Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 52

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MISE EN PLACE

EHRLICH · EDEL · EXKLUSIV Prämierte Spitzenspirituosen für höchste Ansprüche

Montag, Dienstag und Mittwoch 10 bis 16 Uhr Donnerstag und Freitag 10 bis 18 Uhr Samstag 10 bis 14 Uhr

Liebe Freunde, als ich im Verlag meine Kolumne für dieses Heft vorstellte, reagierten die meisten Mitarbeiter verwundert: „Wieso schon wieder Sebastian Frank? Hast du nicht gerade erst über das Horváth geschrieben?“ Ja, habe

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ich, siehe Garçon Nummer 48. Aber da ist dieses Buch, das seit ein paar Wochen auf meinem Schreibtisch liegt und an dem mich so vieles fasziniert…

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Sternekoch und Autor Sebastian Frank.

Es ist ein schwergewichtiger Band, der nach verkohltem Sellerie riecht und nach Blunzenkrapferl schmeckt und durch den ein Mann streift, der sich nicht schnöselig dicke macht wie in seiner eitlen Branche oft üblich, sondern erdnah geblieben ist, sympathisch und empathisch. Eben jener Sebastian Frank, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneter Küchenchef und Inhaber des gemütlichen Horváth-Gasthauses am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg. Was mich am meisten an Franks Kochbuch-Erstling fasziniert, sind übrigens nicht seine Rezepte, mit denen er Schwarzwurzel und Schweineblut in den Rang von Edelviktualien erhebt, nicht seine Anmerkungen, warum er so tickt wie er tickt und auch nicht die kongenialen Menschen- und Tellerfotos von René Riis. Nein, das Beeindruckendste für mich sind die Sätze, die Sebastian Frank an den Anfang des Buches stellt und mit denen er es seiner Frau Jeannine Kessler widmet: „Sie stellt sich und ihre Karriere hintan, um mir die Möglichkeit zu geben, mich in meiner Leidenschaft, dem Kochen, zu verwirklichen. Gleichzeitig ist sie die Organisatorin unseres Unternehmens … erzieht unsere Kinder … und managt die ganze Familie. Diese Leistung wird viel zu selten gewürdigt.“ Gut, dass das mal einer sagt. Danke, Sebastian Frank. (kuk, Matthaes Verlag Stuttgart, 2019, ISBN: 978-3-87515-432-0)

Ihre Yvonne Weinlich info@bildart-verlag.de

Am Park 5 · 19230 Schwechow/Pritzier Telefon 03 88 56/3 78-20 · Fax 03 88 56/3 78-21 info@schwechower.de


INHALT MISE EN PLACE TITEL Fromme Sprüche - Wilde Küche Aufbruch in Neuzelle

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06

Friedrichshagener Hofküche: Gute Schule für Hobbyköche.

Fromme Sprüche – Wilde Küche: Aufbruch in Neuzelle.

Indian Summer

LOKALTERMIN BUYA

Müncheberger Suppenschmiede

29

Anaїs Causse empfiehlt

32

Kostproben

40

Bestes aus Jersey-Milch

Friedrichshagener Hofküche

Herbert Beltle

53

Tsuki Hasegawa & Sven Schumacher

Anna Stiegemann

GESCHMACKSSACHEN

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GARÇON

76

Japanische Schokolade made in Berlin

Gazzo Pizza

Plädoyer für die Kulturheidelbeere

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Servus, Aigner!

Kebap with Attitude

Kremmener Kultfrucht

70

KOPFSALAT 46

Gute Schule für Hobbyköche

Neue Restaurants

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Mira Arinto de Bucelas 2016

Eine Lanze für Klops, Kohl und Co.

Käserei Blankenfelde

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10 Jahre Wünsch Dir Mahl

Pop-up-Restaurant in Kreuzberg

POTS

58

Eiskreation für Erwachsene

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Die Müsli-Mama

55

32

POTS: Eine Lanze für Klops, Kohl und Co.

Wie geht's eigentlich…? Thomas Neeser

84


GTS Großküchentechnik & Service GmbH Planung Montage Kundendienst Notdienst

Ihr zuverlässiger Partner für:

58

Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer, Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m. Indian Summer: Eiskreation für Erwachsene.

Gewerbe-Geschirrspülmaschinen Tiefkühl- und Kühlanlagen Arbeits- und Spültische

KULINARISCHE EXKURSION Schweiz | Graubünden

86

Swiss Lachs aus dem Misox

Schweiz | Graubünden

92

Casa Caminada in Fürstenau

Italien | Toskana

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Cacciucco alla Livornese

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Müncheberger Suppenschmiede: 10 Jahre Wünsch Dir Mahl.

RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

100

Jackfruit

Berliner Marktnischen

104

Algarve-Spezialitäten

Kulinarische Nachlese

106

In alten Kochbüchern geblättert

BOUQUET GARNI

GTS Großküchentechnik & Service GmbH

Nachrichten und Neuigkeiten

108

Personalien

110

Garcon-Guide

111

Garcon-Quiz | Impressum

114

Schwedter Str. 45-46 10435 Berlin

100

Fuhrmanns Früchtekorb: Jackfruit.

Tel.: 030 - 440 540 48

www.gts-grosskuechentechnik.de


Dichter, Denker, dicke Bäuche. Brandenburger Kulturvielfalt erleben!

Das Jahresthema Jedes Jahr stellt pro agro die Angebote, die Produkte und die dahinter stehenden Menschen des ländlichen Raumes in einen wechselnden Fokus. 2019 heißt es »Dichter, Denker, dicke Bäuche. Brandenburger Kulturvielfalt erleben!«

Die Leitidee Im Mittelpunkt steht die Kulturvielfalt in unserer Region: Essen und Trinken, Genuss und Land(er)leben im Spiegel der Denker, Literaten, Musiker und weiterer Künstler einschließlich der gastronomischen Kunsthandwerker. Entdecken Sie Brandenburg kulturell, erleben Sie die Vielfalt – im Geschriebenen, beim Erforschen, beim Genuss!

Unsere Botschafter René Klinkmüller – Konditormeister & Patissier in der Konditorei Klinkmüller

Kena Hüsers – Freie Redakteurin, Journalistin & Autorin

Jens Beiler – Koch, Brauer & Vordenker im Wohnstubenrestaurant Zickengang

gefördert durch

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EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums

GARÇON

Für Brandenburgentdecker: www.proagro.de • www.brandenburger-landpartie.de


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Anne Hensel, Mi. und Manuel Bunke im Gespräch mit der Brandenburger Marmeladenkönigin Cathrin Kluge…

Es war im Februar während einer dieser spontanen Gesprächsrunden, die entstehen, wenn ein paar Journalisten gleicher Couleur sich zufällig treffen. Wie wir auf das Thema Brandenburger Gastronomie kamen, weiß ich nicht mehr – vielleicht, weil es ein Thema des kleinsten gemeinsamen Nenners ist. Jeder kann ein bisschen Senf dazugeben, jeder kennt ein anderes Beispiel altbackener Landhausküche, mit der so wenig Staat zu machen ist. Und jeder hat natürlich die Namen der Fixsterne auf der Pfanne, die da zwischen Potsdam, Burg und Finsterwalde leuchten und als einsame kulinarische Gipfel die vielen Maulwurfshügel überragen. Eine junge Frau, die bisher geschwiegen hatte, mischte sich ein: „Waren Sie schon mal in Neuzelle?“ Weil es wie eine Einladung klang, nahmen wir an. Anne Hensel und ihr Partner Manuel Bunke führen in Neuzelle das Klosterhotel und die Wilde Klosterküche. Erster Treffpunkt: eine Messe regionaler Lebensmittelproduzenten von denen später noch die Rede sein wird. Also dann: Neuzelle.

…und bei der Verkostung von Drehnower Hofkäse.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Frankfurt/Oder

Słubice

Eisenhüttenstadt

Neuzelle

Berlin Berlin 130 km 130 km Guben Guben

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Gubin Gubin


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Fromme Sprüche

Pater Konrad, Pater Prior Simeon, Pater Isaak Maria, v. li.

Wilde Küche AUFBRUCH IN NEUZELLE VON JÖRG TEUSCHER

Küchenchef Manuel Bunke.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Neuzelle: Seit 2003 „Staatlich anerkannter Erholungsort“.

Neuzelle liegt im Brandenburger Landkreis Oder-Spree inmitten einer Patchwork-Landschaft: Kiefernwälder, Getreidefelder, im Westen der Naturpark Schlaubetal, im Osten der Oder-Neiße-Zusammenfluss. Das Kürzel des Landkreises Oder-Spree, LOS, übersetzten Anfang der 1990er die Einheimischen mit „Land ohne Sonne“ und meinten damit nicht die Zahl der jährlichen Regentage, sondern freudLOS, hoffnungsLOS, zukunftsLOS. Blühende Landschaften, möglicherweise, aber nicht hier. Wer jung war und die Möglichkeit hatte, zog weg… Heute lebt Neuzelle vor allem vom Tourismus – Hotellerie, Gastronomie, Handel tragen dem Rechnung. „130.000 Gäste hatten wir im vorigen Jahr“, so Gabriele Werner von der örtlichen Besucherinformation, „und wenn Sie wissen wollen, woher sie kamen, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass praktisch die ganze Welt bei uns zu Gast war.“

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Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Zisterzienserkloster Neuzelle: Stitftskirche St. Marien im Stil des böhmischen Barocks.

Das Ziel der internationalen Globetrotter-Gemeinde ist das Zisterzienserkloster Neuzelle, Brandenburgs Barockwunder. Seine Gründung 1268 verdankt das Kloster einer Stiftung des Markgrafen Heinrich von Meißen, Mönche aus Böhmen veranlassten im 17. und 18. Jahrhundert die barocke Umgestaltung der Anlage. 1817 wurde es mit Kabinettsorder des preußischen Königs aufgelöst. Anfang September 2018 hieß es dann in Neuzelle: Patres ante portas. Sechs Zisterziensermönche aus dem Stift Heiligenkreuz in Niederösterreich hatten sich auf den Weg gemacht, um das Priorat Neuzelle zu gründen. „Die Wiederansiedlung bereichert Neuzelle als Ort der Kultur und Bildung um eine religiöse und spirituelle Komponente und wird weitere Besucherinnen und Besucher anziehen“, so Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch über die Entscheidung der Zisterzienser.

Museum „Himmlisches Theater“ mit den Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab aus dem Jahr 1750.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Corinna und Jörg Hensel.

Das konnten Corinna und Jörg Hensel natürlich nicht im Blick ha-

Der erste Großauftrag kam aus dem Spreewald. „Da ging es nicht

ben, als sie 2010 das Haus in der Neuzeller Bahnhofstraße 18 kauf-

um eine Heimsauna oder ein Planschbecken, sondern um eine

ten und es binnen zweier Jahre zu einem Hotel umbauten. „Sicher

komplette Badelandschaft.“ Auftraggeber war das Resort und Spa-

war ein gewisses Risiko dabei“, sagt Jörg Hensel heute, „aber dass

Hotel Zur Bleiche in Burg. „Der Bleiche-Inhaber Heinrich Michael

Neuzelle sich touristisch entwickeln würde, das war vor neun Jah-

Clausing war übrigens nicht nur ein kritischer Bauherr, sondern

ren schon keine Frage mehr.“

auch ein freundschaftlicher Lehrmeister“, sagt Hensel, „er hat mir

Der 57-jährige Unternehmer und seine Frau stammen aus Guben

beigebracht, als Unternehmer zu denken.“

und hatten bis zur Wende typische DDR-Biografien. Jörg Hensel,

Es folgten weitere Projekte in Deutschland und Österreich,

Lehre als Elektromonteur im Tagebau Jänschwalde Ost, Maschi-

eins davon im Tiroler Wintersportort Kuhtai in über 2.000 Meter

nenbaustudium an der Leipziger TH.

Höhe. „Es ging aber nicht immer nur bergauf…“, hören wir noch,

Corinna Hensel, Berufsausbildung mit Abitur zur Instandhal-

während Hensels Handy zum wiederholten Mal klingelt: „Das Hotel

tungsmechanikerin, Ingenieurpädagogik-Studium in Karl-Marx-

Bei Schumann in Kirschau, wir bauen dort den ersten Flying Pool

Stadt, Arbeit im Chemiefaserwerk Guben.

Deutschlands.“ Noch ein Wort zum Klosterhotel, Herr Hensel?

Nach dem Ende der DDR wurde Corinna Hensel arbeitslos. Ihr

Jörg Hensel, schon im neuen Modus, weist auf seine Tochter Anne

Mann brachte zwar sein Studium zu Ende, konnte sich aber dann

und deren Partner Manuel Bunke. Ein knapper Gruß, dann quiet-

für sein Einser-Diplom nichts kaufen. Er zog nach Berlin und jobbte

schen Reifen. „Plauderstündchen kommen in seinem Zeitplan ei-

als Verkäufer für Saunageräte, sie ging kellnern.

gentlich nicht vor“, grinst Anne Hensel.

„Wir merkten schnell, dass die Wessis auch nur mit Wasser kochten“, erinnert sich Jörg Hensel, „und dass wir nicht blöder waren, nur nicht immer tough genug.“ Deshalb machten sich beide 1991 in Guben selbstständig – Corinna Hensel mit einem Sonnenstudio, Jörg Hensel mit einer Spezialbaufirma – Elements of Spa. Sanum per aqua: Bäder, Pools, Wellnessanlagen. „Damals eine Nische, allemal im Osten.“

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KLOSTERHOTEL NEUZELLE Bahnhofstraße 18 15898 Neuzelle Tel. 033652 – 82 39 91 www.hotel-neuzelle.de


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Klosterhotel Neuzelle mit dem Restaurant Wilde Klosterküche.

Anne Hensel und Manuel Bunke.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

„Reden wir also über das Klosterhotel.“ Anne Hensel erzählt die Geschichte zu Ende. „Nachdem meine Eltern das Haus gekauft und es zum Hotel umgebaut hatten, verpachteten sie es. Fünf Jahre lief der Laden dann mehr schlecht als recht, so dass wir Ende 2017 im Familienrat entschieden: Wir nehmen die Dinge selbst in die Hand.“ Die 31-Jährige – nach Studien in Deutschland, England und Spanien und Abschlüssen als Bachelor of Arts und Master of Business Administration – hatte sich kurz zuvor mit einer Projektmanagement- und Designagentur in Berlin selbstständig gemacht. Sie übernahm die Neugestaltung des Hauses. Und fand bei der Suche nach einem geeigneten Chef für die Klosterküche nicht nur einen Freund aus Kindertagen, sondern auch die Liebe fürs Leben… Das Klosterhotel im weitesten Sinn in eine Kategorie zu stecken, führt zwar nahe an das Bild des gemütlichen Do-

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Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Hoteleigene Hochzeits„kutsche“: Austin Healey 3000, Baujahr 1967.

mizils auf dem Lande, aber klar zu umgrenzen ist dieses Bild ja auch nicht wirklich. Auf jeden Fall ist das Haus geschmackssicher eingerichtet (3 Einzelzimmer, 10 Doppelzimmer, 3 Suiten) und fair im Preis. Jetzt heißt es also nur noch: Ankommen, auspacken, wohlfühlen. Das gilt für Fahrradwanderer ebenso wie für vielreisende Geschäftsleute und – möglicherweise noch etwas mehr – für Menschen, die einen besonderen Ort zum Feiern suchen. „Derzeit sind es um die zehn Hochzeiten im Jahr, die wir ausrichten“, so Anne Hensel, „Tendenz steigend, was wohl daran liegt, dass die Klosterkirche ein ganz besonderer Ort für eine Trauung ist.“ „Auch die Hotel-Liebe geht erst einmal durch den Magen“, das ist ein Satz aus dem Schatzkästchen des legendären Münchner Küchenkünstlers Alfred Walterspiel, der uns nun unweigerlich zur Wilden Klosterküche führt.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Küchenchef Manuel Bunke.

Uns hat es einigermaßen erstaunt, wie wenige der zahlreichen

die Fidschi-Inseln. Viel Exotik und gutes Geld als Executive Chef

Brandenburger Reise-, Wander-, Einkehr- und Genussführer die Wil-

einer luxuriösen Hotelcompany. „Eigentlich ein Traumjob“, erzählt

de Klosterküche in Neuzelle zumindest für erwähnenswert halten.

er, „wären da nicht die sozialen Probleme gewesen – ungeschul-

Manuel Bunke kommentiert die Tatsche gelassen, kann sich aber

tes Personal, das unter miserablen Bedingungen schuften musste,

einen Hauch Ironie nicht verkneifen: „Ich vermute mal, das wäre

dementsprechend viele Wechsel und Qualitätsmängel.“

anders, würden wir in Potsdam kochen, aber wir sind nun mal in Randbrandenburg, und das ist wahrscheinlich zu weit draußen.“

Nach anderthalb Jahren quittierte er den Dienst, kehrte zurück nach Berlin und lernte kurz darauf Anne Hensel kennen. „Eigentlich

Bunke, 33, stammt aus Guben und absolvierte seine Kochlehre

kannten wir uns schon aus Buddelkastenzeiten, sie wohnte damals

in einem Garmisch-Partenkirchener Sporthotel. Dann zog es den

in Guben im Nachbarhaus“. Die junge Frau suchte einen Küchen-

jungen Brandenburger nach Österreich. Im Hauben-Restaurant

chef für das Klosterhotel, Bunke sagte zu, und das Projekt „Wilde

Hohe Munde des Interalpen-Hotels Tyrol in Telfs machte er erste

Klosterküche“ ging an den Start.

Erfahrungen mit der feinen Gesellschaft und Menüs, die locker die

Mit im Boot: der 45-jährige Oliver Schulz, Bäcker, Konditor und

100-Euro-Schallmauer durchbrachen – was damals nicht mal Ös-

Koch, ein Mann mit großer Ruhe und noch größerer Berufserfah-

terreichs kulinarische Elite wie das Steirereck im Wiener Stadtpark

rung, gesammelt vor allem in Hotelküchen Deutschlands, Frank-

oder der Taubenkobel im burgenländischen Schützen am Gebirge

reichs und Österreichs und das „Küken“: Judith Rüger, 20, Köchin

schaffte.

mit Hang zu allem Süßen und deshalb für die Klosterküchen-Pâtis-

Es folgten vier Jahre Australien, ein Kontinent mit neuen Produk-

serie und alles Eisige, Kuchige und Tortige zuständig.

ten, anderen Gewürzen, und einer Küche, die stark von der Nähe zu Asien inspiriert ist. Bunke lernte Kängurubratwurst und Kakteengemüse zuzubereiten und erinnert sich noch heute an sein erstes Kobe-Steak, für das der Gast stolze 300 Dollar hinlegen musste. 2016 Rückkehr nach Deutschland, gastronomischer Berater und Küchenchef im Szeneladen Klunkerkranich auf dem Dach der Neukölln-Arcaden, ein Jahr später Aufbruch in den Südpazifik – Ziel:

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WILDE KLOSTERKÜCHE Bahnhofstraße 18 15898 Neuzelle Tel. 033652 – 82 39 91 www.wildeklosterkueche.de


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Köchin und Patissière Judith Rüger.

Souschef Oliver Schulz.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Wilde Klosterküche, ein bisschen irreführend ist der Name schon. Mit dem Ton in der Küche hat das Attribut jedenfalls nichts zu tun, zwischen Herd und Pass geht es eher andante moderato zu als allegro furioso. Selbst wenn es stressig wird, ist brüllen verboten. Auch die brachiale Kreativität junger Wilder taugt nicht als Erklärung. Karierte Maiglöckchen, hochkant frittiert, kommen in der Klosterküche nicht auf die Teller, weil solcher Firlefanz die Gäste von weiter weg vergraulen würde und die von näher dran gar nicht erst kämen. „Als wir uns für den Namen entschieden, wollten wir schon ein bisschen provozieren“, erklärt Anne Hensel, zuständig für die Werbung und das Marketing, „früher nannte

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Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

sich das Restaurant Le Couvent und servierte Brandenburger Üblichkeiten. Heute heißt es Klosterküche und verzichtet auf Hähnchenbruststreifen, Schweinemedaillons, und Zanderfilet Karo einfach. Den Zusatz ‚wild‘ wollten wir als Gegenteil von ‚brav‘ verstanden wissen, als Hinweis darauf, dass wir die artigen Dauerbrenner vieler Küchen der Gegend von der Speisekarte verbannt haben.“ Die Einheimischen waren am Anfang entsetzt, die Fremden sprachlos. Das Entsetzen hat sich gelegt, die Sprachlosigkeit ist geblieben und wohl das schönste Kompliment für das Restaurant und eine Küche, die von einem klaren Konzept, aus dem Effeff beherrschtem Handwerk und großer Liebe zum Detail zeugt.

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Service-Perlen: Nicole Kuhring und Katarzyna Lisiecka, v. li.

Restaurantleiter Max Giesa, re.

Noch ein Wort zum Service, Frau Hensel. „Aushilfen findet man schon“, sagt die Unternehmerin, im Klosterhotel auch für das Personal zuständig, „aber Servicemitarbeiter, die ihr Handwerk gelernt und Freude daran haben, Gastgeber zu sein, die muss man hier mit der Lupe suchen.“ Mit Nicole Kuhring, Max Giesa und Katarzyna Lisiecka hat sie solche Mitarbeiter. Sie strahlen eine Freundlichkeit aus, die nicht antrainiert, sondern ehrlich wirkt, sie kennen die Trennlinie zwischen aufmerksam und aufdringlich und – unbezahlbarer Vorteil – sie kommen aus der Gegend. Eine Tour mit dem Fahrrad, ein Museumsbesuch oder ein Trip nach Polen? Nicole, Max und Katarzyna wissen meist mehr als in den einschlägigen Reiseführern steht.

Hotelfach-Azubis: Niklas Klähn und Ashan Ali Jutt, v. li.

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Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Zum Service in der Klosterküche gehört auch, dass sich Chef Bunke immer mal wieder im Restaurant sehen lässt – nicht um die vorhersehbare Antwort auf die Banalfrage „Hat’s denn geschmeckt?“ abzuholen – nein, Bunke hat gelernt, seine Gäste zu lesen. Da ist das junge Paar, das nun schon minutenlang über der Speisekarte brütet; die Familie, deren Kinder partout kein Menü wollen und der einzelne Herr, der dem Dinkelrisotto zugeneigt ist, aber bitte ohne Speckschaum… Die Karte ist klein und hat feste Größen: Vorneweg, Zwischendurch, Hauptsache, Hinterher. Akribisch inszenierte Teller zumeist, lediglich das Würzfleisch à la Mama fällt aus der Reihe, aber dafür ist es mit Verve abgeschmeckt und herrlich altmodisch.

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Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Ein üppiger Brotsalat mit tatsächlich vier verschiedenen Tomatensorten, die sich nicht nur farblich, sondern auch geschmacklich unterscheiden. Ein überaus respektables Duo vom Wildschwein, Rücken und Filet à la minute gebraten, mit Topinamburpüree, einer dichten Wildsauce und entbehrlichem Trüffelschaum. Und eine Komposition mit sagenhaft aromatischen Rinderbäckchen, Polenta, Edamame und geräuchertem Erbsenmousse. Das alles ist gut geerdet, perfekt zubereitet, geschmacklich fein abgestimmt. Es gibt viel Gegendtypisches, aber nichts Radikal-Regionales. „Damit würden wir lediglich unsere Stammgäste vergraulen“, so Bunke, der uns noch zu einer kleinen Lieferanten-Tour einlädt. „Damit Sie sehen, was die Region so zu bieten hat.“

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Manuel Bunke und Fleischermeister Rainer Baum.

Fleischerei Baum in Neuzelle.

Baum-Schinken: zart mamoriert, schonend gereift, resch geräuchert.

Die erste Station liegt gleich gegenüber dem Hotel. Der Handwerksbetrieb von Rainer Baum ist eine typische Landfleischerei, eine der besten, aber auch eine der letzten in dieser Region. Baum, 50 und Meister in dritter Generation weiß, wenn nicht irgendwann ein Wunder geschieht und ein Nachfolger im Laden steht, wird er der Letzte der Mohikaner sein, Tradition hin, Tradition her. „So weit ist es, Gott sei Dank, noch lange nicht“, sagt Manuel Bunke. Für den Koch ist der Metzger vor der Tür ein Glücksfall, zumal Baum die beste Blutwurst weit und breit macht. „Ohne seine Boudin noir könnte ich unseren Klassiker Tote Oma 2.0 beerdigen, das Gericht lebt nun mal von einer exzellenten Blutwurst“, so Bunke. Der Küchenchef weiß, wovon er spricht, schließlich hat er mal in Neukölln gearbeitet…

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Schneidewurst: Eine regionale Spezialität.


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Manuel Bunke und Dipl.-Forstingenieur Dirk Jankowski.

Für die zweite Station brauchen wir das Auto. Gut 20 Kilometer sind es bis Staakow im Landkreis Spree-Neiße. Manuel Bunke nutzt die Zeit für ein Statement: „Immer wieder bieten mir Lieferanten Hirschfleisch aus Neuseeland an. Ich kenne die Farmen dort, weiß, dass die Züchter einen tollen Job machen und dass das Fleisch von hervorragender Qualität ist, zart, mager, geschmacklich zurückhaltender als das von wild lebenden heimischen Tieren und sogar das ganze Jahr verfügbar. Aber soll ich deswegen einen Transportweg von 18.000 Kilometern akzeptieren?“ Der Küchenchef kauft sein Wild in Staakow bei Dirk Jankowski. Der 50-jährige Diplom-Forstingenieur betreibt seit 17 Jahren einen Forst- und Jagdbetrieb (www.wild-forst.de) und offeriert sowohl frisches Wildfleisch aus heimischer Jagd (kein Treibjagd- und kein Nachsuchwild, darauf legt er Wert) als auch erstklassige Veredlungsprodukte – Wildsülze etwa oder Wildschinken. „Wir können damit kulinarisch herForst- und Jagdbetrieb Jankowski in Staakow.

vorragend leben“, so der Klosterküchen-Chef, „und ein gutes Gewissen haben wir auch.“

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

Manuel Bunke und Landwirt Ulrich Schulz.

Bauernhof Schulz in Atterwasch.

Auch Atterwasch liegt abseits der großen Straßen. Das 250-Einwohner-Dörfchen südwestlich von Guben ist die letzte Station unserer Produzenten-Stippvisite mit dem Küchenchef Manuel Bunke und seiner Partnerin Anne Hensel. Ein Schild weist den Weg zu einem stattlichen Gehöft direkt an der Dorfstraße: Bauernhof Schulz. Der Hof ist gepflastert, die Gebäude rechts und links saniert, der Hofladen eine Augenweide. Erstaunlich, dass die Schulzsche Familienwirtschaft weder im Brandenburger Adressverzeichnis von Hofläden und Direktvermarktern auftaucht noch einen eigenen Internetauftritt hat. „Online-Handel?“, Ulrich Schulz schüttelt den Kopf. „Wir sind zwar ein bisschen altmodisch, aber nicht von gestern.“ „Wie meinen Sie das?“ „Sowas macht jede Menge Arbeit, und davon haben wir genug auf dem Hof, so meine ich das.“

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Anne Hensel und Manuel Bunke mit Landwirt Christoph Schulz.


Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle TITEL

Der 60-jährige Landwirt steht in seinem Schlachthaus, am Haken eine Färse, rund 400 Kilo Fleisch, das er gemeinsam mit einem Helfer zerlegt. „Verstehen Sie jetzt?“, fragt der kräftige Mann noch einmal, bevor wir uns verabschieden, um seinen Sohn Christoph zu suchen. Christoph Schulz, 33, Landwirt wie sein Vater, ist bei den Hühnern. 330 Legehennen sind auf einer großen Wiese unterwegs, man sieht den Tieren an, dass es ihnen gut geht. „Logisch, dass wir unsere Eier nur hier kaufen“, sagt Manuel Bunke. Solche Sätze machen den Bauern stolz. Einmal in Stimmung, zeigt er uns noch einen fußballfeldgroßen Stall mit einigen Hundertschaften Küken. Es gibt viel Tageslicht, Strohballen, Sitzstangen und Picksteine, nicht eben übliche Accessoires moderner Hähnchenaufzucht. „Stimmt“, sagt Schulz, „aber inzwischen sind wir schon sechs Landwirte in Brandenburg, die mit dem Fair-Mast-Projekt neue Wege Mehr Tierwohl: Fair-Mast-Projekt auf dem Bauernhof Schulz.

hin zu einer tiergerechteren Hähnchenmast gehen.“

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TITEL Klosterhotel und Wilde Klosterküche Neuzelle

HANDwerk trifft Kultur: Neuzeller Klostermarkt 2019.

Ende Mai fuhren wir noch einmal nach Neuzelle – zum Vatertagsfrühschoppen. Auf dem Stiftsplatz fand der Klostermarkt statt, ein Fest mit Stil für die ganze Familie. Altes Handwerk traf auf junge Kunst, der Klostergarten lud zum Spaziergang, die Klostermuseen zum Bildungserlebnis. Genusshandwerker der Region boten regionale Spezialitäten feil, und die kulinarischen Offerten waren weit weg von Bockwurstkessel- und Chinapfannenseligkeit. Summa summarum – wir haben beschlossen, Neuzelle in die Liste unserer happy places aufzunehmen. Im Herbst werden wir mal nicht nach Mallorca fliegen, sondern wiederkommen – für ein Wochenende im Klosterhotel, eine Exkursion ins Schlaubetal und ein Chorkonzert in der Stiftskirche St. Marien. Übrigens: Wir werden wieder mit dem Zug nach Neuzelle fahren und unter den Artikel, der dann entstehen soll, die CO2 -Bilanz dieser Reise schreiben… www.neuzelle.de

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BUYA LOKALTERMIN

AUßERGEWÖHNLICHES POP-UP-RESTAURANT IN KREUZBERG VON UWE AHRENS

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LOKALTERMIN BUYA Wenn gewisse Facebooker und Foodblogger zu diesem oder jenem Ort neuen gastronomischen Geschehens ihren Jubel aussenden, reagiere ich mit Besuchen stante pede zurückhaltend. Zu oft schon haben sich die großen Arien als allzu belanglose Liedchen erwiesen. Bestenfalls ordentliches Essen wird zur gourmandisen Offenbarung hochgejazzt, das ganze Register der bekannten Superlative inklusive. Meist schmeckt alles megalecker – was soll man auch schreiben, wenn der Mitteilungsdrang groß ist, die kulinarische Kompetenz aber nicht mithalten kann. Im Fall des Pop-up-Restaurants Buya habe ich mich allerdings geirrt. Das Netz war voll von überschwänglichen Lobeshymnen, also entschied ich, erstmal abzuwarten – und hatte dann Probleme, noch einen Platz zu ergattern. Die Pop-up-Örtlichkeit befindet sich in Downtown Kreuzberg, Reichenberger Straße, in einem jener Bröckelputz-Häuser, die LoBuya-Gründer Michael Sponaugle.

cation-Scouts neuerdings gern als Filmkulisse empfehlen.

Doch der erste Blick sagt nicht die ganze Wahrheit. Auf dem Hof hat ein supercool designtes Café Platz gefunden, das man sich merken sollte. Die Roastery Kitchen Arabica – Logo: ein Prozentzeichen – gehört zu einer der trendigsten japanischen CoffeeshopKetten, die sich anschickt, von Kyōto aus die Welt zu erobern. Filialen in Hongkong, Singapur und Dubai gibt es bereits, jetzt haben die Japaner Europa im Visier. Für Michael Sponaugle war der hippe Ort mit seiner minimalistischen Dieter-Rams-Ästhetik, den stylishen Papier-Möbeln und eyecatchenden Fotografiken genau der richtige Platz, um in Berlin sein Buya-Konzept vorzustellen. Als dessen wichtigste Attribute nennt Sponaugle „culinary, relaxed and social“. Der 41-jährige Amerikaner stammt aus Houston/Texas, lebt aber schon viele Jahre in Miami/Florida und entwickelt, solange er denken kann, gastronomische Konzepte, testet, verwirft oder etabliert sie, wherever.

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BUYA LOKALTERMIN

Ganz so zufällig scheint ihm Berlin allerdings nicht auf den Schirm gekommen zu sein – erstens kennt er die japanischen ArabicaBetreiber, weiß also um den Japan-Boom in der Stadt und zweitens hat er auch deutsche Freunde hier. Was bedeutet Buya eigentlich? „It means a little fun“, sagt Sponaugle und zeigt, woran die Gäste Spaß haben sollten. Take a seat! An die großen Tische oder die Bar setzt man sich nicht alleine, sondern Stuhl an Stuhl mit Fremden, was irgendwie eine eigene Weltverbundenheit mit sich bringt. Essensmäßig geht es dann komplett japanophil zu. Sponaugle und sein Koch Paulo George („geboren bin ich in Portugal, zu Hause auf der ganzen Welt“, Bild S. 29 re.) schicken Ramen – drei Varianten der japanischen Nudelsuppe mit dem großen Suchtpotential: Tonkotsu-Brühe mit knuspriger Ente oder Wagyubrust und Shiitake, Shoyu-Brühe mit gegrilltem Hähnchen und Enoki sowie – vegan – Miso-Brühe mit gebratenem Tofu und Austernpilzen.

Buya-F&B-Chef Ryan Pines und Barchefin Ramize Silova.

Restaurantleiterin Alexis Freudenberger.

Es folgen Yakitori-Spieße, zubereitet auf originalen Konro-Grills, die standesgemäß mit Binchotan-Kohle auf Betriebstemperatur gebracht werden sowie die ebenso angesagten Gyoza-Dumplings, die in einer Qualität serviert werden, dass die zu Beginn des Abends ziemlich distinguierten Herren aus Fernost am Nachbartisch vor lauter „Oishi desu“-Bekundungen kaum noch zum Essen kamen. Dazu gibt es Crafted Cocktails aus dem Rezeptbuch von Ryan Pines, Amerikaner aus Florida wie Sponaugle und dessen rechte Hand (Bild S. 29 li.). Und wir sagen: Das Buya kann bleiben. Forever. BUYA IZAKAYA RAMEN Reichenberger Straße 36 10999 Berlin-Kreuzberg Tel. 0162 – 18 77 645 www.buyaberlin.com

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LOKALTERMIN POTS

Gala-Prominenz: Heike Makatsch mit Clemens Schick...

Bar-Manager Arnd Heißen und Commis Irma Skopljak.

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POTS LOKALTERMIN

Berliner Ritz-Carlton-Partys hatten schon immer die Aura des Besonderen. Das war zu Zeiten der General Manager Walter Junger, Rainer Bürkle und Thorsten Ries so, und es blieb auch so als Robert Petrovic 2009 die Leitung der Luxusherberge übernahm. Jüngstes Beispiel: die Golden Gala zum Abschluss der Renovierung des Hauses am Vorabend der ITB 2019. 1.000 geladene Gäste (Dress-Code: Black Tie with a Touch of Golden Age) swingten mit Andrej Hermlin und seinem Dance Orchestra champagnerselig durch die laue Märznacht, bestaunten das glamouröse Art-DécoDesign der Lobby-, Lounge-, und Wellnessbereiche, lobten den neuen Look der Zimmer und Suiten und deren technische Features – vom Touchscreen zur Steuerung der Zimmerelektronik bis zur Steckdose im Schlafsessel, und sie waren dann schier aus dem Häuschen, als einer der besten Köche Deutschlands ihnen Kostproben seiner Interpretation einer neuen deutschen Küche servierte ...und Lena Meyer-Landrut.

und damit für die Wonnen der Gewöhnlichkeit plädierte.

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LOKALTERMIN POTS

IM POTS EINE LANZE FÜR KLOPS, KOHL UND CO. VON JÖRG TEUSCHER Der Potsdamer Platz ist – warum auch immer – ein Magnet für Berlin-Touristen. Täglich drängen sich hier Tausende. Dem trägt natürlich das Gros der Gastronomie dort Rechnung. Schnelle Abfütterung, Convenience ohne Ende, die meisten Gäste kommen eh nur einmal. Balzac Coffee, Pizza Hut, McDonald’s, Starbucks, Vapiano, die Fastfood-Ketten lassen grüßen. Dazu ein bisschen Exotik – Australien, Korea, Mexiko, Vietnam – kulinarisch ebenso belanglos wie der Rest am Platz, von Alex bis Lindenbräu. Lediglich die Nobelhotels leisten sich Leuchttürme: das zweifach besternte FACIL im Mandala, das VOX im Grand Hyatt, der Midtown Grill im Marriott und endlich auch wieder das Ritz-Carlton. POTS heißt das neue Restaurant dort, POTS by Dieter Müller.

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Küchenchef Frederik Grieb.

„Der Dieter Müller?“, fragen manchmal ältere Gäste. „Genau der“, lautet dann die Antwort. Dieter Müller, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Auggen im badischen Dreiländereck, Kochlehre im Hotel Bauer in Müllheim, Stationen in Bern und auf Korfu, gehörte – gemeinsam mit seinem Bruder Jörg („Die Wunderknaben von Wertheim“) – Anfang der 1970er Jahre in den Schweizer Stuben im fränkischen Wertheim-Bettingen zu den Begründern des „deutschen Küchenwunders“. Später, im Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach, zählte er zu den ersten 3-Sterne-Köchen des Landes. 62-jährig verließ er 2010 das Schlosshotel und heuerte als Chef des Restaurants Dieter Müller auf der MS Europa an. Im Oktober 2018 kam dann die nicht ganz überraschende Nachricht: „Zum Ende des Jahres wird der vielfach ausgezeichnete Spitzenkoch das The Ritz-Carlton Berlin mit seiner Küchenexpertise bereichern und die Position als impulsgebender Patron im neuen Restaurant POTS einnehmen.“ Als Küchenchef holte er den 30-jährigen Frederik Grieb an Bord, knapp zwei Jahre lang Souschef in Müllers Restaurant auf der MS Europa – und mindestens ebenso bescheiden wie sein Vorbild. Zuständig für den Service im neuen kulinarischen Treffpunkt am Potsdamer Platz ist der Österreicher Mathias Brandweiner, 25, der zuletzt das Restaurant Le Faubourg leitete. Keine Frage, Grieb am Herd, Brandweiner am Gast und im Hintergrund Dieter Müller als Impresario – das ist schon ein Dreamteam.

Restaurantleiter Mathias Brandweiner, nominiert zum Berliner Gastgeber 2019.

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LOKALTERMIN POTS

POTS-Küchenchef Frederik Grieb und Patron Dieter Müller, v. li.

Natürlich steht Dieter Müller nicht im POTS am Herd, aber der 3-Sterne-Altmeister ist auch keiner, der nur seinen guten Namen gibt, das Honorar dafür kassiert und dann nicht mehr gesehen ward. „Mit diesem Patronat habe ich auch eine Verantwortung übernommen“, sagt er, „und der will ich natürlich gerecht werden.“ Also kommt der noch immer viel beschäftigte Star für zwei, drei Tage im Monat nach Berlin, um mit der POTS-Brigade an den aktuellen Gerichten zu feilen und neue zu testen. Küchenchef Frederik Grieb vielsagend: „Herr Müller ist auch da, wenn er nicht da ist.“ Wir vermuten, weil sein Geist allgegenwärtig ist. Das POTS heißt so nach dem Potsdamer Platz und befindet sich dort, wo früher mal die Brasserie Desbrosses war, der wohl keiner nachtrauert. Ritz-Carlton-typisch gibt es im POTS einen Guestdesk, hinter dem eine ausnehmend charmante, mehrsprachige Lady agiert, erste Fragen beantwortet und kleine Wünsche erfüllt – ein guter Zug und ebenso comme il faut wie alles, was dann folgt.

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POTS LOKALTERMIN

Die Inneneinrichtung – gemütliche Sitznischen, bewegliche Raumteiler, eine offene Showküche – bietet ein gelungenes Wohlfühlprogramm, wirkt gekonnt harmonisch und im besten Sinne metropolenhaft. Der Service demonstriert Ritz-Carlton-Klasse („Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen“) und führt auf erfrischende Weise leger durch den Abend. Angesagt ist ein zwangloses „Sharing-Food-Konzept“ – Motto: Genuss im POTS ist entspannt, gesellig und teilbar – aber wer unbedingt einen Teller für sich alleine möchte, auch kein Problem. POTS IM RITZ-CARLTON Potsdamer Platz 3 10785 Berlin-Tiergarten Tel. 030 – 33 77 75 402 www.potsrestaurant.com

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LOKALTERMIN POTS

Ob Lunch oder Dinner, ob Spinatsüppchen mit Lammspieß, Lila Senfei mit Schnittlauchstampf oder Blaufelchenmatjes mit Apfel und Gurke, ob Badisches Schäufele, Verbrannter Kohl oder Klopse mit Bayerischer Garnele – was im POTS auf die Teller kommt, feiert die Heimat. Und zwar in einer Weise, die Standing ovations verdient. Frederik Grieb und sein Team überqueren die von Dieter Müller hoch gelegte Mess-latte mit jedem Gang locker. „Simple mais de goût“, notierte ein befreundeter französischer Kollege, „einfach, aber mit Geschmack“. Und wir finden außerdem: Das nicht von jedermann geliebte SharingKonzept hat Charme und sorgt für gute Stimmung am Tisch.

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Das famose Erlebnis von Griebs deutscher 2.0-Küche wird durch Mathias Brandweiners Weinbegleitung vollends zum kulinarischen Ereignis. Der diplomierte Sommelier, natürlich universell à jour, favorisiert im POTS Gewächse aus Deutschland. „Weil deren Stilistik am besten mit unserer Küche harmoniert.“ Brandweiners Favorit: der weiße POTS-Hauswein, ein 2017er Nahe-Riesling vom Gut Hermannsberg, schlank, trocken, mit angenehmer Säure ausgestattet. Das traditionsreiche Weingut übrigens passt, was seine Geschichte betrifft, perfekt zu Berlin und zum POTS, denn es wurde einst, im Jahr 1902, als KöniglichPreußische Weinbaudomäne gegründet…

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LOKALTERMIN Käserei Blankenfelde

Runde

Sache

NEUE ADRESSE AN DER BRANDENBURGER MILCH- UND KÄSESTRAßE – TEIL 3 VON JÖRG TEUSCHER

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Käserei Blankenfelde LOKALTERMIN

„Beim Käse tut sich was in deutschen Landen! Immer mehr Käsemacher arbeiten auf handwerkliche Weise, mit Milch von eigenen Tieren oder aus der unmittelbaren Nachbarschaft … und es sind häufig junge Leute oder Quereinsteiger, die … ihre eigenen Ideen verwirklichen.“ Dieses Resümee schrieb die Autorin und Käseexpertin Ursula Heinzelmann vor zehn Jahren, nachdem sie fast 13.000 Kilometer kreuz und quer durch Deutschland gereist war, um den besten Käse zu finden. Damals war die Brandenburger Milch- und Käsestraße noch Zukunftsmusik. Der Zusammenschluss von Molkereien und Käsereien mit dem Ziel, ihre Betriebe und deren Produkte bekannter zu machen, kam erst 2014 zustande. 28 Mitglieder zählt der Verbund inzwischen, darunter landesweit bekannte kulinarische Orte wie der Capriolenhof in Bredereiche oder der Milchschafhof Pimpinelle in Quappendorf. Jüngstes Mitglied ist die Käserei Blankenfelde, die Ende April 2019 Eröffnung feierte.

Im Gespräch: Käserei-Gründerin Sabina Lischka, Mi., mit Eröffnungsgästen.

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LOKALTERMIN Käserei Blankenfelde

In den Garçon-Ausgaben 50 und 51 berichteten wir über die Berlinerin Sabina Lischka und ihr Vorhaben, in Brandenburg eine Käserei zu gründen. Dem Wunsch, sich selbstständig zu machen, folgte die Suche nach einem geeigneten Ort (Landesunterstützung – Fehlanzeige) und die mehr zufällige Landung auf dem Bio-Bauernhof von Udo und Volker in Blankenfelde – der guten Ordnung halber: Prof. Dr. Udo Pursche und Dr. Volker Woltersdorff. Die 38-jährige Architektin stemmte den Umbau der früheren Stallungen in regelgerechte Produktions- und Reiferäume mit privatem Geld (Fördermittel – Fehlanzeige), kaufte gebrauchtes, aber funktionstüchtiges Gerät (Investitionszuschüsse – Fehlanzeige) und hatte nur noch einen Wunsch: die möglichst zügige Bearbeitung ihrer Anträge durch die Ämter des zuständigen Landkreises. Doch man ahnt es schon – auch das – Fehlanzeige.

Hofführung mit Dr. Volker Woltersdorff.

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Käserei Blankenfelde LOKALTERMIN

Gastspiel in Blankenfelde: Die Querplattler aus Berlin.

Partnerin und Helferin Nina Restemeier.

Weihnachten 2018 wollte Sabina Lischka eigentlich den ersten Käse machen, nun wurde es der 27. April 2019. Frühester Gast am Eröffnungstag war dann immerhin eine Amtsträgerin aus Teltow – allerdings kam die gute Frau nicht zum Gratulieren, sondern zum Kontrollieren. Ordnung muss schließlich sein, wo kämen wir sonst hin! Bürgermeisterliche oder andere offizielle Glückwünsche für die erfolgreiche Gründerin blieben dagegen – richtig vermutet – Fehlanzeige. Dafür strömten rund 500 erwartungsfroh gestimmte Gäste, es gab Käse-Kostproben, Hof-Führungen, Stall-Besichtigungen und viel Beifall für die Querplattler, Berlins erste schwule Schuhplattlergruppe, deren Knalleffekte im munteren Dreivierteltakt für Staunen und Stimmung sorgten. Und der winzige Hofladen erlebte einen Ansturm, den Sabina Lischka, ihre Partnerin Nina Restemeier und die vielen Helfer nie und nimmer erwartet hätten.

Im Hofladen: Sabine Lischka und Prof. Dr. Udo Pursche.

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LOKALTERMIN Käserei Blankenfelde

Aus der Blankenfelder Bio-Käserei: Stichfester Joghurt…

…und Blankenfelder Butter aus pasteurisierter Jersey-Milch…

Inzwischen herrscht wieder der bäuerliche Alltag auf dem Blan-

übrigens nicht gesetzlich geschützt) ein Käse von einsamer Klasse

kenfelder Bauernhof und in Sabina Lischkas Käserei. Vor dem Hof-

– unglaublich cremig, komplex-aromatisch und klar im Geschmack.

laden (geöffnet ist freitags von 11.00-12.00 Uhr und von 16.00-

Kein Vergleich zu den gummiartigen, fad und salzig schmeckenden

18.00 Uhr sowie samstags von 10.00-13.00 Uhr) bilden sich zwar

Industriekäsen diverser Supermärkte – und durchaus auf gleicher

keine Staus mehr, dafür kommen einige Dutzend Stammkunden

Höhe mit dem Original, dem AOC-Camembert du Normandie der

regelmäßig.

Kategorie „Fermier“ (d. h. Milchviehhaltung und damit verbundene

Die Käserin informiert per Facebook, was es gibt: 23. Mai – Wieder da: Unsere Käsespezialität bayerischer Art, die wir nicht Obatzda nennen dürfen. 6. Juni – Endlich wieder da: Der Blaue Blan-

Käseherstellung auf einem Hof). Was bleibt da noch zu sagen? – Auf nach Blankenfelde, das Gute ist so nah!

kenfelder. 12. Juni – Nur für kurze Zeit: Frischkäsebällchen aus Jerseymilch mit Mohn, Sesam, Paprika oder geröstetem Buchweizen. 18. Juli – Jetzt gibt es wieder schönen weichen Camembert… Der kleine Weißschimmelkäse von Sabina Lischka hat offenbar besonders viele Freunde – selbst im Netz jubelt die Käse-Community: „Wow, was für ein Geschmacksevent, der absolute Burner.“ Tatsächlich ist der Camembert aus Blankenfelde (der Name ist

…Jersey-Käse in Öl mit Knoblauch und Kräutern der Provence…

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…und Blankenfelder Blauer.


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Aus diesem Grund verzichtet die Hofpfisterei beim Brotbacken auf künstliche oder chemische Lebensmittelzusatzstoffe jeglicher Art. Der Dreistufen-Sauerteig der Hofpfisterei wird nach alter handwerklicher Tradition hergestellt und mit langer Reifezeit geführt. Es dauert 24 Stunden bis der Teig fertig ist. Dieser lange Vorgang harmonisiert die natürliche Entwicklung der Hefen und der Milch- und Essigsäuren zu dem typischen feinen Geschmack und garantiert Genuss und Natürlichkeit. Besuchen Sie unsere Filialen in Bayern, Baden-Württemberg Berlin und Hessen und entdecken Sie eine große Auswahl an bayerischen Bauernbrot-Spezialitäten.

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LOKALTERMIN Friedrichshagener Hofküche

e l u h c s h c o K Die Gesellschaft für integrierte Konsumforschung in München veröffentlichte vor knapp einem Jahr eine Studie zum Essverhalten der Deutschen. „Ein großer Teil der Deutschen genießt gerne und bewusst“, heißt es da, „dazu gehört auch, dass etwas mehr als die Hälfte selbst zum Kochlöffel greift: 53 Prozent geben an, gerne zu kochen.“ Das war nicht immer so – noch vor zehn Jahren lag die Zahl bei unter 50 Prozent. Den gestiegenen Spaß am Kochen bestätigen auch die Betreiber der meisten Berliner Kochschulen. Myrna Oehlke beispielsweise, Inhaberin der Friedrichshagener Hofküche, nennt als wichtigste Gründe, an einem Kochkurs teilzunehmen, das gemeinsame Erlebnis, die ungezwungene Kommunikation, die Möglichkeit, kreativ zu sein. Anke Meiswinkel, Chefin der Cookeria in Charlottenburg, verweist zudem darauf, dass vor allem Firmen – vom kleinen Handwerksbetrieb bis zur großen Softwareschmiede – Kochevents buchen, um Teamentwicklung und Kundenbindung zu fördern. Und Ulrike Ludwig – sie betreibt die Kochschule In a la Munde in Kreuzberg – spricht zuerst von Geselligkeit, durchaus manchmal mit Romantikfaktor und fügt hinzu: „Es gibt natürlich auch die Herausforderungssucher.“ Ein gutes Dutzend Kochschulen sind in Berlin am Start, die älteste ist die 2002 eröffnete und 2006 als Berliner GründerChampion ausgezeichnete Cookeria. In dieser und den folgenden Garçon-Ausgaben wollen wir einige dieser kulinarischen Orte vorstellen, deren Angebote von Ayurveda bis Viva Mexico reichen und die unbedingt dazugehören, wenn von der Feinschmecker-Metropole Berlin die Rede ist.

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Friedrichshagener Hofküche LOKALTERMIN

Die Hofköche ZU GAST IN DER FRIEDRICHSHAGENER KOCHSCHULE VON JÖRG TEUSCHER

Kochschulgründer Manfred Baltzer, Mi. und die heutigen Inhaber Myrna Oehlke und Matthias Genzen.

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LOKALTERMIN Friedrichshagener Hofküche

Die Köchin: Myrna Oehlke 2004 in der Küchenbrigade des Sterne-Restaurants Facil, 1. v. li.

Myrna Oehlke ist eine Frohnatur, die jeder irgendwo im Rheinland verorten würde. Aber weit gefehlt, die 48-Jährige kommt von der Küste, Geburtsort: Kiel. Und wir machen die Erfahrung, dass auch Nordlichter Humor haben und zum Lachen nicht in den Keller gehen. Ihren Traumberuf lernte Myrna Oehlke im Restaurant im Schloss, einer Kieler Institution mit ähnlichem Bekanntheitsgrad wie HDW und KYC – Howaldtswerke und Kieler Yachtclub. Es folgten Stationen in Strande, 15 Kilometer vor den Toren der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt und in Hamburg, hier allerdings tauschte sie ihren Arbeitsplatz in der Küche mit einem Lernplatz im Hörsaal der Hotelfachschule. Abschluss als Hotelbetriebswirtin und Wechsel nach Berlin. Köchin im VAU am Gendarmenmarkt, im Viehhauser im Presseclub und schließlich im Facil am Potsdamer Platz. Hier wehte ein anderer Wind als im Kieler Schlossrestaurant, wo ein Lachsfilet „Louis Roederer“ schon das kulinarische Nonplusultra bedeutete. Myrna Oehlke nahm die Herausforderung an, doch nach zehn Jahren Sterne-Stress beschloss sie, ihr eigenes Ding zu machen. Das hatte auch schon einen Namen: Friedrichshagener Hofküche.

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Friedrichshagener Hofküche LOKALTERMIN

Der Koch: Matthias Genzen 2006 in der Küchenbrigade des Schwarzenraben, 8. v. re.

Manfred Baltzer, der Mann auf unserem Foto auf Seite 47 in der Mitte, ein Elektro-Ingenieur mit Hang zu allem Kulinarischen, eröffnete die Hofküche in der Friedrichshagener Scharnweberstraße bereits 2001, gemeinsam mit einer Wein- und Feinkosthandlung. Irgendwann wurde ihm das Ganze zu viel, Baltzer konzentrierte sich auf das Geschäft mit Weinen und Delikatessen (www.derweinladen-baltzer.de), Myrna Oehlke stieg in die Hofküche ein. Als Geschäftspartner kurze Zeit später mit an Bord: Matthias Genzen. Der 38-Jährige kommt auch von der Küste, Genzen ist gebürtiger Stralsunder. Zimmererlehre in seiner Heimatstadt, anschließend Kochlehre in Berlin – im 2008 verblichenen In-Restaurant Schwarzenraben, das mit gehobener Italo-Küche aufwartete und 360 verschiedene Pastagerichte im Repertoire hatte. Nach seiner Ausbildung blieb Genzen in der Hauptstadt und stand u. a. im Schoenbrunn im Volkspark Friedrichshain am Herd, das jahrelang als Wiener-Schnitzel-Geheimtipp gehandelt wurde. Die Frau mit dem Haute-Cuisine-Background und der Mann mit seinen Erfahrungen in der alpenländischen und italienischen Küche, das passte und brachte die Hofküche auf Erfolgskurs.

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LOKALTERMIN Friedrichshagener Hofküche

Dass Kochschulen keine Art zweitklassiger Restaurants sind, weiß auch der Gault&Millau. Seit 2006 zeichnet der Guide die „Kochschule des Jahres“ aus. Die Titelträger hatten zumeist große Namen: Hans Haas, Alexander Hermann, Ingo Holland, Otto Koch, Alfons Schuhbeck – um nur einige zu nennen. In dieser Liga lehren Myrna Oehlke und Matthias Genzen zwar nicht, aber in Berlin dürften die beiden Hofköche durchaus vorn dabei sein. Sechs bis neun Kurse bieten sie im Monat an: Asiatische Küche, französische Küche, mediterrane Küche, orientalische Küche, das sind mehr Überblicksveranstaltungen. Dazu spezielle Workshops, beispielsweise Sous-vide-Garen. Die Teilnehmer sind so verschieden wie ihre Motive. Der pensionierte Beamte mit Gattin („weil das Theater heute keine Vorstellung hat“), das junge Akademikerpaar („weil wir mal was gemeinsam machen wollten“), zwei Freundinnen („weil man Gutscheine nicht verfallen lässt“) – wirklich kochen lernen wollen die Wenigsten. Es

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Friedrichshagener Hofküche LOKALTERMIN

geht um Geselligkeit und Kommunikation. Allerdings: Wer einen Kochkurs in der Hofküche bucht, krempelt am besten gleich die Ärmel hoch. Hier wird man nämlich gefordert. „Bei uns ist es nicht so, dass man permanent ein Glas Champagner in der Hand hält und wenn’s hoch kommt mal ’ne Zwiebel schneidet“, klärt Matthias Genzen auf. Das entspricht auch dem Credo der Hofköche: „Kreativität fördern statt Vorkochen“. Und wie sie das machen, das beeindruckt schon. Es gibt Warenkunde, sie vermitteln Küchenkniffe, vor allem aber fördern sie die Freude am Genuss. FRIEDRICHSHAGENER HOFKÜCHE Scharnweberstraße 2 12587 Berlin-Friedrichshagen Tel. 030 – 65 49 92 70 www.hofkueche-berlin.de

So jung kemma nimma zam! Den Sommer genießen bei frisch gezapftem Bier und bayerischen Spezialitäten mitten in Berlin.

Friedrichstr. 185–190 U-Bahnhof Stadtmitte www.maximilians-berlin.de

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LOKALTERMIN Neue Restaurants

Die K.W.A.-Gründer: Jannis Nowinski, Deniz Buchholz, Daniel Herbert, v. li.

neu new nouveau Darüber, wann der Döner Kebap nach Ber-

jekt K.W.A. – Kebap with Attitude. Dabei

lin kam und wo sich der erste Spieß drehte,

lag ihr Fokus auf hochwertigen regionalen

streiten sich die Food-Gelehrten. 1969 in

Zutaten, selbst gesteckten Spießen und

der Potsdamer oder 1971 in der Adalbert-

hausgemachten Saucen. Der Döner wird

straße? Oder doch erst 1973 am Görlitzer

appetitlich angerichtet und in einem mo-

Park?

dernen Restaurant serviert.

Tatsache ist, sein Siegeszug seitdem

„Für uns war es wichtig, dass wir hin-

war unaufhaltsam. Berlin avancierte zur

ter jedem Produkt, das wir verkaufen, auch

Döner-Kebap-Metropole Nummer eins, etwa

stehen können. Wir haben nichts zu verber-

30 Tonnen des Fastfoods werden hier täg-

gen, wir haben gute Partner, und wir wol-

lich verzehrt, Tendenz steigend.

len halt einfach nur verdammt geile Döner

Kein Wunder, dass die Branche von kuli-

anbieten und das in Berlin Mitte“, so Deniz

narischen Neuerungen nicht viel hält. O.K.,

Buchholz, der 35-jährige K.W.A.-Sprecher.

es gibt inzwischen eine vegetarische Vari-

Daraus wurde in der Presse dann schnell

ante, aber das war’s dann auch schon. Fla-

der Döner de Luxe, aber das trifft es nicht

denbrot, Fleisch, Rotkohl, Weißkohl, Zwie-

wirklich. Beste Zutaten, wofür auch immer,

beln, Eisbergsalat, die unvermeidliche To-

sollten der Normalfall sein, auch im verti-

matenscheibe und Sauce von der Stange

kalen Grillgewerbe.

– fertig und basta. Drei junge Berliner mit gehobenen Gas-

KEBAP WITH ATTITUDE

tronomieerfahrungen sind nun angetreten, dem Döner Kebap ein Update zu verpassen. Nach umfangreichen Feldversuchen starteten Deniz Buchholz, Daniel Herbert und Jannis Nowinski im Mai 2019 das Pro-

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Gipsstraße 2 10119 Berlin-Mitte E-Mail: berlin1@eatkwa.de www.eatkwa.de


Neue Restaurants LOKALTERMIN

Co-Gründer Robert Szabo und Mitarbeiterin Katharina Heim.

nuovo nuevo yeni Die Eröffnung des Gazzo liegt bereits ein

Daraus entsteht – Pizza geniale! Boden und

gutes dreiviertel Jahr zurück – brandneu

Rand sind außen knusprig, innen weich und

ist das Neuköllner Pizza-Restaurant also

saftig, die Porung stimmt auf den Punkt,

nicht. Weshalb wir es dennoch vorstellen?

und der Belag besticht geschmacklich

Weil es neuerdings zu den fünfzig besten

durch die hochwertigen Zutaten und deren

Pizzerien Europas zählt – Ende Mai 2019

perfekte Würzung. Kein Wunder, dass die

gekürt und auf Platz acht gesetzt vom ita-

Tester dafür Höchstnoten zückten.

lienischen Gastro-Guide 50 Top Pizza.

Und ein bisschen italienisches Flair für

Das ist vor allem deswegen bemerkens-

Augen und Ohren gibt’s dann übrigens

wert, weil das Gazzo nicht allzu italienisch

doch noch – zwar nur auf den Toiletten,

daher kommt. Die Inhaber stammen aus

aber immerhin. Luciano Pavarottis Tenor

Regensburg und Oslo, die Bäcker und Kell-

begleitet die Geschäfte vor dem tapezier-

ner aus dem Rest der Welt. Man spricht

ten Hintergrund von Vernazza, dem male-

englisch, das Ambiente ist eher neuköll-

rischsten Örtchen der Cinque terre. Bella

nisch als neapolitanisch, und auch die Ob-

Italia auf’m Klo.

jekte der Gäste-Begierde lassen Pizza-Tra-

Mehr über die Gazzo-Inhaber, deren

ditionalisten verwundert die Augen reiben:

Konzept und das engagierte Team in der

Sauer- statt Hefeteig, gebacken bei 400

nächsten Garçon-Ausgabe.

statt 200 Grad, Mozzarella von Brandenburger Büffeln, Schinken von schwäbisch-

GAZZO PIZZA

hällischen Schweinen, Salami von Simon Ellery, dem Sausage Man Never Sleeps, dazu (ganz ohne Italia geht’s eben doch nicht) Pomodori pelati, Parmigiano reggiano und Olio di oliva extra vergine.

Hobrechtstraße 57 12047 Berlin-Neukölln Tel. 030 — 98 37 01 03 www.gazzopizza.com

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ADVERTORIAL

Finsterwalde, Jens Beiler aus Golzow und Christian Reuner aus Glashütte sind dabei, der Konditormeister René Klinkmüller aus Luckau, der Ölmüller Martin Lubisch aus Diedersdorf, mein Brauer-Kollege Oliver Wittkopf und einige andere. Ihr Ziel? Ganz einfach: Die Schaffung eines regionalen Netzwerkes von Köchen und Produzenten. Wir wollen die handwerklichen Lebensmittelproduzenten in Brandenburg unterstützen, indem wir sie näher zu den Köchen bringen, die sich der Brandenburger Regionalküche verschrieben haben. Bernd Norkeweit wuchs in der Uckermark auf, lebt heute in Fürstenwalde und arbeitet als Brauer in der dortigen Rathausbrauerei, einer Braustätte mit fast 570-jähriger Tradition. 2018 wurde er Mitglied der Brandenburger Kochfamilie und deren Sprecher. Wann wurde diese Familie gegründet, Herr Norkeweit? Ein Gründungsdatum hat die Brandenburger Kochfamilie nicht. Vor vier Jahren verabredeten der Werbener Spreewaldkoch Peter Franke und seine Kollegen Frank Busch aus Guben, Torsten Kleinschmidt aus Eisenhüttenstadt und Wolfgang Schalow aus Marxdorf einen kulinarischen Erfahrungsaustausch. Ich habe davon im vorigen Jahr erfahren. Nun bin ich zwar kein Koch, aber als Brauer auch Genusshandwerker, deshalb interessierten mich die Themen und ich war mit im Boot. Die Familie ist also ein Quintett. Nein, inzwischen ist sie weiter gewachsen. Die Küchenchefs Frank Bansner aus

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Wir sehen es als lohnenswerte Aufgabe an, die kulinarischen Traditionen unserer Heimat zu pflegen und, wo sie zu verschwinden drohen, sie zu erhalten. Bisher blieb das der kulinarisch interessierten Öffentlichkeit aber verborgen. Das mag sein, allerdings sind wir ja auch gerade erst gestartet, unsere Website ist noch im Entstehen. Künftig werden wir über unsere Arbeit regelmäßig informieren und Rezepte publizieren – etwa das der ‚Unkraut-Bowle‘ von Peter Franke oder das für den ‚Kürbis-Burger‘ von Jacob Tracy. Was steht demnächst auf dem Programm? Ein Familientreffen im August zum Thema ‚Karpfen und Bier‘, früher ein klassisches Duo der Brandenburger Küche. www.brandenburger-kochfamilie.de gefördert durch


Kulturheidelbeere GESCHMACKSSACHEN

Kremmener Kultfrucht PLÄDOYER FÜR DIE KULTURHEIDELBEERE

EIN GESPRÄCH MIT MALTE VOIGTS VOM SPARGELHOF KREMMEN

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GESCHMACKSSACHEN Kulturheidelbeere

Malte Voigts, ein sympathischer Zwei-Meter Mann, ist der Chef auf dem Hof. Personalbürokratisch korrekt heißt sein Job Geschäftsführer der Spargelhof Kremmen GmbH & Co. KG. Gemeinsam mit Ernst-August Winkelmann aus Klaistow, dem Platzhirsch im Beelitzer Spargelrevier, ist er auch Gesellschafter des Unternehmens zwischen Oranienburg und Neuruppin. Voigts, Jahrgang 1977, stammt aus einer niedersächsischen Bauernfamilie, die seit Generationen in Holthusen in der Lüneburger Heide ansässig ist. Er studierte Agrarökonomie in Göttingen und kam 2007 als Produktionsleiter Ackerbau nach Kremmen – auf Betreiben von Ernst-August Winkelmann übrigens. Seit 2010 führt der 41-Jährige die Geschäfte des Spargelhofes nordwestlich von Berlin. Dort hat gerade die zweite Jahreszeit begonnen – die der Kulturheidelbeere. „Spargel ade, Heidelbeere olé sozusagen.“ Jetzt dreht sich in Kremmen also alles um die Heidelbeere?

alles sein. Um auf die Kulturheidelbeere zurückzukommen: Wenn

Ja, wir haben den Start in die Kulturheidelbeer-Saison am 13. Juli

schon der Prophet im eigenen Land nichts gilt, in den USA etwa

auf unserem Bauernhof nördlich von Berlin gebührend gefeiert, der

liegt sie als sogenanntes Superfood absolut im Trend.

Erntebeginn erfolgte schon ein paar Tage früher, die Selbstpflücke

Kein Wunder, dort wird sie ja auch schon seit 100 Jahren kultiviert.

läuft und unser Hofladen sowie unser Heidelbeercafé und das Hof-

Das ist aber kein besonders gutes Argument. Auch in Deutschland

restaurant sind voll im Heidelbeermodus.

gibt es seit Anfang der 1920er Jahre Kulturheidelbeerplantagen.

Ziemlich viel Wirbel um das blaue Früchtchen.

Oder es fehlt ihr die Lobby. Wenn ein Supermodel wie Miranda

Ich finde, dass die Kulturheidelbeere eine weit größere Aufmerk-

Kerr Kulturheidelbeeren in ihren Smoothie mixt oder über ihren

samkeit verdient hat als sie derzeit hierzulande bekommt.

Salat streut, dann ist ganz Amerika eben aus dem Häuschen.

Weshalb?

Mir würde es ja schon reichen, wenn sich mehr deutsche Spitzen-

Da ist zum einen ihr hervorragender Geschmack und zum anderen

köche der Kulturheidelbeere annähmen, um ihr kulinarisches Po-

hat sie auch in puncto Nährstoffe weit mehr zu bieten als beispiels-

tential stärker auszuschöpfen oder wenn in einer der vielen Fern-

weise die allerorts gehypte Gojibeere.

sehkochsendungen mal über den ernährungsphysiologischen Wert

Einheimisches Obst erscheint vermutlich vielen Verbrauchern als

der Kulturheidelbeere gesprochen würde.

weniger sexy als solches aus weit entfernten Ländern.

Worin besteht er denn?

Das sehe ich genau so. Und ich sage auch: Exotik kann doch nicht

Da kommt eine ziemliche Latte zusammen. Kulturheidelbeeren

Aus eigener Produktion: Kremmener Heidelbeerspezialitäten.

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Kulturheidelbeere GESCHMACKSSACHEN

Roland Bläsche: Forstwirt, Imker und Kulturheidelbeerspezialist.

Kremmener Credo: Gute Bedingungen für Hummeln, Wildbienen & Co.

sind kalorienarm, reich an den Vitaminen A, B1, B2 und C, sie ent-

Für welche Sorten haben Sie sich in Kremmen entschieden?

halten erhebliche Mengen an Calcium, Kalium, Magnesium und

Wir setzen auf Sorten, die uns geschmacklich überzeugt haben,

Eisen, mehr übrigens als die Waldheidelbeere. Hinzu kommt, dass

insgesamt vier: die frühe Sorte ‚Duke‘, die etwas spätere Sorte

ihr hoher Gehalt an Anthozyanen sie schädliche Radikale im Körper

‚Bluecrop‘ und die Sorten ‚Liberty‘ und ‚Draper‘.

entschärfen lässt. Kulturheidelbeeren stärken das Immunsystem,

Wie sichern Sie eigentlich die derzeit viel diskutierte Bestäubung

wirken stressmindernd, können die Wände der Blutgefäße festigen

der Heidelbeerblüten im Mai?

und den Alterungsprozess von Körperzellen verzögern. Und das ist

Auch dabei betreiben wir enorm viel Aufwand, denn das Insekten-

noch längst nicht alles.

sterben macht nicht Halt vor den Toren von Kremmen. So finden

Wie groß sind Ihre Heidelbeerplantagen?

Sie zum Beispiel rund um unsere Kulturheidelbeerflächen viele

Wir haben vor fünf Jahren mit einer Fläche von 6,5 Hektar begon-

Blühstreifen mit Wildblumen, um deren Erhalt wir uns intensiv

nen, liegen jetzt bei über 15 Hektar und wollen in den nächsten fünf

kümmern. Wir bieten Hummeln und Wildbienen sogenannte Insek-

bis zehn Jahren weiter zulegen – 35 bis 50 Hektar, das ist unser

tenhotels und verzichten in unseren Anlagen auf den Einsatz von

Ziel. Wir machen das Schritt für Schritt, weil der Anbau der Kul-

Pflanzenschutzmitteln während der Blüte. Die Besucher unseres

turheidelbeere eine kostenintensive Angelegenheit ist. Wir rechnen

Hofes in Kremmen können sich von der Nachhaltigkeit unserer An-

von der Bodenvorbereitung und Pflanzung bis zur ersten Ernte mit

baumethoden jederzeit überzeugen.

rund 60.000 Euro. Das Pflücken ist übrigens reine Handarbeit.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Voigts.

SPARGELHOF KREMMEN Groß-Ziethener Weg 2 16766 Kremmen Tel. 033055 – 20 80 www.spargelhof-kremmen.de

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GESCHMACKSSACHEN Indian Summer

Cool und exotisch INDIAN SUMMER: EINE EISKREATION FÜR ERWACHSENE VON JÖRG TEUSCHER

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GARÇON


Indian Summer GESCHMACKSSACHEN

Eis-Queen und Pearls-Königin: Karolina Stich und Dr. Yana Steudel.

Die Bilder auf dieser Seite entstanden am

den regionalen Vorausscheid der nord-

28. Mai 2019, wenige Tage vor dem dies-

deutschen Bundesländer locker für sich

jährigen Finale des coolsten Wettbewerbs

entschieden und für das Finale noch einen

hierzulande, der Deutschen Meisterschaf-

Überraschungspfeil im Köcher hatte: Man-

ten der Speiseeishersteller.

goessig-Pearls on top!

16 Eismacher aus sieben Bundeslän-

Produziert werden die kleinen kaviar-

dern hatten sich für die Endrunde qualifi -

ähnlichen Geschmacksgranaten von Yana

ziert – unter ihnen die Berlinerin Karolina

Steudel, einer promovierten Chemikerin,

Stich, deren Firma EisQueen in Marienfelde

die sich mit ihrem Start-up Turn Food To

seit Jahren zur Créme de la Créme der kal-

Event der Herstellung von Aroma-Perlen

ten Branche gehört.

widmet. (Ein Porträt der Perlenmacherin

Mit ihrer Kreation „Indian Summer“ –

gibt es in der nächsten Garçon-Ausgabe.)

Weißes Schokoladeneis mit exotischen

Indian Summer also. Für uns übrigens

Currynoten und Mango-Chutney – rech-

eher ein geschmacklich anspruchsvolles

nete sich die 30-Jährige gute Chancen auf

Dessert als eine schlichte Sommererfri-

einen Podestplatz aus, zumal sie bereits

schung. Eine Eiskreation für Erwachsene.

GARÇON

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Am ersten Juni-Wochenende war dann Eis-Zeit auf dem Alexanderplatz. Die besten 16 von rund 3.000 professionellen Eismachern in Deutschland wetteiferten mit mehr oder weniger köstlichen kalten Versuchungen um die Gunst des Publikums und einer sechsköpfigen Jury. Die Foodaktivistinnen Cathrin Brandes und Veronica Veneziano, die Konditormeisterin Noni Piecha, die Fernsehköchin Felicitas Then, die Journalistin Stefanie Hofeditz und Augusto de Pellegrin, Eiskonditor im fränkischen Kulmbach und Vorstand bei Uniteis e.V., dem Verband der italienischen Speiseeishersteller in Deutschland, bewer-

Organisatorin Dr. Annalisa Carnio und Sponsor Domenico Sposito / Carpigiani.

teten Geschmack, Struktur, Kreativität und Präsentation der 16 Proben.

In der Jury: Noni Piecha und Veronika Veneziano, v.li.

60

GARÇON


Indian Summer GESCHMACKSSACHEN

Nur mal am Rande gefragt: Weshalb eigentlich war keiner aus der Riege der Berliner Sterneköche oder Spitzenpâtissiers – René Frank etwa – Jurymitglied? Das Ergebnis: Platz eins und damit Teilnehmerin an der World Masters 2021 in Florenz für Claudia Trotta, in Wernigerode lebende Schweizerin, und ihre Kreation „Edelweiß Ziegenjoghurt“. Auf dem zweiten Platz: „Almduft“ von Federico Sacchet aus Hameln, Dritte wurde Anne Werner mit ihrem Mango-KokosChili-Eis „Scharfe Königin“. Und Karolina Stich, Yana Steudel und ihr „Indian Summer“? „Diesmal hat es nicht gereicht“, so die Berliner Eis-Queen. Es klang kämpferisch.

And the winner is – Claudia Trotta aus Wernigerode.

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Indian Summer

Eis-Queen Karolina Stich.

Ein Gewerbegebiet im Berliner Süden nahe der Stadtgrenze. Hier

Wie viele in ihrer Branche kam auch Karolina Stich auf Umwegen zur

haben sich Künstler, Handwerker und Händler angesiedelt, die für

Eismacherei. Die gebürtige Rheinländerin studierte in Bad Honnef

ihren Job Platz brauchen. Man grüßt sich, man kennt sich. Die Eis-

Internationales Management und startete ihre berufliche Karriere

Queen? Tor A 2 Punkt 3!

in der Finance- und Controllingwelt eines internationalen Konzerns.

Besonders königlich wirkt ihr Büro allerdings nicht. Schreibti-

Trotz der äußerlichen Annehmlichkeiten (königliche Büros!) und

sche, Laptops, Telefone, ein paar Stühle, ein Tresen, eingezwängt in

der finanziellen Sicherheiten merkte sie bald, dass diese Welt nicht

eine Ecke der riesigen Halle, das erscheint bestenfalls zweckmäßig.

ihre Welt war.

„Königliche Büros hatte ich in meinem Leben schon zur Genüge“, kommentiert Karolina Stich unseren Na-ja-Blick.

Karolina Stich beschloss, sich selbstständig zu machen. Sie hatte eine Idee, deren Basis eine Leidenschaft war, die sie schon in der

Die 30-Jährige lächelt wieder, das Ergebnis des Gelato Festivals

Kindheit infiziert hatte, die dann lange im Verborgenen schlummer-

auf dem Alexanderplatz am Wochenende zuvor nennt sie sportlich.

te und wieder ausbrach, als sie während ihres Studiums in einem

„Juryurteile sind wie Schiedsrichterentscheidungen“, sagt Karolina

Eiscafé jobbte. Richtig gutes Eis, ohne industrielle Vorprodukte

Stich, „subjektiv, aber unumstößlich.“

handwerklich hergestellt, Eis das Schmelz, Dichte und Körper hat

Beim nächsten Festival wird sie wieder antreten. Jetzt drückt sie ihrer Kollegin Claudia Trotta aus Wernigerode für die Weltmeisterschaften erstmal beide Daumen.

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GARÇON

und geschmacklich off mainstream ist. Kein Durchschnittseis also. Sie startete ihr Unternehmen Selbstständigkeit mit einem Masterstudium in Entrepreneurship, machte einige Zeit in Soft-Eis und


Indian Summer GESCHMACKSSACHEN

lernte das nicht eben einfache Eismacher-Handwerk. „Für richtig

Karolina Stich ausweichend: „Gute Geräte sind teuer.“ Später erfah-

gutes Eis“, sagt sie, „braucht es eine perfekte Mischung aus Kre-

ren wir, dass ihre Eismaschine 27.000 Euro gekostet hat.

ativität, chemischer Expertise und handwerklicher Kunst.“ Als sie

Über 60 Sorten Milch- und Fruchteis hat sie im Programm – nicht

glaubte, der nahe genug zu sein, gründete sie ihre EisQueen GmbH.

immer alle, auch Eis hat Saison. Sie fertigt elf verschiedene Cock-

Das war vor vier Jahren.

tails am Stiel, zwei davon sind alkoholfrei, offeriert Eistorten und Eis-

Inzwischen hat sich Karolina Stich in ihrer kleinen Welt der kalten

pralinen, beliefert Hotels und Restaurants und bietet Eis-Caterings

Perfektion eingerichtet. Sie gehört zu jener Gruppe „echter Hand-

an. Und montags und mittwochs von 10.00 bis 18.00 Uhr gibt es

werker“, die ausschließlich mit hochwertigen, natürlichen Zutaten

auch einen Werksverkauf – kein Wunder, dass die leidenschaftliche

arbeiten – Haselnüsse beispielsweise bezieht sie aus dem Piemont,

Golferin ihr 54er Handicap bisher nicht verbessern konnte.

Zitronen von einer mallorquinischen Bio-Farm, Erdbeeren und Sanddorn aus Brandenburg – und auf künstliche Aromen völlig verzich-

EISQUEEN

ten. Pflanzenfett statt Butter und Sahne wie beim Industrieeis gang und gäbe – für die Eis-Queen ein absolutes No-Go. „Und auch die Eismaschine spielt eine wichtige Rolle“, fügt sie hinzu. Ihre kommt von TELME aus Italien, auf die schwört sie. Die Frage nach dem Preis des edelstählernen Aggregats beantwortet

Schichauweg 52 12304 Berlin-Marienfelde Tel. 0172 – 96 51 140 www.eisqueen.com

Köchin und Eismacherin Denise Tenchio.

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Wünsch Dir Mahl

Moritz Timm, 38, Geschäftsführer, Gründer von Wünsch Dir Mahl.

Caroline Paul, 36, Assistentin der Geschäftsführung, seit zwei Jahren bei Wünsch Dir Mahl.

Die Suppenschmiede von Müncheberg ZEHN JAHRE WÜNSCH DIR MAHL VON JÖRG TEUSCHER

Matthias Eichhorn, 36, Küchenmitarbeiter, seit zwei Jahren bei Wünsch Dir Mahl.

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GARÇON

Frank Ebert, 56, Küchenmitarbeiter, seit zwei Jahren bei Wünsch Dir Mahl.


Wünsch Dir Mahl GESCHMACKSSACHEN

Dietmar-Michael Stockmann, 58, Lagermitarbeiter, seit einem Jahr bei Wünsch Dir Mahl.

Andreas Schwarz, 54, Lagermitarbeiter, seit zwei Jahren bei Wünsch Dir Mahl.

Unsere veganen Bio-Premium Suppen und Eintöpfe werden nach einzigartigen authentischen Rezepturen in unserer Manufaktur von Hand gemacht. Besser geht es auch am eigenen Herd nicht. Wir verwenden vorwiegend heimische Rohstoffe und verfeinern mit exotischen Zutaten und Gewürzen. Alle unsere Produkte sind frei von raffiniertem Zucker, Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen. Wünsch Dir Mahl, WDM Bio & Fertigprodukte GmbH

Denny Schulze, 34, Lagermitarbeiter, seit fünf Jahren bei Wünsch Dir Mahl.

Marcel Bähr, 36, Lagermitarbeiter, seit vier Jahren bei Wünsch Dir Mahl.

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Wünsch Dir Mahl

„Die Suppe lügt“, nannte der Stuttgarter Autor Hans-Ulrich Grimm sein 1997 erschienenes und inzwischen zum Klassiker der modernen Nahrungskritik avanciertes Buch über den ganz normalen Wahnsinn der Lebensmittelchemie. Dass die Suppe lügt, daran hat sich bis heute nichts geändert – vielleicht in einigen Fällen nicht mehr ganz so dreist wie damals, aber auf keinen Fall weniger. Nun gibt es aber auch Suppen, die lügen nicht. Da ist zum Beispiel ein Bohneneintopf Brandenburger Art. Er enthält grüne Bohnen, Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, passierte Tomaten, Tomatenmark, Gemüsebrühe, Bohnenkraut, Knoblauch, Majoran, Salz und Pfeffer. Kein Milligramm Labor-Aroma – Leitsubstanz der modernen Lebensmittelproduktion – ist darin zu finden, kein Hefeextrakt, keine Konservierungsstoffe, nichts. Diese Suppe ist aus regionalen Zutaten einfach nur mitreißend bodenständig gekocht – allerdings nicht an einem heimischen Herd, wie man vermuten müsste, sondern in einer Produktionsstätte der

2009

Müncheberg im Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland.

2010

2012

WDM Bio & Fertigprodukte GmbH in der Brandenburger Kleinstadt Müncheberg. Das Kürzel WDM steht für Wünsch Dir Mahl und für eine inzwischen zehnjährige Erfolgsgeschichte. Sie beginnt damit, dass Moritz Timm und André Riediger, zwei Bremer Jungs, beide 38, Schul- und Studienfreunde, nach Abschluss ihres Agrarwissenschaftsstudiums „irgendwas im Biobereich“ machen wollten, „Anbau von Bio-Gemüse vielleicht.“ Doch als Absolventen mit nur geringen finanziellen Mitteln fanden sie kein erschwingliches Ackerland, von einer eigenen Bauernwirtschaft gar nicht zu reden. „Wenn nicht Anbau, dann Verarbeitung“, sagten sie sich und starteten eine Kooperation mit dem Eggersdorfer Demeter-Hof „Apfeltraum“, einem seit Anfang der 1990er Jahre biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betrieb mit Feldbau, Tierhaltung, Gärtnerei und Produkttest: Gründer und Geschäftsführer Moritz Timm und Mitarbeiterin Therese Gerlach.

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GARÇON

Imkerei. Timm erinnert sich noch gut daran, wie sie Suppenrezepte auskramten – „Suppen erschienen uns am einfachsten“ – Abend


Wünsch Dir Mahl GESCHMACKSSACHEN

für Abend in der Apfeltraum-Küche Gemüse schnippelten, kochten, würzten, abschmeckten, einweckten. Und tatsächlich für ihre veganen Kreationen – „an Fleisch haben wir uns nicht rangetraut“ – sogar Kunden fanden. „Dazu gehört mit Sicherheit eine ganz besondere Art von Euphorie, die manche wohl auch Unternehmergeist nennen“, sagt Moritz Timm heute. Sie gründeten Wünsch Dir Mahl, zogen 2013 in eine leerstehende Kneipe im nahen Müncheberg, stellten die ersten Mitarbeiter ein und stemmten die ersten großen Investitionen – einen Industrieautoklaven zum Einkochen und eine Etikettiermaschine. Bekannte, selbst Freunde, die am Anfang über die „Suppenschmiede von Müncheberg“ nur müde gelächelt hatten, zogen inzwischen den Hut. „Schlüssel des Erfolges sind für mich die Kreativität unseres Teams und unsere Qualitätsbesessenheit“, sagte schon vor einigen Jahren André Riediger, der seit dem Frühjahr nicht mehr im Unternehmen tätig ist, in einem Interview. Moritz Timm, nun allein an

Müncheberger Suppenküche.

2015

2016

2019

der Spitze von Wünsch Dir Mahl, bringt die Firmenphilosophie so auf den Punkt: „Lieber ein wirklich exzellentes Produkt als drei neue.“ Zwölf Mitarbeiter produzieren derzeit in der Müncheberger Manufaktur rund 5.000 Gläser täglich und auf einem hohen Geschmackslevel – neben Klassikern wie einer roten Linsensuppe auch neue Kreationen, etwa eine vegane Soljanka. „Und jetzt kommt die Süßkartoffel dran“, weist Wünsch-Dir-MahlChef Moritz Timm in die lichte Suppen-Zukunft. Also dann, auf die nächsten zehn Jahre! Vive la soupe! WDM BIO-FERTIGPRODUKTE Wasserstraße 10 15374 Müncheberg Tel. 033432 – 99 97 27 www.wdm.bio

Produktentwicklung: Die Köchinnen Carmen Ebert und Jeannine Wagner, v. re.

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Mira Arinto 2016

Anaïs Causse, 40, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften, merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei Feinkost-Lindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. 2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein. 2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den Onlineshop, aus „Maître Philippe“ wurde „Maître Philippe & Filles“ – ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen der Branche in Berlin zählt. Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten Spezereien und deren Produzenten.

MIRA ARINTO 2016, POR FAVOR VON ANAÏS CAUSSE Es ist mir ein Bedürfnis, mich an dieser Stelle und natürlich auch im Namen meines Vaters, meiner Schwester Noémie und aller Mitarbeiter von Maître Philippe et Filles für die Nominierung zum Berliner Kiezmeister 2019 zu bedanken. Danke der Jury der Berliner Meisterköche, danke aber vor allem unseren Kunden, deren Vertrauen einen solchen Erfolg letztlich erst möglich gemacht hat. So, das musste mal öffentlich gesagt werden. Und nun zu einem Wein, der super zu diesem Sommer passt: dem Mira Arinto 2016. Als der junge portugiesische Winzer Nuno Mira do Ó im Frühjahr 2017 auf einer Messe in Porto diesen Wein zum ersten Mal öffentlich präsentierte, waren sich die Kenner einig: So muss ein Arinto de Bucelas schmecken! Arinto ist übrigens eine autochthone Rebsorte, sozusagen das Aushängeschild des kleinen Weinbaugebietes nordöstlich von Lissabon namens Bucelas. Ich war damals gemeinsam mit meinem Vater in Porto – der Maître lobte die mineralische Frische, die fantastische Säure und die Komplexität des Weines, ich habe in meinen Verkostungsnotizen um den Namen Mira Arinto einfach ein Herz

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Mira Arinto 2016 GESCHMACKSSACHEN

AnaÏs Causse und Winzer Nuno Mira do Ó.

gemalt. Keine großen Worte: Von der Zunge direkt ins Herz. Nuno

Hier ist fast alles Handarbeit, eine typische „Garage-Winery“. Kein

hat das gesehen, gelächelt und mir dann gesagt: „Ich wollte mit mei-

Wunder, dass Nuno von seinem fantastischen Mira Arinto 2016 le-

nem Arinto vor allem das Terroir dieses Anbaugebietes herausstel-

diglich 3.500 Flaschen produziert hat.

len, den Lehm, den Kalkstein, den Atlantik – alles das macht einen Arinto de Bucelas aus.“ Nuno Mira do Ó gehört zu den jungen portugiesischen Winzern,

Der Winzer empfiehlt seinen Mira besonders zu gegrilltem Fisch, zu Krustentieren, Muscheln und Austern. Auch zu gereiften Bergoder kräftigen Weichkäsen passt er wunderbar.

die seit einigen Jahren immer nachdrücklicher auf sich aufmerksam machen. Nach seiner Ausbildung – Winzerlehre und Önolo-

MAÎTRE PHILIPPE ET FILLES

giestudium – und einigen Wanderjahren, arbeitete er in großen Weingütern seiner Heimat, sogenannten Quintas. Seit 2009 macht er eigene Weine, besitzt allerdings keine eigene Quinta, sondern lediglich einige Weinberge in verschiedenen Regionen Portugals, so eben auch im Bucelas-Gebiet.

Bucelas: Einer von Nunos beiden Weinbergen in der DOC-Region.

Emser Straße 42 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 — 88 68 36 10 www.maitrephilippe.de

Winzernachwuchs: Nunos Töchter Maria und Francisca, v. li.

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GESCHMACKSSACHEN Kostproben

NEXT ORGANIC 2019.

KOSTPROBEN Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils. Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwer-

399,-

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KANN STUNDENLANG MAHLEN! Motor 360 W 100 g feinstes Mehl pro Minute TOP QUALITÄT ZUM BESTEN PREIS. 40 Jahre Erfahrung im Mühlenbau stecken in der neuen Steinmühle von Wolfgang Mock: „So leise, so einfach bedienbar, so feines Mehl und noch dazu kann sie stundenlang mahlen. Das ist in dieser Preisklasse echt der Hammer!“ Quality made in Germany.

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ker, kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf zur Massenware der Lebensmittelindustrie besetzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, hausgemachte Liköre, Konser ven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware gleichen Namens, aber eben auch gesünder, natürlicher und geschmackvoller. Einige Kostproben dessen, was wir Mitte Mai auf der NEXT ORGANIC 2019 entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite.


Die niederösterreichische Gemeinde Gerasdorf nördlich von Wien macht seit einiger Zeit Schlagzeilen. Der Grund: Hier liegt das nördlichste Reisanbaugebiet der Welt, mit 20 Hektar allerdings auch das kleinste. Der junge Bauer Gregor Neumeyer hat sich für den sogenannten Trockenanbau entschieden – er flutet seine Felder also nicht und verhindert so das Entstehen des klimaschädlichen Treibhausgases Methan. Das Ergebnis: Österreis, ein Mittelkornreis, der leicht cremig kocht und für Risotto bestens geeignet ist.

Ajvar, als Würzmittel oder Brotaufstrich verwendbar, besteht traditionell lediglich aus roten Paprikaschoten, die solange sanft köcheln, bis eine homogene Masse entstanden ist, die dann nur noch mit Salz und Pfeffer gewürzt wird. In den Balkanländern, vor allem denen des ehemaligen Jugoslawiens, gilt Ajvar als nationale Delikatesse. Das Wiener Projekt BioBalkan importiert Ajvar aus Serbien und unterstützt damit Kleinbetriebe bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und bei der Umstellung auf Bio-Landbau.

Preis: 6,30 Euro / 450g LW-Betrieb Gregor Neumeyer Peter-Paul-Straße 42 A-2201 Gerasdorf Tel. +43 65 03 30 03 01 Online-Bestellung: www.oesterreis.at

Preis: 35,00 Euro / 6 Gläser à 200g Balkan Express Handels GmbH Lindengasse 56 A-1070 Wien Tel. +43 68 03 22 59 52 Online-Bestellung: www.biobalkan.info

Bohne zum Ersten. Seit 2015 bietet das Schweizer Start-up Edamama Nudeln aus Bio-Bohnen an. Die Gründer des jungen Smartfood-Unternehmens verweisen sowohl auf den ausgezeichneten Geschmack als auch auf das besondere Nährwertprofil ihrer Pasta-Sorten: Sie enthalten dreimal so viele Ballaststoffe wie Vollkornbrot und fünfmal weniger Kohlenhydrate als Weizenpasta. Derzeit plant Edamama eine Berliner Dependance, in der an Lösungen für den Ernährungsalltag der Zukunft gearbeitet werden soll.

Bohne zum Zweiten. Geröstete Ackerbohnen – ein fantastisch crunchiger Snack, fettarm und glutenfrei – hatte auf der NEXT ORGANIC Premiere. Cecilia Antoni, Kulturwirtin, Autorin und Bohnen-Bloggerin und die Köchin Anna Elsäßer, früher im Margaux tätig und inzwischen angehende Lebensmitteltechnikerin, arbeiten nun an seiner Markteinführung. Die beiden Frauen haben sich mit ihrem Start-up Bohnikat das Ziel gesetzt, heimischen Hülsenfrüchten mehr kulinarisches Renommee zu verschaffen. Wir sind gespannt.

Preis: 3,95 Euro / 200g Edamama GmbH Birkenstraße 22 10559 Berlin-Tiergarten Tel. 030 – 20 96 900 Online-Bestellung: www.edamama.de

Bohnikat Gipsstraße 7 10119 Berlin-Mitte Tel. 0176 – 23 33 26 23 www.bohnikat.de Blog: www.beanbeat.de


KOPFSALAT Herbert Beltle

Herbert Beltle mit seiner Frau Gergana und Tochter Marina.

Servus, Aigner! HERBERT BELTLES GENUSSWELTEN – EIN GESPRÄCH Kürzlich veröffentlichte GQ Germany, ein Hochglanzmagazin für

den GQ- Kriterien zu bleiben – schon Stars und Sternchen aus aller

Männer, die auf Savile-Row-Anzüge, Turnbull-&-Asser-Hemden

Welt und jeder Profession dinierten als etwa das Grill Royal noch

und John-Lobb-Schuhe stehen, eine ultimative Bestenliste: Die

ein Plattenbau-Keller war und zweitens, weil er ein Mann ist, der in

coolsten Gastronomen Deutschlands. Das Attribut definierten die

sich alle gastfreundlichen Tugenden seines Metiers vereint: unauf-

Münchner Ranking-Redakteure gleich vorab: „Cool sind jene Gast-

dringlicher Charme, weltläufige Gelassenheit, souveräne Flexibili-

geber, bei denen man sich einfach immer wohlfühlt.“

tät. Einer, der jedem Gast ein VIP-Gefühl verleiht.

Unter den dann folgenden 50 sind immerhin zwölf Berliner: Ivan

Beltle, Kochlehre in Oberstdorf, Stationen in London, Genf,

Arzou, Ludwig Cramer-Klett, Moritz Estermann, Heinz Gindullis,

Cannes und St. Moritz, Absolvent der Hotelfachschule in Heidel-

Stephan Landwehr, Roland Mary, Dieter Meier, Boris Radczun, Tim

berg, Souschef im Kempinski Berlin und Küchenchef im Arabella

Raue, Willi Schlögl, The Duc Ngo, Michael Würthle. Congrats, sagt

München, eröffnete 1988 das Alte Zollhaus, 1999 das Aigner am

man wohl bei GQ.

Gendarmenmarkt und zehn Jahre später – aller guten Dinge sind

Wir würden zwar nie und nimmer auf die Idee kommen, eine

bei ihm drei – die Rôtisserie Weingrün an der Gertraudenbrücke.

solche Liste aufzustellen (weil wir mit Kategorien wie Coolness-

Seit 2004 ist er zudem Besitzer des Weinguts Horcher im pfälzi-

faktor oder Promiquote nicht viel anfangen können) – aber wären

schen Kallstadt an der Deutschen Weinstraße.

wir gefragt worden – wir hätten auf jeden Fall den Namen Herbert Beltles genannt. Erstens, weil in seinen Restaurants – um mal bei

72

GARÇON

Wir sprachen mit dem erfolgreichen Gastronomen über Neuigkeiten, die nun im Hause Beltle anstehen.


Herbert Beltle KOPFSALAT

Genau den. Und ich habe ein Zitat von Pater Anselm gefunden, in dem er über das Alter spricht. Darf ich es Ihnen vorlesen? Gerne. Also, er sagt: ‚Altwerden bedeutet, milder zu werden, die Früchte des Lebens zu genießen. Aber Altwerden bedeutet auch loszulassen. Man darf nicht krampfhaft versuchen, im Mittelpunkt zu stehen. Das ist krankhaft. Man hat im Alter eine andere Qualität von Kraft, man muss sich nicht unter Druck setzen.‘ Seine Sicht auf die Tatsachen des Lebens hat mir jedenfalls geholfen, die, wie ich finde, richtige Entscheidung zu treffen. Und außerdem bleibe ich ja dem Aigner freundschaftlich und geschäftlich verbunden. Inwiefern? Die neuen Inhaber und ich haben vereinbart, dass auch in Zukunft im Aigner die Horcher-Weine ausgeschenkt werden. Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Herr Beltle? Das Aigner am Gendarmenmarkt.

Dürfen Sie, ist ja kein Geheimnis. Ich bin Jahrgang 1957 und habe am 25. Juli meinen 62. Geburtstag gefeiert.

Herr Beltle, man hört und konnte es auch schon lesen, dass Sie

1988 sind Sie mit dem Alten Zollhaus in die Selbstständigkeit

das Aigner schließen. Weshalb?

gestartet. Der FEINSCHMECKER spricht vom Gastro-Klassiker

Sorry, aber da sind schon zwei Fakenews in Ihrer Frage. Ich ver-

am Landwehrkanal und der Slow-Food-Genussführer lobt die

lasse das Aigner, aber ich schließe es nicht. Das Restaurant bleibt

verlässliche Qualität der kulinarischen Offerten und das schöne

auch nach meinem Ausscheiden geöffnet, mit gleichem Namen

Ambiente. Dabei bleibt’s?

und gleichem Interieur. Und auch der langjährige Küchenchef And-

Was die Qualität unseres kulinarischen Angebots betrifft, auf jeden

reas Klitsch bleibt im Haus.

Fall. Ansonsten gibt es schon einige Änderungen. Wir werden das

Also – lediglich der Inhaber wechselt. Die Hotelcompany, die das

Zollhaus im Januar und Februar 2020 schließen, um einen umfang-

jetzige Sofitel Berlin am Gendarmenmarkt übernimmt, wird ab

reichen Umbau vorzunehmen. Die Küche, die nun schon dreißig

September 2019 auch das Aigner betreiben. Der Vertrag ist unter-

Jahre auf dem Buckel hat, wird komplett neu gestaltet, ebenso der

schrieben, am 15. 8. ist definitiv Schluss mit dem Kapitel Aigner by

Buffetbereich und die Toiletten. Im vorderen Teil des Gasthauses

Herbert Beltle.

werden wir eine kleine Weinbar einrichten, lediglich die Schmugg-

Eine Entscheidung, die Ihnen sicher nicht leicht gefallen ist.

lerscheune als Veranstaltungsort in der ersten Etage bleibt so, wie

Natürlich nicht. Seit der Eröffnung 1999 war das Aigner eine Er-

sie ist, sie braucht ein bisschen Patina. Ab 1. März 2020 gibt es

folgsgeschichte, die vor allem von unseren Gästen geschrieben

dann ein neues Altes Zollhaus.

wurde. Zu dieser Story gehören unendlich viele Promis aus Politik und Showbiz ebenso wie ganz normale Berliner, die einmal im Monat etwa zum Tafelspitz-Essen ins Aigner kamen. Dazu gehören Hochzeitsfeiern, Firmenfeste, Geburtstagspartys und natürlich auch das legendäre Silvester-Karpfenessen mit Freunden und Kollegen. Es waren jedenfalls ereignisreiche zwanzig Jahre. Natürlich wird jetzt von vielen die Frage nach dem Grund Ihres Ausscheidens gestellt. Das ist ja auch verständlich nach zwanzig Jahren. Ich kann nur immer wieder sagen: Einen besonderen Grund oder gar äußeren Zwang gab es jedenfalls nicht. Sondern? Eine ziemlich lange Phase des Nachdenkens. Übrigens: Kennen Sie Anselm Grün? Meinen Sie den Benediktinerpater aus der Abtei Münsterschwarzach in Unterfranken? Ja, ich habe sein Buch ‚Das Glück der Gelassenheit‘ gelesen.

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KOPFSALAT Herbert Beltle

Das Alte Zollhaus am Carl-Herz-Ufer in Kreuzberg.

Restaurantleiterin Christiane Dutschmann und Küchenchef Günter Beyer.

Auch mit neuem Kulinarik-Konzept?

Und: Ein Gläschen Wein muss sein…?

Nein, wir setzen auch in Zukunft auf unser bewährtes Gasthaus-

Korrekt. Sowohl in der Rôtisserie Weingrün in Mitte als auch im

konzept, in dessen Mittelpunkt die Berlin-Brandenburgische Küche

Alten Zollhaus schenken wir die umfangreiche Kollektion von Hor-

steht. Sie gehört zu unserer DNA. Außerdem wissen wir, dass es

cher-Weinen aus unseren Lagen Kreidkeller, Steinacker, Kobnert

viele Gäste gibt, die mit der stilisierten Kunstkost, die derzeit so

und Saumagen aus, vom hochwertigen Hauswein bis zum Premi-

überaus trendig ist, nicht viel anfangen können.

umgewächs aus den besten Lagen. Und nach dem Zollhaus-Umbau

Wir halten uns an die traditionellen heimischen Ressourcen und

wollen wir 2020 endlich das verwirklichen, was ein Schild schon

verwandeln sie in moderne Kreationen. Die Brandenburger Bau-

lange verspricht – es wird also im nächsten Jahr am Carl-Herz-

ernente aus dem Rohr und die Katalanische Creme sind gesetzt,

Ufer einen Weingarten geben, der den Namen wirklich verdient.

ebenso Aal grün, Königsberger Klopse, Hechtklößchen, Berliner

Da liegt viel Arbeit vor Ihnen.

Leber und Berliner Eisbein, das wir natürlich ausgelöst servieren,

Schon, aber ich bin ganz stressfrei. Wenn ich noch einen geeig-

mit grünem Erbspüree, Sauerkraut und Senfschaum. Vorstellen

neten 1. Souschef für das Zollhaus finde, bin ich total zufrieden.

kann ich mir auch die Wiederbelebung solcher alten Rezepte wie

Ist das ein Stellenangebot?

Gurken im Schlafrock, Karpfen in Bier oder den Gardestern – alle

Durchaus. Ich hoffe, Sie drucken es.

übrigens einst von Charles Tugend kreiert – Ende der 1920er Kü-

Keine Frage, wir werden es sogar hervorheben. Vielen Dank für

chendirektor des Berliner Kempinski-Restaurants.

das Gespräch, Herr Beltle.

Küche à la Altes Zollhaus: Aal grün…

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GARÇON

… und Leipziger Allerlei.


DIE LIEBE ZUM GAST VERBINDET, DER SCHÖNE STRAND AUCH – UND DAS MEER.

IH RE AUS Z E I T LI E GT S o N A H ! WELLNESS, YoGA & BEAUTY SpoRT, FREIZEIT & GENUSS AUF DER HALBINSEL FISCHLAND-DARß-ZINGST: Strandhotel Fischland & Strandhotel Dünenmeer, exklusive Ferienwohnungen & Häuser – mitten in der Natur eine außergewöhnliche Urlaubswelt am herrlichen Ostseestrand.

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KOPFSALAT Nazuna Berlin

NAZUNA なずな JAPANISCHE SCHOKOLADE MADE IN BERLIN

VON JÖRG TEUSCHER

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GARÇON


Nazuna Berlin KOPFSALAT

Tsuki Hasegawa und Sven Schumacher.

Am ersten Septemberwochenende (7. und 8. 9. 2019)

Leckereien an, fertigten Onigiri-Snacks und be-

findet in der Urania Berlins 1. JapanFoodFestival

stückten Bento-Boxen.

statt (www.japanfoodfestvial.berlin).

Drei Jahre später beschlossen sie, sich auf ihre

Tsuki Hasegawa und Sven Schumacher werden

manufakturell gefertigten Schokoladenspeziali-

allerdings nicht teilnehmen („Das Risiko, dass es

täten zu konzentrieren. Sie gaben den Laden auf,

an diesen Tagen noch zu warm ist und unsere Pro-

mieteten Produktions- und Lagerräume in Tempel-

dukte dann leiden, ist uns zu groß.“). Schade, denn

hof und offerierten fortan ihre Spezereien nur noch

die beiden repräsentieren seit Jahren Japans süße

im eigenen Online-Shop.

Seite in der deutschen Hauptstadt und sind eine

Der Name ihrer Unternehmung gibt Rätsel auf:

feste Größe in der lebensmittelproduzierenden ja-

Nazuna, zu deutsch Hirtentäschelkraut, ein fast

panischen Community.

auf jeder Wiese wachsender Kreuzblütler mit drei-

Bereits 2011 eröffneten sie ein Feinkostgeschäft

eckigen Samenkapseln, die eine Hirtentasche as-

in Prenzlauer Berg, boten handgemachte Schoko-

soziieren. Wieso ausgerechnet diese Pflanze als

laden, selbst produziertes Backwerk und andere

Namensgeber?

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KOPFSALAT Nazuna Berlin

„Von Weitem betrachtet, wirkt sie unscheinbar, aber aus der Nähe offenbart sie ihre ganze Schönheit“, erklärt Tsuki Hasegawa, „zudem ist sie widerstandsfähig und lässt sich nicht unterkriegen.“ Die 43-Jährige, die aus Kyōto stammt, dort Kunst studiert und Köchin gelernt hat, liebt diese Eigenschaften ebenso wie ihr alles Aufdringliche, Krawallige, Laute zuwider ist. Nazuna eben. Entsprechend schlicht ist das Design ihrer Verpackungen und entsprechend subtil der Geschmack der Schokoladenkreationen darin. Dafür ist Tsukis Partner Sven Schumacher zuständig, Jahrgang 1983, gebürtiger Randberliner aus Staaken, gelernter Koch und Konditor. „Wir produzieren drei Schokoladensorten mit typisch japanischen Geschmackbildern“, sagt er, „alle aus ausgesuchten Rohstoffen, ohne Sojalecithin und die in der Industrie bevorzugten Farb- und Geschmacksverstärker.“ Auch schräge Kombinationen, Japan-Spezialität aus Berlin: Nazuna-Baumkuchen.

etwa mit Speck oder Sellerie sind nicht sein Ding. „Das sollen andere machen“, erklärt Schumacher, der einst als Pâtissier in

Tim Raues Restaurant 44 tätig war und für seine Desserts viel Lob einheimste. „Damals haben wir zum Beispiel schon Basilikumschokolade hergestellt“, erinnert er sich und verweist damit so ganz nebenbei auf seine Erfahrungen mit der Aromatisierung von Kakao. Heute benutzt er dafür Matcha, Sesam und Yuzu. Den sündhaft teuren Saft der Zitrusfrucht beispielsweise bekommt er gefriergetrocknet aus Japan, kombiniert ihn mit feinster belgischer Vollmilchschokolade und gießt die Masse in mehreren Schichten bis zur Höhe einer Schokoladentafel in eine Form. „Nur so kann sich das Yuzu-Aroma am Gaumen bestmöglich entfalten, während die Schokolade auf der Zunge zergeht“, begründet der Chocolatier die aufwändige Handarbeit, bei der Sorgfalt das A und O ist. „Ganz besonders gilt das für die Arbeit mit Matcha“, fügt Sven Schumacher hinzu. Nazuna importiert die fein gemahlenen Blätter der ersten Pflückung der Grüntee-Pflanzen aus Uji. „Woher sonst?“, fragt Tsuki Hasegawa.

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Nazuna Berlin KOPFSALAT

Die 200.000-Einwohner-Stadt in der Präfektur Kyōto ist berühmt für Ihre Teekultur. Vor Jahrhunderten legten Zen-Mönche hier die ersten Teeplantagen Japans an, von denen es einige heute noch gibt. Es ist also kein Zufall, dass die besten Teehäuser des Landes den Grundstoff für das japanische Nationalgetränk am liebsten aus Uji beziehen. „Matcha ist ein Sensibelchen“, erläutert Sven Schumacher, „äußerst licht- und luftempfindlich. Man darf sich also bei der Verarbeitung keine Fehler erlauben, sonst sind die jadegrüne Farbe und der feine, süßlich-herbe Geschmack futsch.“ „Bei einem Einkaufspreis von 140 Euro pro Kilo wäre das ein Desaster“, fügt er dann noch hinzu. Den berühmten Uji-Matcha verwenden Tsuki Hasegawa und Sven Schumacher auch für eine zweite Nazuna-Spezialität – japanischen Baumkuchen. Baumkuchen? Tsuki Hasegawa lächelt, sie kennt diese Frage. „Ja“, erklärt sie, „er hat Japan schon vor

100 Jahren im Sturm erobert und gilt heute in meiner Heimat als eins der beliebtesten Konditoreiprodukte.“ Die Nazuna-Variante ist nicht rund, wie die meisten Baumkuchen, sondern rechteckig. „Unsere Version besteht aus zwölf Schichten“, erläutert Sven Schumacher, „die einzeln von Hand aufgetragen und im Salamander gebacken werden.“ Zum Schluss bekommen die akkurat geschnittenen Stücke einen Überzug aus Matcha-Kuvertüre und ein Branding: Nazuna. Das steht für edel, geschmackvoll, gut. NAZUNA Tempelhofer Damm 209 12099 Berlin-Tempelhof Tel. 0176 – 34 05 02 09 www.nazuna-berlin.com

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KOPFSALAT Nazuna Berlin

Karl Juchheim (1886–1945)

Elise Juchheim (1892–1971)

PS: Wie der Baumkuchen nach Japan kam…

lonialgebiet, das am 7. November 1914 kapitulierte. Juchheim und

Tatsächlich ist Baumkuchen in Japan allgegenwärtig. Es gibt ihn

seine Frau wurden als Kriegsgefangene nach Japan gebracht und

in Wakkanai im hohen Norden ebenso wie in der Hauptstadt Tokio

interniert.

und im südlichen Kagoshima. Und wenn Japaner über ihr Lieblingsbackwerk reden, dann hört sich das etwa so an: „Baumukuhhen“. Seine japanische Geschichte begann – genau genommen – im März 1903. Der 22-jährige Konditor Karl Juchheim aus Kaub am

Fünf Jahre später, im März 1919, präsentierte Karl Juchheim auf einer Ausstellung in Hiroshima, auf der Handwerksarbeit aus Gefangenenlagern gezeigt wurde, seinen Baumkuchen. Zeitungen berichteten, das Backwerk fand Anerkennung.

Rhein bestieg in Hamburg einen Überseedampfer mit dem Ziel

Juchheim entschloss sich, nach seiner Entlassung in Japan zu

Tsingtau, damals Hauptstadt des sogenannten „Deutschen Schutz-

bleiben. Er gründete 1921 in Yokohama eine Bäckerei, die jedoch

gebietes Kiautschou“, um dort zu arbeiten. Im Café eines Kaufhau-

zwei Jahre später, während des Kantō-Erdbebens zerstört wurde.

ses war der junge Zuckerbäcker für die Herstellung von Baumku-

Die Familie zog nach Kobe und baute dort einen neuen Betrieb

chen zuständig, deren Güte sich in Ostchina schnell herumsprach.

auf. Von hier aus trat der Baumkuchen dann seinen endgültigen

Juchheim beschloss, sich selbstständig zu machen.

Siegeszug durch Japan an. Das blieb auch nach dem Tod des Kon-

Er heiratete im Juli 1914 Elise Ahrendorf und eröffnete wenige

ditors am 15. August 1945 so.

Tage später in Tsingtau die Konditorei Juchheim. Doch das Glück

Juchheims Frau übernahm 1953 die Funktion einer Generaldi-

des jungen Paares währte nur kurz, im August brach der Erste

rektorin des inzwischen rein japanischen Unternehmens. Heute ist

Weltkrieg aus. Japanische Truppen belagerten das deutsche Ko-

die Juchheim Co. Ltd. eine im ganzen Land bekannte Großbäckerei.

20,87 Meter! Rekord! Der längste Baumkuchen der Welt, gebacken am 17. März 2019 in Hiroshima.

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Die Müsli-Mama KOPFSALAT

Die Müsli-Mama ANNA STIEGEMANN UND IHR GROßSTADTGRANOLA VON JÖRG TEUSCHER

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KOPFSALAT Die Müsli-Mama

Anna Stiegemann ist die „Müsli-Mama“ – der Titel stammt von ih-

„Mir war von Anfang an klar, dass ich ausschließlich Bio-Zutaten

rer vierjährigen Tochter Matilda.

verwenden werde, die – wenn irgend möglich – aus der Region

Sie selbst sieht sich eher als Müslisommelière. „Bevor ich mit

kommen sollten, dass ich auf Zucker, Palmöl, geschwefelte Tro-

meinen eigenen Kreationen an den Start gegangen bin, habe ich

ckenfrüchte und behandelte Nüsse ebenso verzichten werde wie

mich systematisch durch die europäische Müsliwelt probiert“, be-

auf alle exotischen Superfoods von Chia bis Quinoa, gar nicht zu

gründet die 38-Jährige, „und mich intensiv mit Zutaten und Zube-

reden von den diversen Aroma- und Konservierungsstoffen.“

reitungen beschäftigt. Kurze Pause, man merkt, sie hat Spaß bei

Als die Geschmackstests sie zufrieden stellten, entschied Anna

dem Gedanken, eine neue Berufsbezeichnung zu kreieren. „Warum

Stiegemann, dass das Müslimacherdasein ein erstrebenswertes

eigentlich nicht“, fährt sie fort, „schließlich gibt es Biersommeliers,

Lebensmodell sein könnte. 2018 gründete sie ihre Manufaktur (die

Brotsommeliers, Fleischsommeliers, sogar Wassersommeliers,

Bio-Zertifizierung folgte kurze Zeit später) und brachte unter dem

weshalb also keine Müslisommeliers?“

Markennamen „HaferZeit“ vier Müslisorten auf den Markt: Apfel-

Anna Stiegemann stammt aus dem Hessischen. Geboren in Gie-

Hanf, Ingwer-Chili, Masala-Curry und Mohn-Blaubeere.

ßen, aufgewachsen in Großen-Linden. Studium in Mainz, Kunstge-

Basis aller Kreationen sind Hafervollkornflocken, die sie aus der

schichte, Theaterwissenschaften. Der Liebe wegen zog sie 2009

Lüneburger Heide bezieht. „Hafer übrigens“, doziert sie, „ist in mei-

nach Berlin und begann während der Elternzeit ihre Müsliexperi-

nen Augen ein absolut unterschätztes Getreide, relativ glutenarm,

mente.

ballaststoffreich und mit hoher Nährstoffdichte ausgestattet.“

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Die Müsli-Mama KOPFSALAT

Je nach Sorte enthalten ihre Mischungen 55 bis 60 Prozent der

„Weil das auf Ihren Verpackungen steht?“ „Nein, weil gebackenes

ernährungsphysiologisch so wertvollen Hafervollkornflocken – der

Müsli so genannt wird, Granola oder Knuspermüsli.“

Rest, also 40 bis 45 Prozent, sind Nüsse, Saaten, Trockenfrüchte.

Und einmal im Fluss, spricht sie noch über den amerikanischen

Im Falle ihres Masala-Curry-Müslis beispielsweise Cashew-,

Gesundheitsapostel und späteren Erfinder der Corn Flakes, John

Kürbis- und Sonnenblumenkerne, Bockshornklee- und Goldleinsa-

Harvey Kellogg, der 1878 aus doppelt gebackenen Weizenkörnern

men, Buchweizen, getrocknete Aprikosen sowie Kokosraspeln und

ein Produkt herstellte, das er „Granola“ nannte – nachdem fünf-

Kokoschips. Dazu kommen Gewürze und als Süßungsmittel Aga-

zehn Jahre zuvor James Caleb Jackson gebackenes und zerbrö-

vendicksaft. „Rund 800 Gramm davon auf 10 Kilogramm Müsli“, so

seltes Vollkornmehl als „Granula“ auf den Markt gebracht hatte. Ja, Anna Stiegemann hat das Zeug zur Müslisommelière…

Anna Stiegemann. Das Ergebnis sind Müslis, die Biss haben, spannend auf der Zunge und nicht pappsüß sind, sondern schön feinherb. Und die nicht

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nur den ultimativen Morgenkick liefern, sondern sich auch als Zwischenmahlzeit irgendwann am Tag gut machen. „Wir reden zwar immer von Müsli“, sagt die Jungunternehmerin am Ende unseres Gesprächs, „aber vielleicht schreiben Sie doch besser Granola.“

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KOPFSALAT Wie geht's eigentlich..?

Wie geht's eigentlich..? THOMAS NEESER Der damals 36-Jährige hatte im Juni 2002

Die Einladung ins „Lorenz Adlon“ kündigte ein „Festival der Genüsse“ an. Die Küchenparty anlässlich des 10. Geburtstages des Gourmetrestaurants am 26. Februar 2010, auf der auch unser Foto auf dieser Seite entstand, hielt dieses Versprechen. Am Herd Marc Haeberlin, Karlheinz Hauser und Lorenz-Adlon-Küchenchef Thomas Neeser mit seiner Brigade; in der Patisserie Stephan Franz; im Service Boris Häbel und sein Team. 150 geladene Gäste waren sich einig: ein Abend der kulinarischen Superlative. Gleichzeitig – aber das spielte in den Gesprächen kaum eine Rolle – war es der Abschiedsabend des Gastgebers, der letzte Arbeitstag von Thomas Neeser.

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GEBOREN 12.April 1973 in Ochsenfurt/Unterfranken AUSBILDUNG Kochlehre im Maritim Hotel Würzburg BERUFLICHE STATIONEN Ente vom Lehel, Wiesbaden (Herbert Langendorf) Pfeffer und Salz, Viernheim (Peter Liebold) Michel Chabran, Pont de l´lsère (Michel Chabran) La Palme d´Or, Cannes (Christian Willier) Auberge d l´Ill, Illhaeusern (Marc Haeberlin) Lorenz Adlon, Berlin 2000 - 2002 Souschef (Karlheinz Hauser) 2002 - 2010 Chef de Cuisine HEUTE TÄTIG Chef de Cuisine, Les Saisons im Grand Hôtel du Lac, Vevey 1 Stern Michelin, 16 Punkte Gault&Millau Hotelkoch des Jahres 2015 in der Schweiz

die Nachfolge von Karlheinz Hauser als Küchenchef angetreten, den von seinem Vorgänger errungenen Michelin-Stern Jahr für Jahr verteidigt und das Restaurant in der Berliner Spitzengruppe etabliert. Dennoch taten sich die meisten Hauptstadtmedien schwer mit Neeser. Der gebürtige Unterfranke, aufgewachsen im 70-Einwohner-Dörfchen Burgerroth in der Nähe von Würzburg, galt als schüchterner Perfektionist, seine kulinarischen Kreationen trugen den Stempel „Traditionsküche“ – kein Wunder, dass es für ihn nie zum „Berliner Aufsteiger“, geschweige denn zum „Berliner Meisterkoch“ reichte.


Wie geht's eigentlich..? KOPFSALAT

ge Menüs, in denen er mit Vorliebe Ungewöhnliches kombiniert und die er komplex zubereitet“, so das Urteil der Kritiker, deren besonderes Lob Neesers Taubenzubereitung in einer mit Kakao aromatisierten Salzkruste sowie seiner Variation von Jakobsmuscheln und Périgordtrüffeln galt. Die Schweiz scheint für Ex-Berliner Küchenkünstler offenbar ein gutes Pflaster zu sein. Auch Heiko Nieder, einst Souschef in Kolja Kleebergs VAU und heute Küchenchef in der Zürcher Luxusherberge The Dolder Grand, wurde in diesem Jahr vom Schweizer Gault&Millau zum Koch des Jahres gewählt. Nieder und Neeser haben übrigens zweierlei gemeinsam: Erstens sind sie exzellente Köche und zweitens ausgesprochene Familienmenschen. Das zählt in der Schweiz viel – die Eidgenossenschaft ist nicht nur ein leistungsorientiertes, sondern auch ein familienfreundliches Land. Und so beschäftigen sich die meisten Berichte, die in der Schweiz über Nieder und Neeser geschrieben werden, auch mit dem Familienleben der Spitzenköche. „Haute gastronomie et vie de famille“, so überschrieb beispielsweise ein regionales Magazin, das in Thomas Neesers neuem Heimatort Blonay erscheint, ein Porträt des Sternekochs. Er könne es Vor gut neun Jahren wechselte Thomas Neeser in die Schweiz und

sich nicht vorstellen, noch einmal woanders zu leben, sagte er dem

übernahm die Küchenleitung des Gourmetrestaurants Les Saisons

Reporter, seine Frau und seine drei Kinder fühlten sich hier wohl,

im Grand Hôtel du Lac in Vevey. Die 20.000-Einwohner-Stadt, in

Blonay sei ihr Zuhause. Auf die Frage, ob er Berlin vermisse, ant-

der übrigens 1866 Henri Nestlé den gleichnamigen und heute welt-

wortete er: „Berlin war eine Station in meiner Karriere, die ich nicht

größten Lebensmittelkonzern gründete, liegt im Kanton Waadt, di-

missen möchte, aber vermissen, nein.“

rekt am Ufer des Genfer Sees. Hier fühlte sich Thomas Neeser schnell zu Hause, zumal er die französische Sprache, in der Westschweiz Amts- und Umgangssprache, schon damals perfekt beherrschte. 2011 erkochte er einen Michelin-Stern und 2015 – bisheriger Höhepunkt seiner Karriere – wurde er zum „Schweizer Hotelkoch des Jahres“ gewählt. „Der junge Deutsche konzipiert festlich-großzügi-

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Sternerestaurant Les Saisons im Grand Hôtel du Lac.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

SWISS LACHS SUPERFARM IM MISOX VON JÖRG TEUSCHER

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Schweiz KULINARISCHE EXKURSION

Diese Wahl war längst überfällig. Seit 1984 wird hierzulande vom Deutschen Angelfischverband (DAFV) dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) der „Fisch des Jahres“ gekürt. Mit diesem Akt weisen die organisierten Angler, Naturschützer und Sporttaucher auf die negativen Einflüsse etwa durch Abwasserbelastung oder Gewässerausbau für die jeweilige Fischart hin. Zum Fisch des Jahres 2019 wurde – wie gesagt längst überfällig – der Atlantische Lachs – zoologisch korrekte Bezeichnung Salmo salar – gewählt, der zwar zu den in Deutschland bekanntesten Fischarten zählt, dennoch aber vom Aussterben bedroht ist, weil menschliche Aktivitäten seine Lebensräume weitgehend zerstört haben. „Der Lachs ist ein anspruchsvoller Wanderfisch, der unverbaute und saubere Flüsse und Bäche braucht, um vom Meer, seinem Hauptlebensraum, in seine Laichgebiete zu kommen und sich dort erfolgreich fortpflanzen zu können. Damit der Fisch des Jahres bald wieder in größerer Anzahl durch Flüsse wie den Rhein schwimmen kann, müssen wir die Anzahl der Barrieren deutlich verringern und wirksame Auf- und Abstiegsanlagen errichten“, so Prof. Beate Jessel. Diese Forderung der BfN-Präsidentin hat natürlich nichts mit der Gier auf Lachs deutscher Verbraucher zu tun – die könnte auch bei sofortiger Wiederherstellung der aquatischen Lebensräume des Fisches nicht befriedigt werden. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Lachskonsum in Deutschland verdreifacht und beträgt derzeit drei Kilogramm pro Kopf und Jahr. Gedeckt wird der gigantische Bedarf vor allem aus internationalen Aquakulturen, die allerdings noch viel zu oft als Massentierhaltung unter Wasser zu einem ökologischen Desaster führen. „Aquakulturen sind gerade in ihrem industriellen Ausmaß eine ethisch, ökologisch und meist auch sozial höchst zweifelhafte Antwort auf Überfischung und Ernährungssicherung“, heißt es beispielsweise im Meeresatlas 2017, einem Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung und des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“. Die Wissenschaftler verweisen dabei auf den Einsatz von Antibiotika und anderer chemischer Keulen – vom sogenannten Hygienebad bis zu diversen Pestiziden – die das Wasser verunreinigen sowie auf dessen „Überdüngung“ durch Exkremente, Nahrungsreste und Kadaver und plädieren deshalb für einen ökologischen Betrieb von Aquakulturen. Ein Beispiel dafür, wie so etwas funktioniert, fanden wir im Schweizer Misox, einem Tal im Kanton Graubünden nördlich des San-Bernardino-Passes.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

Fast alle Autofahrer, die vor drei Jahren regelmäßig auf der A13 in der Ostschweiz unterwegs waren, spekulierten heftig darüber, was es wohl mit dieser riesigen Halle auf sich haben könnte, die da direkt neben der Autobahn in Höhe des Örtchens Lostallo gebaut wurde. Eishockey? Fußball? Reiten? Weit gefehlt. Erst als die mannshohen Schriftzüge SWISS LACHS an der Holzverkleidung der Hallenwände montiert wurden, ahnten die meisten: da passiert irgendetwas mit Fischen. Damit lagen sie richtig. Hier im Misox, einem Tal im südlichsten Zipfel des Kantons Graubünden, mitten in den Alpen also, war keine neue Sportstätte entstanden, sondern die erste Indoor-Lachsfarm der Schweiz. Sportlich war nur die Investitionssumme: rund 14 Millionen Schweizer Franken. „Preiswerter ist diese Art Aquakultur nicht zu haben“, so Roland Herculeijns, „denn unser Anspruch war es, eine Anlage zu bauen, die so ökologisch und nachhaltig wie nur irgend möglich arbeitet.“

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Schweiz KULINARISCHE EXKURSION

Vertriebsdirektor Ronald Herculeijns und Farmmanager Thomas Hofmann, v.li.

Herculeijns, 50, ist Holländer, studierte in St. Gallen Betriebswirt-

Die beiden Unternehmer fanden in Lostallo einen geeigneten

schaftslehre und war sein halbes Leben in der Lebensmittelbran-

Standort, stemmten mit Hilfe einer großen Bank die Finanzierung,

che tätig, zuletzt als Verkaufsleiter der Moët Hennessy Suisse SA.

die lokale Bürgerversammlung gab ein Jahr später grünes Licht –

Wie kommt man nun vom Champagner ausgerechnet zum Lachs?

das Projekt konnte starten.

„Irgendwann vor sechs Jahren erzählte mir mein Freund Juli-

Wenn Roland Herculeijns heute durch die Lachsfarm führt und

an Connor von einer BBC-Reportage, die über das konventionelle

erläutert, was hier geschieht, kommt der Aha-Effekt schnell. Das

Fischfarming in Norwegen, Chile und anderen Ländern und die dort

ringförmige Zuchtbecken beispielsweise, Herzstück der Anlage, ist

zum Teil herrschenden Zustände berichtete – vom Antibiotikaein-

32 Meter breit und fasst rund 4.500 Kubikmeter Wasser, das – so

satz bis zu den vielen Umweltproblemen, die eine Haltung in Netz-

der Manager – direkt aus der Moësa kommt, einem Bergflüsschen

käfigen im offenen Meer mit sich bringt. Und er konfrontierte mich

in der Nähe, und von herausragender Güte ist.

mit seiner Idee einer modernen, umweltgerechten Aquakultur, also einer geschlossenen Kreislaufanlage. Das überzeugte mich.“

Übrigens: Welchen Einfluss die Wasserqualität auf das Zuchtergebnis hat, zeigt sich am einprägsamsten beim Ora King Lachs, der

Connor, ein in Zürich lebender Engländer, der sein Geld viele

im kristallklaren Wasser der Marlborough Sounds im nördlichsten

Jahre lang als Stahlhändler verdient hatte, gründete im Mai 2013

Teil der Südinsel Neuseelands gezüchtet wird und dessen kräfti-

die Swiss Alpine Fish AG, und Herculeijns stieg als Geschäfts-

ges, stark marmoriertes Fleisch unter Spitzenköchen und Fein-

partner mit ein.

schmeckern als Nonplusultra der Lachszucht gilt.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

Neugierige Feinkosthändler: Christian Pfeifer und Julia Plangger aus St. Moritz (www.puralps.ch).

Erfahrener Praktikant: Rainer Stroppa, Saiblings- und Forellenzüchter aus dem Fürstentum Liechtenstein (www.forelle.li).

„Dem wollen wir nahekommen“, sagt Herkuleijns und zeigt ein Bild,

Nach zehn bis zwölf Monaten sind die Lachse ausgewachsen, also

das den Weg der Lachse in seiner Aquakultur veranschaulicht.

rund 80 Zentimeter lang und vier Kilogramm schwer und können

Die Fischeier beziehen die Schweizer Züchter aus Island, „aller zwei Monate werden rund 50.000 Stück geliefert.“ In speziellen

„geerntet“ werden, wie das in der Fachsprache heißt. Rund 600 Tonnen jährlich.

Bruthäusern schlüpfen die Larven, aus denen binnen eines Jahres

„John, bitte übernehmen Sie“, ruft Herkuleijns, und plötzlich

etwa 150 Gramm schwere Jungfische heranwachsen, die dann in

steht er neben uns: John Flett, 55, Schotte, der Räuchermeister des

die Hightec-Anlage umgesetzt werden.

Unternehmens und eine Berühmtheit seiner Branche. Er spricht

Eine künstliche Strömung sorgt dort dafür, dass die Fische in Bewegung kommen und nur langsam Fett ansetzen. Außerdem

dann lange über seine „Smokehouses“ und über die Kunst des Räucherns. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema…

gibt es – State of the Art in Sachen Nachhaltigkeit – eine Filter- und Wasseraufbereitungsanlage, darunter einen Bio-Filter mit Bakterienkulturen, die dafür sorgt, dass Fischkot und Futterreste effektiv ausgefiltert werden. Sie belasten dann die Umwelt nicht und werden zu Biogas verarbeitet. Und damit sich die Fische wie im Atlantik wähnen, simuliert eine speziell konstruierte Lichtanlage sowohl den hellen nordischen Sommer als auch den dunklen Winter.

Berühmter Lachsspezialist: John Flett, Räuchermeister aus Schottland.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

Andreas Caminada.

Casa Caminada STIPPVISITE IM GRAUBÜNDENER FÜRSTENAU VON JÖRG TEUSCHER

Das in Zürich erscheinende und jeglicher journalistischer Jubel-

Wichtigster Beleg dafür ist Caminadas Stiftung Fundaciun Uccelin,

Orgien unverdächtige Gastronomie-Magazin „Salz und Pfeffer“

die er vor vier Jahren ins Leben rief und hinter der sich ein einzig-

titelte in seiner 2019er Mai-Ausgabe ungewohnt überschwänglich:

artiges Förderprogramm für Koch- und Servicetalente verbirgt, das

„Andreas Caminada – Vorbild der Nation“.

nicht nur in der Schweizer Gastronomie Spuren hinterlässt.

Jede Wette, kein deutscher Food-Schreiber käme auf die Idee,

Auch die Casa Caminada ist ein Beispiel dafür, wie weit der Ho-

sagen wir mal – um in Berlin zu bleiben – Tim Raue oder Billy Wag-

rizont des Spitzenkochs reicht. Die Anfang Oktober 2018 eröffne-

ner verbal derart in den Himmel zu heben. Ist den Schweizer Kol-

te Dependance auf dem Schlossgelände entstand aus zwei alten

legen bei allem Stolz auf ihren dienstältesten und höchstdekorier-

Ställen, beherbergt zehn preiswerte Doppel- und Familienzimmer,

ten Küchenkünstler da ein bisschen viel Lobestinte aus der Feder

eine Dorfbeiz, in der Bündner Klassiker serviert werden, einen Ku-

geflossen? Deren Antwort: ein mildes Lächeln über eine offenbar

linarikkeller, der zu einem „Archiv regionaler Spezialitäten“ wach-

saublöde Frage.

sen soll sowie – Herzstück der Casa – eine Holzofenbäckerei mit

Sicher, der 42-jährige Bündner ist einer der weltbesten Köche –

angeschlossenem „Lädali“, in dem gegendtypische Lebensmittel

was in der Schweiz mindestens genauso viel, wenn nicht noch mehr

und natürlich frisches Brot angeboten werden. „Die Casa ist ein

zählt, ist allerdings die Tatsache, dass er weit über den Tellerrand

Treffpunkt für jedermann“, definiert Andreas Caminada, „ein kuli-

hinaus denkt und handelt. (Eine Eigenschaft, die bei deutschen

narischer Ort des Aufbruchs ohne Hemmschwellen.“

Spitzenköchen nur in wenigen Fällen so stark ausgeprägt ist.)

www.casacaminada.com

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Schweiz KULINARISCHE EXKURSION

Das Stammhaus: Schloss Schauenstein…

…tund gleich nebenan: Die Casa Caminada.

Bäcker Jan Gehr aus Tübingen…

… und seine Steinofen-Brote.

Bündner Klassiker in der „Dorfbeiz“…

… und die Gewürzsammlung im Kulinarik-Keller.

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

IL GUSTO TOSCANO CACCIUCCO ALLA LIVORNESE EINE KULINARISCHE SPURENSUCHE VON JÖRG TEUSCHER

„Die Toskana ist ein Lebensgefühl“, so wer-

Fleisch- und Fischküche ist und ohne das

ben Reiseführer für die norditalienische Re-

Olio extra vergine di oliva nicht auskommt,

gion. Sie preisen die landschaftliche Viel-

das zur Toskana gehört wie die Uffizien zu

falt des Landstrichs zwischen Apennin

Florenz.

und Tyrrhenischem Meer, heben die hoch-

Wir waren in Panzano und berichteten

prozentige Sonnengarantie hervor und

über die Bistecca alla fiorentina, das Mons-

die allgegenwärtigen Spuren vergangener

tersteak vom Chianinarind (Garçon Nr. 46),

Kulturen. Kein Wunder, dass es Tausende

besuchten in Gombitelli die Produzenten

jedes Jahr in die Toskana zieht und dass

des Prosciutto penitente, der monatelang

sie vielen Deutschen vertrauter ist als das

im Kastanienmehl reift und widmeten uns

Allgäu oder der Spreewald.

in Viareggio dem Cacciucco – nicht ohne

Weil Natur und Kultur allein aber nicht

den Hinweis darauf, dass die legendäre

satt machen, sind wir losgezogen, die tra-

Fischsuppe Dutzende Zubereitungsarten

ditionelle Küche der Toskana zu erkunden,

kennt (Garçon Nr. 51). In unserer Serie „Il

zu der aromatische Kräuter und knackiges

gusto toscano“ heute also noch einmal Cac-

Gemüse gehören, die aber vor allem eine

ciucco – Cacciucco alla Livornese.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Nun denn, Livorno also. Erinnerungen an die längst vergangene Region Toskana

Schulzeit und einen Deutschlehrer, der Hermann Hesse vergötterte

Provinz Livorno

und dessen Gedicht „Hafen von Livorno“ aufsagen ließ: „Die Sonne sank und war voll müder Glut,

57100 LIVORNO

der fernen Inselberge Linie schwand in Duft und Himmel. Und die schwere Flut des Meeres schlug in wunderlichen Takten

160.000 Einwohner Die am Tyrrhenischen Meer gelegene Hafenstadt ist geprägt vom größten Seehafen Italiens, in dem vor allem Container und Mineralöl umgeschlagen werden. Der historische Porto Medico ist heute Fährhafen und Ankerplatz von Kreuzfahrtschiffen. Der alte Stadtkern wurde im II. Weltkrieg zerstört und in den 1950ern modern wieder aufgebaut.

an meines dunklen Fischerbootes Rand.“ Poesie dieser Art lag uns damals nicht sonderlich, die Noten für das Pennäler-Gestammel dürften entsprechend gewesen sein. Die mit 160.000 Einwohner nach Florenz zweitgrößte Stadt der Toskana war einst ein römischer Warenumschlagplatz. Im 16. Jahrhundert ließen die Medici den Hafen und eine mächtige Festung errichten, die Sümpfe in der Umgebung trockenlegen und zwischen Livorno und Pisa einen schiffbaren Kanal ausheben. 200 Jahre lang erlebte die Stadt eine wirtschaftliche Blüte sondersglei-

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GARÇON


Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Der historische Porto Medico von Livorno.

chen, die erst 1865 zu welken begann, als Livorno das FreihafenPrivileg verlor. Die Bombenangriffe der US-Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg taten ein Übriges: Teile der Hafenanlagen und ganze Straßenzüge lagen 1945 in Schutt und Asche. Obwohl das Stadtzentrum in den 1950ern wieder aufgebaut wurde, die alte Pracht war dahin. Viele der schweren Schäden wurden nie ganz behoben. Heute gehört Livorno zu den wichtigsten Industriezentren in Italien – Erdölverarbeitung, Autoteile, Schiffbau. Und obwohl das Gros der historischen Bausubstanz und damit viel alter Charme verloren ging, entwickelte sich auch der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Fast alle Gäste der Stadt begeben sich in Livorno auf die Suche nach der viel gerühmten Fischküche. Wer auf Seeigel-Tortellini und andere Gourmet-Pretiosen verzichten kann und „nur“ guten Cacciucco sucht, kommt zum Beispiel im Gran Duca auf seine Kosten.

Das Monimento ai Quattro Mori.

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Das Ristorante Gran Duca ist, ebenso wie das gleichnamige Hotel, in die historischen Livorneser Befestigungsanlagen hineingebaut. Der alte Fischereihafen liegt in Blickweite, und direkt vor dem Eingang steht eins der wichtigsten Wahrzeichen der Stadt, das Monimento ai Quattro Mori. Das im 16. Jahrhundert geschaffene Denkmal der Vier Mohren zeigt den Gründer von Livorno, Großherzog Ferdinand I., und zu dessen Füßen vier Bronzefiguren, die gefangene Piraten in Ketten darstellen (siehe Bild S. 97 Mitte). „Das Monument dokumentiert den Sieg der Flotte des Stephansordens über die der Korsaren vor 400 Jahren“, weiß Küchenchef Daniele Contini, ein gebürtiger Livorneser und dementsprechend stolz auf die Geschichte seiner Heimatstadt. Der 52-Jährige ist allerdings nicht nur mit deren Historie vertraut, sondern beherrscht natürlich auch die Zubereitung des Cacciucco alla Livornese aus dem EffEff. „Caratteristico, Classico, Cucinato con Cura e Competenza“, heißt es auf einer Urkunde in seinem Re-

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Toskana KULINARISCHE EXKURSION

staurant, die bestätigt, dass im Gran Duca der Cacciucco nicht nur aus fünf verschiedenen Fischsorten (entsprechend der fünf „C“ im Namen) gekocht wird, sondern dass die fünf „C“ hier auch für eine dem Wissen um das klassische Rezept verpflichtete sorgfältige Zubereitung stehen. Zur gedruckten Expertise gibt es noch eine verbale Ergänzung. Der wahre Cacciucco stamme natürlich aus Livorno, erfahren wir, nicht aus Viareggio oder irgendeinem anderen Ort am Meer. Continis Version des Traditionsgerichtes ist eher eine Art Ragout, reichlicher mit Knoblauch und Peperoncini gewürzt als beispielsweise der Cacciucco auf Viareggio-Art (s. Garcon Nr. 51). Außerdem schwört der Gran-Duca-Küchenchef auf das feste, schmackhafte Fleisch des im Mittelmeer recht häufig vorkommenden Gefleckten Katzenhais und auf einige würzig-aromatische Salbeiblätter. Dennoch, sorry Seniore Contini, wir bevorzugen den suppigeren Cacciucco viareggino.

RISTORANTE GRAN DUCA Piazza G. Micheli 18 57125 Livorno Tel. +39 0586 — 89 13 25 www.ristoranteilgranduca.it

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obstund Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Obst-, Gemüse- und Kräutersorten ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Von A wie

Dieter und Marcus Fuhrmann.

Artischocke bis Z wie Zitronengras. Wenn in Berlin oder Brandenburg die wei-

ern, heißt es bei den Küchenchefs dort

Für unser Magazin Garcon stellen die

ßen 7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem

meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

beiden Großhändler Dieter und Marcus

Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäu-

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichna-

ser, Kantinen oder Restaurants ansteu-

migen Fruchtgroßhandels und der Grand

Fuhrmann im Wechsel ihre Produkte vor. Heute: Jackfruit.

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB SUPERFOOD AUS FERNOST VON MARCUS FUHRMANN (W W W.DIETER-FUHRMANN.DE) Noch Mitte der 1980er Jahren erlebten Gäste, die vegetarisch essen wollten, in den meisten deutschen Restaurants ihr blaues Wunder. Wer Glück hatte, bekam Pommes mit Erbsen oder ein Omelett mit Pilzen. Für die meisten Vegetarier – in der Küchensprache „Foodkrüppel“ – hieß es allerdings: Beilagen essen und Sprüche ertragen. „Was ist das beste an einem vegetarischen Menü? Die Currywurst danach.“ Hahaha. Heute lacht über sowas keiner mehr. Die Zahl der Vegetarier in Deutschland hat sich seitdem verfünfzehnfacht und selbst die meisten Steakhäuser bieten vegetarische Gerichte an. Über acht Millionen Deutsche ernähren sich derzeit vegetarisch, hinzu kommen 900.000 Veganer und – so Schätzungen des Vegetarierbundes – eine riesige Gruppe von 42 Millionen Flexitariern, Teilzeitvegetariern also, die an drei oder mehr Tagen

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

in der Woche auf Fleisch verzichten. Diese Entwicklung beeinflusste nicht nur den Obst- und Gemüsemarkt positiv, sie verlangte auch nach immer neuen sogenannten Fleischersatzprodukten. Und hier kommt die Jackfruit ins Spiel. Sie stammt ursprünglich aus dem südlichen Indien, ist aber inzwischen in ganz Südostasien zu Hause, wächst an bis zu 25 Meter hohen, immergrünen Riesenbäumen, die zur Familie der Maulbeergewächse gehören, kann – je nach Sorte – bis zu einem Meter lang und 20 Kilogramm schwer werden (die schwerste jemals geerntete Jackfruit wog übrigens 42 Kilo) und gilt als größte Baumfrucht der Welt. Jackfruits enthalten besonders viel Stärke und einen hohen Anteil an Kalium, die Kerne sind reich an B-Vitaminen, Magnesium und Eisen – kein Wunder, dass die Früchte in ihren Herkunftsländern zu den Grundnahrungsmitteln gehören. Für die vegetarische Küche zählt besonders, dass das Fruchtfleisch noch unreifer Jackfruits – wird es gekocht – seinen süßlichen Geschmack verliert und eine faserige Konsistenz bekommt – fast wie Hähnchenfleisch. Genau das macht die Tropenfrucht zum einfachen und zudem gesunden Fleischersatz. Während Otto Normalverbraucher auf die inzwischen reichlich angebotenen Jackfruit-Konserven setzt, ordern Profiköche bei uns meist ganze Früchte.

Knapp 2.000 kulinarische Titel erscheinen derzeit jährlich in Deutschland – Kochbücher, Backbücher, Weinbücher, Genussbücher, Diätbücher. Kein Wunder, dass sich bei dieser Fülle Groß- und Kleinverlage häufig im selben Mainstream prügeln, etwa beim Trendthema Essen und Gesundheit. Deren lukrative Symbiose für den Kochbuchmarkt begann vor fünf, sechs Jahren – hunderte Orientierungs- und Lifestyle-Kompendien überschwemmen seitdem den Markt, eigentlich scheint alles gedruckt, was es zu sagen gibt. Dennoch entdecken umtriebige Autoren wie die Frankfurterin Sabrina Sue Daniels immer wieder Nischen. Die 39-Jährige, die nach dem Studium der Klassischen Archäologie und einer Ausbildung zur Fotografin sich dem Foodjournalismus zuwandte, hat sich beispielsweise mit einigem Erfolg der produktbezogenen Rezeptbücher angenommen. Die Ergebnisse dieser Arbeit im letzten Jahr: Kochen mit Quorn und Kochen mit Jackfruit, beides 80-Seiten-Heftchen mit übersichtlicher Gliederung, klarer Sprache und hohem Gebrauchswert. Während solche schwergewichtigen Bände wie „Täglich vegetarisch“ (Hugh Fearnley-Whittingstall) oder „Vegan Streetfood“ (Nadine Horn & Jörg Mayer) im Falle der Jackfruit nur jeweils ein Rezept bieten, bringt es Sabrina Sue Daniels gleich auf deren 35 – darunter solche Kreationen wie Spinat-JackfruitSmoothie und Avocado-Jackfruit-Salat, unsere beiden Favoriten. Sie sind übrigens auch ein Beweis dafür, dass die gesunde Baumfrucht nicht nur als Fleischersatz für Vegetarier herhalten muss, sondern, dass man sie zu so ziemlich allem verarbeiten kann – selbst die Kerne lassen sich mahlen, um aus dem Mehl Brot zu backen. Für Neulinge in der exotischen Welt des tropischen Maulbeergewächses liefert die Autorin knappe Erläuterungen: „Der Geschmack von reifer Jackfruit erinnert an einen Mix aus Ananas und Banane, daher eignet sie sich auch ganz hervorragend für andere Frucht-Gemüse-Kombinationen.“ Sabrina Sue Daniels Kochen mit Jackfruit 35 vegetarische und vegane Rezepte 1. Auflage 2018 riva Verlag München www.rivaverlag.de ISBN: 978-3-7423-0702-6

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Grand Hyatt Head Chef Holger Joost und VOX-Patissière Marie Gräbner.

Holger Joost, seit November 2017 Head Chef, also Küchendirektor

die Erzählung des Grand-Hyatt-Head-Chefs, in Sri Lanka, wo Joost

des Grand Hyatt Berlin, ist einer unserer besten Jackfruit-Kunden.

zwei Jahre lang für die kulinarischen Belange von fünf Häusern der

Das liegt vor allem daran, dass in der Fünf-Sterne-Luxusherberge

Uga-Escapes-Company zuständig war, einer einheimischen Betrei-

am Potsdamer Platz viele internationale Gäste absteigen, die – so

berin von Luxushotels.

Joost – „weit gereist sind, Jackfruitgerichte kennen und natürlich auch bei uns danach fragen.“

In diesem Gespräch erwähnte er die so genannte Honey Jackfruit, die „geschmacklich beste Sorte“, die ihm jemals untergekom-

Andererseits ist Holger Joost auch selbst ziemlich viel auf der

men sei. Trotz vieler Anfragen bei verschiedenen Lieferanten ist

Welt herumgekommen – Dubai, Sri Lanka, die Malediven – und hat

es uns allerdings nicht gelungen, diese, offenbar auch in ihren Her-

in diesen Ländern beruflich mit der Jackfruit seine Erfahrungen

kunftsregionen seltene Sorte, nach Berlin zu holen.

gemacht. Während eines Großmarkt-Besuches – eine ganze Reihe Berliner Küchenchefs kommen regelmäßig auf den Fruchthof, um sich über

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einige Bemerkungen über die derzeit viel diskutierte ökologische Sinnhaftigkeit solcher Importe wie der Jackfruit machen.

Neuheiten zu informieren – berichtete er über seine erste „Begeg-

Kürzlich las ich in der Hamburger ZEIT einen sehr interessanten

nung“ mit einer Jackfruit. Das war, ich erinnere mich noch gut an

Artikel von Francesco Giammarco, der zu diesem Problem schrieb:

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ls

Smart Too

for Chefs !

Jackfruit-Kreationen à la Grand Hyatt: Jackfruit-Burger…

„Einerseits hat es positive Auswirkungen auf den eigenen ökologischen Fußabdruck (und das eigene Gewissen), seinen Fleischkonsum zu reduzieren. Andererseits muss die Jackfrucht … eine relativ lange Reise antreten, bevor sie in Deutschland in den Regalen landet …

P R O B I E R LÖ F F E L

entsprechend hoch ist die CO2-Belastung.“ Wiederum für die Jackfruit spricht, dass der Baum äußerst robust und leicht zu kultivieren ist und zudem wenig Wasser benötigt – im Gegensatz etwa zur Avocado, einer anderen Trendfrucht. So gesehen ist die Jackfruit durchaus eine klimaresistente Alternative.

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… und Jackfruit-Gulasch mit buntem Gemüse.

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RUBRIKEN Marktnischen

tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte in Berlin – nicht nur vor Rathäu-

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

sern – die sich wachsender Beliebtheit er-

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-

freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-

rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

gründungsdokument vom 7. März 1232 wird

geschaffene Gendarmenmarkt die wich-

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER Hugo Estrela gehört zu den Neuen in der Kreuzberger Markthalle Neun. Seit Januar 2019 bietet der 36-jährige Portugiese hier jeden Samstag Delikatessen seiner Heimat an – keine Massenware aus den Lebensmittelfabriken von Lissabon oder Porto, sondern ausschließlich manufakturell hergestellte Spezialitäten der Algarve. Hier, in der südlichsten Region des Landes, wuchs Estrela auf, „hier wurde ich sozusagen kulinarisch sozialisiert“, sagt er. Vor neun Jahren kam der junge Mann nach Berlin, um an der Humboldt-Uni Europäische Ethnologie zu studieren – und merkte schnell, dass sowohl Portugal im Allgemeinen als auch die Algarve im Besonderen in der deutschen Hauptstadt kuObstbrände streben, anders als etwa der komplexe Whisky, nach möglichst reintönigen Aromen. Das gilt für den deutschen Kirsch ebenso wie für den portugiesischen Aguardente de Medronho, einen Algarve-Klassiker, der aus den wild wachsenden und in mühsamer

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Handarbeit gesammelten Früchten des Erdbeerbaums destilliert wird. Selten genug ist dieser feine Brand zu haben – lediglich einige Manufakturen der Serra algarviana und wenige Bauern mit der Lizenz zu seiner Herstellung bieten ihn an – für den Genuss zum Schluss.

linarisch kaum stattfinden. Und weil Hugo Estrela nicht zur Kategorie der Lamentierer, sondern zu der der Anpacker gehört, gründete er sein – wie er es nennt – Projekt „Sabores de Portu-


Marktnischen RUBRIKEN

Algarve-Spezialitäten in der Markthalle Neun in Kreuzberg.

Kulinarischer Algarve-Botschaftler: Hugo Estrela.

gal“ und begann, besondere Spezereien der Algarve nach Berlin zu holen: den Presunto de Porco Preto, einen aromatischen, luftgetrockneten Schinken; die ebenfalls aus dem Fleisch von Pata-Negra-Schweinen hergestellte würzige Chouriço Presunto; den intensiven, wilden Oregano aus der Serra de Monchique; das Flor de Sal aus dem Marschland von Castro Marim; den fantastischen Schafskäse Queijo de Ovelha; einige respektable Liköre und Craftbiere, Fischkonserven mit und ohne Gemüse, Olivenöl – und natürlich den berühmten Aguardente de Medronho (s. S. 104). „Das alkoholische Gesicht der Algarve“, nennt Hugo Estrela diesen Brand. Er erzählt dessen Geschichte, kennt seine Produzenten und sagt, dass er mit seinem Projekt zwar auch Geld verdienen möchte, vor allem aber die Lebensmittelmanufakturen seiner Region unterstützen will. Deshalb erscheint es durchaus angemessen, Hugo Estrela, den Neuen in der Kreuzberger Markthalle Neun, einen kulinarischen Algarve-Botschafter zu nennen.

Queijo de Ovelha, ein kräftiger Schafskäse.

www.marafado.berlin

Chouriço Presunto, die berühmte Wurst vom schwarzen Schwein.

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen

„Trotz Internet und Fernsehküche – Koch-

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-

bücher werden immer ein Kulturgut blei-

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-

ben“, davon sind Johannes Mohr und Swen

treiben seitdem in einem restaurierten

chern aus vergangenen Zeiten und notie-

Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

ren, was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

Berliner Küche Ein prosaisches Kapitel, poetisch verbrämt zusammengestellt von Felix Henseleit Verlag Ullstein, Berlin, 1959 Sonderdruck für Freunde des Hauses Ullstein Mit 41 Abbildungen, fünf Speisekarten und zwei Umschlagbildern Gesamtherstellung Ullsteinhaus, Tempelhof Preis (antiquarisch): 10,00 Euro

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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN

Auf die Frage nach typischen Gerichten der Berliner Küche käme kein Mensch unseres Alters auf die Idee, irgendein aktuelles Trendfood zu nennen – im Gegensatz zur Generation Youtube, die (wie eine kürzlich veröffentlichte Umfrage bewies) Kimchi und Co. für weit berlintypischer hält als Aal grün, Berliner Leber, Falschen Hasen, Strammen Max oder ähnliche Instagramuntaugliche Zubereitungen. „Wer will sowas denn heute noch?“, kommentierte der Sohn einer Freundin – immerhin Kochlehrling – unsere Aufzählung von Berlin-Klassikern. „Fettreich und fleischlastig, das ist eben out.“ Sicher ist Alexander von Humboldt (1769–1859)

da was dran, aber wir meinen auch, dass Traditionsgerichte durchaus als Basislager für kulinarische Abenteuer dienen könnten

licher Oberhofgärtner am Großen Garten

– doch das nur am Rande.

in Hannover-Herrenhausen: „Als ich Anno

Dass es in der meist arg verteufelten

1846 im Treib- und Gemüserevier in Sans-

Berliner Küche nicht nur fettreich und

souci die erste Gehülfenstelle bekleidete,

fleischlastig zuging, beweisen die von Fe-

war ich angewiesen, während vier Wochen

lix Henseleit für den Sonderdruck des Ull-

im Mai nachfolgende Kräuter zu gleichen

stein-Verlages zusammengetragenen Re-

Teilen täglich zu sammeln und in die König-

zepte. Da gibt es gefüllten Hecht, Gurken

liche Küche abzuliefern, welche für Alexan-

im Schlafrock, Halbgefrorenes vom Selle-

der von Humboldt zu einer Kräutersuppe

rie und – ein Gericht, das uns besonders

dienen sollten: Gundermann, Schafgarbe,

interessierte – die Kräutersuppe Alexan-

Pimpinelle, Tripmadame, Brunnenkresse,

der von Humboldts. Überliefert wurde es

Gartenkresse, Gänseblümchen, Waldmeis-

von William Heinrich Adolf Tatter, König-

ter, Sauerampfer, Portulack, Kärbel.“ Schade eigentlich, dass der Versuch, Humboldts Kräutersuppe heute nachzukochen – etwa aus Anlass des 250. Geburtstages des großen Naturforschers – meist zum Scheitern verurteilt sein dürfte, weil die Beschaffung der verschiedenen Kräuter schlicht zur Odyssee gerät. Supermärkte führen eh nur ein standardisiertes Angebot, aber auch auf Berliner Wochenmärkten folgt der Frage etwa nach dem säuerlichen Dickblattgewächs Tripmadam oder nach der vitaminreichen Pimpinelle lediglich ein Kopfschütteln. Was Alexander von Humboldt wohl dazu sagen würde? Vielleicht: „Kräuterarmes Deutsch-

William Heinrich Adolf Tatter (1823–1897)

land“. www.biblioteca-culinaria.de

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

eat!berlin-Chef Bernhard Moser, li. und Julien Diaz, Sternekoch aus Marseille.

GASTSPIEL

„Trophée Jeunes Talents“ als Hoffnungsträger der französischen

„Soliless und eat!berlin bringen französische Sterneköche nach

Küche ausgezeichnet. Ende Januar 2019 folgte der erste Michelin-

Berlin“, hieß es Anfang Mai 2019 in einer Presseaussendung. An-

Stern.

gekündigt wurden für die kommenden Monate die Spitzencuisini-

In der Kreuzberger Barkin’Kitchen servierte Diaz respektab-

ers Julien Diaz aus Marseille, Indra Carrillo aus Paris und Jérémy

le sechs Gänge – vom gegrillten Spargel, der mit getrocknetem

Czaplicki aus Bandol an der Côte d’Azur. „Alle drei stehen für eine

Brocciu (ein würziger korsischer Frischkäse) und Pinienasche

neue Generation von Sterneköchen in Frankreich, die weniger in

vermählt wurde über ein Risotto Acquerello mit Safran, Branden-

der Tradition verhaftet, sondern mehr dem Experiment verpflichtet

burger Honig und Zypressenöl bis zum Adlerfisch, einem Liebling

ist“, erklärte Olivier Lacourt.

der französischen Fischesser, der subtil mariniert und lediglich mit

Der seit vier Jahren in Berlin lebende Franzose betreibt die kuli-

Cedrat-Zitronen-Abrieb, Bottarga und ein paar Spritzern Olivenöl

narische Eventagentur Soliless (www.soliless.de) und hat das Pro-

auf die Teller kam. Das war summa summarum eine formidable

jekt gemeinsam mit seiner Pariser Kollegin Deborah Rudetzki, dort

Mittelmeerküche, ohne Pomp, dafür mit Stil und da und dort auch

ebenfalls Inhaberin einer Gastronomie-Agentur, organisiert.

mit einem Hauch von Avantgarde.

Erster Berlin-Gast war der 38-jährige Küchenchef Julien Diaz

Die Weinbegleitung übrigens besorgte eat!berlin-Chef Bernhard

aus Marseille, der in seiner Heimatstadt das Restaurant Saisons

Moser, der dann auch ein nachdenkenswertes Resümee zog: „Wir

betreibt. Diaz wurde 2018 vom Gault&Millau Frankreich mit der

wissen viel zu wenig über diese junge Garde in Frankreich.“

Eventorganisator Olivier Lacourt und Küchenchef Julien Diaz.

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On the road: Der Holycrab-Foodtruck.

STARTSCHUSS

kulinarischen Nutzung zuzuführen oder

„Holycrab! – würde das Ausrufezeichen

– weniger sperrig formuliert – aus dem

nicht schon zum Namen gehören, man

Amerikanischen Sumpfkrebs und der Chi-

müsste es permanent hinzufügen“, so der

nesischen Wollhandkrabbe geschmacks-

Schauspieler Michael Kind (Bild unten,

starkes Gourmet-Street-Food zuzuberei-

2. v. re.) über die kulinarische Offerte des

ten und es bei möglichst vielen Gelegen-

Berliner Start-ups beim ersten „Crabfeast“

heiten anzubieten.

des jungen Unternehmens Anfang Mai am Sage Beach in Kreuzberg.

Motto: From plague to plate. Dafür sind die drei Jungunternehmer nun mit ihrem

„Nun haben wir endlich die Konzeptions-

Crab-Truck in Berlin und Brandenburg

phase verlassen und sind in der Realisie-

unterwegs – der Premierenerfolg ihrer

rungsphase angekommen“, freute sich Lu-

Louisiana Crawfish Boils oder der Krab-

kas Bosch, gemeinsam mit Juliane Bublitz

ben-Dumplings beim Start-Event am Sage

und Andreas Michelus Gründer von Holy-

Beach dürfte den Gründern von Holycrab!

crab! Das Trio ist angetreten, sogenann-

Mut gemacht haben.

te invasive Tier- und Pflanzenarten einer

www.holycrab.berlin

EIT Z L E G R A P Die S r... ü T r e d r o steht v

Trebbiner Str. 69f 14547 Beelitz OT Zauchwitz Tel. 033204-63800 Email. info@syringhof.de

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Unter den Eröffnungsgästen: Prominenz aus Kultur und Politik.


BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

PERSONALIEN

► Günther Jauch, 63, Journalist, Modera-

► Titulierungen wie „Altmeister“ oder gar

tor, Produzent, Weingutsbesitzer und Win-

„gastronomisches Urgestein“ findet Harry

zer, ist nun auch unter die Gastronomen

Wolleschak – zumindest was seine Person

gegangen.

betrifft – absolut unpassend. Erstens sei er

Bereits vor drei Jahren kaufte der TV-

erst 53 und zweitens klinge das eben ziem-

Star die legendäre, 1914 erbaute und 1951

lich angestaubt. Also sagen wir: Harry Wol-

nach dem Schriftsteller Bernhard Keller-

leschak ist ein erfahrener Gastronom und

mann benannte Villa am Heiligen See in

ein gestandener Gastgeber.

Potsdam. Im April 2019 outete sich Jauch dann als Eigentümer des Anwesens im noblen Ortsteil Berliner Vorstadt und tat kund, dass nach Beendigung der denkmalgerechten Sanierung des Gebäudes im Haus auch wieder eine Gastronomie stattfinden wird, die im Herbst eröffnen soll und vom Berli-

Mauro Colagreco.

ner Sternekoch Tim Raue kuratiert wird – was auch immer das Mode-Verb in diesem

► Am letzten Junimontag wurde das Ge-

Zusammenhang bedeuten mag. Am Herd

heimnis gelüftet. „Best in world – Restaurant Mirazur – and – Mauro Colagreco“, verkündete ein logorrhoischer Moderator von der Bühne des Marina Bay Sands in Singapur. Beifallsstürme, Jubelorgien, Glitzerregen. Die bis zum Abwinken gesponserte

Harry, re. und Ernesto Wolleschak.

und unter Branchenprofis heftig umstritVon 1998 an machte der gebürtige Berliner

tene Weltrangliste der The World’s 50 Best

und gelernte Hotelfachmann mit seiner Ese-

Restaurants Academy hatte einen neuen

lin von A. zehn Jahre lang in Wilmersdorf Fu-

Anführer, dessen ohnehin nicht an Gäste-

rore, schaffte es sogar in den Gault&Millau

mangel leidendes Restaurant an der Côte

(2004-2006 mit 13 Punkten), zog später in

d’Azur mit seinem atemberaubenden Blick

die Zehlendorfer Königstraße weiter und

auf das Mittelmeer nun auf viele Monate

brachte es auch da mit bodenhaftenden Kü-

ausgebucht sein dürfte. Das garantiert ein

chenkoordinaten zu einigen Ehren.

Platz im Worldʼs-Best-Ranking auf jeden

Nach einem mehrjährigen Intermezzo in der geschlossenen Gesellschaft des feinen

Günther Jauch.

Fall, nicht nur der Nummer eins übrigens. Colagreco, 42, geboren in Argentinien –

Wannsee-Yachtclubs, lässt Wolleschak die

stehen wird Raue jedenfalls nicht, dafür hat

seine Eltern stammen aus Spanien und Ita-

Eselin von A. nun wieder auferstehen.

der umtriebige Gastro-Unternehmer seinen

lien – kam nach seiner Ausbildung in Bu-

langjährigen Souschef Christopher Wecker,

enos Aires 2001 nach Frankreich, arbeitete

26, auserkoren.

bei Bernard Loiseau, Alain Passard, Alain

Diesmal in der Schlossstraße 61 in Charlottenburg, dort, wo einst das Restaurant Lietzenburg und später Heinrichs Schloss-

Der soll mit seiner Brigade dem Verneh-

Ducasse und Guy Martin und eröffnete

heuriger ansässig waren (Eröffnung am

men nach das La-Soupe-Populaire-Konzept

2006 mit dem Mirazur in Menton nahe der

1. August).

wiederbeleben, mit dem Raue einst in der

italienischen Grenze sein eigenes Restau-

Berliner Bötzow-Brauerei Erfolge feierte.

rant. 2019 war das bisher erfolgreichste

Mit im Boot – Wolleschaks jüngerer Bruder Enrico und Küchenchef Lorenz Becker,

Wie auch immer – „es wird gut, es wird

Jahr für den Spitzenkoch. Der Guide Mi-

den wir zuletzt in Walter Schubers längst

casual und es wird ein großartiger Ort für

chelin verlieh ihm im Januar den dritten

verblichener Austeria Brasserie am Kurfürs-

kulinarischen Genuss mit einer familiären

Stern, nun folgte das Siegertreppchen bei

tendamm auf dem Schirm hatten.

Note und mit Herzlichkeit“, so Raue.

den 50 Best. Was kann da noch kommen?

www.dieeselin.de

www.villakellermann.de

www.mirazur.fr

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GARÇON


Guide GARCON

WEGWEISER FÜR ESSEN, TRINKEN & LEBENSART Den Garcon-Guide gibt es ab sofort auch online unter: guide.garcon24.de

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BEUMER & LUTUM

Bio-Handwerksbäckerei & Stehcafé, wochentags mittags leckere Suppen Winsstraße 34 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 – 441 20 54 Mo-Fr 7.00-19.00 Uhr Sa 7.00-14.00 Uhr www.beumer-lutum.de facebook.com/beumer.lutum

Schokolade & Salziges Pranlinenentwicklung, Firmengeschenke, feierliche Anlässe Kurse für Pralinenfreunde, Ambitionierte und Business Grolmanstraße 20 10623 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 31 38 330 Mo-Fr 10.00-18.00 Uhr Sa 10.00-14.00 Uh www.dubenkropp.com

BLOMEYER'S KÄSE HANABIRA

Japanische Lebensmittel & Feinkost Colbestraße 5 10247 Berlin-Friedrichshain Tel. 030 – 57 79 12 22 Mo-Do 11.00-18.00 Uhr Fr-Sa 11.00-19.00 Uhr www.hanabira.eu

BEUMER & LUTUM

Bio-Handwerksbäckerei & Café, wochentags Mittagstisch. Sa + So „Offene Backstube“ Hufelandstraße 9 10407 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 – 42 54 525 Mo-Fr 7.00-19.00 Uhr Sa 7.00-16.00 Uhr So 8.00-16.00 Uhr www.beumer-lutum.de facebook.com/beumer.lutum

Beeindruckende Auswahl an handgemachten, deutschen Käsespezialitäten Pestalozzistraße 54 A 10627 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 23 92 64 40 Di-Fr 12.00-19.00 Uhr Sa 10.00-17.00 Uhr www.facebook.com/blomeyers.kaese

GARÇON

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GARCON Guide

CHRISTA LUTUM BÄCKERMEISTERIN

Backwaren aus Roggen und Dinkel in Bio-Qualität, alle Brote und Gebäcke – weizenfrei und ohne Zusätze Giesebrechtstraße 22 10629 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 23 39 67 23 Di-So 8.00-18.30 Uhr www.christa-lutum.de

SARDINEN.BAR

Feinkostbistro speziell für ­Fischkonserven, französische ­Käsespezialitäten, ausgewählte ­Weine aus Portugal und Frankreich Grunewaldstraße 79 10823 Berlin-Schöneberg Tel. 030 – 58 84 41 70 Mo-Fr 16.00-23.30 Uhr Sa 12.00-23.30 Uhr www.sardinen.bar

BRASSERIE LE BON MORI

„Paris an der Spree“ Restaurant, Weinhandel und Feinkost Stresemannstraße 21 10963 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 25 29 12 46 Di-Fr 11.00-23.00 Uhr Sa 17.30-23.30 Uhr www.lebonmori.de

BEUMER & LUTUM

MAÎTRE PHILIPPE & FILLES

Berlins erste Adresse für traditionellen Käse, Fischkonserven, Feinkost und Wein aus Frankreich und Portugal – ein ­Paradies für Gourmets Emser Straße 42 10719 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 88 68 36 10 Mi-Fr 10.00-19.00 Uhr Sa 10.00-14.00 Uhr www.maitrephilippe.de

BEUMER & LUTUM

Bio-Handwerksbäckerei & Stehcafé, ­ Kaffee- und Teespezialitäten, ­wochentags ­Mittagstisch Zossener Straße 34 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 61 20 94 72 Mo-Fr 7.00-19.00 Uhr Sa 8.00-15.00 Uhr So 9.00-16.00 Uhr www.beumer-lutum.de facebook.com/beumer.lutum

Bio-Handwerksbäckerei & Café, ­wochentags Mittagstisch, ­ schöner Außenbereich Südstern, Körtestraße 36 10967 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 69 17 264 Mo-Fr 7.00-19.00 Uhr Sa 7.00-17.00 Uhr So 8.00-17.00 Uhr www.beumer-lutum.de facebook.com/beumer.lutum

BEUMER & LUTUM ELLINGTON HOTEL

Lässige Eleganz mitten in Berlin Nürnberger Straße 50-55 10789 Berlin-Schöneberg Tel. 030 – 68 31 50 www.ellington-hotel.com

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GARÇON

ÖLMÜHLE AN DER HAVEL Regionale Bio-Öle, eigene Tee- und Gewürzmischungen, Naturkosmetik Bergmannstraße 104 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 50 56 71 15 Mo-Sa 10.15-19.00 Uhr www.oelgenuss.de auch in Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 28

Bio-Handwerksbäckerei, Konditorei & Café, wochentags Mittagstisch Cuvrystraße 22 10997 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 61 23 119 Mo-Fr 7.00-18.30 Uhr Sa 7.00-13.30 Uhr So 8.00-13.30 Uhr www.beumer-lutum.de facebook.com/beumer.lutum


Guide GARCON

STRANDHOTEL FISCHLAND

MY DRAMS

JUNGBLUTH

FORELLENHOF ROTTSTOCK

Hotel im privaten Küstenwald mit SPA, Yoga und Sternerestaurant OSTSEELOUNGE Angebote für Kids & Teens Ernst-Moritz-Arndt-Straße 6 18347 Ostseebad Dierhagen Strand Tel. 03 82 26 – 520 www.strandhotel-fischland.de

Frische, regionale, kreative Küche überzeugend in Geschmack und Preis Lepsius Straße 63 12163 Berlin-Steglitz Tel. 030 – 79 78 96 05 Di-So 12.00-0.00 Uhr www.jungbluth-restaurant.de

Entdecken Sie neue und außergewöhnliche Whisk(e)ys mit uns. Wochenmarkt Kollwitzplatz 10435 Berlin-Prenzlauer Berg Sa 10.00-16.30 Uhr oder online unter www.mydrams.de Tel. 0176 – 83 00 25 62 hello@mydrams.com

Fisch... kaufen, angeln, räuchern, essen! Hofladen und Bistro Dorfstraße 26 A 14793 Gräben OT Rottstock Tel. 03 38 47 – 40 241 Di-So 10.00-18.00 Uhr www.forellenhof-rottstock.de

GÄRTNEREI SCHNELLES GRÜNZEUG

Fermentierte Gemüseraritäten, roh, probiotisch, köstlich, Anbau und Verarbeitung aus einer Hand! Dorow 9 18513 Grammendorf Tel. 03 83 34 – 28 30 60 www.schnelles-gruenzeug.de erhältlich unter shop.schnelles-gruenzeug.de

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KNUSPERMÜSLIMANUFAKTUR GOLDKÖRNER

Gesund aber mit Genuss, frisch geröstetes Bio Granola mit Chia-Samen und Kokosöl in außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen Finckensteinallee 1 12205 Berlin-Lichterfelde Mo, Di, Fr 10.00-18.00 Uhr Do 12.00-18.00 Uhr Sa 10.00-14.00 Uhr info@goldkoerner-berlin.de www.goldkoerner-berlin.de

STRANDHOTEL DÜNENMEER

Der Wohlfühlort für Erwachsene, bestes SPA in Meckl.-Vorpommern, Yoga, indiv. Ferienhäuser Birkenallee 20 18347 Ostseebad Dierhagen OT Neuhaus Tel. 03 82 26 – 50 10 www.duenenmeer.com

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GARCON-QUIZ

VERLAG UND REDAKTION Bild Art Media Verlag Inh. Yvonne Weinlich Marzahner Promenade 26 12679 Berlin Fon 030 - 28 86 79 70 Fax 030 - 28 86 79 69 info@bildart-verlag.de www.garcon24.de | facebook.de/garcon24 HERAUSGEBER Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) REDAKTION Petra Leonhardt (Leitung) Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer, Wolf-Dietrich Strobel Jessica Fiedler, Robert Holeschovsky, Pascal Wendt (Praktikanten). AUTOREN UND KOLUMNISTEN Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans ­Diener, Stephan Falke, D ­ ieter ­Fuhrmann, ­Marcus ­Fuhrmann, Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono, Johannes Mohr, Rafael Neitzsch, Jörg Teuscher, Thorsten Tonski. GRAFIK, ILLUSTRATIONEN UND LAYOUT Alexandra Kreft www.alexandrakreft.jimdo.com TITELBILD Marie Geißler www.mariegeissler.de

Vor 150 Jahren, am 15. Juli 1869, meldete

Wir wollen wissen, was der Reichstag da-

der französische Chemiker und pharma-

mals zur Kennzeichnung von Margarine

zeutische Assistent Hippolyte Mège Mou-

beschloss:

rès (Bild oben) ein butterähnliches Speisefett aus geschmolzenem Rindertalg, Milch, Wasser und zerkleinertem Kuheuter zum Patent an. Er nannte sein neues Produkt „beurre artificiel“. In Deutschland kam die Kunstbutter

A die Lilafärbung mit Rotkohl B die Verpackung in blauem Papier C den Verkauf in Würfelform

1874 unter dem Namen „Margarine“ an den Markt (nach dem griechischen Wort „mar-

Ihre Antwort bitte an:

garos“ = Perlmutt).

Bildart Media Verlag

Nach jahrelangem Kampf der Agrar- und Butterlobby gegen die Margarinefabrikanten („Berliner Butterkrieg“) trat im September 1897 ein Gesetz in Kraft, das den Handel mit dem Surrogat regeln sollte.

Redaktion GARÇON Marzahner Promenade 26 12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 26. September 2019. Die Gewinne werden per Post zugesandt.

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GARÇON

FOTOS Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garçon, The Ritz-Carlton Berlin / Ricarda Spiegel (2/S. 32 und S. 33 Mitte), The Ritz-Carlton Berlin / Jule Frommelt (1/S. 4 u., 8/S. 38 und S. 39), Myrna Oehlke privat (1/S. 48 o.), Matthias Genzen privat (1/S. 49 o.), AnaÏs Causse privat (1/S. 69 o.), Nuno Mira do Ó privat (2/S. 69 u.) Juchheim Group Kobe (1/S. 80 u.), Grand Hôtel du Lac, Vevey (2/S. 85 u.), Somedia AG / Südostschweiz (1/S. 92 o. re.), Rajesh Balouria (1/S. 101 o.), odisha360.com (1/S. 101 u.), Hannoversche Garten- und Obstbau-Zeitung 89, 1897 (1/S. 107 u. li.) FOTOS GUIDE www.bleiche.de (1/S. 111), Popcorn Bakery ­B erlin (1/S. 111), Hanabira (1/S. 111), AS-GASTRO GmbH/Lars Reßler Fotografie (1/S. 111), Beumer&Lutum/Magali Fuhs-Balster (5/S. 111-112), Maître Philippe/PWB Philipp Weber-Bertram (1/S. 112), Hotel Ellington/ Amin Akhtar (1/S. 112), 25 Teiche/BVLH/ Rosendahl (1/S. 113), Goldkörner/Patricja Zienterski (1/S. 113), Strandhotel Fischland (1/S. 113), Strandhotel Dünenmeer (1/S. 113), Olaf Schnelle (1/S. 113). ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Heiko Gralki, Henriette Jüngel anzeigen@bildart-verlag.de DRUCK www.pingoprint.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abon­ nement. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Ver­lages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Ver­vielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.




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