Thema
Corona & die Künstler
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orona hat die Bevölkerung in vielerlei Hinsicht gespalten: in Corona-Akzeptierer und Corona-Ungläubige, in Verschwörungstheoretiker und solche, die an die Wissenschaft glauben und an die leidige Tatsache, dass die Natur die Menschheit seit Bestehen alle Jahrhunderte lang mit Pandemien überzieht, deren Auswirkungen und Ausformungen erstaunlich gleichgeblieben sind. Vor allem aber hat diese Seuche unsere Erwerbsgesellschaft unterteilt in Berufsgruppen, die von Corona profitieren (oder deren Arbeitsalltag zumindest größtenteils davon unberührt bleibt) und in solche, deren Existenz davon massiv bedroht ist. Die Kulturbranche zählt zu letzteren, und das in ihrer Gesamtheit mit Ausnahme von Film und Fernsehen, die zwar unter erschwerten Bedingungen arbeiten, aber zumindest arbeiten dürfen: Theater- und Konzertsäle dagegen sind entweder geschlossen oder Veranstaltungen in ihrer „Corona-Form“ unrentabel, und alle Großevents mit viel Publikum auf engem Raum ohnehin undenkbar, da dieses eben nicht festgenagelt auf zugeteilten Stühlen sitzt, sondern sich unkontrollierbar bewegt genau wie der Virus selbst. Nun ließe sich gewiss argumentieren, dass der Staat bei jenen Berufen einschränkend handeln soll, die die Verbreitung des Virus besonders fördern (ob das bei der Kultur tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt). Was jedoch bis heute unverständlich und vor allem unerklärt bleibt, ist, wieso manche Branchen, denen die Ausübung ihrer Berufe verboten wurde, in den Genuss üppiger Unterstützungsleistungen kommen und andere kaum bis gar nicht. Diese Unterteilung findet – Beamtendenken sei Dank – schon allein im Kulturbereich statt: So können beispielsweise angestellte Künstler in Kurzarbeit gehen (Ensemblemitglieder öffentlich-rechtlicher Bühnen etwa, und es sei ihnen gegönnt!), während die Schauspieler der freien Szene meist durch die Finger schauen oder selbständige Unternehmer, die einst Steuern zahlen durften, zu Bittstellern von Regierungen degradiert wurden, deren Prioritäten ganz woanders lagen, sofern sie uns Kunst- und Kulturschaffenden nicht schlichtweg ignorierten. Jedenfalls fühlt es sich für uns Künstler bis heute so an, und die „da oben“ machen auch erstaunlich wenig, um diesen Eindruck zu zerstreuen. Lange Zeit herrschte unter den Künstlern (nach dem blanken Entsetzen, dass unser Fehlen von der Politik nicht wahr- oder nicht ernstgenommen wird) die Meinung vor, man müsse den Regierenden, ja sogar der ganzen Bevölkerung, nun ein für alle Mal den Wert von Kultur für eine Gesellschaft klarmachen – dann würden Unterstützungen schon kommen, aufgrund eines gesteigerten Kulturverständnisses und des demokratischen Zusammenhalts. Bis auf mitleidige Blicke ist davon wenig geblieben. Kulturpolitiker, die selbst noch nie auf einer Bühne gestanden sind, schlugen uns parallel dazu vor, wie sich der Künstler nun an diese neuen Gegebenheiten anzupassen habe – ja einige davon boten gar schon mögliche Konzepte an, welche der wendige Kunstschaffende im Corona-Heute nun implementieren könne, ja sogar müsse, da sie zukunftsweisend seien. Als hauptamtlicher Künstler möchte ich diesen antworten: Einen Scheiß muss ich. Soweit kommt’s noch, dass ihr mir sagt, wie ich Kunst zu machen habe. Erstens kenne ich mich mit Kunst und meinem Publikum tausendmal besser aus als ihr, weil ich das seit 30 Jahren jeden Tag mache, und zweitens: Wie unsere Kultur aussähe, wenn sie sich nach den Wünschen und Vorstellungen der Politik richtete, das will ich mir gar nicht ausmalen. Das Umgekehrte ist der Fall: Nicht wir haben uns nach den Politikern zu richten, sondern die Politik hat – auch und gerade in Zeiten wie diesen – für stabile Arbeitsbedingungen und Existenzgrundlagen bei Künstlern zu sorgen. Denn wie alle anderen sind wir unverschuldet in diese Krise geraten, zu deren vielleicht größten Opfern wir nun aber leider geworden sind. Und: Wir sind, obwohl wir oft so wahrgenommen werden, eben nicht nur Förderungsempfänger, sondern auch Unternehmer, Steuerzahler und Wahlbürger.
Text: Stefan Vögel, Foto: Lisa Mathis
„Wir sind, obwohl wir oft so wahrgenommen werden, eben nicht nur Förderungsempfänger, sondern auch Unternehmer, Steuerzahler und Wahlbürger.“