Hausarzt 03/2021

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Hausarzt medizinisch

Wenn dem Herz die Luft ausgeht Ärzte sehen Angina-pectoris-Beschwerden kritischer als Patienten KA

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Mit einer PrĂ€valenz von bis zu 4 % zĂ€hlt Brustschmerz zu den regelmĂ€ĂŸigen BeratungsanlĂ€ssen in der Praxis von HausĂ€rzten und Internisten. Wenn sich ein Patient mit diesem Leitsymptom vorstellt, muss der Arzt entscheiden, ob ein schwerwiegendes Krankheitsbild vorliegt und sofort gehandelt werden sollte oder ob abgewartet werden kann. Das Hauptaugenmerk der Differenzialdiagnose liegt dabei auf der koronaren Herzkrankheit (KHK) bzw. dem akuten Koronarsyndrom als potenziell lebensbedrohliche Verlaufsformen. Neben den Ergebnissen der Anamnese und klinischen Befunderhebung beeinflussen auch epidemiologische Parameter wie die KHK-PrĂ€valenz die Entscheidungsfindung. Im primĂ€rĂ€rztlichen Setting sind 8-15 % der BrustschmerzanfĂ€lle durch eine KHK verursacht.

Symptome werden teils fehlgedeutet Die Schmerzen dauern bei der stabi­ len Angina pectoris bekanntlich oft

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nur wenige Minuten, können aber jenen des Herzinfarkts gleichen, in den linken Arm bis in die Hand, in beide Arme, in den Hals, in die ZĂ€hne oder in den Bauch ausstrahlen. Übelkeit und Erbrechen treten hĂ€ufig auf. Anginapectoris-Beschwerden werden deshalb manchmal als Magen-, Zahn- oder Schulter- und Armschmerzen fehlgedeutet. Wichtig: Bei Frauen Ă€ußern sich die Symptome nicht so sehr in Form ausgeprĂ€gter Schmerzen, sondern oft als EngegefĂŒhl in der Brust oder als Atemnot. Ändern sich die Anzahl und die Dauer der AnfĂ€lle und treten Schmerzen auch in Ruhe oder bei geringer Belastung auf, spricht man von einer instabilen Angina pectoris. GefĂ€ĂŸerweiternde Medikamente sprechen nur mehr unzureichend an. Es besteht akute Herzinfarktgefahr. In der PrimĂ€rversorgung ist es deshalb wichtig, Symptome auftretender Angina-pectoris-AnfĂ€lle genau zu beobachten, um VerĂ€nderungen frĂŒhzeitig erkennen zu können.

Unterschiedliche EinschĂ€tzung Eine rezente Studie* wollte herausfinden, ob sich die Schweregradeinteilung der Angina pectoris mittels der CCSKlassifikation (Canadian Cardiovascular Society) durch den behandelnden Arzt davon unterscheidet, wie der Patient selbst die Schwere einschĂ€tzt. Und tatsĂ€chlich zeigten sich beachtliche Unterschiede. Über ein Drittel der insgesamt 1.654 Patienten mit einer stabilen ischĂ€mischen Herzerkrankung hatten nach eigener Aussage keine Symptome einer Angina pectoris. Die EinschĂ€tzung der Ärzte war eine andere: Laut ihnen litten 12,4 % an einer moderaten und 7,5 % an einer schwerwiegenden Herzenge. Auch bei der Patientengruppe mit einer instabilen Angina pectoris gingen die EinschĂ€tzungen von Medizinern und Patienten auseinander: 110 der 895 Patienten, also etwas ĂŒber 12 %, gaben im Fragebogen an, keine Symptome zu haben. Knapp 11 % der Ärzte stuften sie hingegen in die CCS-Klasse II (moderat) und 35 % in die CCSKlasse III oder IV (schwerwiegend) ein. Aus diesen deutlichen Abweichungen schlussfolgern die Studienautoren, dass die Aussagen der Patienten ĂŒber den aktuellen Status ihrer Symptome an Bedeutung gewinnen sollten. Das gelte insbesondere, wenn ĂŒber eine Operation, etwa eine Revaskularisierung, nachgedacht werde. Die Diskrepanz zwischen der EinschĂ€tzung des Arztes und jener des Patienten habe durchaus Auswirkungen auf die Auswahl der Patienten, die fĂŒr Plaquesprengungen & Co. in Frage kĂ€men. Generell sei es interessant zu wissen, dass die Patienten selbst den Schweregrad ihrer Erkrankung oftmals nur abgeschwĂ€cht wahr­nĂ€hmen. Mag.a Karin Martin

* Saxon JT et al. (2020). DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.7406.


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