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Alle können Künstler sein

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Rainer Roppele war langjähriger Obmann des freien Radio Proton. Jetzt ist er dort als Programmgestalter und Ausbildungskoordinator angestellt. Armin Weber gründete 2019 die Kleinkunsttankstelle Theatergarage in Sulz und streamte im Pandemiejahr 2020 40 Konzerte im Internet. Beide erzählen von ihrem Kunstbegriff und berichten, was sie in der alternativen Kunstszene während der Pandemie erlebten.

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Text: Daniel Furxer, Fotos: Radio Proton, Theatergarage Sulz

Rainer Roppele, Radio Proton Dass die Kultur in der Krise ist, ist offensichtlich“, konstatiert Rainer Roppele. „Die Pandemie brachte hier, wie in anderen Bereichen, nur die Krise noch deutlicher zutage. Die Gesellschaft ist leider immer weniger bereit, für Kultur zu zahlen.“ Sei dies bei MusikhörerInnen, die nur billig via Streams konsumieren oder auf der Seite der Veranstalter, bei denen MusikerInnen zahlen müssen, damit sie überhaupt spielen dürfen. „Pay to play“ laute die Devise. Nur einige große internationale Namen können um horrende Preise ihre Tickets anbieten. Gewinner sind dabei oft nur die wenigen großen Ticketfirmen, die es weltweit gibt. KünstlerInnen müssen zudem oft auf Tour gehen, damit sie überhaupt etwas verdienen. Ein Kreislauf, der nicht schnell durchbrochen werden kann, bleibt man in der Logik der jetzigen Marktwirtschaft.

Der Ansatz, den Rainer Roppele verfolgt, ist nicht neu, würde aber gerade auch Kulturschaffende entlasten. „Ich bin für ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die das wollen. Dann können KünstlerInnen ihrer Kunst nachgehen, und müssen nicht immer darauf schielen, ob diese Kunst kommerziell verwertbar ist.“ Künstler sein ist für Rainer Roppele sowieso ein breiter Begriff, der mit den Vollmondvarieté-Veranstaltungen des Zirkusvereins ZackundPoing! im ProKonTra schon gelebt wurde. „Jeder Mensch ist ein Künstler und kann sieben Minuten lang auf der Bühne vortragen, was er will. Ganz nach der These von Joeseph Beuys. Der Applaus und die Wertschätzung richten sich dann an die Person, die den Mut aufgebracht hat, auf die Bühne zu treten“, so Roppele.

Und was hat das alles mit der Pandemie zu tun? Die Kunst müsse auch lernen, sich wieder der Natur anzunähern. „Kunst sollte auch einen Beitrag dazu leisten, die Natur zu retten. Ansonsten gibt es den Menschen bald nicht mehr und damit auch keine Kultur. Die Pandemie ist der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. Denn es ist erst der Anfang, wenn wir so weiterwirtschaften wie bisher. Das gilt auch für die Künstler.“

Auch was das freie Radio betrifft, agieren die RadiomacherInnen selbstbestimmt. „Jede und jeder, der Radio machen will, kann Radio machen. Wir stellen das Radio für Leute zur Verfügung, die etwas sagen wollen und etwas zu sagen haben. Man muss nicht darauf warten, bis man zufällig oder durch gute PR von einem Medium wie dem ORF oder der VN interviewt wird. Hier kann man selber tätig werden. Leider nützen die MusikerInnen diese Gelegenheit noch viel zu wenig.“ Ein positives Beispiel für eine Kultur, die sich in Vorarlberg Gehör verschafft, ist der Hip Hop. Einmal im Monat präsentieren engagierte Vorarlberger Hip Hopper in ihrer Sendung „Audio Bunka Soundsystem“ das neueste aus ihrer Musikrichtung, führen Interviews und spielen viel regionale Hip-Hop Musik. „Kunst hat etwas mit Berufung und Leidenschaft zu tun, und sollte nicht auf das

Kommerzielle reduziert werden“, bekräftigt Rainer Roppele. Proton – das freie Radio versteht sich als Kulturradio: frei von Werbung und Kommerz. Zudem finden die verschiedensten Kulturen Platz im Programm.

Künstler helfen Künstler

Armin Weber blickt auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Seit April 2019 hat er in seiner Busgarage eine Theaterbühne eingerichtet. Als das Konzert von Bluatschink am 12. März 2020 in Götzis abgesagt wurde, bot er Toni Knittel, dem Sänger der Band, kurzerhand an, dass sie in der Kleinkunsttankstelle Theatergarage in Sulz auftreten können. Dies war das letzte Livekonzert und zugleich das erste Streamingkonzert. 39 weitere sollten folgen. Bis zu 4000 Personen haben pro Stream zugeschaut. „Mir war es wichtig, dass der Hunger auf Konzerte wach bleibt. Die Vorarlberger MusikerInnen wollten gerne spielen und wir boten ihnen die Bühne dazu. Gleichzeitig riefen wir die Aktion ‚Kunst hilft Kunst‘ ins Leben. Mit Bernie Weber (Schellinski, Never Do Well, Twiste Of Fate) hatte ich einen Partner, der sofort mit im Boot war“, erklärt Armin Weber. Statt eines Eintritts wurden die ZuschauerInnen gebeten, auf ein Spendenkonto einzuzahlen. Mit den Spenden konnten 2020 35 Vorarlberger KünstlerInnen geholfen werden. Die Förderungen wurden unbürokratisch und einfach gewährt.

Die Streamingkonzerte konnten nur mit Hilfe eines Teams umgesetzt werden. Martin Beck, Michael Summer, Mathias Ehrne und Sabrina Schlager waren für die Technik zuständig, Matthias Zuggal kümmerte sich um die Bildregie. Zwei Mal die Woche streamten sie aus der Theatergarage. „Das Spezielle dabei war, dass wir zwei Bühnen hatten, eine in der Garage, die andere im Bus. Dort führten wir Interviews mit den Künstlern, die sich mit den spielenden Musikern abwechselten. Das sorgte für eine kurzweilige Unterhaltung“, so Weber. Von Tanz, Literatur, Blues über Klassik bis zu Dialektmusik war alles vertreten. „Das Team ist durch diese Livestreams extrem zusammen gewachsen.“ Ein Highlight war die 50-Jahre-Feier von FLINT, bei der Reinhold Bilgeri, Michael Köhlmeier und Nolde Luger vom Musikfestival auf der Burgruine Neuburg erzählten.

Wie geht es mit der Theatergarage weiter? „Jetzt ist einmal eine Pause angesagt, dann schauen wir weiter. Sicher ist, dass diese Art von alternativer Theaterkunst ein Minderheitenprogramm bleiben wird. Das war vor Corona so und wird auch danach so bleiben. Einen gewissen Stellenwert wird Kunst jedoch immer in unserem Leben haben. Für mich waren die Ereignisse Tschernobyl und 9/11 einschneidender als diese Pandemie. Die Kontrolle und Überwachungen seit 9/11 haben extrem zugenommen und haben auch Auswirkungen auf die Kulturszene. Es gibt keine Veranstaltungen mehr, bei der nicht der Rucksack und die Handtasche kontrolliert werden. Das ist mittlerweile Normalität geworden.“ Die Veranstalterszene wird sich mit den neuen Begebenheiten arrangieren, davon ist Armin Weber überzeugt. „In der Programmauswahl bin ich zum Glück frei, da ich keine Förderungen bekomme, mir kann also auch niemand dreinreden“, freut sich Weber. „Diese Inseln an alternativer Kultur wie die Theatergarage sind wichtig. Es braucht sie genauso wie die großen Massenveranstaltungen“, ist er überzeugt. Die Streamingkonzerte können alle auf theatermobil.jimdo.com/ stream-in-kunst-hilft-kunst/ nachgehört werden. Homepage von Radio Proton: radioproton.at Empfangbar auf UKW 104,6MHz Bludenz/Walgau/Montafon – UKW 104,3MHz Feldkirch/Göfis/ Vorderland – UKW 101,1MHz Dornbirn/Hofsteig/Lustenau – UKW 92,7MHz Bregenz/Hofsteig oder über Livestream.

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