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Corona & die Küntsler
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Corona & die Künstler
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Text: Stefan Vögel, Foto: Lisa Mathis Corona hat die Bevölkerung in vielerlei Hinsicht gespalten: in Corona-Akzeptierer und Corona-Ungläubige, in Verschwörungstheoretiker und solche, die an die Wissenschaft glauben und an die leidige Tatsache, dass die Natur die Menschheit seit Bestehen alle Jahrhunderte lang mit Pandemien überzieht, deren Auswirkungen und Ausformungen erstaunlich gleichgeblieben sind. Vor allem aber hat diese Seuche unsere Erwerbsgesellschaft unterteilt in Berufsgruppen, die von Corona profitieren (oder deren Arbeitsalltag zumindest größtenteils davon unberührt bleibt) und in solche, deren Existenz davon massiv bedroht ist. Die Kulturbranche zählt zu letzteren, und das in ihrer Gesamtheit mit Ausnahme von Film und Fernsehen, die zwar unter erschwerten Bedingungen arbeiten, aber zumindest arbeiten dürfen: Theater- und Konzertsäle dagegen sind entweder geschlossen oder Veranstaltungen in ihrer „Corona-Form“ unrentabel, und alle Großevents mit viel Publikum auf engem Raum ohnehin undenkbar, da dieses eben nicht festgenagelt auf zugeteilten Stühlen sitzt, sondern sich unkontrollierbar bewegt genau wie der Virus selbst. Nun ließe sich gewiss argumentieren, dass der Staat bei jenen Berufen einschränkend handeln soll, die die Verbreitung des Virus besonders fördern (ob das bei der Kultur tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt). Was jedoch bis heute unverständlich und vor allem unerklärt bleibt, ist, wieso manche Branchen, denen die Ausübung ihrer Berufe verboten wurde, in den Genuss üppiger Unterstützungsleistungen kommen und andere kaum bis gar nicht. Diese Unterteilung findet – Beamtendenken sei Dank – schon allein im Kulturbereich statt: So können beispielsweise angestellte Künstler in Kurzarbeit gehen (Ensemblemitglieder öffentlich-rechtlicher Bühnen etwa, und es sei ihnen gegönnt!), während die Schauspieler der freien Szene meist durch die Finger schauen oder selbständige Unternehmer, die einst Steuern zahlen durften, zu Bittstellern von Regierungen degradiert wurden, deren Prioritäten ganz woanders lagen, sofern sie uns Kunst- und Kulturschaffenden nicht schlichtweg ignorierten. Jedenfalls fühlt es sich für uns Künstler bis heute so an, und die „da oben“ machen auch erstaunlich wenig, um diesen Eindruck zu zerstreuen. Lange Zeit herrschte unter den Künstlern (nach dem blanken Entsetzen, dass unser Fehlen von der Politik „Wir sind, nicht wahr- oder nicht ernstgenommen wird) die Meinung vor, man müsse den Regierenden, ja sogar der ganzen Bevölkerung, nun ein für alle Mal obwohl wir oft den Wert von Kultur für eine Gesellschaft klarmachen – dann würden Unterstützungen schon kommen, aufgrund eines gesteigerten Kulturverständ- so wahrgenomnisses und des demokratischen Zusammenhalts. Bis auf mitleidige Blicke ist davon wenig geblieben. Kulturpolitiker, die selbst noch nie auf einer Bühne men werden, gestanden sind, schlugen uns parallel dazu vor, wie sich der Künstler nun an diese neuen Gegebenheiten anzupassen habe – ja einige davon boten gar eben nicht nur schon mögliche Konzepte an, welche der wendige Kunstschaffende im Corona-Heute nun implementieren könne, ja sogar müsse, da sie zukunftswei- Förderungssend seien. Als hauptamtlicher Künstler möchte ich diesen antworten: Einen Scheiß muss ich. Soweit kommt’s noch, dass ihr mir sagt, wie ich Kunst zu empfänger, machen habe. Erstens kenne ich mich mit Kunst und meinem Publikum tausendmal besser aus als ihr, weil ich das seit 30 Jahren jeden Tag mache, und sondern auch zweitens: Wie unsere Kultur aussähe, wenn sie sich nach den Wünschen und Unternehmer, Vorstellungen der Politik richtete, das will ich mir gar nicht ausmalen. Das Umgekehrte ist der Fall: Nicht wir haben uns nach den Politikern zu richten, Steuerzahler sondern die Politik hat – auch und gerade in Zeiten wie diesen – für stabile Arbeitsbedingungen und Existenzgrundlagen bei Künstlern zu sorgen. Denn und Wahlbürwie alle anderen sind wir unverschuldet in diese Krise geraten, zu deren vielleicht größten Opfern wir nun aber leider geworden sind. Und: Wir sind, ger.“ obwohl wir oft so wahrgenommen werden, eben nicht nur Förderungsempfänger, sondern auch Unternehmer, Steuerzahler und Wahlbürger.
Doch auch die Kulturwelt muss sich, was die Reaktion auf diese Pandemie betrifft, selbst an der Nase nehmen. Wir sind, gelinde gesagt, ein ziemlich heterogener Haufen, auch nicht selten neidisch aufeinander, und vor allem viel zu oft damit beschäftigt, was denn nun „richtige Kultur“ ist und wer von uns Künstlern diese tatsächlich macht und wer ganz sicher nicht. Anders als im angelsächsischen Raum teilt sich die deutschsprachige Kultur sprachlich, gedanklich – und vor allem freiwillig! – in die zwei Reichshälften U und E (Unterhaltung und Ernste Kunst), die einander zumindest argwöhnisch betrachten, wenn nicht gar je nach Standpunkt gegenseitig als „seicht“ oder „elitär-snobistisch“ titulieren. Dabei gälte es spätestens jetzt zu begreifen, dass wir zusammen in einem Boot sitzen und abseits unseres jeweiligen Kulturbegriffs schon allein durch unsere Arbeitsformen und unseren Arbeitsalltag eine gemeinsame Branche bilden, die dazu deutlich schlagkräftiger sein könnte, wäre sie geeint und organisiert statt zerstritten oder neidisch aufeinander. Dazu kommt erschwerend, dass manche Untergruppen tatsächlich stärker von Förderungen abhängig sind als andere – und das sind wohlgemerkt eben nicht nur die prekär arbeitenden Künstler, sondern gerade auch viele in der vergleichsweise üppig unterstützten Hochkultur. Diese Gruppen halten sich mit der Solidarisierung für die Belange der anderen (zumindest öffentlich) tunlichst zurück, da sie sich’s mit der Gunst ihrer Förderer auch in Zukunft nicht verderben wollen. Das ist verständlich, schwächt aber die Belange der Gesamtheit aller Künstler. Was wir daher bräuchten, ist eine beitragsgestützte anonymisierte Künstlergewerkschaft, die unsere Belange professionell rechtlich vertritt, wie dies in anderen Branchen längst selbstverständlich ist. Und genau darum stehen diese im Moment auch besser da.
Ich persönlich habe die Hoffnung aufgege„Wie unsere Kultur aussähe, wenn ben, dass die Politik die momentane Lage der sie sich nach den Wünschen der Künstler verstehen oder ändern wird. Ehrlich gesagt glaube ich nicht einmal daran, dass der
Politik richtete, das will ich mir tiefere Wert von Kultur wahrgenommen wird, egal ob wir nun Maler, Komponisten, Autoren, gar nicht ausmalen.“ Musiker oder Tänzer sind: dass wir eben nicht nur den „schöneren Teil“ des Lebens für andere bereitstellen, einen Genuss für die Freizeit, Beiwerk und Schmuck sind, sondern Chronisten unserer
Generation, Seismographen von Stimmungen, Deuter unserer Gesellschaft und der Zeiten, in die wir steuern oder uns schon befinden. Wir selbst aber haben es verabsäumt, uns als Branche zu organisieren.
Und doch leben wir – auch die Künstler – in einem Rechtsstaat. Damit wir aber zu diesem unserem
Recht kommen, sollten wir das Argument endlich wegführen von der Wichtigkeit der Kunst und hin zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit Staaten, die uns diese Rechte verwehren. Denn wie kann es sein, dass nach neuesten Studien eine größere epidemiologische Gefährdung von Büros ausgeht als von Theatersälen – und „normale“ Firmen dennoch weiterarbeiten dürfen und wir nicht? Wieso müssen wir Umsatzverluste von über 90 Prozent klaglos hinnehmen und andere nicht? Wie ist das alles mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar? Und wie stehen unsere Chancen für Schadensersatz- und
Sammelklagen? Es scheint leider so: Der Staat versteht nur die Sprache des
Rechts, und wir Künstler sollten endlich lernen diese zu sprechen, gemeinsam und organisiert. Wir müssen es endlich schaffen, ernstgenommen zu werden. Sonst verdienen wir das Image, das wir im Moment haben – und stehen bei nächster Gelegenheit wieder genauso nackt da wie heute.