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Wenn dem Herz die Luft ausgeht

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Ärzte sehen Angina-pectoris-Beschwerden kritischer als Patienten

Mit einer Prävalenz von bis zu 4 % zählt Brustschmerz zu den regelmäßigen Beratungsanlässen in der Praxis von Hausärzten und Internisten. Wenn sich ein Patient mit diesem Leitsymptom vorstellt, muss der Arzt entscheiden, ob ein schwerwiegendes Krankheitsbild vorliegt und sofort gehandelt werden sollte oder ob abgewartet werden kann. Das Hauptaugenmerk der Differenzialdiagnose liegt dabei auf der koronaren Herzkrankheit (KHK) bzw. dem akuten Koronarsyndrom als potenziell lebensbedrohliche Verlaufsformen. Neben den Ergebnissen der Anamnese und klinischen Befunderhebung beeinflussen auch epidemiologische Parameter wie die KHK-Prävalenz die Entscheidungsfindung. Im primärärztlichen Setting sind 8-15 % der Brustschmerzanfälle durch eine KHK verursacht.

Symptome werden teils fehlgedeutet

Die Schmerzen dauern bei der stabilen Angina pectoris bekanntlich oft nur wenige Minuten, können aber jenen des Herzinfarkts gleichen, in den linken Arm bis in die Hand, in beide Arme, in den Hals, in die Zähne oder in den Bauch ausstrahlen. Übelkeit und Erbrechen treten häufig auf. Anginapectoris-Beschwerden werden deshalb manchmal als Magen-, Zahn- oder Schulter- und Armschmerzen fehlgedeutet. Wichtig: Bei Frauen äußern sich die Symptome nicht so sehr in Form ausgeprägter Schmerzen, sondern oft als Engegefühl in der Brust oder als Atemnot. Ändern sich die Anzahl und die Dauer der Anfälle und treten Schmerzen auch in Ruhe oder bei geringer Belastung auf, spricht man von einer instabilen Angina pectoris. Gefäßerweiternde Medikamente sprechen nur mehr unzureichend an. Es besteht akute Herzinfarktgefahr. In der Primärversorgung ist es deshalb wichtig, Symptome auftretender Angina-pectoris-Anfälle genau zu beobachten, um Veränderungen frühzeitig erkennen zu können.

SerieKARDIO

Unterschiedliche Einschätzung

Eine rezente Studie* wollte herausfinden, ob sich die Schweregradeinteilung der Angina pectoris mittels der CCSKlassifikation (Canadian Cardiovascular Society) durch den behandelnden Arzt davon unterscheidet, wie der Patient selbst die Schwere einschätzt. Und tatsächlich zeigten sich beachtliche Unterschiede. Über ein Drittel der insgesamt 1.654 Patienten mit einer stabilen ischämischen Herzerkrankung hatten nach eigener Aussage keine Symptome einer Angina pectoris. Die Einschätzung der Ärzte war eine andere: Laut ihnen litten 12,4 % an einer moderaten und 7,5 % an einer schwerwiegenden Herzenge. Auch bei der Patientengruppe mit einer instabilen Angina pectoris gingen die Einschätzungen von Medizinern und Patienten auseinander: 110 der 895 Patienten, also etwas über 12 %, gaben im Fragebogen an, keine Symptome zu haben. Knapp 11 % der Ärzte stuften sie hingegen in die CCS-Klasse II (moderat) und 35 % in die CCSKlasse III oder IV (schwerwiegend) ein. Aus diesen deutlichen Abweichungen schlussfolgern die Studienautoren, dass die Aussagen der Patienten über den aktuellen Status ihrer Symptome an Bedeutung gewinnen sollten. Das gelte insbesondere, wenn über eine Operation, etwa eine Revaskularisierung, nachgedacht werde. Die Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Arztes und jener des Patienten habe durchaus Auswirkungen auf die Auswahl der Patienten, die für Plaquesprengungen & Co. in Frage kämen. Generell sei es interessant zu wissen, dass die Patienten selbst den Schweregrad ihrer Erkrankung oftmals nur abgeschwächt wahrnähmen.

Mag.a Karin Martin

* Saxon JT et al. (2020). DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.7406.

Wie Mitgefühl, Fürsorge und Berührung unser Herz stärken

Die komplementäre Pflegemethode „Therapeutische Berührung” etabliert sich in Österreich

Berührung, Nähe und das sanfte Handauflegen sind wertvolle nonverbale Möglichkeiten, Mitgefühl und Fürsorge zu vermitteln. Auch bei Menschen mit Herzerkrankungen können physische, psychische, psychosoziale und spirituelle Schmerzen durch die Schaffung von Wohlbefinden (Comfort Care) gelindert werden. Komfort ist nach der Comfort Theory (nach Katherine Kolbaca) ein unmittelbar wünschenswertes Ergebnis der Pflege. Berührungen im therapeutischen Sinne verbessern das allgemeine Wohlbefinden und aktivieren Selbstheilungskräfte. Ziel der komplementären Pflegemethode ist die Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts, hervorgerufen durch Tiefenentspannung und positive Gefühle. Besonders in berührungsarmen Situationen wie im Krankenhaus, im Pflegewohnheim oder bei Menschen mit schweren (Herz-)Erkrankungen konnte sich die Therapeutische Berührung (Therapeutic Touch) etablieren.

Gesundheitsförderung durch ein positives Gefühlserleben

Therapeutic Touch basiert auf der Annahme, dass der Mensch ein komplexes schwingendes Energiefeld ist. Das bioenergetische Verfahren bewirkt, dass stagnierte Lebensenergie (auf Chinesisch: Qi, auf Indisch: Prana, auf Japanisch: Ki) wieder zum Fließen gebracht wird. Die Zentrierung und die Intention der Anwender ermöglichen es, Trost, Hoffnung, Mut und Zuversicht mit den Händen zu vermitteln. Therapeutic Touch ist eine intentionale therapeutische Intervention am menschlichen Energiefeld und wird komplementär, also ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt. Jede Anwendung verfolgt ein klares Ziel, beispielsweise die Auflösung von Stagnation, die Ableitung von Hitze und energetischem Stau und die Modulation eines Ungleichgewichts. In diversen Studien der Psychoneuroendokrinimmunologie wird die unmittelbare Verschränkung der menschlichen Seele mit dem Nervensystem, dem hormonellen System und dem Immunsystem untersucht. Die Verringerung von seelischen Belastungen erzielt eine positive Wirkung auf die Gesundheit auf allen anderen Ebenen. Achtsamkeit, Mitgefühl, Zeit und motivierende Worte wirken re-

Autorin: Gabriele Wiederkehr, MSc

Pflegepädagogin und Pflegeexpertin, Vorsitzende d. Bundesarbeitsgemeinschaft Freiberufliche Pflege d. österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) www.oegkv.at.

„Pflege beinhaltet die kreative Kunst der Berührung.“

gulierend auf den Hormonhaushalt und setzen Glücksbotenstoffe frei.

Pflegemethode Therapeutic Touch

Die ganzheitlich orientierte klinische Fertigkeit Therapeutic Touch (TT) wurde in den 1970er-Jahren von der Krankenpflegerin und Pflegewissenschafterin Dr. Dolores Krieger gemeinsam mit Dora Kunz, Heilerin und Theosophin, an der Universität New York entwickelt. Heute zählt TT zu den effektivsten Möglichkeiten der Gesundheitsförderung und Vorsorge, denn in Hunderten klinischen Studien konnten maßgebliche Erfolge betreffend Entspannung, Stressreduktion, Angst- und Schmerzlinderung, Stärkung des Immunsystems, beschleunigte Wundheilung, Linderung von psychosomatischen Symptomen, verbesserten Schlaf, Regeneration und Reduktion des chronischen Erschöpfungssyndroms (Fatigue) nachgewiesen werden.* Definition: „Therapeutic Touch ist eine Heilmethode, bei der mit Hilfe der Hände menschliche Lebensenergien bewusst gelenkt und harmonisiert werden, mit dem Ziel, den Körper zur Heilung zu aktivieren. “ (Krieger 2012) Die komplementäre Pflegemethode Therapeutic Touch wird im Rahmen einer berufsspezifischen einjährigen Weiterbildung gemäß Gesundheits- und Krankenpflegegesetz § 64 von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich erlernt und kann an gesunden und kranken Menschen angewendet werden. Die Weiterbildung wird am Zentrum Lebensenergie Wien* angeboten.

X Infobox: Selbstständig durchführbare Übungen zur Stärkung des Herzens

„ Bewegen Sie Schultern und Arme durch Händereiben, Klatschen, Dehnen, Kreisen … „ Üben Sie Bewegungen aus dem Qigong: Sanftes Klopfen der Herzpunkte am Brustbein und zwischen den Schulterblättern erweckt den Brustkorb.

„ Legen Sie Ihre Hände auf Ihr Herz, lächeln Sie sich innerlich zu und spüren Sie sich in Ihr emotionales Herz.

„ Konzentrieren Sie sich in Meditation und Stille auf das Herzzentrum und bringen Sie Liebe zum

Fließen.

„ Hören Sie Musik, die Ihnen Freude bereitet und sanft Ihr Herz berührt (Laute von Delfinen,

Gesang, sakrale Musik, klassische Musik …).

„ Aktivieren Sie Ihre Sinne durch berührende, schöne, heilsame Geschichten, Gedichte, Bilder.

„ Massieren Sie sanft das Brustbein in Herzhöhe (Rosenöl).

„ Genießen Sie muskelentspannende Methoden wie Massagen am Rücken, an den Armen.

„ Klopfen Sie einander in einer Partnerübung den Rücken ab.

„ Nützen Sie die heilsame Wirkung der Natur – der Bäume, Blumen, des Himmels, der Sonne, des

Meeres, der Berggipfel oder der Weite der Wüste.

„ Stets heilsam wirken Liebe, Lachen, wohltuende Berührungen bzw. Umarmungen auf das emotionale Herz.

Literatur Kolcaba, K. (2014). Pflegekonzept Comfort. Theorie und

Praxis der Förderung von Wohlbefinden, Trost und

Entspannung in der Pflege. Bern: Hans Huber Verlag. Krieger, D. (2012): Therapeutic Touch. Die Heilkraft unserer Hände. Bielefeld: Lüchow Verlag. Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts Österreich (2016): Bundesgesetz über Gesundheits- und

Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG). StF: BGBl. I Nr. 108/1997 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfr age=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011026 8.3.2021.

* www.zentrum-lebensenergie.at

X HAUSARZT-Buchtipp

Berührende Pflege. Therapeutic Touch. Wirkung und Techniken,

von Wiederkehr, Gabriele, Springer Verlag Wien (ET Mai/Juni 2021).

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