marie 59/ April 2021

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Mittendrin in V

Ohne Stigmatisierung Ein Ort, an dem keine Fragen gestellt werden, keine Verurteilungen und Diskriminierungen stattfinden, der geschützt ist und der für Suchterkrankte ein Zufluchtsort mit Respekt ist. Das und noch mehr war die Vision dreier Menschen, die vor 30 Jahren den Verein „do it yourself “ in Bludenz gründeten. Ehrenamtlich, mit viel Enthusiasmus und Herzblut. Das hat bis heute Bestand. Die Anzahl der Suchtkranken aber leider auch. 24 |

Text: Christine Mennel, Fotos: do it yourself

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uerst waren es zwei, dann fünf, dann sieben. Heute kommen im Durchschnitt 20 bis 30 Menschen mit einer Suchterkrankung in die Kontakt- und Anlaufstelle „do it yourself “ am Kasernplatz in Bludenz. Sie kommen zum Essen, um Wäsche zu waschen, ein bisschen Normalität zu erleben und auch Unterstützung zu erfahren. Oberste Priorität war den Gründungsmitgliedern der niederschwellige Zugang zur Institution. Denn einer der Initiatoren war selbst Betroffener: Albert Schallert, 1996 verstorben, stammte aus einer bekannten Unternehmerfamilie aus dem Raum Bludenz. Durch einen Verkehrsunfall verlor er seine Frau und wurde mit einem tragischen Schlag alleinerziehender Vater zweier Kleinkinder. Zuviel für ihn. Er rutschte ab in die Drogenszene, begab sich aber in Therapie. Die dortigen strengen Regeln verboten es, dass Schallert seine Kinder an Weihnachten sehen konnte. Es kam zu herzzerreißenden Szenen: Albert Schallert brach die Therapie ab. Sein damaliger Betreuer, Elmar Sturm – Mitbegründer des Vereins und heute Sozialarbeiter in der Maria Ebene – erinnert sich noch gut daran, denn Albert Schallert war sein Klient. „Wir haben Albert unterstützt. Er war sehr motiviert, abstinent zu bleiben, und für ihn war klar, dass etwas passieren musste.“ Betroffene sollten einfach und ohne Stigmatisierung Hilfe erhalten. „Im Februar 1991 organisierten wir als Initiativgruppe eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Drogenhochburg Bludenz – Das Café im Kapuzinerkloster Bludenz Was bringt die Zukunft?“, erinnert sich Elmar Sturm, der 16 Jahre lang Obmann des Vereins war. Berichte über Probleme mit den Drogenszenen im Land und über junge Drogentote waren zu der Zeit ein Dauerthema in den Medien. 1991 starben an nur einem Wochenende vier Süchtige. Während der Veranstaltung, zu der über 130 Menschen kamen, „outete“ sich Albert Schallert mit seiner Suchtgeschichte. Er schilderte eindrücklich, dass Vorurteile abgebaut werden müssen und dringend Hilfe und Aufklärung nötig sind. Sturm: „Etwa 40 Personen haben sich anschließend gemeldet, um beim Verein aktiv mitzuwirken. Ende April 1991 konnten wir ihn offiziell gründen. Albert Schallert war der erste Obmann und Motor für eine tolle Entwicklung.“

Enorme Vorurteile

Nur wenige Monate später bezog der Verein „do it yourself “, der heute überwiegend vom Vorarlberger Sozialfonds und den Gemeinden des Bezirkes Bludenz finanziert wird, kostenlos im Kapuzinerkloster in Bludenz seine Räumlichkeiten. In Eigeninitiati-


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