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Flusssurfen: Interview mit

«Das Surfen hat mich gelehrt, geduldig zu sein»

Wenn er nicht an der Schule Progymatte unterrichtet, steht Sandro Santschi wann immer möglich auf dem Surfbrett. Auf der Suche nach der perfekten Welle ist der 35-Jährige auf der ganzen Welt unterwegs. Einer seiner liebsten Surfspots ist und bleibt aber die Aare in Thun.

Sandro Santschi, wie fühlt sich Surfen an? Sandro Santschi: Es ist ein Gefühl von Freiheit, Glück und sehr viel Spass. Der Moment, in dem alles um dich herum verschwindet. Man ist fokussiert auf das Wasser, das Brett und sich. Ich kann gut abschalten beim Surfen.

Wie kamen Sie zu diesem Sport? Das Surfen hat mich schon immer fasziniert. 2008, in Byron Bay, Australien, nahm ich erstmals ein Kürsli. Dort kannte mich niemand, so war es nicht so peinlich (lacht). Als ich auf der ersten Welle stand, machte es (schnipst mit den Fingern). Seither ist Surfen ein ganz wichtiger Lebensinhalt.

Surfen ist also nicht nur ein Sport? Nein, es ist eine Lebensphilosophie, ein Lifestyle. Es verändert einen.

Sandro Santschi vor seiner Lieblingswelle bei der Mühleschleuse.

Inwiefern? In vielerlei Hinsicht. Man richtet sein Leben nach dem Surfen beziehungsweise nach den Wellen aus. Man versucht, jede freie Minute auf dem Brett zu stehen, ist immer unterwegs. Man wird automatisch etwas relaxter, naturverbunden, gelassener. Das Surfen hat mich gelehrt, geduldig zu sein. Zu warten auf die Welle.

Auf der Suche nach der perfekten Welle sind Sie unterwegs auf

der ganzen Welt. Haben Sie einen Lieblings-Surfspot? Schwierig. Es gibt so viele schöne Spots. Wenn es ums Ozeansurfen geht, ist Jail Breaks auf den Malediven einer der schönsten Flecken. Flusssurfen tue ich am liebsten in Thun, das ist mein HomeSpot. Über die «MühliSchleuse» geht für mich nichts.

Was hat die Aare, was das Meer nicht hat? Sie ermöglicht es uns Binnenwassersurfern, unsere Leidenschaft in der Heimat auszuüben. Denn das Gefühl auf der stehenden Welle ist fast dasselbe wie beim Wellenreiten im Meer. Und wenn man gut drin steht, kann man eine Viertelstunde fahren, was im Meer nicht möglich ist. Im Gegensatz zum Surfen im Ozean surft man hier am gleichen Ort und nicht in Fliessrichtung des Wassers, sondern gegen sie. Das ist für viele Meersurfer die Schwierigkeit. Das Fahren und die Manöver sind aber sehr ähnlich.

Wenn man gut in der Welle steht, kann man bei der Mühleschleuse eine Viertelstunde surfen.

Wie sieht die perfekte Welle von Thun aus? (lacht) Sowohl die Ist das Fluch oder Segen? Es ist megaschön. Wir kommen oft mit Welle bei der Mühleschleuse wie jene bei der Scherzligschleuse Leuten in Kontakt. Man steht natürlich auch unter Beobachtung. hat verschiedene Gesichter. Je nach Wassermenge, Wetter und Korrektes Verhalten ist uns sehr wichtig. der damit verbundenen Einstellung der kantonalen Regulieranlage beziehungsweise der Schleusentore entstehen unterschiedliche Sie und Ihre Surf-Kolleginnen und -Kollegen sind AushängeschilWellen. Wir haben ihnen sogar Namen gegeben. Es gibt das legen der für Thun und als Fotosujets ebenso beliebt wie das Schloss. däre Monster, das Biest, the Bowl, die YogaWelle oder den Twin (lacht) Ja, wir werden oft fotografiert. Surfen liegt im Trend. In Peak. Die unterschiedlichen Bedingungen machen das Surfen München, wo im Eisbach der wohl bekannteste Surfspot Europas spannend. liegt, wirbt man sogar in Reiseführern damit. In Thun wird es auch

Monster? Biest? Das tönt ziemlich beängstigend. Ist es gefähr-

lich, in Thun zu surfen? Nicht gefährlicher als im Meer. Es braucht Viele Leute fragen sich, ob das Surfen in Thun überhaupt legal den nötigen Respekt. Erfahrung auf dem ist. Wir machen nichts Verbotenes. Sowohl der Brett – sei es Skateboard, Snowboard oder «Surfen ist ein Kanton wie auch die Stadt Thun stehen hinter Surfboard – ist von Vorteil. Noch wichtiger ist, dass man gut schwimmen kann. Wer zum ersGefühl von Freiheit, uns und finden toll, was wir tun. Mit dem Ver ein sorgen wir dafür, dass das auch so bleibt. ten Mal im Fluss surft, sollte bei der Scherzlig Glück und Spass.» schleuse anfangen. Die Mühleschleuse hat es Interview Simone Tanner Bilder Erich Häsler in sich.

Haben Sie schon brenzlige Situationen erlebt? Es ist zum Glück noch nie etwas Schlimmes passiert. Blessuren, Schürfwunden oder kaputte Bretter hat es aber schon einige gegeben. Ich bin schon oft nach Hause gehumpelt.

Mit dem Verein Flusssurfen Thun betreiben Sie auch Aufklä-

rungsarbeit. Ja, wir setzen uns für den Erhalt und die Förderung der Wellen in Thun ein und gleichzeitig für das sichere Surfen. Gemeinsam mit dem Schweizer Surfverband Swiss Surfing Association SSA und der Schweizerischen LebensrettungsGesellschaft SLRG geben wir einen Safety-Guide für das Flusssurfen heraus (siehe Infobox, Anm.d.Red.). Anfängern stehen wir mit Tipps zur Seite. Die Verantwortung liegt aber bei jedem Einzelnen.

Können alle Ihrem Verein beitreten? Ja. Es geht uns auch darum, die Surfszene in Thun etwas zu bündeln und als Verein Ansprechperson zu sein gegenüber Behörden, Politik und Öffentlichkeit. Im Vergleich zu anderen Surfspots sind wir in Thun mittendrin, wo uns alle sehen. immer beliebter.

Verein Flusssurfen Thun

Als der Kanton Bern 2012 die Scherzligschleuse sanierte, fürchteten Sandro Santschi und andere Surfer um «ihre» Welle. Um sich für deren Erhalt einsetzen zu können, gründeten sie den Verein Flusssurfen Thun. Mit Erfolg, die Welle blieb. Heute setzt sich der Verein allgemein für das Flusssurfen und auch für die Sicherheit ein. Gemeinsam mit dem Schweizer Surfverband Swiss Surfing Association SSA und der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG publiziert er einen Safety-Guide.

Die wichtigsten Regeln/Empfehlungen sind

• Wer surfen will, soll sich zuerst informieren. • Die richtige Ausrüstung ist wichtig. • Spot vorher erkunden. • Die eigenen Grenzen kennen. • Respekt! Andere Surfer, die Umwelt, örtliche Regeln usw. gilt es zu respektieren. • Nie alleine surfen und anderen Surfern in Not helfen.

Weitere Informationen unter www.flusssurfen.ch

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