Garcon Magazin - Essen, Trinken, Lebensart Nr.56

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AUSGABE NR. 56 | 2020 | 6 €

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART

CAFÉ BAIER | EXODUS | HAWKER | FRAU BÜNGER MACHT MITTAG | PIECHAS BIOBUFFET SPILLING | JONATHAN K ARTENBERG | JOHANNES HABEL | RICARDA FARNBACHER | BUBAR FUHRMANNS FRÜCHTEKORB | UNTERWEGS IN BRANDENBURG: UCKERMARK


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MISE EN PLACE

Liebe Freunde, wenn dieser Mann sich zu Wort meldet, dann hat er auch was zu sagen. Olivier Roellinger, Jahrgang 1955, einer der besten Köche Frankreichs, berühmt für seine Fischküche und 2006 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Fünf Jahre später schloss er sein Restaurant „Les Maisons de Bricourt”. Roellingers Begründung: „Die Sterneküche ist ein sehr enges, geschlossenes System. Es diktiert deine Lebensweise. Ich wollte diesem System entfliehen und zurück zu mehr Einfachheit und Natürlichkeit.” Danach wurde es ruhiger um den Starkoch, der 2009 zum Vizepräsidenten der internationalen Vereinigung von Relais & Châteaux gewählt wurde. In dieser Funktion äußerte sich Olivier Roellinger jetzt zu einem Thema, das längst aktuell ist und mit Sicherheit immer bedeutsamer wird: Die Corona-Krise und die Zukunft der Gastronomie.

„Covid-19 wird die Gastronomie auf eine Form der raffinierten Einfachheit konzentrieren, die vom gesunden Menschenverstand getragen wird”, erklärte er. „Kochen wird mehr denn je davon leben, Natur in Kultur zu verwandeln.” Gedanken, über die in einer hoffentlich nicht allzu fernen Nach-Corona-Zeit auch hierzulande noch viel zu reden sein wird...

„Wenn alle Restaurants geschlossen sind, weshalb eröffnen wir nicht selber eins?”, dachten sich Dávid Turczi und Vangelis Badiartakis. Und weil die beiden Männer Spieleentwickler von Beruf sind, setzten Sie ihre Idee flugs in die Tat um. Das Ergebnis heißt Kitchen Rush und ist ein „kreatives Echtzeitspiel” (so die Verlagsmitteilung) für die ganze Familie, das lange LockdownAbende verkürzt und von der Jury „Spiel des Jahres 2020” immerhin hohes Lob in Form einer Empfehlung erhielt. Ich wünsche Ihnen Kraft, bleiben Sie gesund und achten Sie auf sich und Ihre Lieben. Ihre

Yvonne Weinlich info@bildart-verlag.de


INHALT MISE EN PLACE TITEL „Aber bitte keine Fotos!” Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

24

10

Hawker Bar + Kitchen: Ein Besuch vor dem Lockdown.

„Aber bitte keine Fotos!”: Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech.

Buchhandlung Geistesblüten

GARCON-TAGEBUCH Dinner for none 6

GESCHMACKSSACHEN

29 Tage im November

Seltenes Früchtchen

Berliner Teller 24

À la Piecha

Knusperschnitzel mit Gruyère,

AnaÏs Causse empfiehlt:

30

Kostproben 48

32

Lunchtime bei Cora und Claudia

Gespräch mit Ocke Pinks, Niederlassungsleiter, Deutsche See GmbH

4

GARÇON

46

Oignons de Roscoff

Lobby für Nippons Nationalgetränk

Großmarkt Berlin

44

Convenience vom Allerfeinsten

vor dem Lockdown serviert im Hawker

Frau Bünger macht Mittag

40

Liebeserklärung an den Spilling

LOKALTERMIN

Sake Embassy Germany

38

Legendäre Dinner – eine Empfehlung

KOPFSALAT 37

40

Jonathan Kartenberg Seltenes Früchtchen: Liebeserklärung an den Spilling.

Fix und digital Eine virtuelle Speisekammer geht online

50


GTS Großküchentechnik & Service GmbH Planung Montage Kundendienst Notdienst

Ihr zuverlässiger Partner für:

32

Frau Bünger macht Mittag: Lunchtime bei Cora und Claudia

Ilona Scholl und Nicole Grossmann

Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer, Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m. 52

Gewerbe-Geschirrspülmaschinen Tiefkühl- und Kühlanlagen Arbeits- und Spültische

Verdiente Ehrung für starke Frauen

Johannes Habel

54

Der Eiermann aus Falkenhagen

Ricarda Farnbacher

64

Wenn schon kein Catering, dann Feinkost

KULINARISCHE EXKURSION Unterwegs in Brandenburg

73

46

AnaÏs Causse empfiehlt: Oignons de Roscoff.

Petznick | Potzlow | Grünheide | Gerswalde

Pietrasanta | Toskana

94

Zu Gast in Pierluigi Bizzarris Fishing Lab

RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb 102 Spitzkohl

Berliner Marktnischen

106

Crêpes und Galettes von Bubar

GTS Großküchentechnik & Service GmbH Kulinarische Nachlese Garcon-Quiz | Impressum

108 110

73

Unterwegs in Brandenburg: Stippvisite in der Uckermark.

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GARCON-TAGEBUCH Dinner for none — 29 Tage im November

Dinner for none 29 TAGE IM NOVEMBER

EIN GARCON-TAGEBUCH

www.dieter-fuhrmann.de

Montag, 2. November 2020, 5.00 Uhr

markt – um 5.00 Uhr morgens normalerweise ein Ort wuseliger Ge-

„Schwarzer Mittwoch”, so nennt Marcus Fuhrmann (Bild oben Mit-

schäftigkeit – sind am 2. November nur wenige Mitarbeiter tätig,

te) den 28. Oktober 2020. Es ist der Tag, an dem Bund und Länder

und von den 25 Kühltransportern des Großhandelsunternehmens

neue Maßnahmen verkünden, um den Anstieg der Corona-Infektio-

gehen an diesem Tag lediglich sechs auf Tour. „In Kitas, Kranken-

nen zu bremsen – darunter die Schließung aller gastronomischen

häusern und Kantinen wird zum Glück noch gekocht”, sagt Marcus

Betriebe in Deutschland im November.

Fuhrmann, „außerdem haben einige Restaurants für ihre To-go-Of-

Fuhrmann ahnt, was dieser Beschluss für sein Unternehmen be-

ferten Ware bestellt.” Wie hoch der Umsatzverlust Ende November

deutet, das zu fast 100 Prozent sein Geld mit Obst und Gemüse für

sein wird, darüber will er nicht spekulieren. Offen ist an diesem

Bars, Bistros, Cafés und Restaurants verdient.

Montag auch, ob Großhändlern als mittelbar durch den Lockdown

Am ersten Tag des gastronomischen November-Lockdowns ist

Betroffenen – ähnlich wie den Gastronomen – ein Teil des wegbre-

***

die Ahnung Realität. In Fuhrmanns Halle auf dem Berliner Groß-

Dienstag, 3. November 2020, 12.00 Uhr

chenden Umsatzes ersetzt wird.

dings leider nicht möglich”, teilt der Verband mit, „deshalb haben

Ein Brief des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes an seine

wir mit der Kanzlei Härting Kontakt aufgenommen.” Rechtsanwalt

Mitgliedsbetriebe verweist auf die Möglichkeit, per Eilantrag ge-

Nico Härting, der die im Juni verordnete Sperrstunde vor dem Ver-

richtlich gegen die Schließung ihrer Lokale im November vorzu-

waltungsgericht Berlin gekippt hatte, erklärt: „Wir schätzen die Er-

gehen. „Ein Musterverfahren seitens des DEHOGA Berlin ist aller-

folgsperspektiven als nicht aussichtslos ein.”

Mittwoch, 4. November 2020, 10.00 Uhr

cheleinheiten für die Seele” sogar deutschlandweit an. Doch nicht

Das Internet erlebt seit zwei Tagen einen Eatstorm sondersgleichen.

alle Berliner Gastronomen sind überzeugt, mit Take-away-Offerten

Hunderte Restaurants – vom Sternetempel bis zur Suppenschmiede

relevante Umsätze erzielen zu können. „Es rechnet sich nicht ”, sagt

– stellen ihre Außer-Haus-Angebote online. Spitzenkoch Tim Raue

etwa Jonathan Kartenberg, Inhaber des eins44 in Neukölln und des

und sein Lieferservice FUH KIN GREAT bieten ihre „essbaren Strei-

Irma La Douce in der Potsdamer Straße.

***

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GARÇON


Dinner for none — 29 Tage im November GARCON-TAGEBUCH

Dienstag, 10. November 2020, 14.00 Uhr

gibt der Gerichtssprecher den Beschluss der Kammer wieder. Eine

Dr. Dominic Hörauf, Sprecher des Verwaltungsgerichtes Berlin,

nicht unerhebliche Rolle dabei dürfte wohl die Tatsache gespielt

gibt die Entscheidung der Richter bekannt: Die Eilanträge von 22

haben, dass etwa im Bezirk Neukölln, wo drei der 22 Antragsteller

Berliner Gastronomen gegen die coronabedingten Schließungen

ihre Restaurants betreiben, die Inzidenz mit 332 Fällen pro 100.000

ihrer Bars und Restaurants werden zurückgewiesen.

Einwohner bundesweit einen Spitzenwert erreicht hat.

Die Verordnung des Berliner Senats, mit der die Schließungen

„Wir werden uns die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in

der Betriebe angeordnet wurde, beruhe „auf einer verfassungskon-

Ruhe ansehen und überlegen, ob wir Beschwerde beim Oberverwal-

formen Rechtsgrundlage, die Aussage, Gaststätten trügen nicht

tungsgericht einlegen”, so Rechtsanwalt Prof. Nico Härting, der die

wesentlich zur Verbreitung der Pandemie bei, ist nicht haltbar”,

22 Berliner Gastronomen vertreten hatte, noch am gleichen Tag.

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www.die-eselin-von-a.de

Donnerstag, 12. November 2020, 16.00 Uhr

sternten Berliner Herden gelernt hat und sein Stellvertreter Loren-

Stippvisite in der Eselin von A., dem gemütlichen Kiezlokal in der

zo Roig Meine (Bild unten links) setzen bei ihren To-go-Offerten

Charlottenburger Schloßstraße. Inhaber Harry Wolleschak (Bild

auf Bodenständiges und beweisen dabei, dass traditionell nicht

oben Mitte) zeigt seine jüngsten Errungenschaften: ein großes

gleich bieder sein muss.

transparentes Plastikzelt mit zwei Heizstrahlern im Garten und drei

Die Gäste honorieren das. Stolz zeigt Wolleschak die Lobeshym-

Luftreiniger im Restaurant, alles angeschafft, bevor der gastrono-

nen in seinem Facebook-Account und bestätigt: „Es läuft besser

mische November-Lockdown beschlossen wurde. „Ich hoffe natür-

als wir erwarten konnten.” Dennoch: Selbst 50 Außer-Haus-Essen

lich, dass sich die Investition noch auszahlt”, sinniert Wolleschak.

an diesem Tag sind natürlich kein Äquivalent für ein ausgebuchtes

Weil der 54-Jährige jedoch nicht nur ein erfahrener Gastronom,

Restaurant. Und so fragt man sich auch in der Eselin von A., wie

sondern auch ein grenzenloser Optimist ist, hält er sich nicht lange

lange Geld, Geduld und Nerven noch reichen.

mit Grübeleien auf. Seit einer Woche setzt er voll und ganz aufs

Übrigens: Schützenhilfe beim Kampf um ihre Existenz bekom-

To-go-Geschäft. Zwischen Mittwoch und Sonntag bietet das Ese-

men die Gastronomen vom Düsseldorfer Handelsriesen METRO

lin-Team um Harry Wolleschak, dessen Tochter Alexa und Bruder

Deutschland. Das Unternehmen startet am 17. November 2020

Enrico fünf Vorspeisen, sieben Hauptgerichte und ein Dessert an

eine Kampagne, deren Ziel es ist, möglichst viele Menschen zu

– etwa Backfisch mit Kartoffelsalat, Hirschgulasch mit Klößen, Kö-

animieren, das Weihnachtsessen in diesem Jahr nicht selbst zu

nigsberger Klopse mit Kartoffelpüree.

kochen, sondern beim Profi zu bestellen. Motto: Gönnt eurer hei-

Es gibt Gänsebraten (bis Weihnachten auf Vorbestellung), klas-

mischen Küche eine Pause und helft damit dem Gastgewerbe, das

sisch mit Rot- und Grünkohl, Kartoffelklößen und Sauce sowie

besonders hart von den Auswirkungen der Corona-Pandemie be-

Ente. Küchenchef Lorenz Becker, der sein Handwerk einst an be-

troffen ist. #GönntEurerKücheEinePause

GARÇON

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GARCON-TAGEBUCH Dinner for none — 29 Tage im November

Freitag, 13. November 2020, 19.00 Uhr

ciert eine trendbewusste Grillküche und ein innovatives Konzept, das

Der November-Lockdown lässt die Premiere platzen. Angezeigt für

– wenn wir die Presseaussendungen richtig verstanden haben – ein

diesen Freitag ist die Eröffnung eines neuen Restaurants auf dem

bisschen an das Ikarus im Salzburger Hangar-7 erinnert. Übrigens: Be-

EUREF-Campus in Schöneberg. Thomas Kammeier und Olaf Rode

nannt ist das neue Restaurant nach einer automobilen Legende der

(Bilder unten, v. li.), das Dream-Team früherer Hugos-Jahre, annon-

1930er – THE CORD. Statt Cord live gibt’s nun erstmal Cord to go.

***

Dienstag, 17. November 2020, 10.00 Uhr

Berliner Allround Autovermietung diese Bezeichnung verdient. Be-

Die Corona-Pandemie brachte nicht nur Abstandsregeln und Mas-

reits Ende Oktober hatte Emile Weisner, Geschäftsführer des 1983

kenpflicht, sondern auch viele neue Wortschöpfungen – eine davon

gegründeten Unternehmens (Bild u. Mitte), einen Post abgesetzt:

ist der „virale Hit”. So jedenfalls bezeichneten Zeitungen die Soli-

„Wir wollen helfen und stellen Berliner Gastronomen für die Zeit des

daritätsaktion des Friseurmeisters Ulrich Ullmayer aus Landau, der

zweiten Lockdowns kostenlos bis zu 30 PKW zur Verfügung.”

seinen Gastronomie-Kunden Gratis-Haarschnitte spendet und ihnen Essensgutscheine abkauft, um sie Weihnachten zu verschenken. Sollten die Erfinder des „viralen Hits” mit ihrer Benennung etwas ganz und gar Positives meinen, dann hätte sicher auch die Aktion der

Schnell meldeten sich 21 Betriebe, darunter das Kreuzberger Nobelhart&Schmutzig, das Charlottenburger Stella Alpina, die Trattoria Vale un Peccato sowie das Bahadur in Wilmersdorf. Ihr Kommentar: Coole Idee und Tausend Dank.

***

Donnerstag, 20. November 2020, 18.00 Uhr

seine Crew (darunter Restaurantleiterin Sabine Panzer und Somme-

Auch Arne Ankers (Bild unten Mitte) Restauranteröffnung in der Char-

lière Maria Rehermann, beide bekannt aus seligen Reinstoff-Zeiten)

lottenburger Grolmanstraße 53/54 an diesem Donnerstag ist – coro-

bieten Brikz-Menü-Boxen mit allen Zutaten für drei oder vier Gänge

nabedingt – lediglich ein Start ins Take-away-Geschäft. Der 35-jährige

sowie den nötigen Kochanleitungen und harren nun der Dinge, die

Schleswig-Holsteiner Sternekoch (2014 bis 2019 im Pauly-Saal) und

da kommen werden.

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GARÇON


Dinner for none — 29 Tage im November GARCON-TAGEBUCH

Sonntag, 22. November 2020, 11.30 Uhr

Startup Awards 2020 werden online verliehen. Die Jury ehrt vier jun-

Bilder wie diese (oben re. und li.) gibt es in diesem Jahr nicht. Die

ge Unternehmen – zwei davon kommen aus Berlin. Neben der Ham-

FuturEins UG, Organisator der Next Organic, hatte bereits Anfang

burger Stieleis-Manufaktur Tofte und dem niedersächsischen Unter-

November mitgeteilt, dass die traditionelle Veranstaltung in die-

nehmen Suur (Herstellung fermentierter Gemüseprodukte) werden

sem Jahr als Online-Event via ZOOM ausgerichtet wird. Das klappt

Tiny Farms Berlin (Produktion und Vermarktung von Biogemüse) so-

an diesem Sonntag sowohl beim Eröffnungstalk mit Renate Künast

wie das Berliner Restaurant FREA ausgezeichnet. Der Publikums-

als auch bei den Podiumsdiskussionen gut. Auch die Next Organic

preis geht an Food Tracks aus Münster (Bäckerei-Controlling).

***

Montag, 23. November 2020, 10.00 Uhr

haben. Seitdem wird geplant und gebaut, im kommenden Jahr soll

Von sich reden macht das FREA auch am Tag darauf. Es wird be-

das zweite Restaurant des Paares öffnen – als ein kulinarischer Ort,

kannt, dass dessen Inhaber Jasmin Martin und David Johannes Su-

der vegane Küche mit regionalen Bio-Produkten offeriert, ganzheit-

chy (Bild u. links) das seit Oktober geschlossene Restaurant Alpen-

lich organisiert ist und Genuss mit Nachhaltigkeit verbindet, indem

stueck inklusive der früheren Alpenstueck-Manufaktur übernommen

er keinen Müll produziert, sondern den Abfall kompostiert.

Montag, 30. November 2020, 7.30 Uhr

***

Vergleich zum Vorjahr hatten wir im November 2020 einen Umsatz-

Wir sind am letzten Arbeitstag im November noch einmal zu Gast

verlust von 75 bis 80 Prozent.” Und obwohl ein Viertel seiner Mitar-

bei Marcus Fuhrmann. Der Obst- und Gemüsegroßhändler weiß in-

beiter Kurzarbeitergeld bezieht, liegen die monatlichen Kosten bei

zwischen, dass der gastronomische Lockdown mit diesem Tag nicht

über 40.000 Euro. Ausgleichszahlungen hat er bisher nicht bekom-

beendet ist. Die wirtschaftlichen Folgen nennt er dramatisch: „Im

men. „Unsere Rücklagen sind bereits mehr als halbiert”, sagt er.

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

„Aber bitte keine Fotos!” DIE GASTRONOMEN ANNETTE BAIER UND PETER-MICHAEL KRECH VON JÖRG TEUSCHER

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GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Keine Frage, die Um- und Abspannwerke der Bewag üben seit ih-

für den Sender Freies Berlin – über das Festival „resonant wave”,

rem Bau in den 1920er Jahren einen eigentümlichen Reiz auf die

das in der riesigen Transformatorenhalle viel Furore machte. Gut

meisten Betrachter aus. Achtunddreißig dieser „Kathedralen der

drei Monate später schrieb ich über das Restaurant des Hauses,

Elektrizität” ließ Hans Heinrich Müller (1879-1951), Architekt und

das – nomen est omen – zu dieser Zeit den Namen H. H. Müller trug.

damaliger Baudirektor der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke

Obwohl das inzwischen 18 Jahre her ist, erinnere ich mich gut

Aktiengesellschaft, einst errichten – aus roten Klinkern gemauer-

an Annette Baier und Peter-Michael Krech, die Inhaber der außer-

te Solitäre, die zwar ziemlich sakral anmuteten, aber ausschließ-

gewöhnlichen Location am Paul-Lincke-Ufer. Die Begegnung blieb

lich einem elektrotechnischen Zweck dienten. Das erste dieser

mir auch deshalb im Gedächtnis, weil die beiden es damals strikt

Abspannwerke entstand zwischen 1924 und 1926 am Kottbusser

ablehnten, sich fotografieren zu lassen. „Andere sind wichtiger”,

Ufer in Kreuzberg, das heute Paul-Lincke-Ufer heißt.

erklärten sie und schickten ihren Küchenchef Thomas Kurt vor...

1989 wurde es stillgelegt, später umgebaut. Seit 2002 sind hier

Vor vier Monaten traf ich Annette Baier und Peter-Michael

diverse Kreativfirmen ansässig, jahrelang diente es als Eventloca-

Krech wieder. Und auch da hieß es gleich: „Aber bitte keine Fotos.”

tion, ein Restaurant zog ein. Ende Mai 2002 berichtete ich – damals

So strikt wie vor 18 Jahren klang es allerdings zum Glück nicht.

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Peter-Michael Krech Inhaber Restaurant Exodus Berlin-Charlottenburg Peter-Michael Krech und Annette Baier gehen inzwischen privat wie gastronomisch getrennte Wege, sind aber immer noch freundschaftlich verbunden und unterstützen sich geschäftlich, wo immer es nötig ist. „Wir sind ein Team geblieben”, sagt Krech. Der 63-jährige Berliner ist Architekt von Beruf, erste Liga in seiner Branche, ein Mann also, der gut zu tun hat. Dennoch leistet er sich immer wieder mal einen Ausflug ins Gastro-Business – damals, als wir uns kennenlernten, war es das Kreuzberger Umspannwerk – jetzt ist es das Charlottenburger Restaurant EXODUS. Zwei Jahre dauerte der Umbau der Vinoteca Filou, in denen Krech die Mischung aus Burgverlies und Backsteingrotte in ein modernes Restaurant verwandelte. Der Name „EXODUS by Aviv Moshe” lässt es vermuten – hier grüßt eine israelische Brasserie mit der Küche des östlichen Mittelmeeres und einer Form der Gastlichkeit wie sie etwa in Tel Aviv zelebriert wird. Aviv Moshe übrigens ist einer der bekanntesten Köche Israels und Krechs Partner fürs Kulinarische.

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Annette Baier Inhaberin Café Baier Berlin-Steglitz Als Annette Baier 2014 die Schloßstraßeninstitution Le Café übernahm, (die Umbenennung in Café Baier erfolgte erst ein Jahr später), lag ein ziemlich bewegtes Leben hinter der heute 57-Jährigen. Geboren in Großenhain bei Dresden, Abitur. Kunststudium, Abbruch. Tischlerlehre, Abschluss. 1984 Flucht nach West-Berlin.Jobs in einem Fitnessstudio und in einer Intarsienwerkstatt, dann ein Jahr Australien. Nach ihrer Rückkehr heuerte sie im Architekturbüro von Peter-Michael Krech an. Der hatte Anfang der 1990er das Atalante in der Neuköllner Richardstraße gebaut, sie führte das Lokal, das damals mit seinen Esskultur-Veranstaltungen – Literaturlesungen mit Menübegleitung – für Aufmerksamkeit sorgte. Annette Baier folgte Krech ins Kreuzberger Umspannwerk und managte dort das Restaurant H. H. Müller. Sie holte 2003 Matthias Gleiß als Küchenchef ins Boot – „ein Glücksfall” – und auch für einige Zeit Ilka Bessin als Restaurantleiterin. „Ein Missgriff, aber als Cindy aus Marzahn hat sie dann ja doch noch ihre Berufung gefunden.”

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Annette Baier lud uns ein, ihr Café zu besuchen. Wir vereinbarten einen Termin. „Mittwoch, 21. Oktober?” Passt. „Wenn Sie können, kommen Sie um sieben.” Den Grund für das sündhaft frühe Treffen erklärt uns die Inhaberin beim Weg in die Keller-Katakomben der hochherrschaftlichen Jugendstilvilla am Zusammenfluss von Schloß- und Zimmermannstraße mit entwaffnend-charmanter Offenheit: „Ich wollte, dass Sie das Herzstück unseres Cafés kennenlernen.” Das Herzstück besteht aus mehreren gefliesten Räumen mit relativ geringer Deckenhöhe, in denen zu dieser Zeit eine fast andächtige Betriebsamkeit herrscht.

„Stress verdirbt nicht nur den Charakter, sondern auch den Kuchen”, erklärt uns Bajwa Zakaullah, genannt „Zaka”, Bäcker und Konditor mit Meisterbrief (Bild li. Mitte). Der 60-Jährige ist für das Brot und die Brötchen zuständig, für Mohn- und Zimtschnecken, Croissants und natürlich für eins der gebackenen Markenzeichen des Cafés, die Buchteln, ein Wiener Germteiggebäck (Germ, österr.: die Hefe; germeln: nach Hefe schmecken), das später mit Vanillesauce serviert wird. In einer anderen Stube werkeln die Konditorinnen Milka Budiša und Helena Schembera (Bild li. unten, v.re.) an täglich einem Dutzend Kuchen- und Tortenklassikern.

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Und dann gibt es da noch ein ganz besonderes Schmankerl: Crumble, der im Grunde ein Streuselkuchen ohne Boden ist und im Café Baier – gäbe es ihn mal nicht – wahrscheinlich einen Gästeaufstand auslöste. Ohne Corona würde der Sturm um neun beginnen. Nicht auf das Kuchenbuffet, sondern zu allererst auf den Zeitungsständer. Neue Zürcher, FAZ, Tagesspiegel und Süddeutsche sind zuerst weg, was einige Rückschlüsse auf die Provenienz der Gäste zulässt. Anwälte, Geschäftsleute, Künstler und Wissenschaftler kommen regelmäßig in das stilvolle Refugium in der ersten Etage, das Sehen-und-Gesehenwerden-Publikum

bevorzugt die Etablissements in Mitte oder Prenzlauer Berg. Den vielen Stammgästen – Annette Baier spricht von immerhin 60 Prozent – ist das nur recht, sie bevorzugen Rückzugsorte ohne Tamtam und Tralala. Deshalb feiern sie „ihr” Café Baier, dessen ursprüngliche Atmosphäre und all die gutbürgerlichen Offerten auch als wahres Schloßstraßen-Idyll. CAFÉ BAIER Schloßstraße 26 12163 Berlin-Steglitz Tel. 030 - 22 02 27 04 www.cafe-baier.com

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Am Tresen: Cristina Biro. Im Service: Niko Dordevic.

In der Küche: Sven Bork.

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Abschied von Annette Baier und einer Adresse, um die Steglitz zu beneiden ist. Eilige Fahrt nach Charlottenburg, um zwölf ist Lunchtime im EXODUS, natürlich mit Handdesinfektion, Namensliste und Abstand. Noch ahnt keiner, dass sieben Tage später für lange Zeit nichts mehr gehen wird. Peter-Michael Krech bittet zum Rundgang durch ein Restaurant, das schon als Örtlichkeit interessant ist. Die stärksten Faktoren an diesem wohltuend schlicht möblierten Lokal: die bunten MuranoLeuchten und die großen Ölbilder von Susanne Platte – Thema Movement, die Welt in Bewegung. „Sie sind dem Namen unseres Restaurants verpflichtet”, sagt Krech.

Kurzes Nachdenken, dann fügt er hinzu: „EXODUS, das ist die Flucht in eine bessere Welt.” Nach seinem Engagement ausgerechnet für dieses Projekt befragt, verweist der Berliner Architekt auf seine israelischen Geschäftspartner, seine Freundschaft mit Aviv Moshe, dem bekannten Spitzenkoch aus Tel Aviv und auf seinen familiär jüdischen Hintergrund. „Außerdem ist die Levante-Küche in Berlin schwer angesagt”, ergänzt er. Man muss es ihm und seinen Partnern lassen: Mit dem EXODUS haben sie einen feinen Allzeit-Treffpunkt etabliert, der in jeder Hinsicht in die Zeit passt.

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Servicechefin Anna Triltsch.

Mitarbeiterin Sarah Schulz.

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Die EXODUS-Küche ist das Reich von Küchenchefin Shany Zahov Zaubermann und ihrem Stellvertreter Dor Oren (Bild oben v. re.). Die 25-jährige Shany stammt aus Afula, einer Stadt im Norden Israels und war nach ihrer Ausbildung Souschefin bei Aviv Moshe in dessen Restaurant Messa, einer der angesagtesten kulinarischen Adressen in Tel Aviv. Dor Oren, 29, aufgewachsen in Rishon Leziyyon, ein paar Kilometer südlich von Tel Aviv, absolvierte seine Kochlehre in Freiburg und hätte auch die nächsten Jahre im schönen Breisgau verbracht, wenn da nicht der dringende Ruf aus der Hauptstadt gewesen wäre.

„Das EXODUS by Aviv Moshe ist für jeden Koch aus Israel eine Herausforderung, für die sich ein Umzug lohnt”, sagt er. Die EXODUS-Küche ist eine moderne Mischung aus mediterranen, israelischen und arabischen Elementen, wie sie in vielen Metropolen der Welt en vogue ist: intensive Aromen, mutige Würzung, kreative Arrangements. Wir reservieren für den 28. Oktober … EXODUS BY AVIV MOSHE Bleibtreustraße 7 10623 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 31 01 44 49 www.exodusberlin.com

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Wie geht es Ihnen, Herr Krech?

Die fixen Kosten des Restaurants finanzieren Sie mit der staatlichen

Ich bin gesund und habe als Architekt in Berlin und Brandenburg

November- bzw. Dezemberhilfe?

gut zu tun, aber darauf zielt Ihre Frage sicher nicht ab, oder?

Miete, Energie, Versicherungen usw. bezahlen meine Partner und

Doch, ich wüsste aber auch gerne, wie es um das EXODUS steht.

ich privat, weil diese Hilfen für uns nicht relevant sind. Wir haben

Obwohl wir eigentlich keine Take-away-Angebote machen wollten, ha-

das EXODUS im Februar 2020 eröffnet, es gibt also keinen Vorjah-

ben wir uns nun doch dafür entschieden und bieten seit Mitte Novem-

resumsatz, den wir für eine Berechnung heranziehen könnten.

ber dienstags bis sonntags von 12.00 bis 18.00 Uhr zwölf Gerichte an,

Der Lockdown wird andauern, machen Sie sich Sorgen um die

etwa unser legendäres Hummus mit Fleisch- oder Pilzragout sowie

Existenz des EXODUS?

Brownies und Plätzchen aus unserer Weihnachtsbäckerei.

Wir kämpfen darum, dass es unser Restaurant auch nach dem gas-

Weshalb haben Sie sich so entschieden?

tronomischen Lockdown noch gibt. Sorgen mache ich mir eher um

Wirtschaftlich macht es wenig Sinn, aber es geht mir und meinen

den Zustand der Gesellschaft. Ich las kürzlich in einer Studie des

Partnern um die Motivation unserer Mitarbeiter. Zehn Köche und

Instituts für Demoskopie Allensbach darüber, wie das gesellschaft-

Kellner sind in Kurzarbeit, können aber von ihrem Kurzarbeitergeld

liche Klima in dieser Pandemie-Zeit in den Keller gerutscht ist, dass

kaum leben, und die Servicekräfte haben nicht mal das. Wir schaf-

Aggressivität und Egoismus zunehmen und das gesellschaftliche

fen mit unserer Aktion also die Möglichkeit des Zuverdiensts für

Klima kälter wird. Das vor allem bereitet mir Sorgen.

unsere Mitarbeiter, und außerdem zeigen wir, dass es uns noch gibt.

Danke für das Gespräch, Herr Krech und hoffentlich bis bald.

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Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Auch an Sie die Frage, wie geht es Ihnen, Frau Baier?

lem kommen Stammgäste, die auf ihre Buchteln oder ihren Käseku-

Wie schon? Schäbige Novembertage mit Regenschauern, kaltem

chen nicht verzichten wollen. Ein Geschäft ist das natürlich nicht,

Wind und grimmig blickenden Maskenträgern auf der Schloßstraße,

aber wir können wenigstens zeigen, dass es uns noch gibt.

dazu das geschlossene Café, das hebt nicht gerade die Stimmung.

Bars, Cafés und Restaurants müssen bis zum 10. Januar geschlos-

Wie oft waren Sie in den Lockdown-Tagen in Ihrem Café?

sen bleiben. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft

Jeden Tag. Wir haben den Fußboden in der Backstube neu fliesen

Ihres Cafés und der Gastronomie überhaupt?

lassen, da musste viel geputzt werden. Ich habe Stühle repariert,

Wenn es wirklich hilft, die Pandemie einzudämmen, ok. Im übrigen

an der Speisenkarte für das nächste Frühjahr gebastelt, die Buch-

glaube ich auch nicht, dass wir im Januar wieder öffnen dürfen, mir

haltung auf Vordermann gebracht, solche Sachen eben.

erscheint der Februar oder März wahrscheinlicher. Wir werden das

Ist die so genannte Novemberhilfe schon auf Ihrem Konto?

überleben – mit Hilfe der November- und Dezemberhilfen des Staa-

Nein, auch kein Abschlag. Einzig die GEMA hat siebzig oder acht-

tes und unserer Rücklagen aus besseren Zeiten.

zig Euro zurücküberwiesen, weil wir ja jetzt keine Musik spielen.

Und die Gastronomie generell?

Ihre Konditoren, Köche und Kellner sind in Kurzarbeit?

Ich weiß es nicht. Manche sprechen von einem Insolvenz-Tsunami

Ja, 15 Mitarbeiter bekommen Kurzarbeitergeld.

im kommenden Frühjahr, andere sehen nur eine kleine Pleitewelle

Sie bieten Kuchen und Torten to go an?

auf die Branche zurollen. Warten wir es ab.

Auf kleiner Flamme seit dem ersten Adventswochenende. Vor al-

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Baier und Ihnen alles Gute.

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Berliner Teller VOR DEM LOCKDOWN SERVIERT IM HAWKER

Berlin-Charlottenburg, Schlüter-/Ecke Goethestraße. Jahrzehntelang ging es hier eher bieder bürgerlich zu, schlichtes Ambiente, einfaches Essen, die Laune des Chefs spiegelte die wirtschaftliche Lage des Ladens. Dann kam Patricia Strickland und mit ihrem ausgeschlafenen Konzept viel frischer Wind. Nach einem Umbau, bei dem nur wenige Steine auf den anderen blieben, eröffnete sie Anfang September das Hawker: originell, witzig, appetitanregend. Die Gerichte der Herbstkarte pendelten geschmacklich zwischen leichter Eleganz und kraftvoller Klassik, kleine Ausflüge in modische Trends inklusive. Uns überzeugte der Old School Shrimp Cocktail aus Bio-Garnelen und einer abgefahrenen amerikanischen Chili-Tomaten-Meerrettich-Sauce ebenso wie der vegetarische Portobello-Burger mit knusprig gebackenem Ziegenkäse, einer genialen Kräuter-Limonen-Sauce und belgischen Fritten. Zum Berliner Teller allerdings küren wir das Hawker-Knusperschnitzel – ein paniertes und kross ausgebackenes Kalbsschnitzel, gratiniert mit Gruyère und Bresaola, das mit einer hausgemachten BBQ-Sauce und einer herbstlichen Raw-GemüseBeilage serviert wird. Formidable!

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Berliner Teller LOKALTERMIN

H A W Eigentlich wollte die Deutsch-Amerikanerin Patricia Strickland, geboren in Mannheim, aufgewachsen in San Francisco, Kunststudium in London, Interior Designerin in Amsterdam, Boston und Berlin, eine Galerie eröffnen. Die Räume der ehemaligen Weinbar in der Ich fürchte, es wird noch etliche Zeit vergehen, bis wir wieder zu einer Normalität zurückkehren können, und ich hoffe, es wird eine Normalität sein, wie wir sie kennen, in der es Spaß macht, Freunde zu treffen, Restaurants zu besuchen, unbeschwert zu genießen. Darauf warten wir nun. Wir geben jedenfalls nicht auf. Patricia Strickland, Inhaberin Hawker

Charlottenburger Schlüterstraße erschienen ihr geeignet – ausreichend groß und hell genug. Die schäbige Einrichtung störte sie nicht, eine Angelegenheit für Entrümpelungsfirmen. „Als die ersten Pläne gezeichnet waren, kam meine Tochter Chiara ins Spiel”, erzählt die 56-Jährige, „und zwar mit der Frage, ob man hier auch einen Kaffee trinken könne.” Weil Kunst und Kulinarik ja irgendwie Schwestern sind, wurden die Pläne neu gezeichnet und aus der Kaffee-Idee wurde ein komplett kulinarischer Ort. Patricia Strickland holte die Einrichtungsprofis Veronika Polak und Stephan Falke ins Boot, und in fast zweijähriger Arbeit entstand das Hawker, eine Mischung aus Bar und Bistro mit edlem, aber gemütlichem Ambiente und sympathischer Atmosphäre.

Gastgeberin Patricia Strickland mit Tochter Chiara, v.li.

K E R GARÇON

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Es gab eine – coronabedingt – kleine Eröffnungsfeier, ein „Friends and Family Dinner”, und alle, die kamen, waren sich einig: Was Patricia Strickland und ihre Berater hier innenarchitektonisch gezaubert haben, verzaubert. Ein gekonntes Spiel zwischen Authentizität und Moderne, schwere Eichenbalken an den Tresen, die Tische aus gegossenen Bronzeplatten mit Schriftgravuren, die jede einzelne zum Unikat machen, belgische Designerlampen, alles in Szene gesetzt mit Edelstahlinstallation by Patricia Strickland herself. Ja, das Hawker ist ein wirklich heißer Tipp für Menschen, die dem Leben gerne ein paar Besonderheiten abringen wollen, ein höchst erfreulicher Zugang an der Berliner Bar- und Bistrofront. Normalerweise reicht das, um erfolgreich in die Spur zu kommen. „Doch was ist schon normal in diesem Jahr?”, Patricia Strickland zuckt mit den Schultern. Es bleiben der detailversessenen Künstlerin nur wenige Wochen, um ihr Konzept zu optimieren und die Hawker-Mannschaft

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Berliner Teller LOKALTERMIN

zu trainieren, dann macht Ende Oktober der erneute GastronomieLockdown alle Pläne zunichte. Dass sie nicht die Einzige in der Stadt ist, die es so trifft, hilft da nur wenig. Ein gutes Dutzend weiterer Gastrostarts verzeichnet die Chronik für das Coronajahr 2020: Bereits im Juli eröffneten Möllers Köttbullar und das Osterberger. Es folgten Lode van Zuylen und Stijn Remi mit dem REMI im Suhrkamp Verlagshaus in der Torstraße, das hoch gehandelte Naturweinbistro Hinterland und das 12seasons, das einige Hauptstadtblätter zur „spannendsten Eröffnung des Herbstes” hochjazzten. Selbst mitten im November-Lockdown meldete die Branche noch Startschüsse – etwa für Arne Anker und das Brikz (s. Seite 8) und für Zuzanna Stern und ihr DECOrestaurant. Am letzten Dienstag im Oktober treffen wir uns noch einmal mit Patricia Strickland. Sie weiß, was sie in den nächsten Wochen erwartet und ahnt, was danach folgt. Doch sie beklagt sich nicht, schimpft nicht, seufzt nicht mal. „Wir kommen wieder”, sagt sie nur.

Patricia Strickland im Gespräch mit ihren Küchenbau- und Einrichtungsprofis Veronika Polak und Stephan Falke, v. li.

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Küchenchef Sibusiso Mntambo.

Köchin Alina Balaboiu.

Das hoffen natürlich auch ihre Mitarbeiter, die nun in Kurzarbeit sind. Ab Februar oder März 2021 wollen sie endlich zeigen, was sie draufhaben. Das Credo: Gutes ganz einfach, Streetfood deluxe. Dafür stehen der 34-jährige Südafrikaner Sibusiso Mntambo aus Durban und Alina Balaboiu, 26, aus Bukarest. Beide haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt und waren kulinarisch schon ein bisschen auf der Welt unterwegs bevor sie vor einem Jahr nach Berlin kamen. Ihre erste Speisenkarte zwischen Eröffnungsparty und Lockdownschließung machte bereits deutlich, wo die Reise hingehen soll – Fancy Mac&Cheese, Rainbow Grainbowl und ein Hawker Burger belegen, dass es essensmäßig hier ziemlich anglophil zugeht. Wenn Patricia Strickland im nächsten Jahr ihr Lokal erneut öffnen darf, werden auch die Konzentration auf regionale Bio-Produkte und auf deren verlässliche Zubereitung im „Canteen-Style” bleiben. Und hoffentlich auch das Knusperschnitzel (s. Seite 24)…

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Berliner Teller LOKALTERMIN

Barchef Adam Tudoret.

Keine Frage, der schräg in den Raum gestellte meterlange Bartresen ist ein point d’exclamation im architektonischen Sinn, ein Blickfang, der davon kündet, dass es im Hawker auch um Genuss aus dem Cocktailshaker oder dem Rührglas geht. Das macht die Bar zu einem guten Ort für erste Dates und für Leute in RunterkommLaune, ein Platz zum Besoffenwerden ist sie jedenfalls nicht. Der Chef hinter dem Tresen heißt Adam Tudoret, ein 26-jähriger Franzose aus Paris, dessen Weltläufigkeit mehr überrascht als seine sympathische Lockerheit und sein handwerkliches Können. Natürlich ist Tudoret über alle internationalen Getränketrends bestens informiert, spricht auch ganz gern darüber, nimmt sich dabei aber nicht sonderlich wichtig. Auch das ist ein guter Zug. Sein Signature Drink heißt Schlüter 75: Gin, Sherry Fino, Erdbeergeist, Gurkenauszug, Basilikum, aufgegossen mit Champagner. Nicht zu sauer, nicht zu süß, süffig, kräftig, sexy. Und ein bisschen tipsy macht er auch ...

HAWKER BAR + KITCHEN Schlüterstraße 75 10625 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 85 60 80 00 www.hawkerbarandkitchen.de

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LOKALTERMIN Sake Embassy

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Natürlich mit Abstand: Gruppenbild der Sake-Botschafter.

Klein, klein, das war noch nie die Sache von Alexander van Hessen – weder als er 2012 die Berlin Food Week ins Leben rief noch in diesem Jahr, als er die Sake Embassy Germany aus der Taufe hob. Die Aktion fand natürlich zum richtigen Zeitpunkt statt und hatte den passenden Rahmen – der bekannte Netzwerker überlässt auch da nichts dem Zufall. Also trafen sich am 1. Oktober 2020, dem World Sake Day, der in Japan den Beginn der Sake-Produktion einläutet, Kenner des Nippon-Nationalgetränks in der Botschaft Japans. S.E. Takeshi Yagi sprach das Grußwort, Alexander van Hessen zelebrierte den Gründungsakt, der selbstverständlich mit einem Becher feinsten Premium-Sakes besiegelt wurde. Kanpai!

Grußwort: S.E. Takeshi Yagi, Botschafter Japans in Deutschland.


Sake Embassy LOKALTERMIN

Sake ist nicht nur Männersache: Yoshiko Ueno-Müller, Sake & Shochu Academy Europe.

Neben Alexander van Hessen als Präsident gehören sechs weitere

Jedenfalls hat die Sake-Botschaft, wie es heißt, „der erste Non-

Persönlichkeiten dem Gründungsvorstand der Sake Embassy Ger-

Profit-Branchenverband in Deutschland, der sich ausschließlich

many an: Alexander Angelus (Japanische Botschaft), Dr. Bastian

mit japanischer Trinkkultur befasst”, im nächsten Jahr viel vor.

Schwithal (GO-Sake), Arnd-Henning Heissen (Bar-Manager), Her-

Um Gastronomen, Hoteliers, aber auch ganz normalen Gerne-

bert Schmitz (Schröder+Schömbs PR), Jörg Müller (Ueno Gour-

trinkern im Land von Bier und Wein das Thema Sake näherzubrin-

met) und Yoshiko Ueno-Müller (Sake & Shochu Academy Europe).

gen, ist beispielsweise vom 1. bis 7. Oktober 2021 eine Sake Week

Das ist geballte Sake-Kompetenz, keine Frage.

Berlin geplant, die ab 2022 auch in Düsseldorf und Frankfurt am

Dennoch vermisst man solche Koryphäen wie Dagmar Maas (Ni-

Main stattfinden soll.

hon Mono) und Susanne Rost-Aoki (Sake Kontor), die der Embassy nicht nur weitere Expertise, sondern auch noch mehr weiblichen Glanz verliehen hätten. Gleiches gilt natürlich auch für Mokoto Watanabe (Restaurant Zenkichi), die beste Beziehungen zu japanischen Mikrobrauereien unterhält und viel Erfahrung mit Sake als Essensbegleiter hat – im Mutterland des Reisweins übrigens absolut unüblich.

SAKE EMBASSY GERMANY E.V. Torstraße 171 10115 Berlin-Mitte Tel. 0178-84 60 227 kanpai@sake-embassy.com

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LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

ZWÖLF UHR MITTAGS LUNCHTIME BEI CORA UND CLAUDIA VON JÖRG TEUSCHER


Frau Bünger macht Mittag LOKALTERMIN

Auch die meisten Bilder für diesen Bericht haben wir vor dem gastronomischen Lockdown Ende Oktober aufgenommen und entschieden, sie dennoch beizubehalten. Denn allzuviel hat sich bei „Frau Bünger macht Mittag” in der Charlottenburger Niebuhrstraße trotz Corona nicht geändert. Sicher, der Speiseraum ist geschlossen, und auch die Stühle vor der Tür mussten weichen – aber das sind Äußerlichkeiten. Das Wesentliche ist geblieben: die Mittagsofferten (natürlich nur to go) und etwas, das in dieser Zeit genauso wichtig ist wie warmes Essen – ein Lächeln und ein freundliches Wort. Danke, Cora und Claudia. Mirella „Cora” Bünger und Claudia Schulz sind alte Bekannte. Über die Blitzkarriere der Müslimacherin Mirella Bünger – verheiratet übrigens mit Jens-Uwe Bünger, Berlins erstem Fleischsommelier – und ihre Manufaktur „Gold-Körner” berichteten wir schon vor drei Jahren. Die erste Begegnung mit Claudia Schulz liegt noch länger zurück, sie war fast 20 Jahre lang Serviceleiterin im legendären „Adnan”…

Mirella „Cora” Bünger.

Claudia Schulz.

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LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

Mirella Bünger, gelernte Konditorin und Claudia Schulz, Tierarzthelferin von Beruf, kennen sich seit über zwanzig Jahren. Beide sind Gerneesserinnen, Fitnessliebhaberinnen und Hundenärrinnen – wenn all das zusammenkommt, dann läuft man sich selbst in einer Stadt wie Berlin schon mal über den Weg, allemal wenn die Leidenschaften vorwiegend in Charlottenburg und Zehlendorf gepflegt werden. Ach ja, und beide haben einen Faible fürs Gastronomische. Immer mal wieder redeten sie darüber, dass man was gemeinsames machen müsse – café- oder bistromäßig, wie man in Berlin sagt – bis es dann ganz schnell ging. Mirella Bünger entdeckte das leerstehende ehemalige „Körnercafe” in der Niebuhrstraße,

Bünger-Küchenchef Daniel Danial.

ein Anruf, Claudia Schulz war begeistert. Eine geneigte Hausverwaltung sah das Vorhaben wohlwollend, und auch Herr Bürger sprach noch ein Wörtchen mit, ebenfalls ein positives. Die beiden tatkräftigen Frauen hübschten den Laden auf und feierten am 15. Juni 2020 Eröffnung. Und im Kiez sprach sich schnell herum, dass die „Niebuhr Nummer eins” neuerdings eine erste Adresse für ein richtiges Mittagessen ist, das hält, was es verspricht und ohne die häufig übliche Verfeinerung bis zur Geschmacklosigkeit auskommt. Star-Schreiber Thomas Platt adelte die Bünger-Mittags-Offerte schon ein paar Tage nach der Eröffnung mit dickem Lob und dem Hinweis, dass der Kartoffel-Gurkensalat mit geschmälz-

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Frau Bünger macht Mittag LOKALTERMIN

ten Zwiebeln einer der besten der Stadt sei. Die exzellente Kreation bereiten Mirella Bünger und Claudia Schulz in ihrer kleinen Bistro-Küche übrigens nach einem alten Alpenlandrezept selbst zu, ebenso wie diverse weitere Salate und etliche Süßspeisen. Alle anderen Gerichte werden in Meister Büngers Neulandfleischerei in der Westfälischen Straße (s. auch Seite 49) täglich frisch gekocht und mittags geliefert. Der Mann, der für beides zuständig ist, heißt Daniel Danial, hat sich sein kulinarisches Rüstzeug im Grill Royal und im Pauly Saal geholt und beweist mit seinen Suppen, Eintöpfen, Gemüse-, Fisch- und Schmorgerichten ganz am Rande auch noch, dass Spitzenköche nicht nur das ku-

linarische Kunsthandwerk à la Austerncarpaccio in Planktonvinaigrette beherrschen, sondern auch durchaus in der Lage sind, eine ordentliche Rinderbrust mit Meerrettichsoße zuzubereiten. Die wöchentliche Frau-Bünger-macht-MittagSpeisenkarte gibt es natürlich online – täglich werden drei verschiedene Gerichte angeboten, und – auch das ist ein guter Zug – die To-goBehältnisse sind wiederverwendbar. FRAU BÜNGER MACHT MITTAG Niehbuhrstraße 1 10623 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 49 96 78 55 frau.buenger.macht.mittag@web.de

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LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

Was ich von ‚Frau Bünger macht Mittag‘ halte? Ich zeige es Ihnen: Beide Daumen hoch, das steht für lecker, fair und freundlich und auch dafür, dass Extrawünsche – Pasta statt Kartoffeln oder Rot- statt Rosenkohl – klaglos erfüllt werden. Also, dieses Bistro ist eine Bereicherung für unseren Kiez. Es hebt die Kultur im Kiez, Nostalgie- und Glücksgefühle inklusive. Was, frage ich Sie, will man mehr? Karin Lewin, Verkäuferin

Ich bin Schreinermeister und komme aus Salzburg. Ein Auftrag, hier, gleich um die Ecke, einige historische Fenster zu restaurieren, hat mich hergeführt. Auf der Suche nach einem Pausenimbiss entdeckte ich dieses Beisl, das mich total begeistert. Es gibt alles, was der Mensch mittags braucht: eine warme Suppe, Schnitzi und Gulasch und einen superfreundlichen Service. Shimon Weber, Restaurator

‚Frau Bünger macht Mittag‘ hat das Zeug, eine gastronomische Institution in dieser Gegend zu werden. Erstens, weil frische Offerten um diese Zeit hier eher die Ausnahme sind und zweitens, weil Qualität und Preis absolut stimmen – gar nicht zu reden davon, dass dieses Lokal ein kulinarischer Ort ist, auf den sich offenbar jeder einigen kann. Volker Diehl, Galerist

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GARCON-GESPRÄCH

Ocke Pinks, Jahrgang 1971, gebürtiger Nordfriese, wuchs auf der Insel Föhr auf und absolvierte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung als Koch. Nach verschiedenen Stationen in deutschen und ausländischen Spitzenrestaurants folgte er 1995 einem Ruf des Berliner Estrel Hotels. Neun Jahre stand er hier am Herd, die letzten sechs davon als Küchenchef. 2005 wechselte Ocke Pinks zur Deutsche See GmbH, hierzulande die Nummer Eins bei der Vermarktung und Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten. Seit zehn Jahren ist der 49-Jährige nun als Regional- und Niederlassungsleiter Berlin für das Bremerhavener Unternehmen tätig. www.deutschesee.de

GARCON IM GESPRÄCH MIT... OCKE PINKS: REGION AL- UND NIEDERL ASSUNGSLEITER BERLIN, DEUTSCHE SEE GMBH Wie sind Sie bisher durch die Krise gekommen, Herr Pinks?

entsprechenden Service verbinden – eigene Kühlfahrzeuge, kom-

Ich bin ein robuster Norddeutscher und gehöre auch zu keiner Ri-

petente Fahrer, Just-in-time-Lieferungen, Rezepte usw.

sikogruppe. Dennoch habe ich das Virus schon zu einer Zeit sehr

Alle Welt setzt derzeit auf Online-Plattformen, Wissenschaftler

ernst genommen, als viele noch dachten, Corona sei ein Gespenst,

sprechen sogar davon, dass wir am Ende der Krise ein veränder-

das bald wieder weg ist. Deshalb waren für mich schon im Früh-

tes Bild des Einkaufsverhaltens in Deutschland sehen werden.

jahr Abstand, Maske und Hygiene keine Ermessensfragen, und das

Teilen Sie diese Meinung?

habe ich auch hier in der Niederlassung entsprechend kommuni-

Ich sehe es so, dass der Trend zum Lebensmitteleinkauf online

ziert und durchgesetzt.

selbst in einem Land der Digitalisierungsskeptiker wie Deutsch-

Welche Auswirkungen hatte die Schließung von Restaurants im

land schon vor der Corona-Krise eingeläutet wurde, durch die Krise

Frühjahr und im November auf das Geschäft ihrer Niederlassung?

allerdings extrem beschleunigt wird.

Natürlich ist der gastronomische Lockdown an der Deutsche See

Welche Konsequenzen hat das für Ihre Branche?

GmbH nicht spurlos vorübergegangen, auch nicht an der Berliner

Der Lebensmittelhandel, gleich ob Einzel- oder Großhandel, muss

Niederlassung. Im Gegensatz zu anderen Herstellern beliefern

meiner Meinung nach das organisieren, was uns Unternehmen

wir jedoch nicht nur Gastronomie und Hotellerie, sondern wir sind

wie Zalando in der Modebranche schon lange vormachen. Also:

auch Partner des stationären und mobilen Einzelhandels sowie

eine benutzerfreundliche App, ein interessantes Design und eine

von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und ähnlichen Ein-

praktische, nachhaltige, regional organisierte Lieferung. Lassen

richtungen.

Sie mich bitte das auch noch sagen: Wir sind bei Deutsche See in

Damit konnten Sie die Umsatzeinbußen durch den Lockdown in

dieser Frage schon recht gut aufgestellt. Und wir schärfen unser

der Gastronomie ausgleichen?

Profil auch bei anderen Fragen – beispielsweise der Veränderung

Nicht völlig. Ende Oktober, vor dem November-Lockdown also,

des Ernährungsverhaltens in der Zukunft – auch da wirkt übrigens

hatten wir einen merkbar geringeren Umsatz im Vergleich zum

Corona als Katalysator.

gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Corona als Handelsmodernisierer und Ernährungsveränderer?

Womit rechnen Sie bis zum Ende des Jahres, nachdem entschieden

Irgendwie schon, zumindest ein Weckruf, sich mit solchen Heraus-

ist, dass die Restaurants auch im Dezember nicht öffnen dürfen?

forderungen wie der Organisation eines zeitgemäßen Lieferservices

Ich setze auf unsere Online-Offerten, die sich schon vor der

oder mit modernen Lebensmittelautomaten zu beschäftigen.

Corona-Pandemie zu einer wichtigen Säule unseres Geschäfts

Sie tun das?

entwickelt haben. Wir haben unseren Shop inzwischen zu einem

Ja, wir arbeiten an Konzepten, die weit in die Zukunft blicken.

großen virtuellen Online-Marktplatz ausgebaut, den wir mit einem

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pinks.

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LOKALTERMIN Buchhandlung Geistesblüten

Die Gastgeber: Vor rund zwei Jahren eröffneten Christian Dunker und Marc Iven am Walter-Benjamin-Platz in Charlottenburg ihre Buchhandlung „Geistesblüten”, die schnell zu einem Ort für „literarische Delikatessen” avancierte. Eine solche ist zweifellos der Bildband „Legendäre Dinner”, der Ende September hier Premiere hatte – im Freien und mit Abstand.

VERDIENTE AUFMERKSAMKEIT NOTIZEN ÜBER EINE BESONDERE BUCHVORSTELLUNG

Die Herausgeberin:

Die Künstlerin:

Anne Petersen, 46, Journalistin und –

Die Amerikanerin Ruth Rosenfeld, an

nach beruflichen Stationen u. a. bei Welt

der Rubin Academy of Music in Tel Aviv

am Sonntag und BRIGITTE – Redaktions-

sowie der Berliner Hochschule „Hanns

leiterin des in Hamburg erscheinenden

Eisler” ausgebildete Künstlerin und seit

Magazins SALON, nutzte die Gelegenheit

2017 Ensemblemitglied der Schaubühne,

gern, ihren historisch wie kulinarisch inte-

begleitete die Buchpräsentation und be-

ressanten, unterhaltsam geschriebenen

wies lesend, singend und spielend wie

und aufwändig gestalteten Legendäre-

geistesanregend und seelenerwärmend

Dinner-Titel vorzustellen.

Kunst live in solchen Zeiten sein kann.

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ls

Smart Too

for Chefs !

Das Geburtstagsessen von Johann Wolf-

„Legendäre Dinner” ist interessant, lehr-

gang von Goethe 1815, das Hochzeits-

reich und unterhaltsam und – der Untertitel

menü von Prinzessin Elizabeth und Prinz

„Unvergessliche Rezepte berühmter Gast-

Philipp 1947, das Staatsbankett beim Be-

geber” sagt es – ein Kochbuch ist es auch.

such von Angela Merkel bei Barack Obama

Es enthält 92 Rezepte, von denen – so das

2011 – diese und weitere 17 legendäre

Versprechen der Herausgeberin – immerhin

Dinner sind Gegenstand dieses Buches,

39 leicht nachzukochen sind.

P R O B I E R LÖ F F E L

solingen · germany

das wir wärmstens weiterempfehlen. Weil es Geschichte transparent macht, indem es Geschichten erzählt und sich mit dem beschäftigt, was rund um diese Dinner sozusagen hinter den Bühnen ablief. Und weil es der Gefahr, dabei langweilig oder geschwätzig zu werden, erfolgreich widersteht.

GEISTESBLÜTEN Walter-Benjamin-Platz 2 10629 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 49 96 17 92 www.geistesblueten.com

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GESCHMACKSSACHEN Spilling

N

T E L N E ES S

R F

T H C C HE Ü

EINE LIEBESERKLÄRUNG AN DEN SPILLING VON JÖRG TEUSCHER

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Spilling GESCHMACKSSACHEN

Erst wochenlange Trockenheit, dann stundenlanger Starkregen –

Ein Beispiel ist der Spilling, eine schon zu Römerzeiten bekannte

der Klimawandel lässt grüßen und macht vor allem Gemüsebauern

Pflaumensorte, die noch vor 100 Jahren in Deutschland, Österreich

und Obstproduzenten zunehmend Sorgen.

und der Schweiz in Form unzähliger Lokalsorten weit verbreitet

Aber auch für Hobbygärtner ist er eine riesige Herausforderung.

war, dann aber zunehmend aus der Landschaft verschwand – trotz

„Durch die Wetterextreme verändern sich unsere Gärten seit eini-

des intensiven Aromas ihrer mal gelben, mal blauen, mal rot-gel-

gen Jahren spürbar”, bestätigt Petra Pelz, eine der bekanntesten

ben Früchte. Wie so oft bei alten Obstsorten war auch der Spilling

Landschaftsarchitektinnen Deutschlands. Für die Bundesgarten-

für den industriellen Anbau ungeeignet.

schau 2021 in Erfurt gestaltet die Magdeburgerin deshalb einen

Ob mein Nachbar, ein Mann mit erheblicher gärtnerischer Kom-

Klimawandel-Schaugarten. Außerdem bietet sie Online-Kurse zum

petenz, auch den geschmacklichen Wert des Spillings kannte, als

Thema an: www.petra-pelz.com

er vor rund zehn Jahren ein winziges Exemplar des Steinobstge-

Hier erfährt man zum Beispiel, dass neben Bergminze, Lavendel,

wächses pflanzte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall entwickelte es sich

verschiedenen Asternarten sowie Gingko, Kornelkirsche und Wa-

im Laufe der Zeit zu einem stattlichen Baum und wurde eine Zierde

cholder auch eine Reihe alter Gemüse- und Obstsorten mit außer-

des Gartens. Er blüht bereits im zeitigen Frühjahr und trug zumin-

gewöhnlichen Wetterereignissen besser klarkommen, weil sie kli-

dest im vorigen Jahr viele Früchte (s. Bilder auf dieser Seite). Der

mawandelfester sind als die hochgezüchteten neuen Turbo-Sorten,

daraus gekochte Fruchtaufstrich überzeugte selbst Marmeladen-

die heute in den meisten Gärten anzutreffen sind.

muffel wie mich.

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GESCHMACKSSACHEN Spilling

Wenn es um alte Sorten geht, um historische Obst- oder Gemüseraritäten, ist Georg Rixmann ein viel gefragter Spezialist. Seit 1996 betreibt der 65-jährige Gärtner gemeinsam mit seiner Partnerin Sabine Schwalm im Storchendorf Linum einen 28-Hektar-Hof und macht vor allem mit dem Anbau von 150 Kürbissorten von sich reden. Doch das ist nicht alles. Bei einem Besuch Ende Oktober auf seinem Anwesen zeigt er uns stolz die neuesten Errungenschaften Rixmannscher Sortenerhaltung: die aus Westfrankreich stammende Ochsenherzkarotte; die Albina Vereduna, eine weißfleischige Rübe, viele alte, seltene Apfel-, Birnen- und Tomatensorten. Als wir auf unser eigentliches Thema, den Spilling kommen, holt Rixmann einige Gläser aus dem Marmeladen-Regal seines Hofladens: „Spillinge kann ich Euch jetzt nur in dieser Form bieten.” Sabine Schwalm hat aus der diesjährigen Ernte rund 70 Gläser eines klassisch-guten Aufstrichs gekocht wie man ihn sich für das Frühstücksbrötchen nur wünschen kann.

RIXMANNS HOF Nauener Straße 23a 16833 Linum Tel. 033922 - 505 71 www.gemuese-und-obst.de

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„Wahrscheinlich handelt es sich bei un-

dennoch ergibt das Ganze, wie sie sagt, „nur

seren Spillingsbäumen um eine Wildform

ein Best of einer beinahe uferlosen Mate-

des Gubener Spillings”, mutmaßt Georg

rie”. Die aus historischen Quellen gespeiste

Rixmann, „der intensiv-fruchtige, beinahe

Datenbank alter Obstsorten des Bundes für

parfümartige Duft und der unglaublich de-

Umwelt und Naturschutz umfasst derzeit

likate Geschmack der Früchte lassen die-

beispielsweise 1.424 Apfel-, 1.016 Birnen-,

sen Schluss jedenfalls zu.”

324 Kirschen- und 251 Pflaumensorten.

Er zeigt uns ein gerade erschienenes Buch:

In die letzte Kategorie gehört auch der

Die alten Obstsorten – Geschichten, Rezep-

Spilling, dem Sofia Blind ein eigenes Ka-

te und Anbautipps. „Echt spannend”, sagt

pitel widmet. „Die sogenannten ‚Primitiv-

er noch – als präsentiere er einen Krimi.

pflaumen‘, zu denen der Spilling gehört”,

Autorin des Bandes (DuMont Buchver-

schreibt sie dort, „sind für naturnahe Gär-

lag Köln) ist Sofia Blind. Die 56-jährige Li-

ten und Streuobstwiesen ideal: aromastark,

teraturübersetzerin und Hobbygärtnerin

robust und seit Jahrhunderten an die loka-

lebt im pfälzischen Lahntal inmitten eines

len Klimabedingungen angepasst.”

10.000 Quadratmeter großen Gartens, dessen größter Teil eine Streuobstwiese ist – über dreißig Hochstämme, alte Sorten, Champagner-Renette etwa, Schöner aus Bath oder Große Grüne Reneklode. Das mag für Sofia Blind wohl auch den Ausschlag gegeben haben, sich ein Jahr lang intensiv mit dieser Materie zu beschäftigen und dieses Buch zu schreiben, das nicht nur wunderbar lesenswert, sondern auch opulent und schön gemacht ist. Auf 192 Seiten und in sieben Kapiteln (Äpfel, Aprikosen und Pfirsiche, Beeren, Birnen, Kirschen, Pflaumen, seltene Obstarten) übersichtlich gegliedert, porträtiert die Autorin 54 seltene Sorten und benennt weitere 113 mit kurzen Beschreibungen –


GESCHMACKSSACHEN À la Piecha

À LA PIECHA „Wir kochen die Komponenten, du stellst dir daraus dein Gericht zusammen.”

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À la Piecha GESCHMACKSSACHEN

BioBuffet-Inhaberin Ulrike Piecha, Mi. und ihre Köche Marcus Wolf, li. und Paulo Jorge.

„Eine Rinderroulade bitte.” Der junge Mann am Tresen des BioBuf-

Rinderroulade, Schweinebraten, Tafelspitz, Ossobuco vom Hirsch,

fets in der Marheinekemarkthalle zeigt auf einen der vielen Vaku-

Risotto mit Portobello. „Unsere Kunden können unter diesen und

umbeutel in der Auslage. „Gerne”, sagt Buffet-Chefin Ulrike Piecha,

etlichen anderen Komponenten wählen und sich ein Gericht selbst

„mit Kartoffelpüree und Rotkohl?” „Nee, ist mir zu normalo”, erwi-

zusammenstellen”, erklärt sie den Vorteil ihrer To-go-Offerte.

dert der Kunde, „lieber mit Polenta und Ratatouille.” So oder so

„Dazu kommen weitere”, ergänzt Piecha, „etwa, dass man die Va-

ähnlich laufen die meisten Dialoge und so oder so ähnlich haben

kuumbeutel gut und gerne ein paar Tage im Kühlschrank aufbewah-

sich Ulrike Piecha und ihre Köche das auch gedacht als sie Anfang

ren oder auch einfrieren kann, ohne dass der Inhalt Schaden nimmt.”

November ihre neue Produktlinie präsentierten.

Wir testeten geschmortes Rinderherz, Rotkohl und Kartoffelpüree.

„Wir hatten zuerst Singlehaushalte und Kleinfamilien im Blick,

Die drei Vakuumbeutel sind in Minutenschnelle im heißen Wasser-

außerdem Leute, die im Homeoffice arbeiten und auch sonst alle,

bad erwärmt – aufschneiden, anrichten, fertig. Das Gericht ist ge-

die wenig Zeit zum Kochen haben oder keinen Bock”, so die 41-jäh-

schmacklich absolut stimmig, das Rinderherz tadellos geschmort,

rige Ulrike Piecha. Immer mittwochs kocht sie gemeinsam mit

das Kartoffelpüree wie zu Großmutters besten Zeiten, der Rotkohl

ihrem Team und vakuumiert portionsweise: Kartoffel- und Süßkar-

aromasatt nach einem Rezept von Michael Hoffmann zubereitet.

toffelpüree, Sellerie-Apfel-Creme, Rotkohl, Sauerkohl, Ratatouille,

Fazit: Piechas Home Menue – da kannste nicht meckern.

PIECHAS BIOBUFFET Marheinekeplatz 15 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 - 69 00 43 53 www.piechas.com

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GESCHMACKSSACHEN Crema di Nocciola

Anaïs Causse, 42, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften, merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei FeinkostLindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. 2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein. 2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den Onlineshop, aus „Maître Philippe” wurde „Maître Philippe & Filles” – ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen der Branche in Berlin zählt. Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten Spezereien und deren Produzenten. www.maitrephilippe.de

OIGNONS DE ROSCOFF, S'IL VOUS PLAÎT VON ANAÏS CAUSSE Beinahe wäre dieser Artikel über die legendären Zwiebeln aus Roscoff nicht zustande gekommen. Ausgerechnet in diesem ohnehin schon verflixten Jahr wurden sie von einem Pilz heimgesucht, der allgemein als Botrytis cinerea bekannt ist und die Grauschimmelfäule verursacht. Übrigens: Des einen Freud, des anderen Leid. Die Winzer im Bordeaux freuen sich über Botrytisbefall, denn nur so kann der Sauternes, der teuerste Weißwein der Welt, gekeltert werden. Die Gemüsebauern in der Bretagne jedoch können darauf liebend gern verzichten, denn Botrytis führt zu nicht unerheblichen Ernteverlusten. Eine befallene Zwiebel wird bei der Lagerung weich und faulig – und dadurch ungenießbar. Der Befall lässt sich bei der Ernte kaum erkennen, deswegen können auch nicht alle kranken Zwiebeln aussortiert werden. Und so kommt es schon mal vor, dass sich in den schönen, geflochtenen Zwiebelzöpfen in diesem Jahr auch mal ein faules Exemplar versteckt. Zum Glück hielt sich das bis jetzt allerdings in Grenzen. Was macht die Roscoff-Zwiebel nun so besonders, dass ich ihr einen ganzen Artikel widme? Sie schmeckt natürlich gut. Sagen-

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Crema di Nocciola GESCHMACKSSACHEN

Zwiebelfelder im Département Finistère an der bretonischen Nordküste.

haft gut sogar. Sie ist nicht scharf, sondern eher zart, fast süßlich.

Herkunftsbezeichnung, die nur in Frankreich gilt – AOP dagegen

Sie ist knackig und saftig, besticht mit ihrer unverwechselbaren

steht für Appellation d´Origine Protégée, bedeutet geschützte Her-

rosa Farbe – das Auge isst schließlich mit – und ist mit ihrem ho-

kunftsbezeichnung und ist das europäische Pendant zum nationa-

hen Anteil an den Vitaminen A, B und C sehr gesund. Das wussten

len AOC-Siegel).

seinerzeit übrigens auch die Seefahrer, wenn sie von Roscoff, einer

Als ich noch nach einem besonderen Tipp für die Verarbei-

kleinen Hafenstadt im Finistère, dem westlichsten Zipfel der Bre-

tung der Roscoff-Zwiebeln frage, kommt Tiphaine Quemener ins

tagne, auf große Fahrt gingen. Immer waren Zwiebeln als Proviant

Schwärmen: „Im Winter sind sie allerbestens geeignet, um daraus

mit an Bord. Und nicht zuletzt lässt sie sich ausgezeichnet lagern,

ein wunderbares Confit zuzubereiten.” Dafür schwitzt sie die klein-

bei guten Bedingungen bis zu neun Monate.

geschnittenen Zwiebeln in Olivenöl an, fügt etwas Honig hinzu und

Die lange Haltbarkeit der Knollen liegt sowohl in ihrer Natur als

schmeckt alles mit Salz und Pfeffer ab. Das Confit könne man zu

auch daran, dass sie bereits im August von Hand geerntet werden

allem essen, zu Käse, rotem Fleisch und Fisch. Am besten passe es

und – vom Kraut befreit – danach zwei Wochen lang auf den Fel-

aber zu Galettes, den salzigen Crêpes aus Buchweizenmehl. „Ich

dern in der Sonne trocknen. Anschließend werden sie geputzt und

bin Bretonin”, sagt sie, „natürlich schmeckt es so am besten.”

zu Zöpfen geflochten, um das Austreiben zu verhindern. Unsere Zwiebeln stammen von der Ferme de Kergus, einem in den 1850er Jahren gegründeten Zehn- Hektar-Familienbetrieb, den die Geschwister Tiphaine und Eric Quemener – sie ist 31 und hat eine Handelsschule besucht, er 34 und diplomierter Landwirt – in vierter Generation bewirtschaften. Bereits ihr Urgroßvater baute neben Kohl, Kartoffeln und Spargel die berühmten Roscoff-Zwiebeln an. Er gehörte, ebenso wie ihr Großvater und auch noch ihr Vater Marcel, zu den „Johnnies”. Das war die Sammelbezeichnung der Briten für alle bretonischen Bauern, die einst mit kleinen Booten über den Ärmelkanal segelten, um in England Zwiebelzöpfe zu verkaufen. „Johnnies deshalb”, so Tiphaine Quemener, „weil die Engländer die bretonischen Vornamen Yann und Yannick nicht aussprechen konnten.” Das ist natürlich längst Geschichte. Heute reißen sich Feinschmecker in der halben Welt um die Roscoff-Zwiebeln, die seit 2009 das AOC- und seit 2013 auch das AOP-Siegel tragen (AOC steht für Appellation d´Origine Contrôlée, das ist eine kontrollierte

Fröhliche Zwiebelbauern: Tiphaine und Eric Quemener.

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FINDE DEINEN GIN

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BAR- & SPIRITS GUIDE

KOST­PROBEN Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils. Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker, kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf zur Mas­senware der Lebensmittelindustrie be­­setzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, haus­­gemachte Liköre, Konser­ven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware gleichen Namens, aber eben auch gesünder, nachhaltiger und geschmackvoller. Vier Kostproben dessen, was wir in den letzen Wochen entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite.


Wer – wie die rheinische Privatkellerei van Nahmen – seit 90 Jahren Obstsäfte presst, der weiß, was er tut. Und so ist auch dieses aromatisch anspruchsvolle, feinherbe Getränk kein Zufallstreffer, sondern Ergebnis stetig gewachsener Qualitätsansprüche und ebensolcher handwerklicher Erfahrung. Kein Wunder also, dass 3-Sterne-Köche wie Sven Elverfeld in Wolfsburg und Kevin Fehling in Hamburg diesen prickelnden FruchtSecco gerne als alkoholfreien Aperitif empfehlen.

Die Boudin basque gilt als Königin der Blutwürste. Die Spezialität aus dem französischen Baskenland besticht durch ihre feine Würzung und eine raffinierte Aromatik, die durch die Verarbeitung von Karotten und Lauch zustande kommt. Wir entdeckten die Boudin basque am Stand von Lionel Ringeisen auf dem Wochenmarkt an der Schöneberger Akazienstraße und folgten dem Tipp des gebürtigen Elsässers, sie zu braten und mit Jakobsmuscheln zu servieren. Wow!

Preis: 8,96 Euro / 0,75 l FrischeParadies KG Morsestraße 2 10587 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 39 08 15 23 www.frischeparadies.de

Preis: 7,90 Euro / 190 g OleoGustus u.a. Wochenmarkt an der Akazienstraße 10823 Berlin-Schöneberg Donnerstag, 12.00-18.00 Uhr Tel. 0157 – 57 50 40 55

Alles für Jeden: Profi- oder Hobbykoch. ...und was wir nicht haben, vermissen Sie nicht!

Metzgermeister und Fleischsommelier Jens-Uwe Bünger hat mit seiner Mannschaft nicht nur eine neue Bratwurstkultur in Berlin etabliert, das Team produziert auch Weißwürste (jeden Donnerstag frisch), die sich mit den besten Kreationen weiß-blauer Wurstmacherkunst durchaus messen können. Büngers helle Brühwürste (hell, weil kein Nitrit-Pökelsalz verwendet wird) punkten mit feinem Kalbfleisch, kräftigem Speck, frischer Petersilie und perfekt abgestimmter Würzung.

Wenn schon die Bars geschlossen sind, dann liefern wir eben die Cocktails servierfertig nach Hause – das ist die Unternehmensidee von The Bottled Bar. Die Gründer taten sich mit einigen der besten Bartender Berlins zusammen, die erdachten fünf süffige, flaschenabfülltaugliche Kreationen – fertig. Unser Favorit: Fancy Rum Punch by Oliver Ebert (Bar Becketts Kopf), karibisch fruchtig, vanillig, mit einem Schuss Oolong Tee. Nur noch auf Eis gießen und genießen!

Preis: 27,00 Euro / kg (ca. 1,75 Euro/Stück) Bünger – Der Fleischsommelier Westfälische Straße 53 10711 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 – 891 64 32 www.fleischerei-buenger.de

Preis: 22,00 Euro / 500 ml The Bottled Bar Auguststraße 2 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 – 53 15 41 14 Online-Bestellung: www.bottledbar.de

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KOPFSALAT Jonathan Kartenberg

Kartenbergs Coup Eine virtuelle Speisekammer geht online VON JÖRG TEUSCHER Der 28-jährige gebürtige Berliner Jonathan Kartenberg gehört zu jener Generation von Gastronomen, die immer für eine Überraschung gut ist. Im späten November 2019 zum Beispiel, der Gault-Millau hatte sein Neuköllner Restaurant eins44 gerade zum fünften Mal in Folge in die Berliner Top-Thirty gehievt – Grund genug, die Beine mal hochzulegen und sich einen Champagner zu gönnen – tat er genau das Gegenteil und verblüffte die Branche mit der Eröffnung des Irma La Douce in der Potsdamer Straße. Ein weiterer Paukenschlag folgte im Mai des Corona-Jahres 2020 mit der Aktion Achilles. Kartenberg lotste den zweifach besternten Spitzenkoch aus seinem herdlosen Kämmerlein in die eins44-Küche und verkündete: „Mit Daniel Achilles richten wir uns in den kommenden Monaten thematisch neu aus.” Das klappte auch ganz gut und kam auf den richtigen Weg – bis Ende Oktober der Lockdown alles wieder stoppte. Kartenberg ahnte, dass es bei den November-Schließungen nicht bleiben würde und nutzte die gewonnene Zeit. Er kramte eine Idee hervor, die ihn schon länger umtrieb und begann, sie zu realisieren. Wenn er darüber spricht, merkt man, er will es wissen. Jetzt. Und ohne Wenn und Aber.

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Jonathan Kartenberg KOPFSALAT

www.the-good-taste.de – jede Wette, diese Adresse wird Furore machen, davon sind wir dermaßen überzeugt, dass wir sie schon mal ein bisschen größer gedruckt haben. www.the-good-taste.de, dahinter stecken Jonathan Kartenberg und ein Team von Fotografen, Juristen, Textern und Webdesignern und das Projekt eines Online-Marktplatzes für Produkte aus Berliner Restaurants und von anderen kleinen Herstellern. „Corona zeigt”, so der 28-Jährige, „wie antiquiert Gastronomen, Manufakturbetreiber und Lebensmittelunternehmer hierzulande arbeiten und wie dringend sich die Branche mit Digitalisierung beschäftigen muss.” Kartenberg ist nun den ersten Schritt gegangen und hat eine Plattform geschaffen, auf der jeder Kleinproduzent seine Produkte anbieten und logistisch abwickeln kann. „Denken Sie sich diese Plattform wie einen großen Marktplatz, auf dem viele dieser kleinen Produzenten einen eigenen virtuellen

Warten auf bessere Zeiten: Das Irma La Douce...

Stand haben,” sagt er, „wir stellen lediglich die Plattform zur Verfügung und sorgen damit für den Rahmen, der eine sichere Abwicklung des Geschäfts garantiert, das immer direkt zwischen dem Erzeuger und dem Kunden zustande kommt.” Kartenberg und seine Mitstreiter fungieren dabei als eine Art Marktwächter, die ein Auge darauf haben, dass alle geschäftlichen Regeln eingehalten werden (dafür kassieren sie dann eine Umsatzprovision) und kümmern sich um notwendige Laborprüfungen, um Label, Verpackung, Werbung, Lagerung und Logistik. „Wir starten am 26. oder 27. Dezember mit rund 50 Produkten von zwölf Gastronomen”, macht er die Sache konkret und hofft natürlich, dass schnell weitere Berliner Gastronomen mit interessanten Produkten hinzukommen. „The good taste” könnte tatsächlich ein großer Wurf werden, ...und das eins44.

wenn viele dem Angebot folgen, gemeinsam neue Wege zu gehen.

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KOPFSALAT Ilona Scholl und Nancy Grossmann

STARKE FRAUEN... (...und ein weniger starkes Buch) Warum, fragt man sich, musste der Gault-Millau 2021 jetzt erscheinen? Als Entscheidungshilfe für einen festtäglichen Restaurantbesuch ist das Buch wertlos, weil eh alle Restaurants geschlossen sind (was brav auch bei jeder Einkehrstätte vermerkt ist) und als Bettlektüre für lange Dezemberabende gibt es gewiss spannenderes. Warum also? Bernd Matthies, unangefochtene Nummer eins der hauptstädtischen Berufsesser und Restauranttester, fragt sich das auch: „Brauchen wir gerade jetzt neue Restaurantführer? Nein, dürfte die aktuelle Antwort lauten. Aus Sicht der bei Burda angesiedelten Redaktion des Gault-Millau sieht die Sache natürlich anders aus: Können wir die neue Ausgabe ausfallen lassen, wo wir uns doch gerade erst im Mai mit viel Trara eingekauft haben? Das konnten sie wohl nicht, und nun ist ein neuer Guide erschienen, mit dem

Da wimmelt es nur so von „begehrten Adressen”, „coolen Or-

vermutlich niemand glücklich ist.”

ten” und „smarten Lokalen”, in denen je nach attributivem Gusto

Wir sind es vor allen Dingen deshalb nicht, weil erstmals in der

eine aromenstarke, authentische, kontrastreiche und moderne

Gault-Millau-Geschichte deutschlandweit nur 500 Restaurants ge-

Regionalküche serviert wird oder eben eine Regionalküche mit

testet und (ebenfalls neu) mit 15 bis 19,5 Punkten bewertet wur-

marktfrischen Zutaten.

den. Weitere 500 Restaurants tauchen als so genannte Gault-Mil-

Ach ja, ein leidlich versierter Korrektor hätte dem Ganzen sicher

lau-Empfehlungen auf – versehen mit textlichen Banalitäten, die

gut getan, aber das nur am Rande, weil 39,90 Euro eben schon mal

selbst drittklassige Agenturen besser verfassen.

eine preisliche Ansage sind, für die man gern eine entsprechende Gegenleistung hätte. „Sagen wir so”, resümiert Bernd Matthies, „das Ding ist mit der heißen Nadel gestrickt worden, und der konkurrierende Gusto liegt sicher besser mit seiner Ankündigung, den neuen Print-Guide auf das Frühjahr zu verschieben.” Gefreut haben wir uns über die Wahl von Ilona Scholl (Tulus Lotrek, Bild u. li.) zur „Gastgeberin des Jahres 2021” und von Nancy Grossmann (Rutz, Bild o. re.) zur „Sommelière des Jahres 2021”. Herzlichen Glückwunsch, und wir zitieren mit Freude aus den Laudationes: „Ilona Scholl ist ein Musterbeispiel einer Gastgeberin”, schreibt der Gault-Millau über die 37-Jährige, „die dafür sorgt, dass sich ihre Gäste umsorgt und willkommen fühlen, wie kaum irgendwo sonst.” Und über Nancy Grossmann, 36, heißt es: „Ohne eitle Selbstdarstellung gelingt es ihr, die komplexen Teller von Marco Müller kongenial zu begleiten und sich dabei lieber auf ihre Gäste einzustellen, statt eine önologische Doktrin durchzuziehen.” Chapeau!!

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QUADRIGA 2020

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KOPFSALAT Johannes Habel

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Johannes Habel KOPFSALAT

world_record_egg IM INTERNET ENTDECKT: DIE GANZE WELT LIEBT EIER VON JÖRG TEUSCHER Zehn Jahre Instagram: 54,9 Millionen Likes und 3,3 Millionen Kommentare – das ist seit Gründung der inzwischen mit mehr als einer Milliarde Nutzer größten Bildplattform der SocialMedia-Welt ein einsamer Rekord. Welches Bild, fragt man sich, ist dermaßen frech, niedlich, witzig oder originell, dass es als meistgeliktes Bild aller Instagram-Zeiten gilt? Die Antwort ist ebenso erstaunlich wie verwunderlich: Weder ein HollywoodMegastar noch ein Guy-Savoy-Superfood sind so sensationell instagramable – nein, es ist ein Ei, ein ganz und gar normales Hühnerei, das im Strom der Bilder an die Spitze trieb. Das Produkt mehr oder weniger glücklicher Hühner wird aber nicht nur im digitalen Universum gefeiert, auch die gute alte analoge Welt singt ihm Lobeshymnen. Seit die Luxemburger Sterneköchin Léa Linster gemeinsam mit dem Kölner Cartoonisten Peter Gaymann vor sechs Jahren ihre „Huhnglaublichen Rezepte” unters Volk brachte, gab es eine regelrechte Koch- und Sachbuchschwemme zum Thema. Angeheizt

wurde der Titel-Kampf sicher auch dadurch, dass eine Reihe prominenter Zeitgenossen die Hühnerhaltung als Hobby entdeckte. Unter der Flut von Neuerscheinungen, die in letzter Zeit das – Achtung, neudeutsch! – Homefarming mit Hühnern und die Selbstversorgung mit Eiern (oder heißt es inzwischen Selfsupplying?) propagierten, gehören auch einige wirklich ansprechende und durchaus empfehlenswerte Bücher (s. Seite 54). Wer jedoch das Glück von Manuela von Perfall und Jessica Jungbauer, mit Hühnern zu leben (Callwey Verlag München) aus Mangel an Land und Zeit nicht teilen kann, trotzdem aber gern die wunderbaren Eierspeisen von Kathrin Fritz und Martina Meier (AT Verlag Aarau und München) auf dem Teller hätte, was, bitte, tut der? Die Antwort führt natürlich nicht zum Supermarktregal, sondern auf Berliner Wochenmärkte in Charlottenburg, Friedrichshain, Schöneberg und Zehlendorf und dort zu einem Mann namens Johannes Habel und seinen Ständen.

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KOPFSALAT Johannes Habel

Der Mann mit dem Huhn, das ist Johannes Habel. Jahrgang 1961, gebürtiger Münchner, aber das hört man nicht. Konditorlehre in Garmisch-Partenkirchen, Zeitsoldat beim Gebirgsjägerbataillon 234 in Mittenwald, Sanitätsunteroffizier. Arbeit als Patissier in Überlingen und im Berliner InterContinental. Ausbildung zum Hotelkaufmann, später zum Immobilienfachmann. Nach dem Mauerfall Projektentwickler für Einzelhandelsimmobilien in den neuen Bundesländern, danach für Biogasanlagen. 2012 wieder eine berufliche Neuorientierung. Landwirtschaftslehre und Abschluss als Landwirtschaftsmeister. „Mein Schlüsselerlebnis war ein Praktikum in einem Mastbetrieb mit 200.000 Hühnern”, erzählt er, „als ich das gesehen hatte, waren die Würfel gefallen.” Johannes Habel zog nach Falkenhagen im Landkreis MärkischOderland, pachtete Wiesen und Weiden und begann, Hühner zu halten – in allem das ganze Gegenteil der brutalen Tiernutzungsindustrie, die er erlebt hatte. Das war vor sieben Jahren, in denen sich Habel inzwischen einen Namen gemacht hat – sowohl was das „animal welfare”, das viel strapazierte Tierwohl angeht, als auch was Güte und Geschmack seiner Produkte betrifft. Und – weil er nicht müde wird, darüber zu reden, was Hühner wirklich glücklich macht. Kein Wunder, dass der 59-Jährige mit dem Hühner-Guru Paolo Parisi verglichen wird. Der Mann mit dem Ei, das ist Paolo Parisi, 63, ein paar Jahre älter als Johannes Habel also. Er wuchs in Genua auf und hat – ähnlich wie Habel – ein bewegtes Leben hinter sich: Medizinstudium, Abbruch kurz vor dem Physikum, Arbeit als Staubsaugervertreter, später als Verkäufer für medizinische Geräte. 2004 Umzug aufs Land, Usigliano di Lari, westliche Toskana, ein Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, (Garcon besuchte ihn dort, s. Heft 50/2018). Hier betätigte er sich als Olivenbauer und Schweinezüchter, 2008 dann kam er auf das Huhn. „Es war ein Experiment”, sagt er. Eins aber, das funktionierte. Die Haltung in fußballfeldgroßen Sandgruben mit Schattenbäumen und einem mobilen Stall, die Fütterung mit einem Brei aus Getreideschrot und Ziegenmilch und die daraus resultierende geschmackliche Güte der Eier machten Parisi bekannt. Inzwischen ist der Mann eine Berühmtheit. Italienische Spitzenköche reißen sich ebenso wie eine Reihe ihrer Kollegen in Frankreich und Österreich um diese Eier und zahlen Höchstpreise bis zu drei Euro pro Stück (Im Hofverkauf auf seiner Azienda übrigens kostete 2018 ein Ei 0,90 Euro.). Parisis einziges Problem – er kann die Nachfrage kaum bedienen. Davon ist Johannes Habel, sein deutsches Pendant, noch ein Stück weit entfernt, obwohl seine Weide-Eier in puncto Geschmack denen von Paolo Parisi durchaus ebenbürtig sind.

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Johannes Habel KOPFSALAT

Berlin-Charlottenburg, Wochenmarkt auf dem Karl-August-Platz:

Dass Johannes Habel seine Weide-Eier ausschließlich auf Berliner

Mittwoch, 8.00 – 13.00 Uhr

Wochenmärkten verkauft, ist kein cleveres Marketing künstlich er-

Samstag, 8.00 – 14.00 Uhr

zeugten Mangels, sondern einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass weder Bio-Groß- noch Bio-Einzelhandel auch nur annä-

Berlin-Schöneberg, Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz: Dienstag, 9.00 – 15.00 Uhr Berlin-Schöneberg, Wochenmarkt an der Akazienstraße: Donnerstag, 12.00 – 18.00 Uhr

hernd bereit waren, adäquate Preise für seine Eier zu zahlen. „25 Cent pro Stück hat mir ein Händler geboten”, erklärt Habel seine Wochenmarktpräsenz, „das hätte bei meiner Art der Haltung und Fütterung nicht mal einen Teil der Kosten gedeckt.” Die Kunden loben den Geschmack der Weide-Eier und haben kein Problem mit dem Stückpreis von 70 Cent. Und auch seine Hühnerbrühe findet viele Liebhaber. „Ich kaufe sie, weil sie alles übertrifft, was

Berlin-Friedrichshain, Wochenmarkt auf dem Boxhagener Platz:

ich bisher probiert habe”, erklärt eine junge Frau auf dem Markt an der

Samstag, 9.00 – 15.30 Uhr

Akazienstraße. „Dafür sind zehn Euro pro Glas allemal gerechtfertigt.”

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KOPFSALAT Johannes Habel

Kern all dieser Preis-Fragen ist die einfache Wahrheit, dass zwischen den Ansprüchen an die Landwirtschaft und ihre Erzeugnisse und der Zahlungsbereitschaft vieler Kunden noch immer Welten liegen. „Das lässt sich nur ändern, wenn das Gute zur Norm wird”, philosophiert Johannes Habel und lädt uns ein, das Gute in Augenschein zu nehmen. Falkenhagen liegt im Brandenburger Naturschutzgebiet Matheswall, Schmielen- und Gabelsee. Hier, inmitten einer hügeligen Endmoränenlandschaft, hat Habel an verschiedenen Ecken insgesamt 50 Hektar Land gepachtet, auf denen er derzeit rund 1.000 Hühner und eine kleine Galloway-Herde hält – zehn Muttertiere und ihre Kälber. Unser erster Gedanke: viel Land für wenig Tier. Wie bei Paolo Parisi. „Hühner brauchen Auslauf, jede Menge Grün, Platz zum Scharren, Sandbäder, Schattenbäume”, so Habel, ganz in seinem Element.

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Johannes Habel KOPFSALAT

Und – Duplizität des Richtigen – auch der Brandenburger Bio-Bauer benutzt mobile Ställe, die zwar kleiner sind als die seines italienischen Kollegen, aber dem gleichen Zweck dienen – sie immer dann zu versetzen, wenn an einem Ort das Grün und die Kräuter zur Neige gehen. So funktionieren Hühnerparadiese. Nichts von der quälenden Enge der Massentierhaltung, nichts von Turbohennen, die auf Höchstleistung getrimmt sind und – Minimum – 300 Eier im Jahr legen müssen. Die dritte Gemeinsamkeit mit dem Branchenprimus in der Toskana: Habels Lohmann-Hühner sind, wie die Livorneser von Paolo Parisi, Zweinutzungshühner, Tiere, die Eier und Fleisch liefern. Auch das gilt in der industriellen Haltung als No-Go. Profitabel sind Hühner nur, wenn sie einem Zweck dienen – Eier legen oder Fleisch geben.

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KOPFSALAT Johannes Habel

In der Folge sind die mageren männlichen Nachkommen der zur Eierproduktion eingesetzten Hühner für die Industrie nutzlos. Die Folge ist bekannt: Jedes Jahr werden in Deutschland rund 40 Millionen männliche Küken am ersten Lebenstag geschreddert oder mittels CO2 vergast. Ein Gesetz soll nun endlich diese Praxis verbieten – ab 2022. Keine Frage, dass sich in Habels Hühnerhaufen auch Hähne tummeln, ebenso wie in dem von Parisi. Das zu wissen, macht übrigens nicht nur Hühner glücklich. So schließt sich der Kreis. Glückliche Hühner legen eben auch fantastische Eier. Habels „Mädels” – so nennt er sie tatsächlich – legen rund 220, 230 im Jahr in die mit Dinkelspelzen gefüllten Einstreunester. Cremefarben und mit einem Aroma, das an frische Nüsse und grünes Gras erinnert...

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Johannes Habel KOPFSALAT

Hallmann-&-Klee-Küchenchefin Rosa Beutelspacher und Köchin Jana Wegner, v.re.

Habels Kunden sind neben Six-Pack-Käufern auf Berliner Wochenmärkten vor allem Bäcker, Köche und Konditoren, die sich nicht damit abgeben, dass Bio-Eier, woher auch immer, a priori gute Eier sind. Zu dieser Kategorie der Produktfetischisten – Motto: Nur das Beste ist für uns gut genug – gehören etwa die Bäckerei Albatross, das Café Neumanns, Du Bonheur sowie Samys Berliner Pfannkuchen Café. Und auch eine unserer kulinarischen Lieblingsadressen – das Hallmann & Klee am Böhmischen Platz in Neukölln – verarbeitet ausschließlich Habels Weideeier. „Auf rund 500 Stück pro Woche hat sich das etwa im Oktober summiert”, so Rosa Beutelspacher, die 38-jährige Küchenchefin. Und wir sagen: Zwei Eier, pochiert, dazu Fassbutter, Spinat und vielleicht noch ein bisschen Bacon von Kumpel & Keule – besser kann der Tag nicht beginnen.

HALLMANN & KLEE Böhmische Straße 13 12055 Berlin-Neukölln Tel. 030 - 23 93 81 86 www.hallmann-klee.de

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KOPFSALAT Johannes Habel

Am 3. Oktober 2020 angereist aus Berlin-Wilmersdorf: Robert Ringmayer, li., Pate des Huhns Edeltraut.

Ein Nachsatz ist nötig. Johannes Habel liebt seine Hühner und sorgt sich um ihr Wohl. Damit das für seine Kunden nicht nur ein Werbespruch ist, lädt er mehrmals im Jahr zum „Tag der offenen Weide” ein. „Jeder kann sich dann ein Bild davon machen, dass bei uns die Hühnerwelt in Ordnung ist”, so Habel. Robert Ringmayer, den wir beim letzten Termin am 3. Oktober in Falkenhagen trafen, bestätigt das: „Nehmen Sie nur mal die viel beschworene Freilandhaltung”, so der 35-jährige Berliner, „ein Begriff, der freie Bewegung in ländlicher Umwelt suggeriert, oft aber nur wenig Auslauf in karger Umgebung bedeutet, meist ohne schützende Bäume und Sträucher. Hier haben die Hühner das alles.” Deshalb ist Ringmayer auch Hühnerpate, einer von 147 übrigens... Informationen zu den Patenschaften unter www.weideei.de

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Diese Fotos und noch etliche andere mit ähnlichen Motiven sind auf Ricarda Farnbachers iPad gespeichert und immer abrufbar, wenn Kunden beispielsweise wissen wollen, was sich hinter einer Waldorfsalat-Interpretation verbirgt oder wie das Beef Tatar im Tramezzini-Mantel angerichtet wird. Ricarda Farnbacher ist Cateringunternehmerin, eine der besten ihrer Branche in Berlin. Eine, die nicht nur Häppchen serviert, sondern Ausgefallenes in ausgefallenem Rahmen präsentiert und besondere Anlässe besonders inszeniert. Dennoch hieß es auch bei ihr in diesem Jahr: Rien ne va plus.

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Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

„Jammern bringt nichts” ZU GAST BEI DER CATERINGUNTERNEHMERIN RICARDA FARNBACHER VON JÖRG TEUSCHER

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Ricarda Farnbacher ist eine kluge und beredte Frau, hat aber die Angewohnheit, manches Wichtige in Redundantem zu verstecken. „Das Leben ist, was man daraus macht” ist so ein Satz, sogar eine Art Lebensmotto. Die 36-Jährige stammt aus Starnberg in Oberbayern, studierte Politikwissenschaften in Wien und Potsdam und wollte Bürgermeisterin, Diplomatin oder Jounalistin werden. Nach dem Diplom wäre sicher alles möglich gewesen, doch – wie das Leben so spielt – es kam ganz anders. „Ich bin ins Eventmanagement reingerutscht”, beschreibt sie das Ergebnis ihrer Findungsphase. Sie machte sich schnell einen Namen in einer Branche, die nach 100 Prozent Improvisation klingt, aber 99 Prozent Perfektion verlangt. 2015 schließlich gründete sie ihre eigene Firma: Ricarda Farnbacher Event-Catering-Location. Und wurde zunehmend gefragter, weil sie konsequent auf Qualität und

Ricarda Farnbacher und ihre Mitarbeiterin Thandiwy Degli Esposti, kurz Thandi, v. re.

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Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

Individualität setzte. „Früher kam es darauf an, eine möglichst opulente Tafel aufzufahren, heute dagegen stehen die Güte der Speisen, die Dekoration, der Service, aber auch das ganze Drumherum mehr im Mittelpunkt. Die Kunden wollen maßgeschneiderte Konzepte und keine Stangenware.” Ricarda Farnbacher lieferte, Adidas, Ebay, Google & Co. jubelten. „2019 war unser bestes Jahr”, sagt sie, „250 Veranstaltungen, B2B-Events, Mottopartys, Themenessen, alles, von superkrass bis bodenständig.” Auch 2020 lief gut – bis zum März, dann folgte der Absturz, nicht nur für ihr Unternehmen, die ganze Fest- und Feierbranche lag über Nacht am Boden. „Der schlimmste Downgrade, den Du Dir vorstellen kannst.” Wir sitzen in ihrem Garten in Pankow, 800 Quadratmeter, alte Obstbäume, Gemüse- und Kräuterbeete. Basis für ein neues Business. Ricarda Farnbacher entschied, ins Feinkostgeschäft einzusteigen.

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Produktionsküchen heißen die mehr oder weniger professionell ausgestatteten Speisenzubereitungsstätten von Cateringfirmen im Fachjargon. Die von Ricarda Farnbacher befindet sich in der Greifswalder Straße und ist mit allem bestückt, was ein modernes Unternehmen ihrer Branche heute benötigt, um up to date zu sein. Normalerweise war in den Wochen vor Weihnachten hier der Teufel los. „Weihnachtszeit war Feierzeit”, sagt die Unternehmerin, „das hieß Vollgas täglich, manchmal auch nachts.” Jetzt allerdings: Still ruht der See. Oder fast. Küchenchef Alex Gross und sein Stellvertreter Colin Seffer entwickeln und produzieren die Feinkost, die höchsten Ansprüchen genügen soll. Beste Grundprodukte, deren Verarbeitung in kleinen Chargen, geschmacklich stimmig, nachhaltig, verkaufbar”, bringt der 35-jährige Gross die Sache auf den Punkt. „Trial and error”, fügt sein Kollege hinzu, „nicht alles passt immer gleich.”

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Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

Küchenchef Alex Gross und Sous Chef Colin Seffer, v. li.

Inzwischen gibt es unter dem Label FARNKOST ein gutes Dutzend Spezialitäten, die keinen Vergleich scheuen müssen (s. Seite 70). Ricarda Farnbacher bietet sie auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz und im eigenen Onlineshop an. „Natürlich sind die Umsätze kein Vergleich etwa zu dem, was wir mit der Party einer IT-Firma verdienen würden, aber es hält uns erstmal über Wasser.” Die Unternehmerin gibt sich kämpferisch. „Wir schaffen das!”

FARNKOST Stargarder Straße 17 10437 Berlin-Prenzlauer Berg info@ricardafarnbacher.de www.ricardafarnbacher.de

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Farnkost ist die Feinkostmarke der Catering-Unternehmerin Ricarda Farnbacher. Die aus frischen, saisonalen Produkten nachhaltig hergestellten Delikatessen gibt es samstags auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und im Online-Shop www.farnkost.com

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Bitte trinken Sie verantwortungsvoll. | DRINKiQ.com Die Bezeichnung ZACAPA und damit verbundene Logos sind Markenzeichen. © Rum Creation & Products, Inc. 2016



Wer in der Mark reisen will, der muß zu-

Prignitz

Fläming

nächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittli-

Dahme-Seenland

che Vergleiche totzumachen. Der Reisende

Ruppiner Seenland

in der Mark muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Mee-

Uckermark

Spreewald

ressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben.

gs e w r e t n U g r u b n e OW — P OT Z L in BraEnTEd RSDORF

K—P ÜNHEIDE R G PETZNIC — E D L G E R S WA HER G TEUSC VON JÖR

Es ist mit der märkischen Natur wie mit machen Frauen. ‚Auch die häßlichste‘

Barnimer Land

Lausitzer Seenland

— sagt das Sprichwort — ‚hat immer noch sieben Schönheiten!‘ Ganz so ist es mit dem Lande zwischen Oder und Elbe; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch

Elbe-Elster-Land

ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß

Seenland Oder-Spree

Havelland

sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise. Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg Die Grafschaft Ruppin Vorwort zur zweiten Auflage, Berlin 1864

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Grumsin, über 3.000 Mooren und einer Vielzahl an seltenen Tieren und Pflanzen bis zum Nationalpark Unteres Odertal im Osten, einer weitgehend intakten Flussauenlandschaft. Die Schönheiten des Landstrichs im Norden Brandenburgs entdeckten nach der Wende auch viele Berliner. Wer es sich leisten konnte, kaufte hier ein Ferienhaus oder zog gleich ganz aufs Land – Entschleunigung, Alternativen zu den Einengungen der Großstadt, Nachhhaltigkeit, ein Leben am Rande der Konsumkultur, der Trend zur Uckermark ist ungebrochen. Neben dem Tourismus sind Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk die Geldbringer in der Region. Der Uckerkaas aus Bandelow ist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, genauso die fruchtigen Spezialitäten der Apfelgräfin Daisy von Arnim aus Lichtenhain und die feinen Obstweine von Edda Müller und Florian Profitlich aus Kraatz. In Schönermark brennt Cornelia Bohn einen respektablen Whisky, und in Blankensee presst Saskia Gräfin Hahn ein ganz besonderes Mohnöl. Wir besuchten bei unserem Uckermark-Trip im September 2020 Obstbauern in Grünheide und Pilzzüchter in Petznick, trafen in Petersdorf einen guten alten Bekannten, verabschiedeten uns in Gerswalde von dem Glut-und-Späne-Meister Michael Wickert, der den Ort in Richtung Schwarzwald verlassen wird und hörten von der Zuckerblütenproduzentin Anja Merkel in Potzlow, wie Corona eine kleine Manufaktur kaputt macht. Die Uckermark kennt viele Superlative, objektive wie subjektive. Zur ersten Kategorie gehört die Tatsache, dass sie der größte Landkreis Deutschlands ist, immerhin genauso groß wie das Saarland, das kleinste deutsche Bundesland, wenn man Berlin, Hamburg und Bremen außen vor lässt. Fakt ist auch, dass sie zu den am dünnsten besiedelten Gegenden der Republik zählt, ein wald- und seenreicher, aber menschenarmer Flecken, lediglich 53 Einwohner leben hier auf einem Quadratkilometer. Was das Subjektive, die Eindrücke also betrifft – mich verzaubert diese Landschaft immer wieder neu, wenn ich in der Uckermark unterwegs bin. Stille Alleen, gesäumt von Buchen und Linden und manchmal auch von knorrigen Obstbäumen, weite Niederungen, sanfte Hügelgebiete, idyllische Seen, 400 insgesamt, sagen die Touristiker. Pittoreske Dörfer, prachtvolle Herrenhäuser, kleine Kirchen von schlichter Schönheit. Die Uckermärker sind stolz auf stille Badestellen und ruhige Angelplätze und auf mehr als 1.000 Kilometer Wanderwege. Einer der reizvollsten ist der 2009 eingeweihte und vom Deutschen Wanderverband mit dem sperrigen Titel „Qualitätswanderweg wanderbares Deutschland” bedachte Märkische Landweg. 217 Kilometer lang, führt er durch den Naturpark Uckermärkische Seen, im Nordwesten zwischen Boitzenburg, Lychen und Templin gelegen, durch das UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin mit seinen uralten Eichen, dem zum Weltnaturerbe gehörenden Buchenwald

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Der promovierte Biologe Andreas Kirbach und Manuel Gross, Mechatroniker von Beruf (Bild v. li.), stammen zwar nicht aus der Uckermark, sind aber seit einiger Zeit hier zu Hause. Aus einer Zufallsbekanntschaft wurde Freundschaft, aus gleichen Interessen ein gemeinsames Unternehmen. Im August 2019 gründeten Kirbach und Gross in Petznick vor den Toren Templins eine Zuchtpilzfarm, deren Name Programm ist: Frische Kappen...

„Hest nüscht sehen, kast nüscht seggen.” (Uckermärker Redensart)

Der 56-jährige Maik Fritsch stammt aus Templin, ist also ein waschechter Uckermärker. Wer es nicht hört, der schmeckt es auf jeden Fall, denn Fritsch, Koch von Beruf, gilt als ausgewiesener Kenner der regionalen Küche seiner Heimat und als ebensolcher Könner bei der Zubereitung solcher Traditionsgerichte wie Hechtfrikassee, Rehlungwurst, Rinderzungenkadümzel oder eben Nudelsuppe mit Plum und Speck...

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Als die diplomierte Landschaftsarchitektin Anja Merkel vor elf Jahren begann, in ihrem Potzlower Garten essbare Blüten anzubauen und ein Verfahren entwickelte, die Botanicals zart zu verzuckern, gab es jede Menge Lob. Die Marketinggesellschaft pro agro zeichnete Merkels filigrane süße Pretiosen aus, das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin verlieh sein Prüfzeichen, Konditoren aus halb Europa jubelten. Doch dann kam Corona...

Er liebte die Uckermark-Landschaft, die Sommerwochenenden in Gerswalde, sein kleines Glut-&-Späne-Gartenlokal auf dem Gelände der ehemaligen Schlossgärtnerei. Und die Gäste liebten ihn und seine Räucherkunst. Viele Berliner kamen jedes Wochenende nur wegen Michael Wickerts Fischplatten nach Gerswalde. Trotzdem hat sich der 45-Jährige nun entschieden, die Uckermark Richtung Baden-Württemberg zu verlassen...

Dr. med. Michael Weber, 53, ist Facharzt für Anästhesiologie und Chef der international tätigen Hire a Doctor Group, einer Zeitarbeitsfirma für Ärzte mit Sitz in Berlin. Vor einigen Jahren erwarb der gebürtige Potsdamer und bekennende Uckermark-Fan eine defizitäre Mosterei sowie einige Streuobstwiesen in der Region seiner Träume, gründete die Firma UMBIO und produziert seitdem erstklassige Obstsäfte...

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Begehrt ANDREAS KIRBACH UND MANUEL GROSS PRODUZIEREN UCKERMÄRKISCHES UMAMI

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Frühsommer auf dem Kollwitzmarkt. Corona war da, aber doch

bisher nicht gesprochen hatte: „Weil die Restaurants, unsere wich-

fern, Touristen und viel Schicki und Micki flanierten, hier ein Häpp-

tigsten Kunden, monatelang geschlossen waren, hatten wir die Idee

chen, dort ein Schwätzchen.

mit diesem Marktstand”, so Kirbach, „Not macht eben erfinderisch.”

Mitten in all dem fröhlichen Marktgewusel ein junger Mann

Was das Besondere an ihren Pilzen sei, wollten wir wissen. Es

hinter einem kleinen Stand, vor sich ein paar Körbe mit Austern-

folgte eine Einladung nach Petznick, einem 118-Einwohner-Dörf-

seitlingen und Shiitakepilzen. Makellose Ware, aber keine Kunden.

chen vor den Toren Templins am Rande des Biosphärenreservats

Dann und wann ein bisschen geheucheltes Interesse: Astrein, aber

Schorfheide-Chorin.

wir waren schon einkaufen. Endlich mal kein Schau-, sondern ein

Andreas Kirbach und Manuel Gross empfangen uns auf dessen

Kauflustiger, ein älterer Herr mit weiblicher Begleitung und beide

Grundstück, das auch ihre Edelpilzfarm beherbergt. Im August

offensichtlich mit dem Thema sehr vertraut.

2019 gegründet, ist die Anlage noch ein „Farmchen”, aber sie soll

Das Gespräch drehte sich um Substratproduktion, Myzelent-

wachsen – trotz Corona. Kirbach, 43, stammt aus Görlitz, studierte

wicklung und Fruchtkörperbildung, der junge Mann hinter dem Tre-

an der Freien Universität Biologie und promovierte mit dem Thema

sen erzählte von seinem und seines Geschäftspartners Start ins

„Navigation und Kommunikation von Honigbienen” zum Dr. rer. nat.;

Pilzzuchtgeschäft, von ihren Erfahrungen und Zielen. Der ältere

der 37-jährige Gross ist in Parchim gebürtig, der Ausbildung zum

Herr kaufte eine Tüte Shiitake, und wir hörten – neugierig gewor-

Mechatroniker folgte eine über zehnjährige Tätigkeit in der Medi-

den – das, worüber Andreas Kirbach, so der Name des Verkäufers,

zintechnik – für beide war die Pilzzucht also Neuland.

Dr. Andreas Kirbach und Manuel Gross, v.li.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Dennoch schafften sie es schnell, sich in die fremde Materie einzufuchsen. „So kompliziert ist die Sache nun auch nicht”, erklären sie, „man braucht ein sauberes Substrat aus einheimischen Laubhölzern und entsprechende Pilzbrut, mit der das Substrat geimpft wird, dann wachsen die Pilze. Wichtig ist es, in jeder Phase für die richtige Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu sorgen und für die notwendigen Lichtverhältnisse.” Derzeit wachsen in ihrer Anlage Austern- und Kräuterseitlinge sowie Shiitake, die sagenhaften chinesischen Umami-Lieferanten. Dazu gibt es Weiße Buchenpilze sowie Pioppini, die Südlichen Ackerlinge, die in Italien wegen ihres maronenähnlichen Aromas als Delikatesse gelten. „Solange wir auf die Gastronomie-Kunden verzichten müssen, ist eine Erweiterung der Sortenvielfalt natürlich kein Thema”, sagt Andreas Kirbach. Dafür verschicken die beiden Züchter seit Anfang November Frisch- und Trockenpilze auch an Otto Normalverbraucher (bei Interesse: mail@frischekappen.de).

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Das Berliner Szenerestaurant 2019...

... war vor der Pandemie der beste Kunde der Frische Kappen GbR.

Auch Andreas Kirbach und Manuel Gross hoffen auf ein baldiges Ende des Lockdowns. „Unsere wichtigsten Abnehmer sind eben Berliner Küchenchefs, und wenn deren Herde kalt bleiben, haben wir ein Problem”, sagt Kirbach und verweist auf das Frühjahr. „Als Bandol sur mer, Mrs. Robinson´s, Barra, FREA, Otto und andere Kunden keine Pilze brauchten, weil sie geschlossen waren, hatten wir über 80 Prozent weniger in der Kasse.” Kirbach und Gross traten die Flucht nach vorn an und mieteten einen Stand auf dem Kollwitzmarkt in Prenzlauer Berg. Hier lernten wir die beiden kennen... FRISCHE KAPPEN Henkinshainer Weg 11 17268 Templin OT Petznick Tel. 0151 - 23 60 69 55 www.frischekappen.de www.coldehoern.de

Manuel Gross und FREA-Küchenchef Yahir Franco.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Verblüht

ANJA MERKEL WILL DIE ZUCKERBLÜTENHERSTELLUNG AUFGEBEN

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Landschaftsarchitektin und Unternehmerin Anja Merkel.

Den Tipp für einen Besuch in Potzlow, einem 500-Einwohner-Dörf-

damals in einem Interview zu Protokoll, „ich musste viel recher-

chen rund zehn Kilometer südlich von Prenzlau, bekamen wir von

chieren, experimentieren und investieren bis das Ergebnis für mich

Heidrun Lange. Genauer gesagt, wir entnahmen ihn ihrem lesens-

und vor allem für die Kunden zufriedenstellend war.”

werten Buch „Uckermark – Die 99 besonderen Seiten der Region”.

Köche, Konditoren und Patissiers waren dann weit mehr als nur

Wir folgten also den Spuren der Journalistin nach Potzlow Aus-

das. Sie lobten, dass die Hornveilchen-, Kornblumen-, Lavendel-,

bau – das sind ein gutes Dutzend hübsch herausgeputzter Land-

Süßdolden- oder Wildrosenblüten – nachdem Anja Merkel ihre

häuser mit viel Grün drumherum.

Hand angelegt hatte – Form und Farbe behielten, dass durch den

Am Anwesen mit der Nummer 6a weist ein Schild den Weg: Obstgarten Uckermark GbR. Das ist der Name der Firma von Anja

Zucker ihre Aromen deutlich intensiviert wurden und dass das alles ohne chemische Farb- und Hilfsstoffe erreicht wurde.

Merkel. Der freundlichen Begrüßung folgt eine ernüchternde Erklä-

Zu Anja Merkels Kunden zählten das Berliner Sternerestaurant

rung. „Corona hat unser Geschäft zum Erliegen gebracht”, sagt die

Facil, Guido Fuhrmanns Werkstatt der Süße, das Tortenstudio Luca

52-Jährige, „wenn kein Wunder geschieht, geben wir auf.”

sowie weitere Konditoren, sogar in Österreich und der Schweiz. Die

Anja Merkel, gebürtige Berlinerin, studierte in Dresden Land-

Zuckerblüten machten Schlagzeilen, Anja Merkel erhielt Auszeich-

schaftsarchitektur und zog gemeinsam mit ihrem Mann 2008 in

nungen, die Blütenwelt schien in bester Ordnung. Doch dann – sie-

die Uckermark. Ein Jahr später begann sie, essbare Blüten zu ver-

he oben. Nun basteln die Landschaftsarchitektin und ihr Mann,

zuckern. „Was so einfach klingt, war es natürlich nicht”, gab sie

Bauleiter von Beruf, an einer neuen Unternehmensidee.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Abgefüllt MICHAEL WEBER UND SEIN TEAM STELLEN SUPER-SÄFTE HER

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

„Zumutung”, das ist noch die freundlichste Bezeichnung für die Ver-

sie sich für das wirklich Wichtige im Leben. Dem Praktikum in der

bindung zwischen Grünheide und dem Rest der Welt. Die meisten

Uckermark wird ein Studium an der Hochschule für nachhaltige Ent-

greifen tiefer in die Wortschatzkiste der Deftigkeiten. „Wer nicht

wicklung in Eberswalde folgen – Fachrichtung Ökolandbau.

muss, der lässt´s”, sagen die Einheimischen trocken. Wir müssen.

Die 33-Jährige serviert routiniert die UMBIO-Fakten, man merkt,

Immerhin weisen Schilder links und rechts der kopfsteingepflas-

sie ist den Umgang mit Journalisten gewohnt. Wir notieren: UMBIO

terten Buckelpiste zuverlässig den Weg: UMBIO – GUTES AUS DER

bewirtschaftet 22 Hektar, größtenteils Streuobstwiesen, auf denen

UCKERMARK.

über 100 alte und einige neuere Apfelsorten wachsen. Altländer

Das so Benannte liegt auf einer Anhöhe und sieht auf den ersten

Pfannkuchenapfel, Landsberger Renette, Rheinischer Bohnapfel, Ja-

Blick ziemlich unspektakulär aus. Produktionshallen und ein großer

kob Fischer, Signe Tillisch, Kaiser Wilhelm, Boskop, Gelber Richard,

Hof, viel Beton, der Charme des Zweckmäßigen. Hunderte Apfelbäu-

rund 1.000 Hochstämme. Dazu Birnen, Pflaumen, Süßkirschen, Ha-

me und Haselnusssträucher ringsum lassen das Areal freundlicher

sel- und Walnüsse. Gemüseanbau. Eigene Bienenvölker.

wirken, der weite Blick ins Uckermärker Land und der freundliche

„In unserer Mosterei werden wir in diesem Jahr schätzungswei-

Empfang durch eine junge Frau heben den ersten Eindruck schließ-

se 20.000 Liter Apfelsaft pressen”, sagt Louise Friedländer und fügt

lich vollends auf.

hinzu: „Mit dem Kauf unterstützen Sie die Pflege unserer Streuobst-

Louise Friedländer (Bild S. 84, u., li.) stammt aus Köln und war, bevor sie zu UMBIO kam, in der Modebranche tätig. Dann entschied

wiesen und die Neuanlage und leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung alter Obstsorten.” Wir haben verstanden und kaufen.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Am Sortierband: Karola Feistel und Viktoria Mokretsova, v.re.

Chef der Bio-Mosterei ist der 33-jährige Uckermärker Nikolas Bohrisch, zupackend und wortkarg. Seine Mitarbeiter sind Studenten. „Ökolandbau Eberswalde, die wissen, wie’s läuft”, Bohrischs höchste Form der Anerkennung. Außerdem erfahren wir, dass hier das Obst mit einer traditionellen Packpresse gepresst wird, nicht die modernste Technik, aber eine, die die beste Saftqualität liefert. Wir hören, dass der Saft nicht gefiltert wird, also naturtrüb bleibt, um seinen typischen Geschmack zu erhalten und dass er besonders schonend pasteurisiert wird. „Damit das Aroma drinbleibt”, wie Bohrisch sagt. „Kommen Sie doch zum Mosterei-Tag”, schlägt Louise Friedländer vor, dann haben wir genug Zeit, um Ihre Fragen zu beantworten, und dann ist auch Herr Doktor Weber da.” Wir überlegen – ein zweites Mal die Buckelpisten-Zumutung? – und verabreden uns mit Herrn Doktor Weber schließlich in Berlin. Michael Weber, Dr. An der Saftpresse: Julian Schiller und Nikolas Bohrisch, v. re.

Mosterei-Chef Nikolas Bohrisch.

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med. und Inhaber von UMBIO hat sein Büro auf einem Gewerbehof


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

in Prenzlauer Berg und ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Hire a Doctor Group (s. Seite 77 re. unten). „Zwei Tage in der Woche bin ich in Berlin, ansonsten arbeite ich in der Uckermark.” Der 53-Jährige erwarb 2015 die damals defizitäre Mosterei, investierte kräftig und fügte dem Mostgeschäft weitere Standbeine hinzu. „UMBIO produziert, veredelt und vertreibt inzwischen außer den Bio-Premium-Säften auch Honig von unseren Bienen, Wildbret von Tieren, die auf Bio-Flächen oder in den Uckermark-Wäldern erlegt wurden und – natürlich saisonal – Lammfleisch von Bio-Lämmern.” UMBIO – GUTES AUS DER UCKERMARK Am Gutshof 1 17291 Oberuckersee OT Grünheide Tel. 039863 - 63 90 75 www.umbio.de www.coldehoern.de

Dr. Michael Weber: „Wir sind überzeugte Cuvée-Fans, weil wir die geschmackliche Harmonie lieben.”

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Unverhofft

EIN WIEDERSEHEN MIT DEM KÜCHENCHEF MAIK FRITSCH

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Petersdorf, 90 Einwohner, liegt rund zehn Kilometer südöstlich von

Dann kredenzte er uns Rinderzungenkadümzel, Rehlungwurst und

Templin nahe des Lübbesees und gehört zu jenen Winzlingsdör-

Kloppschinken mit Suernudeln und lieferte gratis dazu eine klei-

fern, die bei einer Uckermarktour normalerweise links liegen blei-

ne Einführung in das Uckermärker Küchenplatt. Die Kartoffel zum

ben. Wir machten uns dennoch auf den Weg.

Beispiel heißt zwischen Prenzlau und Templin Nudel, Riewnudeln

Auf der Suche nach authentischen Klassikern der Uckermärker

sind demnach geriebene Kartoffeln, also Kartoffelpuffer und Suer-

Regionalküche hatten wir einen Tipp bekommen: Maik’s Hofwirt-

nudeln Buttermilchkartoffeln. Kadümzel schließlich hat nichts mit

schaft in Petersdorf. Der Name steht für die Sache. Vor der ehema-

Nudeln zu tun – dahinter verbirgt sich ein feines Frikassee - mal

ligen LPG-Lagerhalle sind Tische, Stühle und einige Sonnensegel

aus Kaninchenfleisch, mal aus Rinderzunge.

aufgebaut, Tafeln informieren, was hier serviert wird: Hecht im Speckmantel, Wildschweinleber, Wrukensuppe, Zwiebelkuchen.

Fritschs Regionalofferte passte in die Zeit, der Hamburger FEINSCHMECKER sang Lobeshymnen, die hauptstädtischen Tageszei-

Dann kommt Maik – und wir staunen nicht schlecht. Der Mann

tungen stimmten ein und am Ende stand sogar die Nominierung

ist ein alter Bekannter. Kennengelernt hatten wir Maik Fritsch vor

zum Brandenburger Meisterkoch 2013. Wie gesagt, das ist sieben

sieben Jahren, damals stand er im Ringenwalder Gasthof zur Eisen-

Jahre her, in denen es für Maik Fritsch nicht nur bergauf ging.

bahn am Herd, ein gebürtiger Uckermärker, der die Traditionsrezep-

Seine damalige Partnerin zog zurück nach Berlin, er verließ das

te seiner Heimat zubereitete und die Frage nach seinem Kochstil

Ringenwalder Eisenbahn-Gasthaus, ging als Koch nach Petersdorf

kopfschüttelnd mit einem Wort beantwortete: "Uckermärkisch".

und schaffte es hier immerhin zum kulinarischen Geheimtipp.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Ausgeräuchert MICHAEL WICKERT VERLÄSST GERSWALDE

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Die Uckermark wird häufig mit dem Saarland verglichen. Viel ha-

lichen Ausbildungsstätten; die Ruine der mittelalterlichen Wasser-

ben der größte Landkreis und das kleinste Bundesland allerdings

burg wurde in den 1990ern aufwändig saniert; es gibt ein Fische-

nicht gemeinsam – eigentlich außer der Größe gar nichts. Die

reimuseum, eine Heimatstube, eine Wehrkirche, und es gibt den

gewaltigsten Unterschiede gibt es in Genussfragen. Während im

Großen Garten.

Saarland französisches Savoir-vivre und damit die Wertschätzung

Man findet ihn auf dem Gelände der früheren Schlossgärtnerei,

guter Küche schon immer eine wichtige Rolle spielte, herrscht in

und er gilt mit seinen gastronomischen Angeboten – dem Café

der Uckermark von alters her die kulinarische Kargheit Preußens.

„Zum Löwen”, der Bar „Paradieschen” und dem Gartenlokal „Glut

Und während sich zwischen Saarbrücken und Weiskirchen gleich

und Späne” – als das kulinarische Nonplusultra der Uckermark.

ein halbes Dutzend erstklassiger Gourmetadressen drängelt, muss

Tatsächlich Furore macht hier aber nur Michael Wickert. Inzwi-

man zwischen Prenzlau und Templin selbst eine passable Land-

schen muss man sagen „machte”, denn Wickert wird am Jahresen-

hausküche mit der Lupe suchen.

de seine Zelte in Brandenburg abbrechen, doch dazu später.

Das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass – wenn von der

Der 40-jährige Agrar- und Fischereiwissenschaftler, der wäh-

kulinarischen Uckermark die Rede ist – meist zuerst Gerswalde ge-

rend seines Studiums auf Fischfarmen in Australien, Brasilien,

nannt wird. Die 1.600-Einwohner-Gemeinde ist ein beliebtes Aus-

Südafrika und der Schweiz forschte und nach dem Studium zwei

flugsziel mit vielen Sehenswürdigkeiten. Das ehemalige Schloss

Jahre lang eine Forellenzucht in der Normandie leitete, kam – via

derer von Arnim beherbergt heute ein Jugendheim mit handwerk-

Markthalle Neun – 2016 nach Gerswalde.

Michael Wickert, Süßwasserfisch-Spezialist und Autor: Im Frühjahr erscheint sein Fischräucherbuch (Ulmer Stuttgart).

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Hier etablierte er seine Fischräucherei und ein Fischbistro, und hier wäre er auch gern geblieben, doch der Klimawandel machte seine beruflichen Pläne zunichte. Wickert hatte sich vorgenommen, selbst eine Fischerei zu betreiben, aber die Tatsache, dass rund um Gerswalde in kurzer Zeit drei Fischereibetriebe schließen mussten, ließ ihn nachdenklich werden. „In der Region wird es immer wärmer und trockener”, berichtet er, „dadurch verlieren die Seen viel Wasser – der Wasserspiegel des Gelandsees rund 20 Kilometer südlich von Gerswalde beispielsweise, ist in den letzten drei Jahren um 70 Zentimeter gesunken. Das sind 70 Millionen Liter Wasser weniger.” Er spricht über die Folgen, über das Algenwachstum, das begünstigt wird und über die steigende Bildung von Geosmin, einer Substanz, die einen modrigen Geschmack verursacht. „Da kannst du räuchern soviel du willst, der bleibt.” Im Süden, etwa im wasserreichen Schwarzwald, hofft er nun auf bessere Bedingungen für sein Vorhaben.

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

„Immaginamo la gastronomia in nuovo modo” DER GASTRONOMISCHE VISIONÄR PIERLUIGI BIZZARRI VON JÖRG TEUSCHER

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

„Immaginamo la gastronomia in nuovo modo”, sagt Pierluigi Bizzarri selbstbewusst, „wir denken die Gastronomie neu.” Seit der 43-jährige Unternehmer aus der toskanischen Provinzhauptstadt Pistoia vor fünf Jahren sein erstes Restaurant eröffnete, gilt er als gastronomischer Visionär. Sein jüngstes Projekt ist ein kettentaugliches Fischrestaurant mit bisher drei Standorten. Ende September – die Restaurants in Italien waren mit Auflagen geöffnet – besuchten wir das Fishing Lab in Pietrasanta und erfuhren Erstaunliches.

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Città d’arte e culinaria, Stadt der Kunst und der Kulinarik, so wirbt Pietrasanta um Touristen. Und die kommen Jahr für Jahr in Scharen in das Städtchen in der nördlichen Toskana, bevölkern die schmalen Gassen und bestaunen den berühmten Campanile. Wer das Gewusel auf der Piazza Duomo und in den Straßencafés dort schon einmal erlebt hat, wird das Bild des fast menschenleeren Marktplatzes für ein Foto-Fake halten. Aber es ist im Spätsommer des Coronajahres 2020 Realität.

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Dass Ende September die Straßen und Plätze in Pietrasanta weit weniger bevölkert sind als in den Vor-Corona-Jahren, liegt zuerst daran, dass kaum noch ausländische Touristen die Stadt besuchen. Die Italiener sind unter sich. Die meisten halten die Hygienegebote ein und wirken dabei ziemlich entspannt. Uns verwundert, dass die Abstandsregel mit lediglich einem Meter viel geringer als in Deutschland ist. Dafür tragen hier mehr Menschen Maske, obwohl es keine generelle Maskenpflicht gibt. Die wird von der italienischen Regierung erst am 8. Oktober angeordnet – allerdings mit vielen Ausnahmen. Die bei einem Verstoß angedrohten Bußgelder betragen übrigens saftige 400 bis 1.000 Euro, das ist ein Vielfaches dessen, was in deutschen Städten angezeigt ist. Wir sind unterwegs zu einem erst wenige Wochen zuvor eröffneten Restaurant, das in der gastronomisch eher konservativen Toskana neue Wege gehen will. Dafür steht der Name seines Betreibers: Pierluigi Bizzarri, den sie in Italien il visionario nennen, den Visionär..

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Und täglich grüßt das Meerestier? Im Fishing Lab in Pietrasanta bestimmt. In diesem modern möblierten und zum Glück auch nicht fischereifolkloristisch überdekorierten Lokal kommt – bis auf ganz wenige Ausnahmen – ausschließlich Fisch auf die Teller. Zuerst allerdings gibtʼs Speisenkarte, Besteck und Serviette, desinfiziert und eingeschweißt in einen Plastikbeutel. Der wird am Tisch aufgeschnitten und der Gast entnimmt, was er braucht (Bild u. re.). Die Speisenkarte, die man sich auch auf das iPhone laden kann, funktioniert nach dem Baukastensystem. Motto: Der Gast stellt sich sein Menü selbst zusammen: Schalen- und Krustentiere gibt es einzeln zum Stückpreis, ebenso Sushi. Poke Fish ist eine Bowl mit Reis und Gemüse – welcher Fisch dazu serviert wird, entscheidet wiederum der Gast. Außerdem können die meisten Gerichte auch als halbe Portionen geordert werden. Ein Konzept, vor allem für junge Leute gedacht. „Più easy, più smart”, nennt es der Manager, ein Motto, das sicher keine Übersetzung braucht.

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Tommaso Cantini ist der Marketing-Chef der PB srl, so das Kürzel für die gastronomische Unternehmung von Pierluigi Bizzarri und dessen Sprecher. „Wenn unser Fishing-Lab-Konzept hier in Pietrasanta und in Florenz erfolgreich ist, wollen wir expandieren”, sagt der 37-Jährige und fügt hinzu: „Wir haben zum Beispiel Berlin im Blick.” Wie gesagt, das Gespräch fand Ende September statt. Jetzt, nach dem erneuten Lockdown in Italien, spricht Cantini nur noch von „Existenzsicherung”.

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Der Cacciucco, die traditionelle Fischsuppe der Toskana, ist ein beliebtes Weihnachtsessen in den Küstenorten der Region. Er muss aus fünf Fischsorten gekocht werden, für jedes „C” im Namen eine Sorte – also etwa Drachenkopf, Knurrhahn, Meeräsche, Petermännchen und Rotbarbe. Außerdem sind Heuschreckenkrebse und einige Miesmuscheln wichtig. „Weil die Beschaffung der Zutaten und die Zubereitung ziemlich aufwändig sind, gibt es bei uns Cacciucco to go”, so Tommaso Cantini aus dem Fishing Lab in Pietrasanta Anfang Dezember telefonisch.

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Der Marketingchef des Fishing Lab klingt nicht eben optimistisch, wie auch, angesichts der Verordnungen, die Italiens Premier Giuseppe Conte kürzlich für die Feiertage verkündete. So dürfen die Italiener vom 21. Dezember bis zum 7. Januar ihre jeweilige Wohnregion nur in Notfällen verlassen, und am 25. und 26. Dezember sowie am Neujahrstag gilt das Verbot sogar für die Gemeindegrenzen. Zudem appellierte Conte an alle Italiener, am besten auch auf den „cenone” zu verzichten, das traditionelle weihnachtliche Festessen mit der ganzen Familie. „Es wird eine völlig andere Weihnacht, als wir es gewohnt sind”, kommentiert Tommaso Cantini die Einschränkungen. Andere formulieren weniger moderat. So ist in Italien immer öfter vom „natale blindato” die Rede, vom „gepanzerten (also überwachten) Weihnachten”. Auf die Zukunft des Fishing Lab und anderer Projekte seines Unternehmens angesprochen, reagiert Cantini so, wie die meisten Menschen derzeit: „Vediamo come sará.” Man wird sehen.

FISHING LAB Piazza della Repubblica 2 I - 55045 Pietrasanta Tel. +39 0584 – 15 40 007 www.fishinglab.it

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Wenn in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die weißen 7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche Hotels, Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser und Kitas ansteuern, heißt es bei den Küchenchefs dort meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt. Mit Dieter und Marcus Fuhrmann lenkte jahrelang eine Vater-SohnDoppelspitze die Geschicke des renommierten Fruchtgroßhandels mit Sitz auf dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters im Mai 2020 trägt nun Marcus Fuhrmann die alleinige Verantwortung für das 1977 gegründete Unternehmen. Der 55-Jährige trat nach seinem BWL-Studium in Bochum und einem Intermezzo als Tennistrainer 1996 in die Firma seines Vaters ein, absolvierte eine Großhandelsausbildung und lernte die Besonderheiten des Geschäfts mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kräutern von der Pike auf. Sein unternehmerisches Credo fasst er heute so zusammen: Zuverlässigkeit, unbedingte Serviceorientierung und ein ausgeprägtes Bewusstseins für Qualität. Dem fühlen sich auch die 28 „Fuhrmänner” verpflichtet, die ihre Kunden täglich mit rund 500 Produkten beliefern – von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras. Für unser Magazin stellt Marcus Fuhrmann seine „Früchtchen” vor. Marcus Fuhrmann.

Heute: Spitzkohl

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB KOHLDAMPF AUF KOHLKOPF VON MARCUS FUHRMANN

Es gibt glamouröseres Gemüse als den Spitzkohl – kein Wunder, dass die Kopfkohlart hierzulande jahrzehntelang als altbackenes Kraut verschrieen war und im Ranking der beliebtesten Gemüsesorten über einen Platz in der letzten Reihe nicht hinauskam. Das änderte sich, als Coleslaw, die amerikanische Variante des Krautsalats und das koreanische Kimchi die deutschen Küchen eroberten. Kohl liegt inzwischen im Trend, Spitzkohl insbesondere. Vor allem jüngere Köche entdecken den kulinarischen Allrounder, der mit seiner zarten Struktur, einem feinen, ganz und gar nicht kohligen Geschmack sowie reichlich gesunden Inhaltsstoffen punktet. So enthalten die kegelförmigen, blassgrünen Köpfe neben reichlich Mineralstoffen jede Menge der Vitamine C, B1 und B2, viel Betacarotin und Eisen.

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

Der weiße Spitzkohl ist eine besondere Variante des gleichfarbigen runden Kopfkohls, allerdings mit feineren Blattrispen, zarteren Blättern und – wie gesagt – einem milderen Geschmack. Ob er durch Mutation entstand oder durch Züchtung, blieb bisher im Dunkeln. Tatsache ist dagegen, dass bereits die antiken Hochkulturen den Kopfkohl kannten und um seine Heilkraft wussten. Der griechische Philosoph Aristoteles beispielsweise aß das Gemüse, um die Auswirkungen übermäßigen Alkoholgenusses zu mildern. Und der römische Staatsmann Cato hielt es sogar für ein probates Mittel gegen die Pest, empfahl aber auch die Wundheilung durch Auflegen von Kohlblättern – eine Methode, die sich bis ins 19. Jahrhundert hielt. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Abbildung eines Spitzkohls, die ich während meiner Kohlrecherche entdeckte – veröffentlicht 1876 in einem Katalog der Erfurter Saatgutfirma Ernst Benary und dort mit dem Begriff „Spitzes Filderkraut” bezeichnet. Diese Benennung des Spitzkohls geht auf ein traditionelles Anbaugebiet in der Nähe von Stuttgart zurück – die Fildern. Dort, auf einer fruchtbaren Hochebene, wird seit über 500 Jahren Kohl angebaut, sogar ein Denkmal rühmt die regionale Spezialität. Den Wert der spitzen Variante des Filderkrauts beschrieb übrigens erstmals 1772 der Bernhäuser Pfarrer Bischoff: „Was das weiße Spitzkraut besonders geschätzt macht, ist seine feine Zartheit in den Blättern und überhaupt ein besserer Wohlgeschmack, worin es sich von dem in anderen Gegenden Gepflanzten auszeichnet.” Dennoch wurde mit der Industrialisierung der Gemüseverarbeitung im 19. Jahrhundert auf den Fildern (und nicht nur dort) immer weniger Spitzkohl angebaut, weil die Konservenindustrie runde Köpfe verlangte, die sich maschinell besser verarbeiten ließen. Die Folge: Die Anbaufläche von Spitzkohl sank auf den Fildern auf bescheidene 40 Hektar. Um es vor dem endgültigen Aussterben zu bewahren, holte Slow Food das Filder-Spitzkraut 2005 in seine Arche des Geschmacks.

Die Krautmarie von Filderstadt:

Ein Hoch aufs „Haible” (schwäbisch für Kohlkopf).

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Es wurde gerettet, und auch in anderen Regionen – SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind neben Baden-Württemberg die größten deutschen Kohlanbauer – wächst inzwischen wieder mehr Spitzkohl. Gemessen an dem, was unsere Nachbarn kultivieren, sind die 1.200 Hektar, auf denen in Deutschland das Gemüse angebaut wird, allerdings Peanuts (die Weißkohl-Anbaufläche insgesamt beträgt hierzulande übrigens rund 5.600 Hektar). Und so handeln wir neben heimischer Ware auch Spitzkohl aus den Niederlanden und Frankreich. Tendenz steigend. Das hat – ich habe anfangs schon darauf hingewiesen – damit zu tun, dass sowohl das Kohlgemüse im Allgemeinen als auch der Spitzkohl im Besonderen ihr muffiges Image zunehmend ablegen. Jüngere Köche kennen die Abneigung ihrer kulinarischen Väter gegenüber jeglicher Art Kohl nicht. Sie interpretieren das Gemüse neu, und ihre Gäste sind überrascht, wie vielseitig und modern eben auch der Spitzkohl sein kann.

Ich erinnere mich zum Beispiel gut an einen Klassiker meines Freundes Thomas Kammeier, der vor Jahren im Restaurant Hugos eine Brandenburger Landente mit Holunderbeeren und Spitzkohl servierte. Neueren Datums ist ein Gericht, das ich im Café im Literaturhaus in der Fasanenstraße probiert habe: gepökeltes Eisbeinragout, Jakobsmuschel, Petersilienwurzel, Spitzkohl und Mango-Chutney, (Bild oben re.), ein Mix, der für mich absolut stimmig war. Ja, was bleibt noch? Natürlich Kimchi. Als Fan der asiatischen Esskultur liebe ich die scharfe koreanische Kohlzubereitung (Bild unten li.) ganz besonders, auch wenn sie für europäische Geschmacksnerven vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist. Und auch dem Barbecue-must-have, dem Coleslaw, kann ich durchaus etwas abgewinnen – am besten mit einer leichten Mayonnaise und geriebenen Karotten zubereitet (Bild Mitte). www.dieter-fuhrmann.de

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www.dieter-fuhrmann.de


RUBRIKEN Berliner Marktnischen

tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürger­ meister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte in Berlin – nicht nur vor Rathäu-

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

sern – die sich wachsender Beliebtheit er-

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-

freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-

rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

gründungsdokument vom 7. März 1232 wird

ge­­schaffene Gendarmenmarkt die wich-

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER

Seit sieben Jahren ist Nicolas Janiaud eine feste Größe auf dem Karl-August-Platz. Man kennt sich, man grüßt sich. Bonjour, Bubar! Bubar? Der 39-Jährige winkt ab. „Eine lange Geschichte.” Wir haben Zeit. „Weil ich mich als junger Mann nur ungern rasiert habe, nannte mich mein Onkel ‚Barbu‘, der Bärtige. Und weshalb wurde daraus Bubar? „Nach dem Jurastudium wurde „C’est ce qu’on fait de mieux”, nuschelt ein Mann mit vollem Mund. Das ist

ich Rechtsanwalt und musste mich natür-

zwar nicht die feine französische Art, aber wo er Recht hat, da hat er Recht.

lich rasieren, da hat er einfach die Silben

Es gibt in Berlin nichts Besseres. Die Galette Complète von Nicolas Janiaud

vertauscht.”

punktet mit den nussigen Aromen des Buchweizens und dem Duft des sanft

Sie sind Anwalt? „Schon, aber das ist unwich-

schmelzenden Gruyère, der mit dem Bio-Ei eine perfekte Verbindung eingeht.

tig, ich bin völlig unwichtig. Wichtig sind hier nur die Crêpes und Galettes, compris?”

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Berliner Marktnischen RUBRIKEN

Maître Nicolas Janiaud und Mitarbeiterin Audrey Baicry.

Seine Crêperie ist ein schmuckloser Sprinter mit Seitenklappe, keine

Und natürlich davon, dass der Crêpier sein Handwerk versteht.” Er,

blau-weiß-roten Papierfähnchen, keine Bildchen von Saint-Malo, kein

Janiaud, versteht es, weil er es bei einem Meister gelernt hat. „Ein

Asterix, kein Obelix, nichts. „Das ist ein Imbisswagen und kein Folklo-

Jahr lang bei Johann Joncour in Plomelin!”

reladen”, sagt Janiaud, während er sein mise en place beendet.

2013 kam er nach Berlin, klapperte alle Wochenmärkte ab und

Punkt sieben kommt der erste Kunde: „Mein Frühstück bitte.”

entschied sich schließlich für den Karl-August-Platz. „Wegen der

Natürlich weiß der Crêpier, was der Mann wünscht. Beurre Sucre,

Kunden und wegen der Kollegen.” Er unterbricht das Gespräch und

kurz Beursuc, das Original, ein Crêpe, nur mit Butter und Zucker.

wendet sich seiner Crêpe-Platte und dem dünnflüssigen Teig zu, den

Schon zehn Minuten später geht es Schlag auf Schlag – Crêpe, Crêpe, Crêpe, mit geraspelter Schokolade, hausgemachtem Kara-

er mit Hilfe eines Teigrechens aufträgt. Nun ist er doch wieder ein bisschen Anwalt, einer für den guten Geschmack.

mell, manchmal auch mit Maronencreme. Die Galette-Jünger sind am frühen Morgen noch in der Unterzahl, erst gegen acht ist Herzhaftes gefragt und dann meist „complete”, also mit Schinken, Ei und Käse, das volle Programm. „Die Güte des Galettes hängt von den Grundprodukten ab”, doziert Nicolas Janiaud, „vor allem vom Mahlgrad des Buchweizenmehls, aus welchen Sorten es geschmischt wurde und dass es frisch ist.

Crêpes und Galettes auf dem Wochenmarkt am Karl-August-Platz 10627 Berlin-Charlottenburg wenn nicht coronabedingt anders angeordnet: Mittwoch, 8.00-13.00 / Samstag, 8.00-14.00 Uhr

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist für uns immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde”, sagen die Antiquare.

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen

„Trotz Internet und Fernsehküche – Koch­

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-

bücher werden immer ein Kulturgut blei-

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-

ben”, davon sind Johannes Mohr und Swen

treiben seitdem in einem restaurierten

chern aus vergangenen Zeiten und notie-

Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

ren, was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

DIE KÜCHE Zeitschrift für Kochkunst und Tafelwesen, Küchentechnik und -organisation Halbmonatsschrift des Internationalen Verbandes der Köche Sitz Frankfurt am Main 31. Jahrgang (gebunden) Frankfurt am Main 1927 Preis (antiquarisch): 160,00 Euro

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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN

Die Küche ist eine Fundgrube. Wir meinen

sen”, Arthur Remmler erklärte die Kunst

macht uns auch nicht schlauer – einig sind

natürlich nicht den Ort der Speisenzuberei-

des Tranchierens und würdigte den Beruf

sich alle lediglich darin, dass er in Berlin

tung, sondern DIE KÜCHE.

des Trancheuers...

seine Deutschland-Premiere hatte.

Dabei handelt es sich um die Zeitschrift

Besonders interessierte uns ein Artikel,

Wann exakt und wo genau, da streiten

für Kochkunst und Tafelwesen, Küchen-

der mit „Türkische Spiessbraterei” über-

sich die Geister. „Den ersten Döner-Spieß

technik und -organisation, die vom Inter-

schrieben ist und die Abbildung eines Dö-

in Berlin gab es Ende der sechziger Jahre

nationalen Verband der Köche in Frankfurt

nerspießes zeigt, wie er 1927 in türkischen

als Tellergericht im vornehmen Restaurant

am Main einst herausgegeben wurde. Das

Restaurants in Deutschland in Betrieb war.

Istanbul in der Knesebeckstraße”, wird bei-

24-Seiten-Blatt erschien von 1899 bis 1934

spielsweise Ahmet Yeter zitiert, Besitzer

(außer zwischen 1914 und 1918) zweimal im

einer Dönerbude in der Görlitzer Straße.

Monat, also 24 Zeitschriften jährlich.

In Betracht kommen aber auch Ibrahim

Die konnte man sammeln und zum Preis

Keyif, der 1969 in der Potsdamer Straße

von 2,30 Reichsmark – eine Ausgabe kos-

einen Döner-Imbiss eröffnete und Kör-

tete übrigens 0,50 Reichsmark – ebenfalls

Bilâl, der mit seiner Familie 1971 in der

beim Frankfurter Köcheverband „in rotem,

Adalbert-/Ecke Oranienstraße ins Kebap-

lichtechtem Leinen” binden lassen.

Geschäft einstieg.

In der Regel findet man DIE KÜCHE

Wenn da nicht DIE KÜCHE wäre, würden

heute meist in diesen gebundenen Jahr-

wir sagen: wann exakt und wo genau – frag

gangsausgaben, wobei es – aus welchen

doch den Döner. Aber weil es die Fundgru-

Gründen auch immer – seltene und weni-

be gibt, können wir nun wenigstens eine

ger seltene Jahrgänge gibt. In den Rega-

dieser beiden weltbewegenden Fragen be-

len unseres Kochbuchantiquariats stehen

antworten. Wann der Döner nach Deutsch-

übrigens sechzehn Jahrgänge und, wie ge-

land kam? 1927! Wo genau seine Wiege

sagt, sie sind für historisch wie kulinarisch

stand, das bleibt uns allerdings auch unse-

Interessierte tatsächlich eine Fundgrube.

re Fundgrube schuldig.

Für diese Kolumne haben wir den Jahr-

Übrigens: Sicher hätte sich vor über 90 Jah-

gangsband 1927 herausgesucht. Da gibt es

ren kein Prophet der Welt vorstellen können,

zum Beispiel einen Bericht über das Silves-

welchen Siegeszug der Dönerkebap an-

ter-Menü im Hotel Adlon. Küchenmeister

treten würde. Inzwischen gab es manches

Alfred Borcke und seine Mannschaft koch-

Update in der Gentrifizierung des Döners.

ten damals für 819 Gäste – Preis pro Menü

Das jüngste: die Dönerbowl, erfunden im

40 Reichsmark: „Feinster Malossol Astra-

Charlottenburger Restaurant Ø27. Aber das

chan Caviar; Klare echte Schildkrötensup-

ist schon eine andere Geschichte…

pe; Helgoländer Hummer kalt mit Sauce

1927! Bisher wären wir jede Wette einge-

Ravigote; Hamburger Stubenküken, gefüllt

gangen, dass der Dönerkebap frühestens

mit Gänseleber und frischen Périgordtrüf-

in den 1960ern mit den ersten türkischen

feln; Salat Hedda; Adlon-Eisüberraschung;

Gastarbeitern nach Deutschland kam.

Feingebäck; Käse; Pfannkuchen.”

Das Büchlein „Aufgespießt – Wie der

Der Autor Franz Carl Mack schrieb einen

Döner über die Deutschen kam”, erschie-

vielteiligen „Baedeker unserer Süss-Spei-

nen 1996 im Hamburger Rotbuch Verlag,

BIBLIOTHECA CULINARIA Zehdenicker Straße 16 10119 Berlin-Mitte Tel. 030 – 47 37 75 70 www.bibliotheca- culinaria.de

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VERLAG UND REDAKTION Bild Art Media Verlag Inh. Yvonne Weinlich Marzahner Promenade 26 12679 Berlin Fon 0 30 - 28 86 79 70 Fax 0 30 - 28 86 79 69 info@bildart-verlag.de www.garcon24.de | facebook.de/garcon24 HERAUSGEBER Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) REDAKTION Petra Leonhardt (Leitung) Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer, Wolf-Dietrich Strobel Jens Englert, Stefanie Hartmann (Praktikanten) AUTOREN UND KOLUMNISTEN Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans ­Diener, Stephan Falke, ­Marcus ­Fuhrmann, Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono, Dagmar Maas, Johannes Mohr, Rafael Neitzsch, Jörg Teuscher, Thorsten Tonski, Christian Zeltner GRAFIK UND LAYOUT Diana Putzu (diana.putzu@freenet.de) TITELBILD Marie Geißler www.mariegeissler.de

Jährlich kaufen die Deutschen 95.000

Wir wollen wissen, um welche Persön-

Tonnen frische Ananas – das sind rund

lichkeit es sich handelt:

74 Millionen Stück. Hinzu kommen schätzungsweise 58.000 Tonnen Ananas in Dosen und eine nicht unerhebliche Menge Ananassaft – die exotische Frucht ist ein

A den Schauspieler Ludwig Devrient? B den Baumeister Carl von Gontard?

FOTOS UND ILLUSTRATIONEN Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garçon, Archiv EUREF Campus, The Cord (1/S.8 o. Mitte), Jonathan Mortimer (1/S.8 u. Mitte), Gute Kulturen GmbH Hitzacker (1/S.9 Mitte li.), Tiny Farms UG Berlin (1/S.9 Mitte), Restaurant FREA (1/S.9 u. li.), Sake Embassy Germany/Bernhard Steinmann (4/S.30, S.31 o.), Prestel Verlag/Jonas von der Hude (2/S.39), Ferme de Kergus (2/S.47), RUTZ/ Pia Negri (1/S.52 o.), Bloomsbury Publishing/Elisa Cunningham (Illustrationen S.54, 58-61), Ricarda Farnbacher privat (4/S.64), PB srl (1/S.95).

Massenprodukt geworden. Das war natürlich nicht immer so. Als

C den Verleger Friedrich Nicolai?

die ersten Ananas vor 270 Jahren in Berlin auftauchten, waren sie noch eine dekorative Attraktion auf den feinen Tafeln des Adels und der reichen Bürger. Im Jahr 1810 wurden Ananaspflanzen in Töpfen als Weihnachtsgeschenk angeboten, die ersten Ananasrezepte finden sich in Marie Schreibers „Kochbuch für den Bürgerlichen Haushalt” von 1839, und von einem berühmten Berliner ist überliefert, dass er sich unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit erfolgreich mit der Ananaszucht beschäftigte.

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Ihre Antwort bitte an: Bildart Media Verlag Redaktion GARÇON Marzahner Promenade 26 12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 10. Februar 2021. Die Gewinne werden per Post zugesandt.

ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Heiko Gralki, Henriette Jüngelanzeigen@bildart-verlag.de DRUCK www.pingoprint.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abon­ nement. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Ver­lages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Ver­vielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.



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... mit der Pfister Öko-Sonne!

Verbunden mit einer fast 700-jährigen Geschichte schlägt die heutige Hofpfisterei eine Brücke zwischen Tradition und Zukunft. Sie beruft sich mit ihren Bauernbroten auf alte bayerische Tradition. Mit ihrer rein ökologischen Herstellungsweise zeigt sie gleichzeitig ihr zukunftsorientiertes Engagement für einen sorgsamen Umgang mit der Natur und deren Ressourcen. Erfahrung und Tradition haben gezeigt, dass Qualität und Geschmack um so besser sind, je natürlicher die Herstellungsweise ist. Das bedeutet, was heute selten ist, sich Zeit zu nehmen – für den natürlichen Verlauf des Sauerteigs und für den langsamen, aufwändigen Backvorgang.

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