alpenblick, Ausgabe 3/2021

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Alle Fotos: Tobias Holzberger

Aus den Abteilungen / Bergsteiger

Auf hoher Route durch das Berner Oberland von Franz Kobold Übergang zur Gemslücke, rechts Finsteraarhorn

Die hier beschriebene Hochtourenwoche liegt schon einige Jahre zurück, als noch unbeschwerte Bergerlebnisse ohne Corona-Beschränkungen möglich waren. Das Ziel der Tour war die Besteigung des Finsteraaarhorns (4.274 m). Am Sonntagmittag traf sich die Gruppe auf dem Grimselpass (2.165 m). Von hier aus ging es weiter zum ersten Quartier, dem Berghaus Oberaar (2.338 m), am Oberaarsee gelegen. Um den restlichen Tag noch zu nutzen, wurde eine leichte Eingehtour auf das nahe gelegene Große Siedelhorn (2.872 m) unternommen. Vom Gipfel aus konnte das Panorama genossen und ein kleiner Blick darauf geworfen werden, was in den nächsten Tagen erreicht werden sollte. Am Montag stand die erste Gletschertour auf dem Programm. Zunächst über die Staumauer und hernach entlang am Oberaarsee führte der Weg über den gleichnamigen Gletscher in 5½ Stunden zum Oberaarjoch (3.216 m). Über eine kurze Leiter und eine Galerie erreichten wir unser Tagesziel, die Oberaarjochhütte (3.256 m). Auf der Hütte, die wie ein Vogelnest auf der westlichen Seite des Jochs hängt, wurde der restliche Tag mit Sonnen, Lesen und Entspannen verbracht. Der dritte Tag war geprägt von einem kurzen Gipfelanstieg für die Höhenanpassung und dem Übergang zur nächsten Hütte. Nach einer zweistündigen Tour auf das Oberaarhorn (3.631 m) wurde

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der Übergang zur Finsteraarhornhütte (3.048 m) über den Studergletscher, die Gemslücke (3.335 m) und die Ausläufer des Fieschergletschers in Angriff genommen. Die schwierigen Verhältnisse beim Abstieg mit Abseilen aus der Gemslücke meisterte die Gruppe mit Bravour. Früh gingen wir auf der Finsteraarhornhütte ins Bett, da am nächsten Tag der Höhepunkt der Woche wartete. Das Finsteraarhorn ist mit seinen 4.274 Metern der höchste Berg der Berner Alpen. Aber allein durch seine mächtige pyramidenartige Form übt der Berg eine unglaubliche Faszination aus. Unsere Besteigung begann morgens kurz vor vier Uhr. Als zweite Gruppe gingen wir in der Dunkelheit über einen kleinen Pfad zum Gletscher oberhalb der Hütte los. Nach einer Stunde formierten wir uns in Gruppen, seilten uns an und machten uns auf den weiteren Weg. Kurz

Auf dem Gipfel des Finsteraarhorns (4.274 m)

nach Sonnenaufgang erreichten wir den sogenannten „Frühstücksplatz“ (3.616 m). Weiter ging es über teils große Gletscherspalten zum Hugissattel (4.088 m). Von hier aus müssen die letzten 186 Höhenmeter über einen Grat im ersten, teilweise im zweiten Schwierigkeitsgrad erklettert werden. Die noch vorhandenen Eis- und Firnfelder erschwerten die Kletterei. Dennoch konnte ein Großteil der Gruppe das Finsteraarhorn in sein Gipfelbuch aufnehmen. Auf der Spitze genossen wir die traumhafte Fernsicht, so dass neben den nahen Gipfeln Eiger, Mönch und Jungfrau auch das Matterhorn in majestätischer Form zu sehen war. Nach der anstrengenden Tour stand am nächsten Tag ein Hüttenwechsel an. Der Weg führte uns über den spaltenreichen Fieschergletscher hoch zur Grünhornlücke (3.280 m). Ein kleiner Teil der Gruppe erstieg noch den 3.590 m hohen Wyssnollen über einen Fels- und Firngrat, der neben schuttigen Stellen auch Genusskletterei bot. Problemlos folgte der Abstieg zum Aletschgletscher. Hernach wartete der anstrengendste Teil

Aufstieg zum Grünegghorn

des Tages mit dem „Aufstieg“ zur Konkordiahütte (2.850 m) auf uns. Um zur Hütte zu gelangen, müssen über 440 Stufen bewältigt werden, da der Gletscher mehr als deutlich zurückgegangen ist. Vorbei an den angeschriebenen Jahreszahlen der früheren Gletscherstände wurde der Aufstieg mit einer grandiosen Aussicht auf den Aletschgletscher belohnt. Dieser ist mit einer Fläche von über 80 km² der größte europäische Gletscher. Auf dem Konkordiaplatz, an dem sich die Hütte befindet, könnte man mühelos eine mittelgroße schweizerische Stadt, wie zum Beispiel Chur, platzieren.

alpenblick 3 | 2021

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21.06.2021 12:23:51


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