TM Nr. 4 / 2017

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KULTUR / AUSSTELLUNG

Wo sich über Geschmack streiten lässt Bunte, blumengemusterte Souvenirkeramik aus Thun fand in der Belle Époque vor allem bei Touristen reissenden Absatz. Die aktuelle Sonderausstellung im Schloss Thun widmet sich dem besonderen Reiseandenken. Eine hohe Keramikvase mit Blumenverzierungen auf schwarzem Grund zieht gleich zu Beginn der aktuellen Sonderausstellung im Schloss Thun die Blicke auf sich. «Die filigranen Muster sind be­ eindruckend, das ist grosse Kunst», schwärmt Lilian Raselli, Mu­ seumsleiterin des Schloss Thun. Gekonnte Vermarktung Typisch für die Thuner Majolika, wie die Töpfer aus der Region ihre Souvenirkeramik nannten, sind die Edelweisssujets. «Ab den 1880er-Jahren wurde das Edelweiss populär. Die Töpfer wussten das Sujet gekonnt als charakteristisches Merkmal in ihre Keramik aufzunehmen», erzählt Lilian Raselli und fügt schmunzelnd an: «Sie beherrschten ein gutes Branding.» Überhaupt wussten die Töpfer ihre Produkte zu vermarkten. Denn sie kreierten dafür ei­ gens den Begriff der Thuner Majolika. Majolika bezeichnet eigent­ lich die farbig bemalte, zinnglasierte italienische Keramik des 15. und 16. Jahrhunderts. Der neu kreierte Name gab der hiesi­ gen Keramik eine exotische Note.

Die hohe Keramikvase mit Blumenverzierungen erregte Aufsehen an der Landesausstellung 1883 in Zürich.

Beliebt und verpönt

Touristen reissenden Absatz. Die Einheimischen konnten der Thu­

Mit der Souvenirkeramik reagierten die lokalen Töpfer auf den auf­

ner Majolika hingegen wenig abgewinnen. «Und Kunstverständige

kommenden Fremdenverkehr während der Belle Époque im spä­

übten gar harsche Kritik», weiss Lilian Raselli. Auch heute schei­

ten 19. und frühen 20. Jahrhundert und die Nachfrage nach ei­

den sich die Geister. «Nicht jedem unserer Gäste gefallen die Ob­

nem Reiseandenken. Die Produkte fanden bei den ausländischen

jekte, aber so manch einer hegt eine grosse Bewunderung für das Handwerk dahinter», erzählt Lilian Raselli.

Made in Thun

Erfrischend präsentierte Keramik

Mit einem Augenzwinkern greift die Ausstellung die englische

Die Museumsleiterin und ihr Team präsentieren die besondere

Bezeichnung «Made in Thun» auf. In den Ausstellungsräumen

Souvenirkeramik mit viel Liebe zum Detail. Der Ausstellungsraum

im Schloss Thun sind kleine Spielzeugmaden versteckt, die die

ist in frische Gelb- und Grüntöne getaucht. «Es hat uns allen rich­

Kinder suchen können. Dazu gibt es eine Geschichte.

tig den Ärmel reingezogen», sagt Lilian Raselli und strahlt. Die

Mehr Informationen zur Sonderausstellung: www.schlossthun.ch

Freude ist beim Gang durch die Ausstellung spürbar. Text Cilia Julen Bild zvg

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