gab es genug Möglichkeiten während der Woche. Ein guter Start also in eine hoffentlich er folgreiche Reisesaison.
Schulreisestimmung: Mit vereinten Kräften und Spezialwagen auf den Monte Generoso
Paracontact I Herbst 2021
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