Hausarzt 03/2021

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Hausarzt Rare Diseases

Neurofibromatose Typ 1 erkennen

Foto: © Alicia Baumgartner, privat

Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist ein Tumorprädispositionssyndrom, bei welchem im Laufe des Lebens (neben anderen Beschwerden) Tumoren in multiplen Organsystemen entstehen können. NF1 wird meist im Kindesalter symptomatisch. Die Prävalenz der NF1 liegt bei 1/3.000 Lebendgeburten. Als erbliche Erkrankung ist NF1 angeboren, ist also bei der Geburt schon vorhanden, auch wenn Erkrankungszeichen erst zu einem späteren Zeitpunkt auftreten. Konkret wird NF1 autosomal dominant vererbt, das heißt, dass für Kinder eines Elternteils mit NF1 eine 50%ige Wahrscheinlichkeit besteht, die fehlerhafte NF1-Genvari-

Autorin: Dr. Alicia Baumgartner Pädiatrische Neurofibromatose-Ambulanz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien

ante zu erben und ebenfalls an NF1 zu erkranken.

Symptome von NF1 Das klinische Bild der NF1 variiert somit sehr stark und kann selbst innerhalb einer Familie mit ein und derselben Genveränderung sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Nachfolgend sind die häufigsten Manifestationen der NF1 zusammengefasst: Café-au-Lait-Flecken: Menschen mit NF1 haben fast immer sechs oder mehr Milchkaffeeflecken (Größe von > 5 mm vor der Pubertät; > 15 mm danach), die für gewöhnlich von Geburt an vorhanden sind oder innerhalb der ersten Lebensjahre auftauchen. Lisch-Knötchen sind Pigmentklümpchen der Iris des Auges, die üblicherweise im Kindesalter auftauchen. Weder verursachen sie medizinische Probleme, noch beeinträchtigen sie das Sehvermögen.

Sommersprossen treten nicht nur in Hautbereichen auf, die regelmäßig der Sonne ausgesetzt sind, sondern typischerweise auch in der Achselhöhle (axilliäres Freckling) und in der Leiste (inguinales Freckling). Milchkaffeeflecken ebenso wie Sommersprossen und Lisch-Knötchen sind harmlos, helfen aber oft dabei, NF1 zu diagnostizieren. Neurofibrome, die häufigsten und namensgebenden Tumoren der NF1, sind gutartige Geschwülste. Man unterscheidet kutane von plexiformen Neurofibromen. Letztere wachsen verstreut oder als Knötchen entweder unter der Hautoberfläche oder tiefer im Körper, haben die Neigung, größer zu werden und sich mit gesundem Körpergewebe zu verflechten. Da plexiforme Neurofibrome ein Risiko von 10 % haben, bösartig zu werden, müssen plötzliches Wachstum oder diesbezügliche Schmerzen unbedingt beachtet und rechtzeitig weiter abgeklärt werden. Gutartige Nerventumoren können am gesamten Körper auftreten, bei ca. 10 % der Betroffenen findet sich jedoch eine Entartung bestehender Nerventumoren zu malignen peripheren Nervenscheidentumoren (MPNST), die eine infauste Prognose haben, falls sie nicht rechtzeitig erkannt und entfernt werden. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko, Gliome (v. a. Optikusgliome, also niedriggradige Tumoren der Sehbahn, aber auch höhergradige Hirntumoren) zu entwickeln. Ungefähr 15 % der NF1Betroffenen entwickeln Sehbahntumoren, die manchmal auch zu Sehkraftverlust, einer Einschränkung des Gesichtsfeldes oder zu Schmerzen hinter dem Auge führen können. Weitere gehäuft auftretende Tumoren sind u. a. Brustkrebs, Phäochromo­ Autor: Assoc. Prof. Dr. Amedeo Azizi Pädiatrische Neurofibromatose-Ambulanz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien

März 2021

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Foto: © beigestellt

Foto: © Dr. Amedeo A. Azizi

Unter anderem sind Café-au-Lait-Flecken für diese Erkrankung typisch

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