GISW 50th Festschrift

Page 30

Kämpfer für die deutsche Kultur: Die DSW setzt Herta und Hugo Müllers Auftrag fort Antje Sina

Abend mit Goldrand. Draußen dämmert es bereits. Irgendwo im Haus tickt eine Uhr. Das Leder des alten Sessels knarzt. Ab und an durchdringt das Blättern einer Buchseite die Stille des Studierzimmers. Herta Müller liebt es, ihre Zeit zwischen all ihren Schätzen zu verbringen. Sie füllen die Wände des gediegenen Wohnhauses am Washingtoner Stadtrand. Auf dunkelbraunen Regalen reihen sie sich dort dicht an dicht bis unter die Decke. Die meisten sorgfältig in braunem Schutzpapier. Andere prächtig in Leder gebunden. Herta Müller ist vertieft in ein schweres Buch mit Leineneinband). Abend mit Goldrand, verrät sein Rücken. Der große Nachkriegsdichter Arno Schmidt nimmt sie gefangen. Als sie kurz aufblickt, begegnet ihr eifersüchtig vom Bord Goethes strenger Blick. Auch er mit Goldrand - auf einem Porzellanteller verewigt. Goethe, ihr Lieblingsdichter. In den Regalen führt er eindeutig das Regiment. Unzählige Stunden haben ihr Mann Hugo und sie mit dem Dichter aus Weimar verbracht. In ihrem Studierzimmer, in zahlreichen Vorträgen an der Georgetown Universität, auf Treffen der amerikanischen Goethe-Gesellschaft, die sie hier nach dem 2. Weltkrieg in Washington mit

aufgebaut haben, als die deutsche Kultur noch in Trümmern lag. Die alte Frau seufzt und widmet sich wieder dem Abend mit Goldrand. "No wise man ever wished to be young again", liest sie in Schmidts Spätwerk. Hat sie sich auch gewünscht, sie wäre noch einmal jung? Lächelnd blinzelt Herta Müller von einem vergilbten schwarz-weiß Foto in den abgetrennten Leseraum der Schulbücherei der DSW. Was sie bei der Lektüre ihrer Bücher gedacht hat, bleibt ihr Geheimnis. Herta Müller ist im Dezember 2006 im Alter von 97 Jahren verstorben. Doch das Inventar des Lieblingsraums aus ihrem großen Haus im Washingtoner Westpath Way hält sie und ihren Mann, den renommierten Germanistikprofessor Hugo Müller, hier lebendig. "Professor Dr. Hugo und Herta M. Müller Bücherei" heißt die Abteilung, in der ihre Bücher, Schriften, Fotos und viele andere literarische Relikte zum Fantasieren über das Ehepaar einladen, das sich über Jahrzehnte in Washington unermüdlich für die deutsche Sprache und Kultur eingesetzt hat. Herta und Hugo Müller hinterließen schließlich der Schule ihre Bibliothek und ein Vermögen von dreieinhalb Millionen Dollar, um diesen Kampf auch nach ihnen fortzusetzen.

Vor ihrem Wohnhaus am Westpath Way und Volkswagen-Käfer in Washington, DC: Professor Dr. Hugo und Herta M. Müller.

28

Fifty Years German School

Eine starke Frau sei sie gewesen, berichten die, die Herta Müller noch gekannt haben. "Sie wusste genau, was sie wollte - und wehe dem, der sich ihr in den Weg stellte." Die Fotos lassen daran keinen Zweifel. Sie zeigen eine große, elegante Frau mit energischem Gesichtsausdruck. Mal alleine, mal eng an der Seite ihres Mannes, der neben ihr fast zurückhaltend wirkt unter seinem dichten weißen Haarschopf. Zusammen wirken beide erst richtig stark. Ihr Vermächtnis unterstreicht diesen Eindruck: Ihre Bücher nämlich erzählen jedem, der sie hören möchte, die Geschichte der Müllers. Es ist die


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Eine Abiturzeitung Sammlung von 1984 bis 2010

1hr
pages 160-201

Carla Minami: Abistreich! at the DSW

10min
pages 156-159

Amanda Cohen: Model UN: NAIMUN XLVII

5min
pages 152-153

Alexander Schaefer: The DSW Spelling Bee: The account of a woebegone participant

8min
pages 148-151

Peter Dreher: In Remembrance of Things Past: Abitur 1986 an der DSW

6min
pages 154-155

Sophie und Felicitas Eichhorn: Zwanzige Jubilaeum des Mauerfalls

2min
pages 146-147

Uwe Kehrer: Auf nach Mexiko zum Fußball-Weltmeisterschaftsturnier

1min
pages 139-140

Andrea Bechthold: Mit Sport Grenzen überschreiten

4min
pages 144-145

Jan Apel: Just give me a moment

4min
pages 136-138

Rita Rolph: Der Dank der Schule ist Ihnen gewiss

1min
pages 134-135

Deutscher Weihnachtsbasar -- ein Erfolgstory (Washington Journal, Dezember 1967

1min
page 127

Rita Rolph: Weihnachtsbasar, Adventskränzen

7min
pages 128-133

Monika Rodrigues: Das fröhlichste Fest der Grundschule

5min
pages 124-126

Thomas Lutz: Ein "Bolzplatz" der Luxusklasse

3min
pages 112-113

Kerstin Hopkins: Die Deutsche Sprachschule der DSW ist 25 Jahre jung

3min
pages 120-123

Rebecca Weiss: Student Government at the DSW

4min
pages 117-119

Karin de Jong: Die Kindergartenbücherei damals und heute

1min
page 111

Mojdeh Khojasteh: Neugierig im Kindergartenalltag

1min
page 108

Justine Lottermoser und Alina Tucker: Ein Leseparadies: Die 11. Klasse liest Bücher im Kindergarten vor

1min
page 110

auf

5min
pages 106-107

Martina Voss und Tundy Long: Ausflug der Seepferdchengruppe

2min
page 109

Christoph Zänglein: "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt"

3min
pages 104-105

Anfänge der Binnendifferenzierung

8min
pages 98-102

Lena Vargas: Kunstprojekt unter dem Thema "Mischwesen" Klasse 8

2min
page 103

Lutz Voigt: Pi Day: 3-14

2min
pages 96-97

Martin Mencke: Als Teil eines Ganzen

3min
pages 94-95

Carla Minami: Vorlesungsreihe

6min
pages 92-93

Holger Bachlechner: Alte Welt trifft Neue Welt

1min
page 91

Andrew Brown: Only the best is good enough for a child

4min
pages 88-90

Ulrike Brauneis: Appalachian Music with a German Accent

2min
page 87

Ansgar Graw: Der Leuchtturm, den niemand sehen soll

11min
pages 76-81

Steffi Colopy: Naturwissenschaften an der DSW-eine (R)EVOLUTION

7min
pages 82-85

Steffi Colopy: The Employees' Association of the German School: Recent History

37min
pages 59-75

Lutz Voigt: American Railroad AG

1min
page 86

Jan C. Bassenge: Mein Schulweg in die Deutsche Schule Washington

8min
pages 56-58

Ekkerhard Brückmann: Der Blick zurück, vor 50 Jahren . . . DSW, wie hast Du Dich verändert

8min
pages 51-55

George Padaroff: A Teacher Remembers: DSW, 1968-1996

22min
pages 36-42

Sandy Glysteen: To and from that small school on Logan Drive

7min
pages 48-50

Horst und Rainer Freitag: Hommage an George Padaroff

5min
pages 43-44

Nachruf für Herrn Erich Kleinschmidt: Direktor der Deutschen Schule 1964-1973

3min
pages 28-29

Fred Thommes: Wir kamen doch zusammen

4min
pages 33-35

Antja Sina: Kämpfer für die deutsche Kultur: Die DSW setzt Herta und Hugo Müllers Auftrag fort

8min
pages 30-32

Natalie Olsen: Birth of a Concept at the Deutsche Schule Washington

4min
pages 46-47

Andrew Garibaldi: A Tribute to George Padaroff

2min
page 45
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
GISW 50th Festschrift by admissions - Issuu