KULTUR / AUSSTELLUNG
Wo sich über Geschmack streiten lässt Bunte, blumengemusterte Souvenirkeramik aus Thun fand in der Belle Époque vor allem bei Touristen reissenden Absatz. Die aktuelle Sonderausstellung im Schloss Thun widmet sich dem besonderen Reiseandenken. Eine hohe Keramikvase mit Blumenverzierungen auf schwarzem Grund zieht gleich zu Beginn der aktuellen Sonderausstellung im Schloss Thun die Blicke auf sich. «Die filigranen Muster sind be eindruckend, das ist grosse Kunst», schwärmt Lilian Raselli, Mu seumsleiterin des Schloss Thun. Gekonnte Vermarktung Typisch für die Thuner Majolika, wie die Töpfer aus der Region ihre Souvenirkeramik nannten, sind die Edelweisssujets. «Ab den 1880er-Jahren wurde das Edelweiss populär. Die Töpfer wussten das Sujet gekonnt als charakteristisches Merkmal in ihre Keramik aufzunehmen», erzählt Lilian Raselli und fügt schmunzelnd an: «Sie beherrschten ein gutes Branding.» Überhaupt wussten die Töpfer ihre Produkte zu vermarkten. Denn sie kreierten dafür ei gens den Begriff der Thuner Majolika. Majolika bezeichnet eigent lich die farbig bemalte, zinnglasierte italienische Keramik des 15. und 16. Jahrhunderts. Der neu kreierte Name gab der hiesi gen Keramik eine exotische Note.
Die hohe Keramikvase mit Blumenverzierungen erregte Aufsehen an der Landesausstellung 1883 in Zürich.
Beliebt und verpönt
Touristen reissenden Absatz. Die Einheimischen konnten der Thu
Mit der Souvenirkeramik reagierten die lokalen Töpfer auf den auf
ner Majolika hingegen wenig abgewinnen. «Und Kunstverständige
kommenden Fremdenverkehr während der Belle Époque im spä
übten gar harsche Kritik», weiss Lilian Raselli. Auch heute schei
ten 19. und frühen 20. Jahrhundert und die Nachfrage nach ei
den sich die Geister. «Nicht jedem unserer Gäste gefallen die Ob
nem Reiseandenken. Die Produkte fanden bei den ausländischen
jekte, aber so manch einer hegt eine grosse Bewunderung für das Handwerk dahinter», erzählt Lilian Raselli.
Made in Thun
Erfrischend präsentierte Keramik
Mit einem Augenzwinkern greift die Ausstellung die englische
Die Museumsleiterin und ihr Team präsentieren die besondere
Bezeichnung «Made in Thun» auf. In den Ausstellungsräumen
Souvenirkeramik mit viel Liebe zum Detail. Der Ausstellungsraum
im Schloss Thun sind kleine Spielzeugmaden versteckt, die die
ist in frische Gelb- und Grüntöne getaucht. «Es hat uns allen rich
Kinder suchen können. Dazu gibt es eine Geschichte.
tig den Ärmel reingezogen», sagt Lilian Raselli und strahlt. Die
Mehr Informationen zur Sonderausstellung: www.schlossthun.ch
Freude ist beim Gang durch die Ausstellung spürbar. Text Cilia Julen Bild zvg
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