GISW 50th Festschrift

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Nachruf für Herrn Erich Kleinschmidt Direktor der Deutschen Schule 1964-1973 Erich Kleinschmidt war eine eindrucksvolle Persönlich-

keit. Seine kraftvolle Statur gepaart mit einem ungewöhnlich einnehmenden Wesen, ließen erahnen, welch zielgerichteter Tatendrang und menschliche Größe in ihm steckten. Gleich bei unserem ersten Treffen in der DSW -- ich hatte einige Zeit nach meiner Ankunft in Washington herausge- funden, dass es hier eine deutsche Schule gab -- war ich von seiner Ausstrahlung beeindruckt. Wer hat kein Lampenfieber, wenn er geschniegelt und gebügelt, frisch nach der Ausbildung sich auf den Weg nach Potomac macht, um sich dort um seine erste Stelle zu bewerben? Erich Kleinschmidt brachte es fertig, mich nach einigen Minuten in seinen heiligen Hallen zu beruhigen und mit mir ein Bewerbungsgespräch zu führen, an das ich mich heute noch gerne erinnere. Er strahlte echte Freundlichkeit aus, sein Lächeln war ungekünstelt und seine klangvolle Stimme war warm und beruhigend. Man spürte, seine Aufmerksamkeit war voll auf sein Gegenüber gerichtet und er war bemüht, die Informationen, die ihm zu Ohren kamen, wichtig zu nehmen. Einen besseren Interviewer hätte ich mir als, unerfahrener Neuling, nicht wünschen können. Bei den Fragen, die er stellte, ging es nicht nur um meine Ausbildung, sondern er zeigte auch Interesse an meinen Lebensumständen und er versprach, mich im Auge zu behalten. Zu jenem Zeitpunkt gab es keine freien Lehrerstellen an der DSW, aber schon nach vier Wochen erhielt ich einen Anruf von ihm. Er hatte einen Kontakt für mich beim neuen deutschen Botschafter hergestellt, der mir zu einem erfolgreichen Start in Washington -- wenn auch vorerst noch nicht an der DSW -- verhalf. Er war ein Mann, der hinter seinem Wort stand, ein Mensch von umfassender Integrität und Gradlinigkeit, eine Person, auf die man sich ohne Vorbehalte verlassen konnte. Eine Kollegin erzählte mir einmal folgende Anekdote. Sie hatte zwei Unterrichtsstunden, die sie im Hauptgebäude halten sollte, einfach vergessen. So fuhr sie gleich nach dem Unterricht, der im Nebengebäude stattfand, nach Hause. Direktor Kleinschmidt hielt diese Stunden für sie und meinte im Folgenden: 0Das ist mir auch schon mal als Junglehrer passiert. Machen Sie sich keine Sorgen,

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Fifty Years German School

ich habe sie würdig vetreten.1 Dass jemand so viel Verständnis für die Schwächen seiner Mitmenschen hat, das findet man nicht oft bei Führungskräften. Erich Kleinschmidt, der zweite Leiter der Deutschen Schule Washington, war eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Er leitete von 1964 bis 1973 die Geschicke der neu gegründeten Schule hier in der Hauptstadt. Er war der perfekte 0Anführer für das Fähnlein der Sieben Aufrechten2-- so hatten sich die Gründer genannt. Die nur sieben Mitglieder hatten hochfliegende Pläne. Eine deutschsprachige Auslandschule im Zentrum der westlichen Welt aufzubauen, war ein Ziel, dessen Lösung man nicht so einfach aus dem Ärmel schüttelt. Gründerjahre sind keine einfachen Jahre. Mit großem Geschick und unvergesslicher Menschlichkeit legte Erich Kleinschmidt mit den Grundstein für das, was die heutige DSW darstellt. Als umsichtiger, doch tatenkräftiger Kapitän, umschiffte er die zahlreichen Klippen und bewahrte so das kleine DSW-Boot mehrmals vor dem Kentern. Leider kenne ich diese Ereignisse der frühen Jahre nur aus Erzählungen, denn als ich Studiendirektor Kleinschmidt kennenlernte, stand er schon kurz vor der Rückkehr nach Deutschland. Noch einmal in meinem Leben kreuzten sich unsere Wege. Vor etwa 12 Jahren -- oder waren es mehr? -- als die Grundschule mittlerweile in dem ehemaligen Gymnasialgebäude am Logan Drive untergebracht war, traf ich ihn auf dem Schulhof an. Ich hatte Aufsicht und fragte den mir unbekannten, älteren Herrn, der unerwartet den Schulhof betrat, ob ich ihm helfen könne. Er stellte sich vor und sagte, dass er sehr gerne die Turnhalle sehen wolle, wo er so viele anstrengende Stunden beim Kollegensport geschwitzt habe. Welch ein Zufall! Nachdem er seinen Namen genannt hatte, erkannte ich plötzlich die vertrauten Züge wieder. Ich erwähnte unser Zusammentreffen vor vielen Jahren und wie er mir meinen Start ermöglicht hatte. Sein schlichter Kommentar, bescheiden und voller Wahrheit: 0Ja, da habe ich wohl ein Leben beeinflusst.2 Erich Kleinschmidt, ein wertvoller Mensch, eine eindrucksvolle Persönlichkeit, Träger des Bundes- verdienstkreuzes. Er ist am 11. Juli 2010 gestorben. Wir erinnern uns seiner. Wir trauern um ihn. Ingrid Wrausmann

16. September 2010


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