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Jan C. Bassenge: Mein Schulweg in die Deutsche Schule Washington

Mein Schulweg in die Deutsche Schule Washington

Jan C. Bassenge

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Als sich gegen Ende der 60iger Jahre die ersten Wünsche nach einer Deutschen Schule Washington

zu Aufgabenstellung und Verwaltungshandeln entwickelten, war das Feld für neue Ideen der Organisation offen. Es war die Zeit, in der unabhängig von der jeweiligen politischen Landesfarbe überall von der Aktivierung der Bildungsreserven im ländlichen Raum oder von der Chancengleichheit im Bildungswesen dann in seiner geredet wurde. Willi Regierungserklärung, Brandt forderte die Schule der Nation sei die Schule, vorher war es in Deutschland das Militär gewesen, das sich als Schule der Nation deklarierte.

Das Land Nordrheinwestfalen war das Referenz- bundesland für deutsche Auslandsschulen. Wir hatten auch dort im Rahmen von offenen Architekten- wettbewerben einige Aufgaben in diesem Bundesland ergattert und so wurden wir von der damals zuständigen Bundesbehörde für Auslandsbauten (der Bundesbaudirektion) zur Teilnahme an einem Wettbewerb für die Deutsche Schule in Barcelona eingeladen. Für die vorhandenen spanischen Verhältnisse im Reiche des General Franco, war unser Entwurfsbeitrag damals nicht geeignet. Wir bekamen einen Sonderankauf für unseren Entwurf.

Entwurfsideen: Funktion und Bau

Als sich wenig später das Vorhaben Deutsche Schule Washington sich ankündigte, erinnerte man sich an uns. Wir machten erst eine Entwurfsstudie und auf dieser Basis einen Entwurf. Für die Grundschule war das bewährte Stammklassensystem vorgegeben, auch der Kindergarten war nach Altersgruppen zu gliedern, für die höheren Schulstufen orientierte sich das Raumprogramm an einem Fachraumsystem. Die Programmvorgaben für Sport und Leibesübungen hätten jeden zuständigen kommunalen Beamten in Deutschland vor Neid erblassen lassen. Ein besonders großzügiges Raumprogramm, das andere Entscheider von Prinzenerziehung reden ließ, finanziellen und räumlichen Rahmen für legte den die Aufgabe fest, die wir dann planen durften. Die damaligen Publikationen des Educational Facilities Laboratories der United States Ford Foundation (EFL) Berichte über ausgewählte Schulbauten und Arbeitsweisen dort selbst, waren für fachlich Interessierte wirklich anregend. So z.B. das Bild von dem auf dem Teppichboden der Schulräume liegenden Jungen, in einen Bildband vertieft, mit Kopfhörern, war ein Bild (EFL), das Schule so ganz anders beschrieb, als ich sie noch erlebt hatte.

Zu dieser neuen Schule sollten neben guten Lehr- und Lernmitteln, die geführte betreute Kleingruppen- projektarbeit, die vertiefte Einzelarbeit und die Technik der Bibliotheksbenutzung gehören. Einer Bibliothek, die in freier und systematischer Aufstellung mit guten Ausleih- und Zugangsmöglichkeiten dem Schüler zur Verfügung steht. Dass ein solches Schulumfeld auch eine koordinierte Bemühung der Pädagogen verlangt, ist klar. Lehrer, denen ihr Beruf Spaß macht, gab es schon immer, aber alles sollte persönlicher, freundlicher und engagierter werden.

Im Rahmen dieser Wünsche und Vorgaben aus der pädagogischen Welt, waren auch neue Gebäude- formen für den Ort Schule zu entwickeln und zu entwerfen. Ein zentraler Ort einer solchen neuen Gebäudeform, sollte die offene Bibliothek sein, daneben die Berater und Lehrer und in unmittelbarer

Nähe die Flächen für Einzel- und Kleingruppenarbeit.

Alle lauten, dozierenden oder lebhaft diskutierenden Tätigkeiten sollten von diesem zentralen stillen Bereich abgeschirmt sein. Nur für die seltenen Fälle der organisierten Gesamtzusammenkünfte (Theater, Konzert, Feier, Fest) wird dieses Ambiente der ruhigen Vertiefung aufgehoben. Alle schulische Arbeit in größeren Gruppen oder Klassen sollen um den zentralen Bereich herum entsprechend abgeschirmt nach außen gelegt und werden. Motivierende Einblicke in die Arbeit, besonders der praktischen Fächern, der Kunsterziehung und des Sportes, sollen den Mitmachenwolleneffekt der Kinder werbend provozieren.

Realisierte und Verschollene Elemente

Wir waren die Entwurfsarchitekten und die BBD hatte für die bautechnische und bauwerkschaftliche Betreuung des Projekts örtliche Architekturbüros eingeschaltet, ohne die alles wirklich schwierig geworden wäre. Das ganze örtliche, behördliche Genehmigungswesen sowie die bautechnische und bauwirtschaftliche Begleitung wurden z.B. durch das Büro Aram Normandin vorbereitet und begleitet. Die Planung der ersten Baumaßnahme für das Hauptgebäude, den Kindergarten und den Sportbau beschäftigten uns bis zur Einweihung der Schule 1974.

Die Meinung, dass ein größeres Bauwerk in den USA ein Stahlbau sein werde, änderte sich rasch nach der damaligen Marktanalyse von Architekt Normandin. Es wurde ein Betonbau. Die gestalterische Integration der haustechnischen Systeme, z.B. Sprinkler und anderer notwendigen Nebensysteme, wie Schalldämmung, Beleuchtung, in diese Betonarchitektur, wurde zuerst von dem Team Normandin nicht verstanden. Immer hatten wir es mit Katalogvorgaben (National Building Code: BOCA-Code) der Ausbaukomponenten zu tun, die alles wie die damalige Architektur der Immigrations- und Zollabfertigung im Keller des Kennedyflughafens wirken ließ. Aber nach ein paar Gesprächen mit den amerikanischen Fachingenieuren machten dann alle mit, so dass wir davon weg kamen. Ja ,der Contractor schlug dann vor, dass er Bauteile vorfertigen könne und so wurde z.B. das Pragnent Panel ,das Brüstungselement des Balkons als dinosaurierartiges Fertigteil aus Beton gefertigt.

Für die Fachleute der Brandschutzbehörde Maryland in Baltimore war diese Gebäudeform für Schule etwas Neues. Fachlich hatte der Firemarshal damit keine Probleme. Für ihn war es klar, ein solches offenes Gebäude sollte, muß eine Sprinkleranlage haben. Der so lebendig gedachte Innenraum muss bei Bedarf sehr schnell geräumt werden können. Ein um das Gebäude laufender Rettungsweg war seine Bedingung für die Realisierung des Entwurfs.

Als Architekten empfanden wir den somit entwickel- ten umlaufenden Balkon als Belebung und Bereicherung der Architektur. Diesen Bereich als besinnlichen Ort der Ruhe mit Pflanzanlagen und Sitzbänken zu gestalten, scheiterten schließlich an den haftungsrechtlichen Aspekten einer solchen Anlage und der schlechten Möglichkeit, dort eine verantwort- ungsvolle Aufsicht zu gewährleisten. Die hängenden Gärten ließen sich nicht narrensicher gestalten. Wenn man aber sieht, welch landschaftlich reizvolles und naturverbundenes Gelände die Schule umfasst, ist nichts verloren. Die Freianlagen von Günther Nagel haben eine gut gegliederte Schul- und Spiellandschaft geschaffen, die die Aufgabe wohl heute noch bewältigt.

Ein paar Details starben aber leider auch durch die damals noch sehr niedrigen Kosten für Energie. So hatten wir z.B. nach Norden gerichtete einseitige Oberlichter vorgesehen, die dann durch Lichtkuppeln

aus dem Katalog ersetzt wurden, die das volle Himmelslicht einfangen und diese zusätzliche Wärmelast wieder durch stärkere Kühlsysteme kompensierten. Ob diese damalige Einsparung von Baukosten heute noch dankbar begrüßt wird, wage ich zu bezweifeln. Und ein paar geplante Highlights, wie ein Gewächshaus oder ein Amphitheater sollten dann später realisiert werden und warten wohl noch heute darauf.

Kunst im Hauptgebäude

Ein wesentlicher Teil der Gestaltung von Bauten des Bundes war die künstlerische Begleitung (Kunst am Bau), die die Dienststellen des Bundes mit großer Sorgfalt vorbereiteten und vergaben. Für diese Schule erhielt 1970 der Künstler Sigfried Kischko den Auftrag. Er entwickelte für das gesamte Ensemble Bereichsmotive, die diese Orientierungsmarken bis in die Gebäudeabseiten führten. Die Anwendung dieser Kunst, so fand Siegfried Kischko. sollte nicht dazu führen, dem Unterricht oder den Schülern die Möglichkeit zu nehmen, selber zu arbeiten oder auszustellen. Er entwickelte außerdem eine Reihe von Rätselbildern , symbolischen in der Hoffnung, Darstellungen von dass diese naturwissen- schaftlichen Hypothesen sich für den Einzelnen im Laufe der Schulzeit enträtseln würden. Vielleicht sind manche Darstellungen schon heute obsolet, aber auch das wären ja wertvolle Erkenntnisse. S.K. ,der Anfang der 90iger Jahre verstarb, hätte sich gewünscht, dass die Darstellungen Gegenstand der Unterrichts- gespräche würden.

Eine neue Grundschule

Die vorangegangene Grundschule führte wohl bis in die 90iger Jahre ein gemütliches Leben in einem von Schülern und Lehrern geliebten Bau am Logan Drive in der Nähe. Aus irgendeinem Grund klappte es da dann nicht mehr. Der Hauptkomplex am Chateau Drive hatte zwar auch Räume für die Primarstufe, aber die waren wohl auch sehr gut für andere Zwecke zu gebrauchen. Das Hauptgrundstück hatte noch Reserven und so wurde für die Grundschule ein eigenständiges neues Gebäude entwickelt. Der Entwurf mit begrüntem Dach und kleinem Fußabdruck , sollte niemanden erschrecken, besonders die dort wohnenden Nachbarn nicht. Die aber sahen sich einem endlos wachsenden Stadtteil Deutsche Schule gegenüber. Die war für den unvoreigenommenen Betrachter Gegend im Jahre 1994 eine parkartige, von Hirschrudeln durchzogene Wildnis und sie war nach Meinung der Bewohner im Begriff, diesen Wert und eigenen Charakter zu verlieren.

Dass dann doch noch ein Kompromiss gefunden wurde, der kleine Grundschulbau wurde wesentlich näher an das Hauptgebäude gerückt, hat sich hoffentlich für alle Seiten, Nachbarn, Hirsche und Schule, zum Guten gewendet. Immerhin hatten die Bedenken mancher Nachbarn den Bau um 3 Jahre verzögert. Auch dem damaligen Leiter der örtlichen Dienststelle des Amtes für Raumordnung und Bauwesen--Hartwig Rohrbeck--ist es neben vielen anderen Kämpfern zu verdanken, dass die nachbarlichen Befürchtungen sich abbauten und das harte juristische Vorgehen wieder durch nachbarliche und freundschaftliche Gefühle ersetzt wurde. Zu- sammen mit dem Kontaktbüro William Metcalf, war es uns möglich einen Bau nur für die Primarstufe zu entwickeln, der das besondere Flair am Logan Drive ersetzen konnte.

Die Vergabe der Kunst am Bau wurde auch hier im Jahre 1994 von dem Bundesamt mit besondere Liebe und Sensibilität durchgeführt. Die künstlerischen Arbeiten von W. Smy und E. Streuber sowie die Zusammenarbeit mit diesen Künstlern haben uns als Architekten sehr erfreut. Ich hoffe dass auch die Kinder mit E.Streubers Analogien aus der Natur zu der Technik der Menschen angeregt werden.

Zukunft und Bedarf

Die Schule verändert sich weiterhin. Ein neuer naturwissenschaftlicher Bereich wird jetzt wohl fertig. Aber es gibt noch Klärungsbedarf: Ist der offene Lehrerbereich immer noch ein guter Arbeitsbereich. Sind die Belange Behinderter Menschen berücksichtigt, die man bei der Errichtung des Hauptbaus nicht als Problem erkannte, da deren ungehinderte Teilnahme am öffentlichen Leben in den 60iger Jahren undenkbar schien. Heute ist es durchaus denkbar, dass ein Lehrer oder Schüler sein Mit- und Schulleben in einer öffentlichen Schule einrichten kann und will oder könnte, wenn die paar technischen Hilfen, die man ihm geben kann, da sind. So ist z.B. die Verbindung zwischen Sport- und Hauptgebäude nicht barrierefrei. Auch die zweite Ebene des Hauptgebäudes ist in diesem Sinne noch nicht gut gelöst. Wird die Kunst am Bau noch wahrgenommen? Ist jetzt endlich Raum genug für die große, zentrale Schulbibliothek mit dem Platz für Einzelarbeitsplätze und Medienanschlüsse?

Fairer Weise hat die Schule mir auf der Basis des Copyrights eine Beratungsstimme bei diesen zukünftigen Veränderungen eingeräumt. Ich hoffe, dass mit den nun tätigen amerikanischen Kollegen Geier Brown Renfrow Architects die anschließenden neuen Aufgaben, Umwandlungen noch zu einer lebendigen und modernen Schule führen. Dabei will ich gerne mithelfen.

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