Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart

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AUSGABE NR. 53 | 2019 | 6 €

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART

OTTO | DINGSDUMS DUMPLINGS | VALE UN PECCATO | CHEZ BELMONDO GUDE | PAULINA NEGRETE | DAGMAR MA AS | PIMIENTOS DE PADRÓN


Dichter, Denker, dicke Bäuche. Brandenburger Kulturvielfalt erleben!

Das Jahresthema Jedes Jahr stellt pro agro die Angebote, die Produkte und die dahinter stehenden Menschen des ländlichen Raumes in einen wechselnden Fokus. 2019 heißt es »Dichter, Denker, dicke Bäuche. Brandenburger Kulturvielfalt erleben!«

Die Leitidee Im Mittelpunkt steht die Kulturvielfalt in unserer Region: Essen und Trinken, Genuss und Land(er)leben im Spiegel der Denker, Literaten, Musiker und weiterer Künstler einschließlich der gastronomischen Kunsthandwerker. Entdecken Sie Brandenburg kulturell, erleben Sie die Vielfalt – im Geschriebenen, beim Erforschen, beim Genuss!

René Klinkmüller – Konditormeister & Patissier in der Konditorei Klinkmüller

Kena Hüsers – Freie Redakteurin, Journalistin & Autorin

Jens Beiler – Koch, Brauer & Vordenker im Wohnstubenrestaurant Zickengang

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds

Für Brandenburgentdecker: www.proagro.de • www.brandenburger-landpartie.de


MISE EN PLACE

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Liebe Freunde, es gibt in unserer Branche Leistungen, denen mein ganz besonderer Respekt gilt. Unbedingt dazu gehört der jüngst erschienene Guide „Die besten Metzger Deutschlands“. 25 Mitarbeiter des Hamburger Gourmet-Magazins DER FEINSCHMECKER waren dafür monatelang unterwegs, inspizierten hunderte Metzgerläden, absolvierten ebenso viele anonyme Testkäufe und probierten sich schließlich durch wahre Berge hausgemachter Wurst- und Fleischspezialitäten. Ein immenser Aufwand für 210 Seiten im Handtaschen-

6. November – 22. Dezember Jeden Mittwoch ganztägig Entenbuffet

Jeden Donnerstag, 17–21 Uhr „Gans.Schön.Wild“-Buffet

Metzgerei Zimmermann, Filiale in Brück.

Format, von den Kosten eines solchen Projekts gar nicht zu reden. Bei aller Hochachtung sollte allerdings auch für diesen Guide gelten: Was drauf steht, muss auch drin sein. Konkret: Wenn „500 ERSTE ADRESSEN FÜR GENIESSER“ angekündigt werden, dann erwartet der geneigte Leser eben auch 500 erste Adressen und nicht 489 wie im vorliegenden Fall. So richtig seriös, finde ich, ist das nicht, oder? Ich will aber nicht nur kritteln, sondern habe auch einige Tipps parat. Die Metzgerei Sonnenschein in Wuppertal beispielsweise überzeugt vor allem mit erstklassigem Fleisch aus der Region (Wagyu aus dem Wuppertal, Duroc aus Mettmann) und der Tatsache, dass 95 Prozent aller Wurstspezialitäten aus eigener Herstellung stammen. Die Metzgerei Kopfmann in Titisee-Neustadt punktet mit eigener Schlachtung und Schwarzwälder Spezialitäten, die nach meinem Geschmack weit und breit ihresgleichen suchen. Und auch in Berlin und Brandenburg – die Bundesländer erscheinen mir mit 14 aufgeführten Metzgerhandwerksbetrieben ohnehin unterbewertet – gibt es eine Reihe weiterer Adressen, deren Besuch sich für

Freilandgänse & -enten aus eigener Aufzucht frisch geschlachtet oder tiefgefroren im Hofladen Im Restaurant LandWirt kross gebraten am offenen Kamin serviert Gans.Fix.Fertig für zu Hause mit Rotkohl, Grünkohl, Kartoffelklößen und feiner Soße. (Nur noch kurz im Ofen knusprig braten.) zur Abholung oder im Lieferservice zu Weihnachten

feinschmeckende Karnivoren durchaus lohnen dürfte. In Berlin sind das die Metzgereien Katerbow in Heiligensee (s. Seiten 62/63) und Görs in Hermsdorf, die zwar ein bisschen abseits der Mainstream-Routen liegen, aber durchaus Meisterliches bieten und in Brandenburg die Metzgerei Lehmann in Trebbin und – mein persönlicher Favorit – die Metzgerei Zimmermann in Görzke (s. Seiten 68/69), beide mit eigener Schlachtung, anschließender Warmfleischverarbeitung und dementsprechender Wurstqualität. Groß - Ziethener Weg 2 · 16766 Kremmen Tel: 033055 - 2080, Hofladen Mi – So 8 – 20 Uhr (Restaurant ab 11 Uhr)

Ihre Yvonne Weinlich info@bildart-verlag.de

www.spargelhof-kremmen.de


INHALT MISE EN PLACE TITEL Das kulinarische Kino 15 Jahre Biolüske – und nun? Aufbruch zur neuen Ufern!

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DingsDums Dumplings: Resteessen à la carte.

Das kulinarische Kino: 15 Jahre Biolüske – und nun?

GESCHMACKSSACHEN

LOKALTERMIN Otto – Das Restaurant

Die Perlen-Story 28

Vadim Otto Ursus Henselder:

Gutes von Gude

Nach Pop-up-Karriere nun sesshaft

DingsDums Dumplings

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Das kulinarische Dreieck

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Anaїs Causse empfiehlt:

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Kostproben

Paulina Negrete

Ella im Steigenberger am Kanzleramt

Die Alfajores-Bäckerin

Auf Heinz Horrmanns Spuren

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GARÇON

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KOPFSALAT

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Beumer & Lutum im Metropolenhaus

Chez Belmondo

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Ail rose de Lautrec

Eine Institution wird 25

Neue Restaurants

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Geschichte einer Kooperation

Lieblingstrattoria in Wilmersdorf

Maître Philippe et Filles

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Potsdamer Feinkosthändler im Trend

Resteessen à la carte

Vale un peccato

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Yana Steudels Spicy caviar

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Otto – Das Restaurant: In Prenzlauer Berg am Start.

Dagmar Maas Die Genusswerkstatt Nihon Mono

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Die Perlen-Story: Yana Steudels Spicy caviar.

Wie geht's eigentlich…?

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Doris Burneleit

399,-

UVP*

KULINARISCHE EXKURSION Schweiz | Graubünden

*unverbindliche Preisempfehlung

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Ein Besuch bei Rebecca Clopath in Lohn

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Gutes von Gude: Potsdamer Feinkosthändler im Trend.

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Pimientos de Padrón

Berliner Marktnischen

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Motor 360 W 100 g feinstes Mehl pro Minute

Anaveda am Mexikoplatz

Kulinarische Nachlese

KANN STUNDENLANG MAHLEN!

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In alten Kochbüchern geblättert

TOP QUALITÄT ZUM BESTEN PREIS.

BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

40 Jahre Erfahrung im Mühlenbau stecken in der neuen Steinmühle von Wolfgang Mock:

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„So leise, so einfach bedienbar, so feines Mehl und noch dazu kann sie stundenlang mahlen. Das ist in dieser Preisklasse echt der Hammer!“

Meisterköche 2019 | Käsemesse

Garcon-Quiz

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Impressum

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Dagmar Maas: Die Genusswerkstatt Nihon Mono.

Quality made in Germany.

mockmill.com WOLFGANG MOCK GMBH Habitzheimer Straße 14 · 64853 Otzberg, Germany info@mockmill.com · Tel. +49 6162-50 99 6-60



Das kulinarische Kino TITEL

Das Filmtheater „Der Spiegel“ in der Lichterfelder Drakestraße im Jahr 1955.

Welcher Streifen damals gezeigt wurde, das weiß sie nicht mehr,

bahn“, sagt sie, „die Linie 78, ich glaube vom Bahnhof Zoo über

aber dass Paul Hörbiger Ehrengast der Eröffnungsveranstaltung

Hindenburgdamm bis zur Lindenstraße, das Ticket kostete damals

des Filmtheaters „Der Spiegel“ im Herbst 1952 war, daran kann sie

15 Pfennige.“

sich erinnern. „Möglicherweise war es ‚Das Land des Lächelns‘,

Als der 188er in Sicht ist, verabschiedet sie sich, lächelnd über

sinniert sie, „vielleicht aber auch ‚Schwarzwaldmädel‘.“ „Im Alter

unser Staunen: „Einen guten Tag Ihnen, und die Tram fuhr übrigens

lässt das Gedächtnis leider nach“, fügt sie entschuldigend hinzu.

noch bis 1961.“ Damit lag sie allerdings nicht ganz richtig – die

Die 80-Jährige mit dem gepflegten Grauhaar, der sicher sündhaft teuren Designerbrille und dem Hightech-Rollator ist eine Zu-

Straßenbahnlinien in West-Berlin wurden erst Anfang Mai 1963 stillgelegt. Dennoch Dank für den Geschichtsexkurs.

fallsbekanntschaft an der Bushaltestelle Drakestraße/Ringstraße

Ein bisschen sehen wir jetzt die Drakestraße und das ehemalige

in Berlin-Lichterfelde. Sie wirft einen Blick auf unser vergilbtes

Kino, das einst im Stil der reduzierten Ästhetik der 1950er Jahre er-

Schwarzweißfoto. „Natürlich, hier fuhr auch mal eine Straßen-

baut wurde und dessentwegen wir hier sind, in einem neuen Licht.

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Rund 200 Filmtheater gab es Anfang der 1950er in West-Berlin. Eins der größten und bestausgestatteten, der Steglitzer TitaniaPalast, erlebte am 6. Juni 1951 ein Ereignis von großem Glanz und besonderer Tragweite: Nach einer mitreißenden Rede des damaligen Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter und der Vorführung von Alfred Hitchcocks „Rebecca“ eröffnete Alfred Bauer, Berliner Rechtsanwalt und Filmsachverständiger bei der britischen Militärregierung, die erste Berlinale. In den Folgejahren wechselten die Aufführungsorte – vom Titania-Palast zog das Festival ins Delphi an der Kantstraße und ins Capitol am Lehniner Platz. Später kamen der Gloria-Palast und die Filmbühne Wien, beide am Kurfürstendamm, der Zoo Palast sowie das Corso im Wedding zu Ehren, ein Grenzkino, in dem Ost-Berliner Karten für Berlinale-Filme zum Kurs 1:1 kaufen konnten. Kurt Rilk, Bauherr des Filmtheaters „Der Spiegel“ in der Drakestraße, hätte sein 625-Plätze-Haus, das bereits im Eröffnungsjahr 1952 für seine Architektur und Ausstattung mit Superlativen bedacht wurde, nur allzu gern in dieser Gruppe der cineastischen Branchen-Primusse etabliert. Doch die Festival-Leitung entschied sich gegen Lichterfelde als Berlinale-Ort. „Der Spiegel“ blieb ein Kiez-Kino und wurde 1973 Opfer des Kino-Sterbens in West-Berlin. Das Haus schloss und entging nur deshalb dem Abriss, weil ein Discounter es ausreichend geeignet fand, einen Lebensmittelmarkt einzurichten. Die real-Zeit dauerte 25 Jahre, denen ein sechsjähriger Leerstand folgte. 2004 schließlich übernahm der Unternehmer Frank Lüske das heruntergekommene Gebäude, beauftragte das Architekturbüro Kleyer & Koblitz mit der Sanierung und eröffnete noch im gleichen Jahr einen Biosupermarkt. 500 Quadratmeter Verkaufsfläche und ein Kochstudio auf der alten Zuschauertribüne setzten Maßstäbe. Fachleute lobten, „dass die Geschichte des Hauses nicht negiert wurde und das ehemalige Kino erkennbar erhalten blieb bzw. wieder zum Vorschein kam.“ 15 Jahre sind seitdem vergangen, erfolgreiche Jahre, in denen Biolüske zu einer Institution im Berliner Südwesten wurde. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Lüske, ohnehin kein Mann für Big Partys, verzichtete darauf, Jubiläum hin, Jubiläum her. Er verpasste seinem Supermarkt dafür ein neues Konzept. Äußeres Zeichen ist ein frischer Schriftzug über dem Eingang, aus Biolüske wurde Lüske. Bio adé oder was hat es damit auf sich? Garcon besuchte den Supermarktbetreiber und sein Team in Berlin-Lichterfelde.


Das kulinarische Kino TITEL

Das kulinarische Kino 15 JAHRE BIOLÜSKE – UND NUN? AUFBRUCH ZU NEUEN UFERN! VON JÖRG TEUSCHER

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TITEL Das kulinarische Kino

Obwohl schon jenseits der 50, wirkt er immer ein bisschen wie ein großer Junge. Typ Ryan Reynolds. Frank Lüske, leidenschaftlicher Fahrradfahrer und ebensolcher Familienmensch, Gründer und Inhaber des Lebensmittelmarktes in der Drakestraße, ganz in der Nähe der S-Bahnstation Lichterfelde West. Die in seiner Branche übliche exaltierte Freundlichkeit ist ebenso wenig sein Ding wie der verbreitete Hang zur Selbstdarstellung. Lüske ist als Gesprächspartner ungewöhnlich aufmerksam, kann gut zuhören und gibt sich viel Mühe, phrasenfreie Auskünfte zu geben. Der 51-Jährige stammt aus Lengerich im niedersächsischen Landkreis Emsland. Nach Abitur und Gärtnerlehre ging er für drei Jahre nach Irland, jobbte auf einer Ziegenfarm und zog einen florierenden Versandhandel für gewachste Wetterjacken auf. 1994 bis 1998 Gartenbaustudium in Geisenheim, 2001 Umzug nach Berlin, Arbeit in einem Bio-Markt in Prenzlauer Berg. Seit 2004 ist Frank Lüske selbstständig.

ELKE BRIEGER Marktleiterin / Produktscout Bevor die 61-jährige Westfälin ihre Lebensmittelleidenschaft zum Beruf machte, absolvierte sie eine Ausbildung zur Drogistin. Seit 14 Jahren bei Lüske.

MATTHIAS ROHDE Marktleiter / Sommelier Der 39-jährige Brandenburger kam nach Soziologieund Sozialarbeitsstudium in Potsdam und Berlin sowie einer Hotelfach-Ausbildung vor 15 Jahren zu Lüske.

GÜNTHER SCHRÖDER Ernährungswissenschaftler / Chef Molkereiprodukte Der Zwei-Meter-Mann, 57, gebürtiger Niedersachse, studierte Oecotrophologie in Mönchengladbach und ist, wie Rohde, Lüske-Mitarbeiter der ersten Stunde.

DENNIS HORSTICK Koch / Chef Fleisch und Wurst Fröhlich und fleischaffin – das ist Dennis Horstick, 23-jähriger Münsterländer aus Borken. Seit drei Jahren bei Lüske und Chef der Fleisch- und Wursttheke.

CHRISTIAN RATH Einzelhandelskaufmann / Chef Obst und Gemüse Der 38-Jährige stammt aus Potsdam, kam vor neun Jahren zu Lüske und kümmert sich in erster Linie um das umfangreiche Obst- und Gemüseangebot.

OLIVER HARRIS Koch / Chef Käse Der Engländer aus Hereford, 30, lebt seit acht Jahren in Berlin, heuerte im Januar 2019 bei Lüske an und ist für die 150-Positionen-Käseofferte zuständig.

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Das kulinarische Kino TITEL

ROBERT PNIOWER Koch Der gebürtige Berliner, 36, arbeitet seit fünf Jahren bei Lüske und ist aufgrund seiner Ausbildung im Fischund Fleischverkauf sowie im Kochstudio eine Bank.

MARTIN SIEGEL Koch Der 38-Jährige absolvierte seine Lehre im Restaurant Aigner am Gendarmenmarkt, kam im März 2018 zu Lüske und gilt als ausgewiesener Fischfachmann.

DAVID LUDWIG Koch Der Brandenburger, 36, Kochlehre in Baden-Württemberg und seit 2019 bei Lüske, wechselt zwischen Küchenherd im Café und Fleischtheke im Markt.

Linda Rohrer Minijobberin Die 19-jährige Berlinerin arbeitet seit dem Abi als Aushilfe bei Lüske. Das will sie natürlich nicht ewig bleiben – ihr Nahziel: ein Schauspielstudium.

SASCHA KLAWOHN Einzelhandelskaufmann / Chef Bistro Der Berliner, 29, Einzelhandelskaufmann, ist seit 2012 bei Lüske. Zuständig für Backwaren und Bistro-Offerten, aber auch mal hinter der Fleischtheke anzutreffen.

ANNE-KATRIN STAPF Marketingchefin Die 34-jährige Niedersächsin studierte Medienmanagement, kam 2018 zu Lüske und rockt seitdem sowohl die sozialen als auch die guten alten Analogmedien.

GERT MAZUREL „Der fliegende Holländer“ Gert Mazurel, 60, stammt aus Amsterdam, lebt seit 2008 in Berlin, betreibt eine kleine Kneipe und erledigt bei Lüske seit drei Jahren die meisten Transporte.

WAIS ROKHANI Auszubildender zum Einzelhandelskaufmann Der 23-jährige Afghanistan-Flüchtling kam 2016 nach Berlin, lernte Deutsch, absolvierte die Hauptschule, war Aushilfe und bekam nun die ersehnte Lehrstelle.

ILDIKO GALANDER Eventmanagerin Ob Kindergeburtstag oder Firmenfete – bei der 29-jährigen diplomierten Eventmanagerin ist jede Feier in den richtigen Händen. Seit zwei Jahren bei Lüske.

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Es muss am Alter liegen. Während der Busfahrt durch die nächtlichen Randbezirke – Rudow-Buckow-Marienfelde-Lichterfelde – kramen meine grauen Zellen einen 70er-Jahre-Song hervor. „Berlin erwacht um fünf Uhr morgens“ wollte Bob Telden uns damals weismachen. Das traf vielleicht auf Oberschöneweide und Siemensstadt zu, nie und nimmer aber auf den gutbürgerlichen Südwesten. Und das ist heute noch genauso. Die tagsüber nicht eben verkehrsarme Drakestraße wirkt selbst kurz vor sechs wie ausgestorben, das Leben beginnt hier zu einer christlicheren Zeit. Lediglich bei Lüske brennt schon Licht. Sascha Klawohn ist an diesem Tag die Nummer eins, also der erste im Haus. Der Chef des Bistros empfängt die Brot- und Backwarenlieferanten und ich frage mich, wie man so früh am Morgen schon so gut drauf sein kann. Die coolen Krusten kommen aus Bäckereien, in denen Sauerteig noch das Nonplusultra des Brotbackens ist, künstliche Triebmittel und Zusatzstoffe tabu sind und keine Kompromisse gemacht werden, was die Qualität betrifft: Beumer&Lutum, Fahland, Sironi, Tillmann, Vollkern, Wiener Brot, Zeit für Brot. Und für die Güte der Kuchen und Torten bürgen die Konditoreien Rabien in Steglitz, Wunderkuchen in Prenzlauer Berg und Suess Speisen in Kreuzberg. Während Sascha Klawohn die Backwarenregale bestückt – was heißt bestückt, während er Brot für Brot und Brötchen für Brötchen akkurat platziert – kommen weitere Lüske-Leute: Oliver Harris macht die Fleisch- und Käsetheke fit, Günther Schröder kümmert sich um die meterlangen Regale mit Milchprodukten. Man merkt, die Männer haben Spaß an ihrer Arbeit. „Ohne“, so Schröder, „brauchst du hier gar nicht erst anfangen.“ Später diktiert er mir noch den Satz in den Block, dass die klassischen Supermarktprinzipien – optimiertes Angebot, höchste Effizienz und niedrigste Kosten – schon bei der Gründung des Marktes vor 15 Jahren auf den Prüfstand und in Frage gestellt wurden. Worum geht es dann?, frage ich mich. Am Ende meines Besuches in der Drakestraße glaube ich, es zu wissen: um Kundenorientierung, Qualitätsbewusstsein, Servicementalität und Arbeitsfreude.


Freitags und samstags ist Fischtag bei Lüske. Robert Pniower und Martin Siegel bilden die Stammbesatzung des Fischwagens draußen vor der Tür. Beide Männer sind Köche – Pniower hat sein Handwerk bei Holger Zurbrüggen im Parkrestaurant des Steigenberger Hotels am Los-Angeles-Platz gelernt, Siegel stand bei Andreas Klitsch im Aigner am Gendarmenmarkt am Herd. „Da war noch Küchenhandwerk gefragt“, sagt Siegel und Pniower ergänzt: „Braten, dünsten, schmoren, pochieren, sautieren, Fonds kochen und Saucen ziehen, das hast du so lange gemacht, bis du´s drauf hattest.“ Auch wenn sie die Branche gewechselt haben, die Kunden profitieren natürlich von ihrem Wissen um Kochtechniken, Garzeiten und Würzmethoden. „Neben der Qualität der Ware ist die Kompetenz des Verkaufspersonals der beste Köder, damit die Kunden anbeißen“, notiere ich. Gut eine Stunde brauchen Robert Pniower und Martin Siegel, um die Fischtheke zu bestücken: Müritzzander, Ostseesteinbutt, Bachsaibling aus Mecklenburg-Vorpommern, Steinbeißer, Wildlachs, Wittling, Krusten- und Schalentiere, hausgebeizter Lachs in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen, Räucherware. Frisch, frischer, am frischesten. Martin Siegel bringt Afrikanischen Wels, der in einer Berliner Aquakultur aufwuchs und erklärt: „Das Unternehmen heißt TopFarmers GmbH, hat seinen Sitz im Landschaftspark Herzberge und betreibt dort sogenannte Aqua-Terra-Ponik-Anlagen, in denen Gemüse, Tropenfrüchte und eben diese Fische gezüchtet werden, ohne Antibiotika- und Hormoneinsatz übrigens.“ Solche Bezugsquellen liegen Frank Lüske und seinen Leuten besonders am Herzen. Das Unternehmen verzichtet auf den Kauf überfischter und solcher Arten wie den Nilbarsch, dessen Ansiedlung im ostafrikanischen Viktoriasee für eine ökologische Katastrophe sorgte und dessen Geschmack in Köchekreisen als „schnittfestes Wasser“ beschrieben wird. Während Martin Siegel mir seinen Rote-Bete-gebeizten Lachs aufschneidet, erläutert Robert Pniower einer jungen Frau die Zubereitung von Zanderbäckchen...


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Wann ein Gespräch mit ihm möglich sei, wollen wir wissen und machen die Bitte dringend. Er überhört es. Was viele Uhren erst zum Laufen bringt, vermeidet Frank Lüske, wo er nur kann: Unruhe. „Übermorgen, 11.15 Uhr“, sagt er schließlich, „bei Frau Lüske.“ Und fügt hinzu: „Am Karlplatz, gleich um die Ecke.“ Wir sind lange vor dem Termin am Treffpunkt. Der Karlplatz ist das Zentrum von Lichterfelde West. Ein Stadtteil von stiller Schönheit, Noblesse auf den ersten und den zweiten Blick. Großbürgerliche Stadtvillen, gepflegte Vorgärten, Namensschilder, die nicht aus dem Baumarkt stammen: F. R., S. W., Dr. K., vornehme Anonymität. In dieser feinen, an gastronomischen Ereignissen allerdings eher öden Gegend tut es gut, ein modernes, kulinarisch ambitioniertes Lokal vorzufinden. Als Frank Lüske und seine Frau Andrea (Bild S. 16 unten) vor fast fünf Jahren den Laden übernahmen, hatten sie eine Idee im Kopf, die sie konsequent umsetzten. So entstand eine Melange aus Kaffee- und Speisehaus, ein familien- und kinderfreundliches, chichifreies Nachbarschaftsrestaurant, das auf künstliche Patina und Disney-World-Accessoires verzichtet und auch sonst den Nerv der Leute trifft. Das Personal ist freundlich und adrett, die Karte liest sich spannend (Zanderfilet mit Oliven-Paprika-Kartoffelstampf, Lammhackbällchen mit Mangold, Reis und Kräuterjoghurt, AvocadoCiabatta, Lachs-Bagel, Wildschweinburger) und die Gerichte sind geschmacklich fein abgestimmt und perfekt zubereitet, vieles spontan kreativ, je nachdem, was grad‘ Schönes angeliefert wurde. Herrn Lüskes Markt lässt grüßen. Kein Wunder also, dass „Frau Lüske“ schnell zum beliebten Allzeit-Treffpunkt avancierte – geöffnet ist montags bis samstags von 9.00 – 23.00 Uhr und sonntags von 9.00 bis 18.00 Uhr. Frank Lüske kommt pünktlich: „Lassen Sie uns reden.“ FRAU LÜSKE Baseler Straße 46 12205 Berlin-Lichterfelde Tel. 030 – 86 20 04 80 www.fraulueske.de


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Ein neuer Name nach 15 Jahren, Herr Lüske, weshalb schließen sie das Bio-Kapitel? Dass aus Biolüske der Markenname Lüske wurde ist richtig, dass wir das Kapitel Bio schließen, nicht. Sondern? Wir bieten auch in Zukunft Bio-Lebensmittel an, nur eben nicht mehr ausschließlich. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen? Da muss ich aber ein bisschen ausholen. Gerne.

Wofür stehen sie dann?

Als wir vor 15 Jahren Biolüske hier in der Drakestraße eröffneten,

Ganz einfach, für Esskultur und Lebensfreude.

existierte weit und breit kein anderer Bio-Supermarkt. Auch Rei-

Was heißt das nun in Bezug auf Ihr Angebot, Herr Lüske?

chelt & Co., also die klassischen Märkte, führten noch keine Bio-

Lassen Sie mich das bitte noch einmal sagen: Wir verzichten nicht

Produkte, bei denen gab es damals nicht mal Bio-Milch.

auf Bio-Produkte in unseren Regalen, sondern wir schaffen Platz

Das änderte sich allerdings mit den Jahren. Die großen Bio-Ketten

für Produkte die kein Bio-Siegel tragen. Das machen wir immer

eröffneten hunderte Filialen in Berlin und selbst jeder Discounter

dann, wenn wir sie aus irgendeinem Grund besser finden – sei es,

bekam sein eigenes Bio-Regal. Das belegt einerseits, dass Bio eine

weil sie kulinarisch wertvoll sind, weil es sich um Spezialitäten

großartige Erfolgsgeschichte ist, zeigt aber andererseits auch, wie

handelt oder weil sie einfach hervorragend schmecken. Natürlich

mit wachsender Größe Bio zu einer Industrie wurde, in der sich die

müssen die Haltungsbedingungen der Tiere stimmen, der Umgang

individuellen Werte von einst nicht mehr wiederfinden.

mit den natürlichen Ressourcen, die Art und Weise der Produktion.

Nun bin ich weit davon entfernt, irgendeiner Bio-Romantik nachzu-

Qualität, Nachhaltigkeit und ein schmeckbarer Mehrwert, das sind

hängen, sondern sage nur, dass wir nicht als einer dieser filialisier-

die wichtigsten Parameter unserer Suchmaschinerie.

ten neuen Bio-Supermärkte wahrgenommen werden wollen und

Haben Sie dafür ein paar Beispiele parat?

auch nicht als Teil einer groß gewordenen Industrie. Wir stehen

Sicher. Nehmen Sie etwa die Privatkelterei van Nahmen in Ham-

nicht für ‚Hauptsache Bio-Siegel, der Rest ist egal‘.

minkeln am Niederrhein, deren Inhaber Mitte der 1990er beschlos-

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sen, Fruchtsäfte aus alten, regionalen Obstsorten zu keltern, wenn

sich selbst zu entsprechen. Und wir sind natürlich froh darüber,

irgend möglich sortenrein. Von manchen der geschmacksstarken

dass das Gros unserer Kunden die Entscheidung verstanden hat.

Säfte, etwa der Roten Sternrenette oder der Wilden Pflaume, gibt

Ein Blick in die Zukunft, Herr Lüske?

es jährlich nur ein paar Tausend Flaschen.

Gerne. Zuerst möchte ich klarstellen, dass wir keine weiteren

Oder – ein Beispiel aus Italien – nehmen Sie die Pastasorten der

Standorte im Blick haben. Und zweitens wollen wir dort besser

Martelli-Manufaktur in Lari in der Toskana. Nominell ist bei denen

werden, wo die anderen schon lange Feierabend machen.

das Gleiche drin wie in einer Industriepasta – Hartweizengrieß und

Welche Bereiche meinen Sie damit?

Wasser – dennoch ist der Geschmacksunterschied erheblich. Das

Alle, die besonders personal- und kompetenzintensiv sind. Also die

liegt zum einen daran, dass sie bei Martelli in der Produktion dem

Fleisch-, Fisch- und Käsetheken sowie das Obst- und Gemüsesor-

Prinzip der Langsamkeit huldigen, dem Teig also keinen Stress

timent. Aber auch das Wein- und Brotangebot. Das betrifft sowohl

machen und zum anderen an der Bronzepressung aller Sorten, die

die Frische unserer Offerten als auch die kulinarische Vielfalt.

zwar mühsamer und langwieriger ist als die durch Teflondüsen, da-

Ihr Team sieht das genauso?

für aber eine feine raue Oberfläche garantiert.

Gottseidank. Die Mitarbeiter wissen um die Einzigartigkeit ihres

Ist es Ihnen eigentlich leicht gefallen, von dem gut eingeführten

Arbeitsplatzes, identifizieren sich mit der Unternehmensphiloso-

Namen Biolüske Abschied zu nehmen?

phie und stehen voll hinter ‚Lüske – Echte Lebensmittel‘.

Nein, natürlich nicht. Aber jetzt fühlt es sich gut an, frei zu sein und

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lüske.

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Keine Frage, Obst und Gemüse, das sind die Sensibelchen jedes Supermarktes. Und wichtige Aushängeschilder. Das wissen natürlich auch die Lüske-Leute, wobei das Wissen eben nur die eine Seite des Geschäfts ist. „Man muss es auch anwenden“, sagt Christian Rath. Und so bringen der gestandene Einzelhandelskaufmann und sein Azubi Wais Rokhani mit der Akribie von Briefmarkensammlern die Auslagen mehrmals täglich in Bestform. „Das Auge kauft mit“, weiß Rath. In seinen Regalen dominiert Einheimisches – Blatt-, Blüten-, Frucht- und Wurzelgemüse – Saisonalität und Regionalität sind gesetzte Größen, beim Obst ist es genauso. Kein Wunder also, dass die Domäne Dahlem seit Jahren zu Lüskes Top-Lieferanten gehört. Meist zweimal die Woche steuert Gert Mazurel, den die Kollegen seiner Herkunft und vielleicht auch seines Fahrstils wegen den „fliegenden Holländer“ nennen, den schwarzen Transporter die paar Kilometer zur Königin-LuiseStraße, um bei den Domäne-Gärtnern frisches Gemüse abzuholen: Salat, Mangold, Grünkohl, Palmkohl, Rote Bete in verschiedenen Sorten. Markus Heiermann, Betriebsleiter Gemüsebau auf der Domäne, nennt die langjährige Beziehung zu Lüske ein Win-win-winVerhältnis. „Wir profitieren ebenso wie Lüske“, erklärt Heiermann, „am meisten haben aber wohl die Kunden davon.“ Und die sind ganz offensichtlich mit dem Angebot mehr als nur zufrieden „Hier gibt‘s sogar echte Brunnenkresse“, konstatiert eine Frau mit unüberhörbar hanseatischem Dialekt, „die haben sie nicht mal auf dem Isemarkt.“ (Zur Erklärung: Der Isemarkt, das ist Hamburgs wohl berühmtester Wochenmarkt unter dem Viadukt der U-Bahnlinie 3, auf dem über 200 Händler Produkte anbieten, die es anderswo in der Hansestadt nicht oder nur selten gibt.) Sie legt die kräutrige Rarität in ihren Einkaufswagen, dazu Bamberger Hörnchen und Roscoff-Zwiebeln. Ihre Begleiterin interessiert sich für Cima di rapa, den hierzulande noch nicht allzu häufig angebotenen Stängelkohl. „Was macht man damit?“ Wais Rokhani, der umsichtige Azubi, reicht ihr eine Rezeptkarte: Orecciette mit Cima di rapa, ein Traditionsgericht aus Apulien. Die Kundin entscheidet sich für das fremde Gemüse. „Diese Rezeptkarten sind eins unserer Markenzeichen, nicht nur am Gemüseregal, sondern auch beim Fleisch und Fisch“, so Christian Rath. „Unsere Köche entwickeln sie und viele Stammkunden schwören darauf.“


Dass Lüskes Fleischspezialisten besonderen Wert auf ein gutes Wildangebot möglichst aus Brandenburger Wäldern legen, liegt natürlich nicht daran, dass ihr Chef ein passionierter Jäger ist. „Wild gehört zu den eiweißreichsten Fleischarten, der Fettanteil ist äußerst gering und es ist komplett bio“, wirbt Thekenchef Dennis Horstick für eine Rehkeule. „Wild hat immer einen strengen Eigengeschmack“, entgegnet die Kundin. Horstick erklärt: „Das ist nur dann der Fall, wenn das erlegte Tier zu lange abgehangen wurde und sich das Fleischeiweiß bereits zersetzt hat.“ „Gut, dann also Rehkeule.“ Die junge Frau hat sich entschieden. Dennis Horstick drückt ihr noch eine Rezeptkarte in die Hand. „Wenn Sie noch Fragen zur Zubereitung haben, immer gerne.“ Der 23-Jährige ist, wie seine Kollegen im Fischwagen auch, Koch mit klassischer Ausbildung. Bevor er bei Lüske anheuerte, stand er bei Käfer im Bundestag am Herd, dem Restaurant mit dem sensationellsten Ausblick in Berlin. Duplizität der Ansichten: Wie die Fischtheke und das Gemüseregal wirkt auch das Fleisch- und Wurstangebot allein schon durch seine appetitliche Optik. Der zweite Blick: Klasse statt Masse. Gotsgarten Beef vom Highlandcattle aus dem südlichen Brandenburg, Rubia Gallega aus Spanien, Luma Beef aus der Schweiz, eine exklusive Spezialität, zart und fest zugleich sowie kräftig und fein nussig im Geschmack. Hausgereiftes Dry Aged Beef liegt ebenso bereit wie Cocoon Aged Beef vom Rupertirind aus Bayern. Es gibt Schinken- und Wurstspezialitäten, die vielfach preisgekrönten Bratwurstkreationen von Meister Jens-Uwe Bünger, eine aromatische, hausgemachte Sülze, die alle Standardkreationen gleichen Namens meilenweit hinter sich lässt und – ich traue meinen Augen kaum – die berühmte toskanische Bratsülze Ciccioli Sambucani. Das ist premium auf ganzer Linie!


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TITEL Das kulinarische Kino

immer noch unschlüssig sind, können sie mich, meinen Kollegen Matthias Rohde oder einen unserer Mitarbeiter fragen. Ohnehin setzen wir ganz stark auf die Kommunikation mit unseren Kunden. Haben Sie einen persönlichen Pfeffer-Favoriten, Frau Brieger? Nur mit einer Sorte komme ich zu Hause nicht aus – aber besonders mag ich den mit Meersalz fermentierten schwarzen Pfeffer von Ingo Holland. Wie viele verschiedene Produkte stehen in Ihren Regalen? So um die 3.500, allerdings gibt es nicht immer alles, und das Angebot wechselt auch saisonal. Kennen Sie sich bei allen Lebensmitteln so gut aus wie bei Ihren Pfeffer-Offerten? Wenn nicht, dann hätte ich meinen Beruf verfehlt. Abstriche mache Im Gespräch: Marktleiterin Elke Brieger und Havelland express-Manager Dietmar Bartocha.

ich beim Wein und bei den Spirituosen, da ist mein MarktleiterKollege Matthias Rohde der Mann für die Details. Und die übrigen Mitarbeiter?

Wer braucht zehn verschiedene Pfeffersorten, Frau Brieger?

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abgehoben, aber Kompetenz

Manche Menschen kommen in ihrer Küche mit gewöhnlichem

ist Lüske-Credo.

schwarzen Pfeffer klar, für andere muss es indischer Tellicherry

Gibt es auch Kundenfragen, auf die Sie keine Antwort wissen?

sein, weil er intensiver im Geschmack ist, fruchtiger, nussiger. Und

Absolut, natürlich. Ich beschäftige mich zwar intensiv mit unserer

wieder anderen ist das Edelste und Teuerste gerade gut genug –

Materie, lese alles, was mir in die Finger kommt – Kochbücher sind

also Roter Kampot aus Kambodscha.

meine Dauerlektüre – aber wenn ein Kunde vor dem Ölregal steht

Sie sprechen jetzt von Kunden, die mit der Sortenvielfalt kein

und wissen will, welches von unseren 15 Olivenölen nicht nach Oli-

Problem haben, die wissen, was sie wollen. Aber was ist mit de-

ve schmeckt, dann muss ich passen.

nen, die sich davon erschlagen fühlen?

Würden Sie mir zum Schluss noch drei Dinge aus Ihrem Sortiment

Meiner Meinung nach reicht es zu wissen, dass hochwertiger

nennen, auf die Sie ganz persönlich nicht mehr verzichten wollen?

Pfeffer ganze Gerichte trägt. Je schlichter, desto besser, sage ich

Puh, ich hätte bei dreißig schon meine Probleme. Aber gut. Die

immer. Damit die Kunden herausfinden können, welche Sorte sie

Fonds aus der sächsischen Traditionsfleischerei Heyer in Werdau,

geschmacklich besonders anspricht, gibt es bei uns Schnupper-

die Eier vom Waldgartenhof, einem Demeter-Betrieb im niedersäch-

dosen. Bei einer Geruchsprobe merken sie schnell etwa die inten-

sischen Gartow und – weil jetzt Stollenzeit ist – die wirklich feinen

sive Zitrusnote des Andalimanpfeffers aus Indonesien oder das

Christstollen aus der Bio-Konditorei von Thomas Heller in Dresden.

süßlich-zimtartige Aroma des Langen Pfeffers. Und wenn sie dann

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Brieger.

26

GARÇON


Das kulinarische Kino TITEL

Wollen wir über Schampus reden, Herr Rohde? Gerne, Sylvester ist ja nicht mehr allzu fern. Also, was empfehlen Sie? Keine großen Namen – hoffentlich sind Sie jetzt nicht enttäuscht – sondern die Brut Champagner von AR Lenoble. Das ist ein Familienbetrieb, der vor knapp 100 Jahren von Armand-Raphael Graser gegründet wurde und den heute seine Urenkel Anne und Antoine Malassagne führen. 18 Hektar Rebfläche, 12 Hektar davon Grand Cru Chardonnay in Chouilly, dazu Pinot Meunier im Vallée de la Marne und Pinot Noir in Bisseuil, alles begrünt, wodurch der Traubenertrag stark reduziert ist und weit unter dem Durchschnitt des Anbaugebiets liegt. Das Ergebnis sind Champagner mit ausgeprägtem Charakter, fruchtig in der Nase, reich an Aromen, eine echte Explosion, eine perfekt eingebundene, cremige Perlage... Sie können ja richtig ins Schwärmen kommen. Bei diesem Champagner immer. Und falls sie noch einen Beleg für

Im Mini-Büro: Marktleiter Matthias Rohde.

dessen Qualität brauchen – Lenoble wird übrigens auch im Gour-

Rund 350, wobei sich unser Weinregal – das gilt übrigens auch für

metrestaurant Lorenz Adlon Esszimmer ausgeschenkt.

alle anderen Offerten – mit unseren Kunden entwickelt. Learning

Danke für den Autoritätsbeweis, Herr Rohde, aber wir vertrauen

by drinking sozusagen oder eben learning by eating.

Ihrer Expertise. Lassen Sie uns mal zum Rotwein kommen, denn

Heißt das – öfter mal was Neues?

bis zum weihnachtlichen Gänsebraten sind es ja auch nur noch

Wir sind immer auf der Suche nach neuen Produzenten und Pro-

ein paar Tage.

dukten, erst recht jetzt, wo wir uns neu erfunden haben. Wichti-

Ich persönlich bin ja ein Fan von deutschem Spätburgunder, aber

ger als neu ist aber immer die Qualität eines Lebensmittels, seine

Sie finden bei uns auch gehaltvolle Australier, Chilenen, Südafrika-

Nachhaltigkeit und, dass Produkt und Produzent zu uns passen.

ner, Italiener, Spanier und Österreicher. Und für Frankreich-Freaks

Vielen Dank, Herr Rohde, und auch an Sie die Frage, auf welche

habe ich erst kürzlich bei Fritz Keller eingekauft...

drei Dinge aus ihrem Angebot Sie persönlich nicht mehr verzich-

...Sie meinen den Fritz Keller, der kürzlich zum neuen Präsiden-

ten wollen...

ten des Deutschen Fußball Bundes gewählt wurde...

Ja, und ich habe die gleichen Probleme mit einer Antwort wie mei-

...genau den, aber er ist eben auch Winzer und Weinhändler und be-

ne Marktleiter-Kollegin, aber gut. Erstens ist das unser Brot- und

sitzt einen beeindruckenden Weinkeller. Von ihm stehen jetzt etli-

Backwarenangebot, zweitens unser hausgebeizter Lachs und drit-

che Raritäten in unseren Regalen, Bordeaux und Burgund vor allem.

tens ein bretonisches Sandgebäck mit Karamell aus gesalzener

Wie viele Gewächse bieten Sie insgesamt an?

Butter und Vanille. Diese Gavottes finde ich einfach megalecker.

GARÇON

27


TITEL Das kulinarische Kino

28

GARÇON


Wenn es dunkel wird, die Läden schließen und der Feierabendverkehr auf der Drakestraße langsam abebbt, beginnt bei Lüske die Zeit der kulinarisch Kreativen. Dann wird im Kochstudio auf der ehemaligen Zuschauertribüne des alten Kinos blanchiert, filetiert, pariert, reduziert und natürlich diskutiert: Brust oder Keule?, Eisen oder Teflon?, Limette oder Zitrone? Keine Frage – dann ist Kochschulzeit im Supermarkt. Allein für November 2019 nennt der regelmäßig herausgegebene Veranstaltungsplan sieben Events, darunter einen „Workshop Fleisch“, eine „Skandinavische Winterreise“, einen „Japanischen Abend“ und das gemeinsame „Martins Gans Essen“. Hinzu kommen die Kurse des Kids Clubs und jedes Jahr im Dezember ein Familienkurs: Plätzchen backen. „Bei uns haben natürlich auch Firmen die Möglichkeit, Businesscookings zu veranstalten, um Teamentwicklung und Kundenbindung zu fördern; wir organisieren Weintastings und richten beispielsweise auch Kindergeburtstage aus“, so Ildiko Galander, Eventmanagerin im Hause Lüske. Ich erlebe die besondere Atmosphäre des kulinarischen Ortes auf dem einstigen Zuschauerrang bei einem Abend, an dem eine häufig gestellte Frage zur Debatte steht: Welcher Wein zu welchem Käse? Lüske-Marktleiter und Weinprofi Matthias Rohde und KäseChef Oliver Harris haben sich für das Seminar den Sommelier Lars Miserre als Unterstützung geholt: „Ausnahmsweise, ansonsten haben wir selbst genügend kulinarische Kompetenz an Bord.“ Eine pensionierte Lehrerin, die mit ihrer Freundin zum Weinund-Käse-Abend gekommen ist und offenbar häufiger Kochschulen besucht, nickt zustimmend: „Hier üben sich wenigstens keine Promiköche in Selbstdarstellung.“ Rohde schenkt einen Monbazillac aus: „Château Le Thiaut 2016.“ Dazu serviert Harris einen Shropshire Blue aus der Cropwell Bishop Creamery in Nottinghamshire, vor einigen Jahren immerhin mit dem Titel Best English Cheese geehrt. „Das passt“, konstatieren die Gäste der Degustation und ich habe das Gefühl – bei Lüske passt nicht nur das. LÜSKE Drakestraße 50 12205 Berlin-Lichterfelde Tel. 030 – 80 20 20 160 www.bio lueske.de


LOKALTERMIN Restaurant Otto

Inhaber und Küchenchef Vadim Otto Ursus Henselder.

Otto – Das Restaurant VADIM OTTO URSUS HENSELDER: NACH POP-UP-KARRIERE NUN SESSHAFT

„Oh, Ihr seid neu hier?“

Dieses Gespräch zwischen einer Passantin und Vadim Otto Ursus

„Ja, morgen machen wir auf.“

Henselder am Vorabend der Eröffnung seines Restaurants wäre

„Was kocht Ihr denn?“

nicht der Erwähnung wert – wenn wir es dennoch zitieren, so

„Regionale Sachen, Eingelegtes, so ganz persönliche Geschichten.“

vor allem deshalb, weil es zeigt, wie dieser junge Mann tickt. Der

„Interessant.“

27-jährige Berliner ist – im Gegensatz zu etlichen seiner Berufs-

„Hoffentlich.“

kollegen – ein Ausbund an Bescheidenheit. So wurde sein Start in

„Wird schon klappen, ich schau auf jeden Fall mal rein.“

die Selbstständigkeit auch weder von Presseaussendungen noch

„Mach das. Otto minus Berlin dot net.“

Vorab-Interviews begleitet, es gab keine Pre-opening-Party oder

Restaurantleiterin Cate Gowers stammt aus Australien.

30

GARÇON


Restaurant Otto LOKALTERMIN

Köchin Sascha Silberstein absolvierte ihre Ausbildung in Portugal und arbeitete im Dinner by Heston Blumenthal in London.

anderen Bling-Bling. Einfach Tür auf – in Berlin

ein Rottstocker Bachsaibling, der nach einem

zählt das Experiment – Erfolg hat, wer sich was

Salzlakebad und ein paar Minuten auf dem Hi-

traut. Und Vadim, wie ihn die meisten nennen,

bachi Grill lediglich mit Wildkräutern aus der

traut sich was.

Schorfheide serviert wird. Und als Dessert, ziem-

Wer den Berliner in eine Schublade stecken

lich off mainstream, ein in Wollschweinschmalz

will, nennt ihn einen Radikal-Regionalisten, die

ausgebackener Zwetschgenkuchen mit schwar-

Stationen seiner berufsbildenden Wanderschaft

zen Walnüssen (siehe Seite 30). Das alles ist

– Maaemo Oslo, Noma Kopenhagen und Koks

eine gut geerdete, perfekt zubereitete Küche

auf den Färöer – unterstützen das natürlich.

ohne Firlefanz.

Dennoch gehört seine Küche wohl eher in die

Die Weinkarte liest sich wie ein Naturwein-

Kategorie wahrer Genuss. Was kommt da also?

Adressbuch: Kühn, Leiner, Schmitt, Vetter, War-

Ein ungemein frischer, anregender Gang aus

nung – sieben Gewächse gibt es glasweise.

marinierten grünen Paprikaschoten, Petersilien-

Wir bleiben bei dem, was wir schon zu Va-

pesto und Schafsjoghurt; ein sagenhaft gutes

dims Pop-up-Zeiten geschrieben haben: Hier

Wildschweintatar, das von gelbem Senf und fer-

ist ein junger, aufregender Koch unterwegs, von

mentierten Tomaten aromatisch assistiert wird;

dem man noch einiges hören wird.

Koch Bjarne Meyer kommt aus der Christian-Lohse-Schule.

Koch-Azubi Simón Quiñones hat einen Master in Lateinamerikawissenschaften.

GARÇON

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LOKALTERMIN Restaurant Otto

Leinsamencracker, Wintergrün, frischer Käse, schwarzer Knoblauch.

Wildschweintatar, fermentierte Tomate, wilder Gelbsenf. Bachsaibling, Garum, Wildkräuter.

RESTAURANT OTTO Oderberger Straße 56 10435 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 – 25 97 71 59 www.otto-berlin.net

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LOKALTERMIN DingsDums Dumplings

Obwohl sie fast täglich in irgendeiner Zeitung steht, schockiert die Zahl immer wieder: Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr in Deutschland weggeworfen, der größte Teil davon bereits in der Produktion und im Vertrieb – rund 7,6 Millionen Tonnen. Der Rest – 4,4 Millionen Tonnen (manche Studien sprechen sogar von sechs Millionen Tonnen) – landet in deutschen Haushalten auf dem Müll. Das sind pro Kopf und Jahr 55 Kilogramm! Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat deshalb im Frühjahr 2019 eine „Nationale Strategie“ ins Leben gerufen, um der Verschwendung Einhalt zu gebieten. Bis 2030, so das Ziel, soll die Menge der weggeworfenen Lebensmittel zumindest halbiert werden. Dafür bedarf es vor allem und zuerst eines größeren politischen Drucks auf Industrie und Handel. In Frankreich beispielsweise gibt es seit drei Jahren ein Gesetz, das es Supermärkten untersagt, übrig gebliebene Lebensmittel wegzuwerfen, Italien und Tschechien haben inzwischen nachgezogen. In Deutschland da-

Berliner Szenerestaurant 2019: Das Zero-Waste-Lokal Frea.

gegen wurden erst kürzlich zwei Münchner Studentinnen für „ille-

kes Plädoyer für kulinarische Nachhaltigkeit gehalten. In einigen

gales Containern“ rechtskräftig verurteilt – wegen Diebstahls. Sie

Hauptstadt-Restaurants rennt sie damit offene Türen ein, aber

haben nun Verfassungsbeschwerde eingelegt – Ausgang offen.

eben längst nicht in allen – und so war es die vielleicht beste Ent-

Auf der anderen Seite braucht es allerdings auch eine neue

scheidung der Berliner Meisterköche-Jury, dem Zero-Waste-Lokal

Qualität der gesellschaftlichen Debatte über den Umgang mit Nah-

Frea in der Torstraße den Titel „Berliner Szenerestaurant 2019“ zuzuerkennen. Jasmin Martin und David Suchy sind die Inhaber des im März 2019 eröffneten Eckladens, Küchenchef ist Halfdan Kluften, der zuvor im Kopenhagener 3-Sterne-Restaurant Geranium sowie im Silo in Brighton, dem weltweit ersten Zero-Waste-Restaurant, tätig war. Das Credo des Trios: „Wir wollen möglichst wenig Energie und Ressourcen verbrauchen, nachhaltige und faire Produkte anbieten und dabei so wenig Müll wie möglich hinterlassen.“ Zu den Pionieren der Szene gehört auch das Kreuzberger Bistro DingsDums Dumplings, das 2018 mit dem Förderpreis „Zu gut für die Tonne!“ und in diesem Jahr mit dem Zero Waste Award der Next Organic ausgezeichnet wurde.

Autorin eines Zero-Waste-Kochbuches: Sophia Hoffmann.

rungsmitteln. Dafür hat Klöckners Ministerium die „Zu gut für die Tonne!“-App für Smartphones und Tablets eingerichtet, auf der Sterne- und prominente Hobbyköche Rezepte präsentieren sowie Tipps zum Einkauf und der richtigen Aufbewahrung von Lebensmitteln geben. Ob das am Ende reicht, wird man sehen. Das Trendthema der Stunde jedenfalls heißt Zero Waste (Null Müll), die Aktivisten der Nachhaltigkeitsbewegung halten es am Kochen. Die in München geborene Wahlberlinerin Sophia Hoffmann etwa steht nicht nur im Neuköllner Zero-Waste-Café Isla am Herd, sondern hat kürzlich mit ihrem im ZS Verlag erschienenen Band Zero Waste Küche auch ein informations- und meinungsstar-

34

GARÇON

Gewinner des Zero-Waste-Preises der Next Organic 2019: Das DingsDums-Dumplings-Team.


DingsDums Dumplings LOKALTERMIN

Resteessen à la carte ZU GAST IM DINGSDUMS DUMPLINGS VON JÖRG TEUSCHER

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LOKALTERMIN DingsDums Dumplings

Mauritz Schröder.

Jilianne Schröder, 30, stammt aus Köln, studierte On Air Design und

heitsfehler haben oder kurz vor dem MHD-Ablauf stehen. Daraus

fand danach einen Job als Produktionsleiterin beim Film. Ihr Bru-

produziert Jilianne Schöder, kulinarischer Kopf des Trios, dann Fül-

der Mauritz, 28, machte seinen Abschluss in Medienmanagement

lungen für Teigtaschen, die geschmacklich selbst die mäkeligsten

und arbeitete anschließend in der Finanzbranche. Die 31-jährige

Feinschmecker sprachlos machen.

Ann-Kathrin Wohlrab schließlich, gebürtige Fränkin aus Fürth und graduierte Mediendesignerin, entwarf nach dem Studium Apps.

„Weil ich spontan das verarbeiten muss, was ich bekomme – und das sind mal fünf Kilo Maishähnchenbrust, mal eine Kiste Artischo-

Ein gemeinsamer Kochabend lieferte die Initialzündung, etwas

cken, mal zwei Dutzend Kürbisse, mal anderthalb Kilo Kalbsbries –

gegen Lebensmittelverschwendung zu tun. Die Teigtaschen-Idee

deshalb sind meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt – außer: es

wurde geboren und mit der Hartnäckigkeit von Menschen, die

muss schmecken.“ Die fleischigen, fischigen, vegetarischen oder

wirklich etwas wollen, in die Tat umgesetzt. „Was uns vor allem zu

veganen Dumplings werden dann im DingsDums-Minirestaurant

Foodsavern macht, ist die Einzigartigkeit unserer Zutatenbeschaf-

am Görlitzer Park frisch angeboten, schockgefrostet verkauft bzw.

fung“, erklärt Ann-Kathrin, die Sprecherin des Teams.

für diverse Caterings verwendet und demnächst auch online ver-

DingsDums Dumplings kauft vor allem im Reste-Supermarkt

marktet.

SIRPLUS, aber auch bei verschiedenen, durchaus renommierten

Neben den Urkunden des Förderpreises „Zu gut für die Ton-

Großhändlern, überschüssige, allerdings qualitativ einwandfreie

ne!“ und des Next Organic Startup-Awards hängen im DingsDums

Lebensmittel ein, die nicht mehr verwertet werden, weil sie Schön-

Dumplings-Domizil noch weitere Belege dafür, dass die Kreuzber-

Jilianne Schröder und Ann-Kathrin Wohlrab, v.li.

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GARÇON


Erste Einkaufsadresse für DingsDums Dumplings: Der SIRPLUSRettermarkt in der Steglitzer Schlossstraße 94 (www.sirplus.de).

ger Resteretter auf dem richtigen Weg sind: der WeltverbEsserer Preis 2019 und das Greentable-Siegel „Nachhaltige Gastronomie“. Und nun müssen sie einen weiteren Nagel in die Wand schlagen. Jilianne, Mauritz und Ann-Kathrin sind die Gewinner des von METRO Deutschland erstmals ausgelobten Preises für nachhaltige Gastronomie, der ihnen Ende November zuerkannt wurde. Wir schicken ein donnerndes „Chapeau!“ an die Adresse des DingsDums-Dumplings-Teams und fragen uns ganz am Rande, wie es eigentlich bei den Krösussen der Branche um die Nachhaltigkeit bestellt ist und was die gastronomischen Big Player beispielsweise gegen die Lebensmittelverschwendung tun. Wir vermuten mal – nicht allzu viel, oder haben wir da was nicht im Blick? DINGSDUMS DUMPLINGS Wiener Straße 34 10999 Berlin-Kreuzberg Tel. 0176 – 64 03 27 06 facebook.com/DingsDumsDumplings


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Mit ihrer rein ökologischen Herstellungsweise zeigt sie gleichzeitig ihr zukunftsorientiertes Engagement für einen sorgsamen Umgang mit der Natur und deren Ressourcen. Erfahrung und Tradition haben gezeigt, dass Qualität und Geschmack um so besser sind, je natürlicher die Herstellungsweise ist. Das bedeutet, was heute selten ist, sich Zeit zu nehmen – für den natürlichen Verlauf des Sauerteigs und für den langsamen, aufwändigen Backvorgang.

Aus diesem Grund verzichtet die Hofpfisterei beim Brotbacken auf künstliche oder chemische Lebensmittelzusatzstoffe jeglicher Art. Der Dreistufen-Sauerteig der Hofpfisterei wird nach alter handwerklicher Tradition hergestellt und mit langer Reifezeit geführt. Es dauert 24 Stunden bis der Teig fertig ist. Dieser lange Vorgang harmonisiert die natürliche Entwicklung der Hefen und der Milch- und Essigsäuren zu dem typischen feinen Geschmack und garantiert Genuss und Natürlichkeit. Besuchen Sie unsere Filialen in Bayern, Baden-Württemberg Berlin und Hessen und entdecken Sie eine große Auswahl an bayerischen Bauernbrot-Spezialitäten.

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Charlottenburg: Goethestraße 39/40, Reichsstraße 105, Mitte: Oranienburger Straße 5, Prenzlauer Berg: Schönhauser Allee 118 a, Schöneberg: Ansbacher Straße 21, Nollendorfstraße 8, Spandau: Carl-Schurz-Straße 33, Steglitz: Schloßstraße 107, Tempelhof: Manfred-von-Richthofen-Straße 10, Rheinstraße 12, Wilmersdorf: Westfälische Straße 55, Zehlendorf: Teltower Damm 25, Drakestraße 46

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Vale un peccato LOKALTERMIN

VALE UN PECCATO

*

LIEBLINGSTRATTORIA IN BERLIN-WILMERSDORF VON JÖRG TEUSCHER

*„Vale un peccato“ heißt „eine Sünde wert“. Wenn der Italiener meint, dass beispielsweise ein bestimmter Wein „eine Sünde wert“ sei, sagt er: „Questo vino val bene un peccato.“

GARÇON

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Wer wir sind? Echte Italiener. Was wir sind? Ein Kiezrestaurant mit sympathischer Atmosphäre und vielen Stammgästen. Wie wir kochen? Frisch, bodenständig, geschmacklich harmonisch – italienisch eben. Ein paar Adressen sollte der Mensch stets griffbereit haben: die eines menschenfreundlichen Zahnarztes, die einer allroundigen Autowerkstatt und – allemal im italo-minded Berlin – die einer Trattoria ohne Ruhetag, wo man weiß, was du brauchst, wenn mal wieder Ebbe im Kühlschrank ist oder Freunde unangemeldet aufgetaucht sind. Für Letzteres: Vale un Peccato, eine Trattoria für diese Fälle – und deshalb meine Lieblingstrattoria.

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Inhaber Renato Zorzi.


Vale un peccato LOKALTERMIN

Trio divino: Francesco Santore, Francesco Geraci, Giuseppe Mosca.

Die Lage nah am Heidelberger Platz ist einerseits zentral, es gibt sowohl eine U- und S-Bahnstation als auch Parkplätze. Und sie ist andererseits versteckt genug, dass hier weder juvenile Touri-Truppen einfallen noch Jüngelchen in Slim-Fit-Anzügen ihr Sehen-undGesehen-werden-Schaulaufen veranstalten. Die Trattoria Vale un Peccato ist kein Szene-Italiener, sondern ein Stammgastrestaurant, das einem klaren Kodex folgt, dem Atmosphäre, Einrichtung und vor allem die Speisekarte entsprechen. Die ersten Gäste kommen bereits zur Aperitivo-Zeit, das sind die verhinderten Selbstversorger, die eigentlich nur auf einen Teller Spaghetti alla Matriciana oder eine Pizza Mista hereinschneien, sich dann aber doch für etliche Antipasti und das Filetto al Barolo entscheiden. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und wenn sie bereits beim Dolce sind, geht es Schlag auf Schlag. Man kennt sich, man grüßt sich. „Hallo, herzlich willkommen, wie geht‘s?“, fragen die italienischen Servicemänner. „Buonasera, tutto bene!“, antworten

Das „Küken“ im Team: Chiara Granaroli.

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LOKALTERMIN Vale un peccato

Küchenchef Gaetano Bartoluccio.

die deutschen Gäste und testen natürlich auch bei der Bestellung ihr Urlaubsitalienisch. Chef des urgemütlichen, unprätentiösen Lokals ist Renato Zorzi. Der 56-Jährige stammt aus Treviso, einer Stadt im norditalienischen Veneto nahe Venedig, kam vor 35 Jahren nach Berlin, arbeitete im legendären Piccolo Mondo in der Reichsstraße und führte später das Pan degli Angeli am Stuttgarter Platz. Zorzi weiß also, was seine Gäste wünschen – genauso wie sein Küchenchef Gaetano Bartoluccio, ein Sizilianer, dessen Pastagerichte ebenso eine Sünde wert sind wie sein gewaltiges Mare e Monti, ein gegrilltes Rinderfilet mit Scampi. Dazu einen Planeta Segreta aus Bartoluccios Heimat, danach einen guten Espresso, vielleicht noch ein kleines Tiramisu und der beglückende Plan, einfach bald wiederzukommen. Lieblingstrattoria eben. Und – die allabendliche Gästeschar zeigt es – nicht nur meine. „Arrivederci, a presto!“ „Lassen sie sich‘s gut gehen, bis bald!“

TRATTORIA VALE UN PECCATO Aßmannshauser Straße 26 14197 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 – 82 70 52 75 www.vale-un-peccato.de

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LOKALTERMIN Maître Philippe et Filles

BON ANNIVERSAIRE MAÎTRE PHILIPPE UND SEINE TÖCHTER FEIERN 25. GEBURTSTAG

„Ein Einkaufsführer mit den besten Tipps von Insidern der kulinari-

gegen dieses Adjektiv hat der 66-Jährige ganz grundsätzlich et-

schen Szene“, so das Vorwort-Versprechen des Bändchens „Berlin:

was. „Berühmt sind Balzac und Bocuse“, sagt er. Und berühmt

Wo Köche einkaufen“, herausgegeben Ende der 1990er vom Ham-

sind sicher auch viele seiner Käse, das will er noch gelten lassen:

burger Companions Verlag. Unter der Rubrik „Käse & Milchproduk-

Époisses, Fourme d‘Ambert, Reblochon oder Vacherin Mont d‘Or

te“ neun gute Adressen. Nur vier davon gibt es noch – der Rest:

– Rohmilchkäse allesamt, Außenseiter in der Welt industrieller

vergangen, vergessen, in den meisten Fällen dem knochenharten

Standards, Felsen in der Brandung des Meeres aus pasteurisierten

Wettbewerb in der Lebensmittelbranche zum Opfer gefallen.

Molkerei-Einheitsprodukten.

Zu denen, die das knappe Vierteljahrhundert seit Erscheinen

Philippe Causse stammt aus Marseille und kam 1971 für ein Jahr

des Shopping-Guides nicht nur überlebten, sondern sich zudem

nach Berlin, um die deutsche Sprache zu lernen. Fünf Jahre später

auch bester Gesundheit erfreuen, gehört die Feinkost-Institution

war er wieder da und blieb, zuerst als Weinhändler bei Viniculture

Maître Philippe et Filles, ein frankophiles Einkaufsparadies in Wil-

in der Charlottenburger Grolmanstraße – der renommierte Kulina-

mersdorf, dessen Käseofferten zu den besten der Stadt zählen.

rik-Autor Thomas Platt lobte flugs „den großen Sachverstand der

Mit dem Käse begann vor 25 Jahren auch alles, er hat Philip-

kultivierten Rebherren Causse, Schürenberg und des Jungwinzers

pe Causse bekannt gemacht. Manche sagen auch berühmt, aber

Hammond“ – seit 1994 mit eigenem Geschäft in der Emser Straße

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GARÇON


Maître Philippe et Filles LOKALTERMIN

in Wilmersdorf. Nachdem seine Töchter Anaïs und Noémie Anfang der 2000er in das Unternehmen eingetreten waren (s. Seiten 72/73), fügte der Meister dem stadtweit bekannten, „Maître Philippe“ ein „et Filles“ hinzu – „und Töchter“. Damit dokumentierte er öffentlich, dass der Laden auch in Zukunft ein Familienbetrieb bleiben und das Gründungscredo beibehalten wird, auch wenn es längst nicht mehr nur um Käse geht wie vor 25 Jahren. „Ob Butter aus der Deux-Sèvres, Honig aus dem Languedoc, Marmelade aus der Bretagne, Schinken, Würste, was auch immer, industrielle Massenware ist ein Tabu, das wir im Sinne unserer Kunden niemals brechen“, so Anaïs und Noémie Causse. Ihr Vater lächelt. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Tel père, tel fils. Herzlichen Glückwunsch zum 25. Geburtstag!

Kochender Geburtstagsgast: Moritz Borowski vom Le Bon Mori, re.

GARÇON

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LOKALTERMIN Neue Restaurants

Verkaufsleiter Falk Wendt und Hans Nübel, v.re.

neu new nouveau Die Mitte September eröffnete Dependance

40 Prozent der Erdgeschossflächen wer-

der Berliner Bio-Bäckerei Beumer&Lutum

den temporär zu einem Mietzins von maxi-

ist die sechste Filiale des Unternehmens

mal sechs Euro pro Quadratmeter vermie-

und gleicht den anderen fünf in Kreuzberg

tet und sind Freiraum, Labor und Bühne

und Prenzlauer Berg, was Angebot und

zugleich.“ Kurz gesagt heißt das: Privatei-

Service angeht, in vielem.

gentum finanziert Gemeinwohl. Und das ist

„Aber es gibt auch Besonderheiten“, weiß

in unserer Gesellschaft schon etwas nicht

Geschäftsführer Antonius Beumer, „die

Alltägliches.

vielleicht erst der zweite Blick offenbart.“

Für das kulinarische Konzept bei

Der 63-Jährige lenkt unser Augenmerk auf

Beumer&Lutum ist ein alter Bekannter zu-

die Lage des neuen Ladens. Auf das im

ständig – Hans Nübel, 57 und früher mal

Sommer 2019 fertiggestellte Metropolen-

Inhaber des Gugelhofs am Kollwitzplatz.

haus, das zwar nicht unbedingt mit einer

„Neben den Beumer-&-Lutum-Klassikern

außergewöhnlichen Architektur punktet,

bieten wir hier auch vier verschiedene Ba-

allerdings aber mit einem für Berliner Ver-

gelsorten an, außerdem Mezze mit Hum-

hältnisse einzigartigen Konzept.

mus, Couscous oder Linsensalat – Reve-

In der Pressemitteilung liest sich das so: „Das ‚Aktive Erdgeschoss‘ im Metropo-

renz an das Jüdische Museum gleich gegenüber“, so Nübel.

lenhaus mit kleinen Läden, orientalischer Gastronomie und nichtkommerziellen Pro-

BEUMER & LUTUM

jektäumen wurde querfinanziert durch den Verkauf von Wohn- und Gewerbeeinheiten im 1. bis 6. OG. Dadurch übernehmen die Eigentümer langfristig Verantwortung für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

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Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 9 10969 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 25 80 08 72 www.beumerlutum.de


Neue Restaurants LOKALTERMIN

Steigenberger-Generaldirektorin Gabriele Maessen, Mitte, Ella-Küchenchef Manuel Eich und Sous Chefin Jessica Rumpf.

nuovo nuevo yeni Gabriele Maessen – Markenzeichen: ele-

Da ist die Küche von Manuel Eich schon

gantes Designeroutfit – gehört zu den we-

näher dran. Der 53-jährige Küchenmeis-

nigen Frauen, die in Berlin ein großes Hotel

ter, zuletzt Chef am Herd im Seminaris

führen und ist die wahrscheinlich längstge-

Campushotel Berlin und im Courtyard by

diente General Managerin der Hauptstadt-

Marriott in München, hält sich von den

Hotellerie. Anfang 2004 kam die gebürti-

freudlosen und oft bis zur Geschmacklo-

ge Wienerin nach Stationen in Budapest,

sigkeit verfeinerten Kreationen der hyper-

Frankfurt, Madrid, Mainz und Zürich an die

modernen Zeitgeistküche fern und pflegt

Spree, arbeitete für die Leonardo und Azu-

statt dessen einen erfrischend klassisch

re Company und steht nun an der Spitze

geprägten Kochstil.

des Steigenberger Hotels Am Kanzleramt.

Grünkohlsalat mit Birne, Pastinaken-

Anfang Oktober lud Gabriele Maessen

Karotten-Suppe mit Entenbrusttranchen

zur Eröffnung des Hotelrestaurants ELLA

und Gänsekeule mit Rotkohl, Klößen und

(ebenso wie die anliegende Straße nach

Malzbiersauce sind hübsch arrangiert und

der Kommunistin, Gewerkschafterin und

geschmacklich fein abgestimmt. „Wir wol-

antifaschistischen Widerstandskämpferin

len mit diesen und allen anderen Angebo-

Ella Trebe benannt, die 1943 verhaftet und

ten unseren Gästen einen entspannten Ge-

im KZ Sachsenhausen erschossen wurde).

nuss bereiten“, so Eich.

Das Ambiente des Lokals, das sowohl über die Lobby des Hauses als auch durch

RESTAURANT ELLA

eine Tür zur Straße zugänglich ist, wird von großen Spiegeln und der noch größeren Fensterfront geprägt. Ansonsten: Innenarchitektur von der Stange, chic und modern, aber nichts, was ans Herz geht.

Ella-Trebe-Straße 5 10557 Berlin-Moabit Tel. 030 — 740 743 0 www.steigenberger.com

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LOKALTERMIN Chez Belmondo

CHEZ BELMONDO BELM AUF HEINZ HORRMANNS HORRMANN SPUREN IN CHARLOTTENBURG VON MARC STE YER

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Chez Belmondo LOKALTERMIN

Gastgeber und Küchenchef Alain Agha.

Vor einiger Zeit vertraute Heinz Horrmann, bestgekleideter, höchstdekorierter und weitestgereister Hotel- und Restauranttester der Republik, dem Bielefelder Hochglanzmagazin A LA CARTE seine Berliner Lieblingsrestaurants an: 13 kulinarische Orte in Charlottenburg, Wilmersdorf, Kreuzberg, Tiergarten und Mitte – und alle waren gespannt, wo der Maestro so zu dinieren pflegt. O.K., das Adlon Esszimmer durfte man erwarten („der dritte Stern ist längst überfällig“), das Borchardt sicher auch („das Restaurant, das nie Pause macht“), den India Club („schlichtweg grandios“) nicht unbedingt. Der Beef Grill Club am Gendarmenmarkt („absolut empfehlenswert“) und das Chez Belmondo in der Knesebeckstraße („eine Küche...vergleichbar mit Ducasse und Robuchon“) überraschten die Gemeinde dann total. Nix Tim Raue übrigens, nix Nobelhart & Schmutzig, nix Ernst, Horváth, Facil oder Rutz und auch nix aus dem von Horrmanns Kollegen allweil bejubelten The-Duc-Ngo-Gastro-Imperium, aber das nur am Rande.

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LOKALTERMIN Chez Belmondo

Ein Berliner Franzose auf einer Stufe mit Ducasse und Robuchon also, das macht natürlich neugierig, auch wenn wir es – im Gegensatz zu Heinz Horrmann – nicht wirklich beurteilen können. O.K., in London waren wir vor gut zehn Jahren mal ins L‘Atelier de Joël Robuchon im Convent Garden eingeladen und in Monaco haben wir auch mal ein Blick in Alain Ducasses Le Louis XV im Hotel de Paris Emmanuel Girard.

geworfen, aber das zählt ja nicht. Also dann, Chez Belmondo, Knesebeckstraße, nicht weit weg vom Renaissancetheater, eine gute Gegend, wie man so sagt. Wir nehmen am Place Jean-Paul Belmondo gleich neben dem Tresen Platz und verschaffen uns einen ersten Eindruck – was gar nicht so einfach ist angesichts der vielen Devotionalien. Bébel hier, Bébel da, Bébel überall – als Kommissar Tellier, Spezialagent Beaumont, Pfarrer, Fabrikarbeiter, Lastwagenfahrer. Schade eigentich – als er 1998 nach Berlin kam, um die Goldene Kamera entgegenzunehmen, war das Restaurant noch eine Wäscherei…

Kerthanan Satkurunathan.

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Chez Belmondo LOKALTERMIN

Die Promidichte scheint groß zu sein im Chez Belmondo. Alain, der umtriebige Gastgeber, nennt wichtige Namen und bittet um Diskretion. Natürlich halten wir uns daran, auch weil wir nicht in Restaurants gehen, um Politik- oder Showbiz-Größen zu sehen. Nein, wir kommen, um zu essen und auf ein, zwei Gläschen Wein. Heinz Horrmann bejubelte die „prächtige Tischwäsche und die zu kleinen Kunstwerken geformten Stoffservietten.“ Wir wollen solche Petitessen zwar nicht schmähen, aber wichtiger ist uns schon, was auf die Teller und in die Gläser kommt. Und das ist im Chez Belmondo tatsächlich aller Ehren wert (ob nun michelinsternverdächtig, wie unser berühmter Kollege meint, das vermögen wir nicht zu sagen). Sowohl die Vorspeisen – Avocadosalat mit gebratenen Riesengarnelen und Krustentiersauce sowie Wolfsbarschtatar mit Äpfeln, Tomaten und Koriander als auch das Hauptgericht – geschmorte Kalbsbäckchen mit Rahmwirsing und Kartoffel-Möhren-Püree – boten jene Art von mühelosem Ge-

Lawand Loran Agha und Baba Diaby Gassama, v.re.

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LOKALTERMIN Chez Belmondo

Ali Alaydy.

nuss, der sich einstellt, wenn es auf den Tellern irgendwie stimmig zugeht. Das gilt gleichermaßen für die Bouillabaisse marseillaise, dem die Chez-Belmondo-Küchencrew dermaßen aromatische Power verpasst, dass sie durchaus mit einigen der wuchtigen Roten von der Weinkarte mithalten kann. Wir bleiben trotzdem lieber beim Petit Chablis, den uns Emmanuel, der umsichtige Weinkellner, empfohlen hat und genießen die trotz des einsetzenden Stammgästeansturms gemütserhellende Atmosphäre des Charlottenburger Restaurants. Danke für den Tipp, Heinz Horrmann. CHEZ BELMONDO Knesebeckstraße 93 10623 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 – 36 28 72 61 www.belmondo-berlin.de

Karolina Drazkiewicz.

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Baba Diaby Gassama.


Spicy caviar GESCHMACKSSACHEN

DIE PERLEN-STORY EN-STORY YANA STEUDELS SPICY CAVIAR VON JÖRG TEUSCHER

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GESCHMACKSSACHEN Spicy caviar

Mit meinen kleinen veganen Perlen, die ohne künstliche Aromen und ohne Farb- und Konservierungsstoffe hergestellt werden, möchte ich Ihren Gaumen überraschen, Freude am Essen vermitteln, Kreativität in der Küche und bei Tisch fördern und zum Experimentieren verführen. Meine Kollektion umfasst Perlen mit dreizehn verschiedenen Geschmacksbildern, darunter solche mit Portwein, Sherry, diversen Fruchtessigen und verschiedenen Likören; Zitrus-Perlen mit Yuzu, Kalamansi oder Bergamotte sowie Perlen mit Safran oder schwarzem, also fermentiertem Knoblauch. Mein Vorschlag: Probieren sie Ihren Lieblingskäse mit verschiedenen Perlensorten! Zum Roquefort beispielsweise Mangoessig-Perlen, zum Comté solche mit Crème de Cassis und zum Reblochon die mit Tomatenbalsam. Auch Krusten- und Schalentiere, Fleisch, Geflügel, Desserts und Eis lassen sich hervorragend mit meinen geschmacksintensiven Gourmetperlen kombinieren. Dr. Yana Steudel, Chemikerin und Gründerin des Start-up Turn Food To Event

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Spicy caviar GESCHMACKSSACHEN

Küchenchef Florian Glauert.

Hiramasa Kingfish, Meeresfrüchte und -pflanzen, Ocean pearls.

Zum ersten Mal kamen wir vor 12, 13 Jahren mit solchen Kügelchen

Chez Belmondo: Wolfsbarschfilet, grünes Erbspüree, Beurre blanc

in Kontakt. Es war die Zeit der Molekularküche und des Campari-

und on top eben ein gutes Dutzend praller, mattgelber Kügelchen,

Kaviars, der – schwimmend im Orangensaft – eine ungewöhnliche

Geschmacksrichtung Yuzu-Sake (s. Bild Seite 51).

Interpretation des Klassikers gab. Die Methode der Herstellung der

Florian Glauert, experimentierfreudiger Duke-Küchenchef im

Campari-Kügelchen hieß „Verkapselung“, und manche Köche hüll-

Charlottenburger Ellington Hotel, arbeitet bereits seit geraumer

ten sie in den aparten Schleier eines Betriebsgeheimnisses.

Zeit mit der Gourmetperlen-Produzentin zusammen. „Yana Steu-

Dabei war das Ganze ziemlich simpel: Alginat, ein wasserlösli-

dels Spicy caviar hat eine feine Struktur und eine sehr dünne Haut“,

ches, geschmackloses Geliermittel aus Algen, wurde in Campari

lobt Glauert, „die Kügelchen zerplatzen auf der Zunge wie kleine

aufgelöst, die Mischung auf eine Spritze aufgezogen und in ein

Geschmacksgranaten und schmelzen dann seidig zart dahin.“ Als

Bad aus Calciumchlorid getropft, fertig. Angewandte Polyelektro-

Beleg präsentiert er eine Hiramasa Kingfisch-Zubereitung.

physik. Der „Kaviar“ musste nur noch abgefischt, mit Wasser abgespült und den staunenden Gästen mit O-Saft serviert werden.

Auch Karolina Stich, die Berliner EisQueen, setzt auf die Gourmetperlen von Yana Steudel – etwa bei ihrer Kreation „Indian

Die promovierte Chemikerin Yana Steudel holte die Methode aus

Summer“, mit der sie bei den Deutschen Meisterschaften der

der Versenkung, modifizierte sie und verkapselt nun (fast) alles,

Speiseeishersteller Ende Mai 2019 antrat. Weißes Schokoladen-

was ihre Kunden wünschen. So begegneten uns ihre Perlen bei-

eis mit dezenten Currynoten, Mango-Chutney, exotische Früchte

spielsweise auf einem Teller im eben beschriebenen Restaurant

und Mangoessig-Perlen.

Eiskreation mit exotischen Früchten und Mangoessig-Perlen.

EisQueen Karolina Stich.

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GESCHMACKSSACHEN Spicy caviar

Wer nun glaubt, Yana Steudels Spicy caviar fände nur in der Gourmetgastronomie und Luxuspatisserie statt, der irrt. Da ist zum Beispiel die Voudookitchen, ein winziger Burger- und Crêpesladen im Friedrichshainer Kiez. Der Augenoptiker Alexander Hartung und die Schauspielerin Josephin Graf, er Stuttgarter, sie Plauenerin, eröffneten das Bistro vor drei Jahren und betreiben es seitdem mit einigem Erfolg – es passt zur Gegend und in die Zeit. Dementsprechend schnell hat es sich herumgesprochen, dass Alex‘ und Josephins Buns und Pattys von außergewöhnlich guter Qualität sind. Damit gehört die Voudookitchen zweifellos zur Spitzengruppe der Berliner Burgerliga, zumal Alexander Hartung – kein Wunder bei seinem erlernten Beruf – auch ein Händchen fürs Optische auf dem Teller hat. Ganz zu Unrecht im Schatten seiner Burgerkreationen stehen die Hotdogs des 48-Jährigen. Sie sind sicher nicht so abgefahren wie das, was Björn Swanson, Berlins Meisterkoch 2019, im Bikini-

Yana Steudel und Voudookitchen-Chef Alexander Hartung.

Haus unter dem rätselhaften Namen „Dawg“ servieren lässt, aber eben auch meilenweit entfernt von den üblichen Hotdog-Schöpfungen. Hartungs Hot Dog New York Style mit Rindswurst, Sauerkraut und Röstzwiebeln, die nicht aus der Tüte, sondern vom eigenen Herd kommen, hätte selbst am East River gute Chancen, so versichern Kenner der dortigen Fastfood-Szene. Das dürfte auch für die Voudookitchen-Sonderedition gelten: Pulpo Hot Dog mit Zuckerschoten und Koriander. Als Topping: die prallen Kügelchen in den Varianten Bergamotte und schwarzer Knoblauch von Yana Steudel. VOUDOOKITCHEN Scharnweberstraße 32 10247 Berlin-Friedrichshain Tel. 030 – 23 93 35 95 www.voudookitchen.de

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Spicy caviar GESCHMACKSSACHEN

Auch er ist ein ausgemachter Fan von Yana Steudels Perlen. Frank Doucet, gebürtiger Franzose aus Épernay im Département Marne. Das 23.000-Einwohner-Städtchen ist Sitz des Comité Interprofessionel du Vin de Champagne und eines der wichtigsten Zentren der Champagnerproduktion. Vor zwei Jahren kam der 53-Jährige nach Berlin, „weil die Stadt so kosmopolitisch ist und so viel Lebensqualität bietet.“ In Pankow fand er den Ort seiner Träume und eröffnete ein Käse- und Weinkontor, das er nach seinen beiden Großvätern Charles und Paulin benannte. Die Einrichtung ist eine bunte Mischung aus Kunst und Krempel, das Angebot an Käse und Wein sowie einigen weiteren Delikatessen – etwa den Olivenölen und Olivenprodukten von Nicolas Alziari aus Nizza – durchaus respektabel. In solcher Nachbarschaft macht sich Yana Steudels Collection de Perles besonders gut. „Pour enchanter le goût“, sagt Frank Doucet und lädt seine Gäste zum Geschmackstest.

Yana Steudel und Charles-&-Paulin-Betreiber Frank Doucet.

Welche Perle passt am besten zu welchem Käse? „Zum Camenbert auf jedem Fall Balsamique de Tomate – oder doch eher Pommeau?“„Und zum Fourme d´Ambert? Natürlich Vinaigre de Mangue!“ Schon ist die kulinarische Konversation im vollen Gange. Gäste, denen das zu viel Gourmet-Philosophie und zu wenig gehaltvoll ist, können sich auch dem künstlerischen Diskurs widmen – im Charles & Paulin gibt es monatliche Musikabende, regelmäßige Lesungen, Foto- und andere Kunstausstellungen. Ein guter Ort eben, in jeder Hinsicht. CHARLES & PAULIN Breite Straße 39b 13187 Berlin-Pankow Tel. 0152 – 56 29 84 75 www.facebook.com/charlesundpaulin/

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GESCHMACKSSACHEN Spicy caviar

Chez Belmondo, Duke, Charles & Paulin, Voudookitchen – Bei-

derzeit an einem „Perlen-Projekt“ für Kinder arbeitet. „Wir planen

spiele dafür, dass Yana Steudel mit ihrem Spicy caviar im Berliner

eine Perlen-Kollektion, um die Geschmacksschulung etwa in Kitas

Gastronomiemarkt angekommen ist. „Hier wirklich Fuß zu fassen,

zu unterstützen.“

ist aber nochmal ein ganz anderes Ding“, so die Perlenmacherin.

Yana Steudel stammt aus Kasan. Sie studierte Chemie, pro-

Umso mehr ist sie stolz darauf, dass Jan-Göran Barth, Küchenchef

movierte 1992 an der Russischen Akademie der Wissenschaften

im Bundespräsidialamt, sein Interesse an ihren Produkten signali-

und folgte noch im gleichen Jahr einem Ruf an die Universität von

sierte und dass „kulinarisch interessierte Normalverbraucher“, wie

Kyoto. 1994 kam sie nach Berlin. Forschungstätigkeit an der Freien

sie es nennt, die Perlen nun auch in den Regalen einiger Einzelhänd-

und der Technischen Universität. Singapur, Neuseeland, die Verei-

ler finden – etwa bei Hanabira in der Friedrichshainer Colbestraße

nigten Staaten, wieder Berlin. Arbeit für einen US-Wissenschafts-

oder bei Wein & Glas in der Wilmersdorfer Prinzregentenstraße.

verlag. Als der Personal abbaute, verlor sie ihren Job.

„In Frankreich ging das alles viel schneller“, sinniert sie. Dort rei-

Ohne Groll widmete sich Yana Steudel fortan ihrer zweiten gro-

ßen sich Spitzenköche und Feinkostverkäufer inzwischen um Yana

ßen Leidenschaft, der Kulinarik. „Mit der Zeit wurde aus der Che-

Steudels „petites perles“, sie wird zu Präsentationen eingeladen,

mikerin eine Köchin“, erzählt sie. Sie gewann Kochwettbewerbe,

tritt bei kulinarischen Workshops auf und wurde im Mai 2019 so-

machte mit ihren Rezepten auf Facebook Furore und produzierte

gar in die Association des Toques Françaises berufen, eine renom-

den ersten Spicy caviar als Geschenk – „nur so, aus Spaß...“

mierte gastronomische Vereinigung, mit deren Unterstützung sie

www.turnfoodtoevent.com

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ADVERTORIAL

Unser Kürbisland Kürbisse sind sehr gesund, vielseitig verwendbar und werden in deutschen Küchen neuerdings immer beliebter. Knapp ein Kilo des Fruchtgemüses werden hierzulande pro Kopf und Jahr verzehrt.

Der in Deutschland stetig gewachsenen Popularität des SpeisekürGeorg Rixmann.

Sie sind die Stars der Szene im Kürbisland Brandenburg und weit über dessen Grenzen hinaus bekannt: Georg Rixmann und

bisses tragen viele Gemüsebauern Rechnung. Anbauspitzenreiter ist Bayern, wo auf mehr als 950 Hektar Kürbisse wachsen.

Thomas Syring.

Thomas Syring stammt aus Zauchwitz im Beelitzer Land. Der 39-jährige Brandenburger setzt, im Gegensatz zu Georg Rixmann, nur auf eine einzige Sorte: den Steirischen

Thomas Syring.

Ölkürbis.

Rixmann, 65, gebürtiger Niedersachse aus Ankum im Osnabrücker Land und ge-

Dabei kümmert sich der FU-diplomierte

lernter Gärtner, kam 1996 mit seiner Part-

Landwirt weniger um das Fruchtfleisch der

nerin Sabine Schwalm nach Linum im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Sie übernahmen einen alten Gutshof und begannen, das zugehörige Land zu kultivieren. Inzwischen bewirtschaften sie 16 Hektar mit jeder Menge Spezialitäten: Erdbee-

Die Anbaufläche von Speisekürbissen im Land Brandenburg beträgt, grob geschätzt, 240 Hektar. Vor allem werden Deutsche Gartenkürbisse sowie Hokkaido-, Butternutund Muskatkürbisse kultiviert.

gelb-grünen Giganten, sondern in erster Linie um deren nackte, also schalenlose Kerne. Aus ihnen presst Syring ein reintöniges, naturbelassenes Bio-Kernöl, dass es locker mit den besten Produkten steirischer Provenienz aufnehmen kann. Knapp zweieinhalb Kilo Kerne, also die

ren, dutzende seltene und fast vergessene

Samen von rund 20 Kürbissen, braucht

Gemüse-, Kartoffel- sowie über 150 zum

man übrigens für einen Liter Öl, das mit

Teil exotische Kürbissorten, eine zumin-

nussigem Aroma, einem hohen Anteil an

dest in Brandenburg einmalige Vielfalt.

Vitaminen und wertvollen Fettsäuren, vie-

Georg Rixmann, seit zwei Jahren auch als pro agro-Genussbotschafter aktiv und mit etlichen Berliner Spitzenköchen bestens vernetzt, weiß genau, was die Küchen-Cracks wünschen. Und er liefert – von A wie Acorn bis Z wie Zappho. „Es muss ja nicht immer nur Hokkaido sein“,

Jedes Jahr im Herbst steigt auf dem Erlebnishof Klaistow in Potsdam-Mittelmark die größte Kürbis-

len Mineralstoffen sowie seiner antioxidanten Kapazität punktet. gefördert durch

ausstellung Deutschlands. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto „Fabelhafter Wald der Kürbisse“.

so Rixmann.

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GESCHMACKSSACHEN Gutes von Gude

In Potsdam entdeckt:

Gutes von Gude REGIONALE FEINKOST AUS BERLIN UND BRANDENBURG VON JÖRG TEUSCHER

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Gutes von Gude GESCHMACKSSACHEN

Potsdam rangiert, was das Kulinarische betrifft, bisher eher unter

Seine Partnerin Geerte Kretschmann, gebürtige Potsdamerin und

„ferner liefen“. Mit der Wiedereröffnung der Villa Kellermann vor

gelernte Restaurantfachfrau, die nach Stationen in Berlin, Cannes

einigen Wochen in der Brandenburger Landeshauptstadt (Günther

und Genf wieder zurück in die Heimat fand, führt uns zu den Ausla-

Jauch/Tim Raue!) dürfte sich da einiges ändern. Viele Gastrono-

gen des kleinen Delikatessengeschäfts. „Wir setzen voll und ganz

men an der Havel hoffen jedenfalls, dass sie ein bisschen vom

auf die Region Berlin-Brandenburg“, sagt sie, „auch, weil kaum je-

Glanz der edlen Hütte abbekommen. Feinkosthändler und Manu-

mand weiß, was sie kulinarisch zu bieten hat.“ Neben den sorgfältig gekelterten Fruchtweinen aus dem Werde-

fakturbetreiber hegen die gleichen Gedanken. Marcus Gude und Geerte Kretschmann beispielsweise, die vor

raner Kirschgarten stehen da die erstklassigen Sirup-Kreationen

einem Jahr in der Gutenbergstraße nahe des Holländischen Vier-

von Felicia Wenzke und Markus Christian aus Babelsberg, die na-

tels einen Laden für regionale Spezialitäten eröffneten, sind fest

turbelassenen Schenkenhonige aus Stahnsdorf, darunter einige

überzeugt, dass in absehbarer Zeit auch das kulinarische Potsdam

total abgefahrene Gourmethonige mit Lakritz- oder Lavendelno-

in aller Munde sein wird. „Wir wollen jedenfalls unseren Beitrag

ten und daneben wiederum die Saucenzubereitungen der Potsda-

dazu leisten“, so der 36-jährige Hotelfachmann Marcus Gude, der

mer Art-Gourmet-Köche. Es gibt Fruchtbonbons und Fruchtsalze,

von der Insel Rügen stammt, seine Ausbildung im Schlosshotel

Kräuterbiere und Weinaufstriche, deren Produzenten wir auf den

Cecilienhof absolvierte und später in der (alten) Villa Kellermann,

folgenden Seiten vorstellen und eine von der Hofmetzgerei Farm

in Hammers Landhotel in Teltow und im Berliner Adlon tätig war.

Katerbow opulent bestückte Fleisch- und Wursttheke (s.S.62/63).

GUDES REGIONALE FEINKOST Gutenbergstraße 16 14467 Potsdam Tel. 0331 – 27 370 334 www.gude-potsdam.de

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GESCHMACKSSACHEN Gutes von Gude

Eine Runde genussbegeisterter Mitmenschen auf der Produktmes-

„Bevor der Hopfen aufkam, wurde Bier mit Kräutern gebraut“, sagt

se Made in Berlin am Gleisdreieck. Dr.med.dent. Evelyne Schaefers

die Ernährungswissenschaftlerin Pia Morgenroth, „und ich bin vor

alias Doc.Eva, Zahnärztin und Food-Bloggerin, schwärmt: „Eine rei-

einigen Jahren angetreten, um diese alte Art der Bierherstellung

fe Ananas schälen, schneiden, mit Charlottes Lebkuchensalz be-

wiederzubeleben.“ Nachdem die Tests mit energetisiertem Brau-

streuen, das ist einfach mega.“ Die derart Gelobte macht solcher

wasser, Gerstenmalz, Wildkräutern und Hefe erfolgreich waren,

Satz zwar ein bisschen verlegen, aber stolz ist sie auf die Würdi-

suchte sie Partner mit entsprechender Brautechnik, fand sie im

gung ihrer Produkte aus food-kompetentem Mund natürlich schon.

Berliner CraftZentrum und brachte mit deren Hilfe ihr G‘Bräu auf

Charlotte Steinseifer, so ihr vollständiger Name, wurde durch

den Markt. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Behörden ge-

die Kochkünste ihrer Großmutter schon früh kulinarisch geprägt,

macht. G‘Bräu, bedeutete man ihr, vermittele den Eindruck, dass

Köchin allerdings wollte sie dann doch nicht werden. Sie studierte

hier Bier gebraut worden sei – und das gehe nun gar nicht. Pia Mor-

Sport, ließ sich zur Physiotherapeutin ausbilden, managte ab Mitte

genroth warf Etiketten, Briefpapier und Visitenkarten in die Tonne,

der 1990er den Spa-Bereich des Palace-Hotels, beschäftigte sich

nannte ihr Getränk G‘Broi, ließ neu drucken, was nötig war und star-

dort mit Peeling-Salzen und erfand eine Methode, Salzkristalle und

tete ein zweites Mal.

Fruchtaromen zu vereinen. Das Verfahren wurde patentiert, die

„G‘Broi – alkoholisches Kräutergetränk naturtrüb“ verkündet

52-Jährige gründete die Sapore Fruchtsalz Manufaktur und brach-

das Etikett nun, die Bier-Lobby und ihre Reinheitsgebot-Wächter

te seitdem vier Fruchtsalz-Kreationen (Cassis, Granatapfel, Kokos-

sind zufrieden, und die Konsumenten sind es auch. Drei Sorten

Minze, Passionsfrucht) sowie das schon erwähnte Lebkuchensalz

G‘Broi gibt es inzwischen – Wilde Nessel, Stolze Blüte, Schwarzes

heraus. „Sie gehören zu jenen Ingredienzen, die ambitionierte Ge-

Schaf – genau so hergestellt wie „richtiger“ Gerstensaft und ähn-

richte mit einem Ausrufezeichen versehen“, resümierte kein Gerin-

lich im Geschmack. Feinwürzig, allerdings weniger bitter als ge-

gerer als Berufsesser Thomas Platt nach seinem Salztest.

hopfte Biere, eher mild. Ein Getränk, das uns überzeugt hat.

www.sapore.berlin

www.gbroi.com

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Gutes von Gude GESCHMACKSSACHEN

„Diese hier mögen die meisten Touristen“, erklärt die junge Frau

Johanna Kerschbaumer, 27, stammt aus Bayreuth und hat Wirt-

mit dem aparten französischen Akzent einem älteren Ehepaar und

schaftspsychologie studiert; Christoph Sander, 31, kommt aus Bre-

zeigt ihnen ein Zellophantütchen mit verschiedenfarbig gestreiften

merhaven und ist diplomierter BWLer. Jung, gebildet, motiviert, da

Bonbons. „Apfel, Sanddorn, Waldmeister“, ergänzt sie.

ist eigentlich die Karriere etwa in der Digital- oder Finanzbranche

Blickkontakt der beiden. „O.K., fünf mal“, entscheidet der Mann

bereits programmiert – sollte man meinen.

und fügt entschuldigend hinzu: „So was gibt’s bei uns nicht.“ „Vrai-

Doch die beiden pfiffen auf chice Büros und fette Boni, taten

ment pas? – Wirklich nicht?“, fragt die Bonbon-Verkäuferin. Darauf-

sich stattdessen mit der Köchin Paula Lipovac zusammen, ent-

hin der Mann: „Non, que tu me croies ou non...“ Alle drei müssen

wickelten die Cheers-Weinaufstriche und gründeten das Start-up

lachen, auch die Muttersprache des Paares ist französisch.

Hannah & Paula´s UG, um Produktion, Marketing und Vertrieb ihrer

„Das gibt es nur in der Markthalle Neun“, sagt Isabelle Vienne.

weinigen Köstlichkeiten zu organisieren. Ganz so problemlos, wie

Die 42-Jährige stammt aus Lausanne und kam vor anderthalb

solcher Satz aufgeschrieben ist, lief die Aktion natürlich nicht, aber

Jahren nach Berlin, im Kopf die Idee, eine Bonbonmanufaktur zu

am Ende des Tages stand der Erfolg.

gründen und ein Süßwarengeschäft zu eröffnen. In Dänemark und

Ihre Aufstriche in den Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Char-

Holland absolvierte sie Praktika, in Augsburg lernte sie das Bon-

donnay, Pinot grigio und Rosé (eine Weihnachtssorte „Glühwein“

bonmacherhandwerk dann richtig. Im September 2018 schließlich

ist dieser Tage noch hinzugekommen) sind die Renner auf Messen

gründete sie ihre Manufaktur „La Bonbonnière“. Sie fertigt Lollis

und Märkten, über 100 Weinhandlungen haben Cheers in den Re-

und Berlingots, französische Traditionsbonbons in Tetraederform,

galen, und der Onlineshop wird gut besucht. Das ist kein Wunder,

17 Sorten derzeit, die intensiv nach dem schmecken, was drauf-

denn das, was da in die 200-Gramm-Gläser kommt, hat eine fast

steht. Dass sie auf künstliche Farb- und Aromastoffe verzichtet, ist

cremige Konsistenz und schmeckt intensiv nach der angegebenen

für Isabelle Vienne selbstverständlich.

Rebsorte. Ja, Cheers macht schon ein bisschen süchtig.

www.labonbonniere.de

www.hannah-paula.com

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GESCHMACKSSACHEN Gutes von Gude

Geerte Kretschmann und Marcus Gude, 1.u.2.v.li. zu Gast in der Hofmetzgerei Farm Katerbow in Heiligensee bei Winfried, Marcus und Stephan Koch, v.re.

Der wichtigste Lieferant von Marcus Gude und Geerte Kretschmann ist die Hofmetzgerei Farm Katerbow. Wegen deren Spezialität, dem Fleisch des Echt Havelländer Apfelschweins, kommen viele Potsdamer Kunden extra in die Gutenbergstraße und auch etliche Gastronomen wissen, was sie an diesem Fleisch haben. „Wir beliefern zum Beispiel das Sternerestaurant Kochzimmer“, so Marcus Gude. Und weil man nicht nur Kunden, sondern auch Lieferanten pflegen sollte, machen Gude und Kretschmann der Hofmetzgerei im Nordberliner Stadtteil Heiligensee regelmäßig ihre Aufwartung. Der Familienbetrieb ist ein Neuling am Markt, gegründet 2015. Hinter der Gründung steckt eine ganze Familie: Winfried und Ulrike Koch sowie die erwachsenen Söhne Marcus und Stephan. Und eine Idee. Winfried Koch, Küchenmeister und seit über zwei Jahrzehnten als Produktentwickler unterwegs, untersuchte die Herstellung von Apfelpektin in Werder/Havel und fand heraus, dass die ProdukUlrike Koch und Fachverkäuferin Franziska Hirschland, v.li.

tionsabfälle soviel Restpektin enthalten, dass sie für Futtermittel-

HOFMETZGEREI FARM KATERBOW Alt Heiligensee 70 13503 Berlin-Heiligensee Tel. 030 – 431 22 18 www.farm-katerbow.de

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Gutes von Gude GESCHMACKSSACHEN

hersteller interessant sein könnten. Die jedoch winkten ab – kein Interesse. Koch nahm die Sache selbst in die Hand, holte Brandenburger Bauern ins Boot und gründete schließlich eine eigene Unternehmung, die Farm Katerbow. In den ehemaligen LPG-Ställen des Dörfchens Katerbow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin werden die Schweine aufgezogen, 460 sind es derzeit. „Die Fütterung mit Apfeltrester macht die Tiere agiler und vitaler“, so Koch, „und wirkt sich auch positiv auf die Tiergesundheit aus.“ Vier bis fünf Monate dauert es, bis die Apfelschweine ihr Schlachtgewicht von gut 120 Kilogramm erreicht haben – Slow Mast sozusagen. Das Ergebnis ist ein Fleisch mit feiner Struktur und bestem Geschmack. Ein perfektes Produkt, aus dem in der hauseigenen Metzgerei Wurst-und Schinkenspezialitäten hergestellt werden. (Neben ihrem Geschäft in Heiligensee haben die Kochs auch Filialen in Frohnau und Schmargendorf eröffnet.)

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GESCHMACKSSACHEN Das kulinarische Dreieck

Das kulinarische Dreieck PRODUZENTEN KOOPERIEREN – GASTRONOMEN PROFITIEREN VON JÖRG TEUSCHER

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Das kulinarische Dreieck GESCHMACKSSACHEN

Susanne und Matthias Engels, Fischzüchter aus Rottstock, Metzgermeister Christopher Zimmermann aus Görzke und Markus Silbernagel, Sous Chef im Hilton Berlin, v.li.

Susanne und Matthias Engels übernahmen im Oktober 2013 den

Neuerdings haben sie immer öfter auch Fleisch und Schinken aus

damals weithin unbekannten Forellenhof Rottstock im Branden-

der Landmetzgerei Zimmermann im Rottstocker Nachbarort Görz-

burger Landkreis Potsdam-Mittelmark. Inzwischen heißt die An-

ke für ihre Kunden an Bord (s. Seiten 68/69).

lage Resort 25 Teiche und hat sich in der Region einen Namen

„Eigentlich keine große Sache“, so Susanne Engels, „wir haben

gemacht – als familiäres Ausflugsziel und Austragungsort von

Christopher Zimmermann kennengelernt, haben gesehen, welche

Feiern der besonderen Art für die einen, als Lieferant erstklassiger

Anstrengungen er in puncto Produktqualität unternimmt, haben

Süßwasserfische für die anderen.

mit Küchenchefs gesprochen und ohne viel Tamtam einen gemein-

Vor allem Berliner und Potsdamer Küchenchefs schätzen die

samen Lieferservice ins Leben gerufen.“

Qualität der Saiblinge, Störe und Forellen, die im klaren Wasser

Nutznießer der regionalen Kooperation sind neben einer Reihe

der Rottstocker Gesundbrunnenquelle aufwachsen – die Menge

von Restaurants und Cateringfirmen auch das Potsdamer Dorint

der Fische, die Susanne und Matthias Engels jeden Donnerstag mit

Hotel sowie die Hauptstadtherbergen Scandic am Potsdamer

ihrem Transporter ausliefern, stieg mit den Jahren beständig.

Platz und Hilton am Gendarmenmarkt (s. Seiten 70/71).

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Das kulinarische Dreieck

Rottstock: Das Resort 25 Teiche.

Susanne Engels ist diplomierte Politikwissenschaftlerin und war

Erfolg ist“, schimpft sie und plädiert für mehr Eigeninitiative der

in ihrem früheren Leben eine bekannte Fernsehfrau – Autorin, Re-

Produzenten und für die Unterstützung effektiver Problemlösun-

dakteurin, Produzentin, engagiert, meinungsstark, immer nah am

gen. „Kein Konzeptionismus, keine Nerverei, einfach machen.“

Leben. Das hat sich mit ihrem Abschied aus der TV-Welt, ihrem

Wenn sie solche Forderungen formuliert, hat sie sicher auch den

Umzug aufs Land und dem neuen Job nicht geändert. Die 51-Jäh-

gemeinsamen Lieferservice im Kopf, den sie, ihr Mann Matthias

rige mischt weiter mit – im Verband Deutscher Unternehmerinnen,

und der Metzgermeister Christopher Zimmermann auf die Beine

im Tourismusausschuss der Industrie- und Handelskammer, im

gestellt haben. Susanne Engels: „Es hat einfach auch deshalb ge-

Handelsverband Berlin-Brandenburg. Ihre bevorzugten Themen:

passt, weil wir beide – Fischzucht und Metzgerei – auf unbedingte

Bürokratieabbau, Mittelstandsförderung, Wirtschaftswachstum.

Transparenz setzen. So kann jeder Küchenchef jederzeit unsere

Mit Vehemenz tritt sie gegen jede Art von Aktionismus auf, ob in der Tourismusentwicklung oder – aktuelles Beispiel – beim Aufbau

beiden Betriebe besuchen, bevor er sich entscheidet, mit uns zusammenzuarbeiten oder eben nicht.“

sogenannter Regionalmarken. „Da werden teure Agenturen beauftragt, Konzepte zu entwickeln, es werden Workshops veranstaltet, Logos entworfen, Flyer gedruckt. À la longue soll dann eine gemeinsame Logistik aufgebaut werden und am Ende ein Regal in irgendeinem Supermarkt mit der Regionalmarke glänzen.“ Susanne Engels kann sich bei diesem Thema in Rage reden. „Wie lange das dauert, wie viel Geld das kostet, wie ungewiss der

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RESORT 25 TEICHE Dorfstraße 26a 14793 Gräben OT Rottstock Tel. 033847 – 402 41 www.25teiche.com


Das kulinarische Dreieck GESCHMACKSSACHEN

Susanne und Matthias Engels.

Fischwirtschaftsmeister Torsten Frรถhlich.

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GESCHMACKSSACHEN Das kulinarische Dreieck

Görzke: Metzgermeister Stefan Zimmermann und sein Sohn, Metzgermeister Christopher Zimmermann.

Ich bin Metzger, wer ist mehr? – der handwerksstolze Spruch galt

dort Filialen eröffnet, wo das uniforme Supermarktangebot den

bei Christopher Zimmermanns Urgroßvater (Bild Seite 69 o.re.)

Markt dominiert.“ Er nennt Borkheide, Brandenburg an der Havel,

noch uneingeschränkt. „Lang, lang ist´s her“, sagt der Urenkel.

Golzow, Lehnin, Niemegk, Ziesar, noch ein paar weitere Orte der

314 Handwerksmetzgereien mit 331 Filialen gibt es noch im Land Brandenburg – Tendenz fallend. Immer weniger junge Leute

näheren Umgebung und natürlich Brück, den Zimmermannschen Bilderbuchladen.

sind bereit, einen bestehenden Betrieb zu übernehmen, Fachkräf-

Montag, Mittwoch und Freitag wird geschlachtet – 50 bis 60

temangel und fehlende Auszubildende verdüstern das Bild weiter.

Schweine von Bauern aus der Region. „Wir kennen die Züchter, sie

„Hinzu kommen die Hürden der Bürokratie, die immer höher wer-

haben sich der Initiative Tierwohl angeschlossen, garantieren also

den“, so Christopher Zimmermann, „allein das Genehmigungsver-

eine artgerechte Haltung“, so Christopher Zimmermann. Das Zau-

fahren für die Umnutzung der Produktionshalle einer ehemaligen

berwort des Wurstgeschmacks heißt Warmfleischverarbeitung.

Plastikverarbeitungsfirma hier in Görzke dauerte zwei Jahre.“

„Unser Sortiment, 30 bis 40 Sorten, ist klassisch-bodenständig.“

Dennoch hat sich der 29-jährige Meister entschieden. Er wird die Traditionsmetzgerei, die immerhin seit sechs Generationen im Flämingdorf Görzke existiert, von seinem Vater übernehmen – Geschäftsführer ist er bereits. Meister Stefan Zimmermann, inzwischen 54, ist schon ein bisschen stolz, dass die Metzgerei in der Familie bleibt. „Um sie für die Zukunft fit zu machen, haben wir rund eine Million Euro investiert, moderne Maschinen angeschafft und

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Das kulinarische Dreieck GESCHMACKSSACHEN

Urgroßvater Willy Zimmermann, re., Anfang der 1930er Jahre in Görzke.

Zimmermanns Vorzeigefiliale in Brück, Landkreis Potsdam-Mittelmark.

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GESCHMACKSSACHEN Das kulinarische Dreieck

Berlin: Sous Chef Markus Silbernagel und PR-Frau Stephanie Dill im Hilton-Restaurant Mark Brandenburg.

Für Markus Sibernagel, den 29-jährigen Sous Chef des Mark Bran-

Silbernagel und fügt hinzu: „Womit wir wieder bei den Produkten

denburg im Berliner Hilton-Hotel ist die Kooperation mit den Rott-

und unserer Kooperation mit den Produzenten wären.“

stocker Fischzüchtern und den Metzgern aus Görzke ein Segen.

Eins der Hilton-Highlights ist die Rottstocker Lachsforelle, die

„Wenn regionale Produkte von bester Qualität sind und zuverlässig

auf der Haut gegrillt und mit süß-sauren Belugalinsen, gegrillten

geliefert werden“, so der für das À-la-carte-Geschäft des Restau-

Pfirsichen sowie gekochten Poveraden auf den Teller kommt. Ein

rants Zuständige, „dann haben wir Köche eben nicht nur eine hö-

zweites heißt „Berliner Variation“ und besteht aus drei Komponen-

here Planungssicherheit, sondern auch viel größere Möglichkeiten,

ten: einer Eisbeinpraline mit Sauerkraut und einem Püree aus grü-

unsere Kreativität auszuleben.“

nen Schälerbsen, einer Mini-Currywurst mit gepufften Kartoffeln

Silbernagel sagt das nicht ohne Grund. Der gebürtige Pasewal-

und einer Interpretation des guten alten „Strammen Max“ – Sau-

ker, Kochlehre im Müritz-Hotel Klink, kam nach Stationen im Mar-

erteigbrot, Blutampfercreme, gebackenes Wachtelei und Rauch-

riott und Swissôtel Berlin Anfang September 2017 in das Haus am

schinken. Hier lässt die Metzgerei Zimmermann grüßen.

Gendarmenmarkt und übernahm ein Jahr später die Verantwortung für die À-la-carte-Offerten des Restaurants Mark Brandenburg. Seitdem arbeitet er gemeinsam mit seiner Küchen- und der Servicebrigade (Restaurantleiter Max Petermichl) daran, das Mark Brandenburg noch besser am Markt zu positionieren. „Dabei setzen wir auf eine geradlinige, preiswürdige Regionalküche, die auf die Jahreszeit abgestimmt und nicht ganz ohne Anspruch ist“, sagt

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Das kulinarische Dreieck GESCHMACKSSACHEN

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GESCHMACKSSACHEN Ail rose de Lautrec

Anaïs Causse, 40, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften, merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei FeinkostLindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. 2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein. 2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den Onlineshop, aus „Maître Philippe“ wurde „Maître Philippe & Filles“ – ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen der Branche in Berlin zählt. Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten Spezereien und deren Produzenten.

AIL ROSE DE LAUTREC, S´IL VOUS PLAÎT VON ANAÏS CAUSSE „Bei mir kommt überall ein bisschen Knoblauch rein“, sagt Sébastien Marty, der Knoblauchlieferant unseres Vertrauens. Damit spricht er mir aus der Seele. Vielleicht ist es mein südfranzösisches Erbe, auch für mich gehört Knoblauch zu den unverzichtbaren Basics in der Küche. Mit einer Persillade – das ist eine Mischung aus roh gehacktem Knoblauch, frisch gehackter Petersilie, Olivenöl und Salz – schmeckt sofort alles besser. Wir sprechen hier natürlich nicht von irgendeinem Knoblauch. Nein, es geht heute um den Rosa Knoblauch von Lautrec, der besonders aromatisch ist, mild süßlich und eine eher subtile Schärfe besitzt. Dieser Knoblauch wird seit dem Mittelalter in der Gegend rund um das 1.800-Einwohner-Dorf Lautrec im Département Tarn angebaut, trägt das IGP-Siegel (Indication géographique protégée – geschützte geografische Angabe) und ist ein Label-Rouge-Produkt – dahinter verbirgt sich ein Qualitätskennzeichen für besonders hochwertige traditionelle Lebensmittel. Sébastien Marty, 43, kam vor siebzehn Jahren zum Knoblauch. Nach dem Baccalauréat (das ist das französische Abitur), einem Studium der Mikrobiologie und der Tätigkeit in einem Labor für

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Ail rose de Lautrec GESCHMACKSSACHEN

Das „Knoblauchdorf“ Lautrec, eines der schönsten Dörfer Frankreichs.

organische Düngemittel beschloss er, sich seinen Traum zu ver-

Sébastian Marty behandelt seinen Knoblauch übrigens nicht ge-

wirklichen und wechselte in die Landwirtschaft. Er arbeitete zehn

gen das Keimen. Das heißt, er „lebt“ weiter und die Zehen können

Jahre lang bei einem Bauern der Gegend und machte sich 2012 als

wieder austreiben, wenn sie zu warm und feucht gelagert werden.

Landwirt selbstständig.

Bei Temperaturen zwischen 12 und 15 Grad Celsius geschieht das

Heute bewirtschaftet Sébastien Marty 40 Hektar Land und hält ein gutes Dutzend Kühe. Von den 1,5 Hektar, die bei ihm jedes Jahr

nicht – deshalb empfiehlt Monsieur Marty denen, die keinen Raum mit solchen Verhältnissen haben, das portionsweise Einfrieren.

für den Rosa Knoblauch von Lautrec reserviert sind, erntet er rund sechs Tonnen der würzigen Knollen. Sie müssen dann mindestens

MAÎTRE PHILIPPE ET FILLES

zwei Wochen lang an frischer Luft trocknen und werden anschließend bis auf die letzte Haut geschält. Nur sie hat übrigens diese wunderschöne rosa Farbe, die dem Knoblauch seinen Namen gab. Danach wird sortiert – ausschließlich makellose Knollen dürfen die IPG- und Label-Rouge-Siegel tragen.

Emser Straße 42 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 — 88 68 36 10 www.maitrephilippe.de

Sébastien Marty mit seinen Objekten kulinarischer Begierde.

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MAUERHELD FABELHAFT DOURO

Riesling Mauerberg Steinterrassen trocken

„MAUEREDITION“ Tinto trocken

KOSTPROBEN Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils. Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker, kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf zur Massenware der Lebensmittelindustrie besetzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, hausgemachte Liköre, Konser ven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware gleichen Namens, aber eben auch gesünder, nachhaltiger und geschmackvoller. Vier Kostproben dessen, was wir in den letzen Wochen entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite.

nur erhältlich in unserem Ladengeschäft bei as-Gastro (SB Markt) Holzmarktstraße 34 • 10243 Berlin oder

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Seit wir den Sicher-Saiblingskaviar vor einigen Jahren bei dem 3-Sterne-Koch Sven Elverfeld im Wolfsburger Aqua zum ersten Mal probierten, gehört die Kärntner Delikatesse für uns zum kulinarischen must have. Um die gold-orangenen Fischeier zu gewinnen, werden die Saiblinge jedes Jahr im Herbst „gemolken“, danach die glasigen, prallen Kügelchen sortiert und mit reinem Karpatensalz versetzt. Das Ergebnis: ein feiner, milder, leicht nussiger Kaviar, weder sauer noch bitter, ein perfektes Geschmackserlebnis.

Anjola ist ein typisches Kind der Wirtschaftswunderzeit. Geweckt durch die Sehnsucht nach Südsee, brachten clevere Hamburger Saftmischer die Ananaslimonade 1952 auf den Markt. Sie wurde schnell Kult, verschwand dann aber doch in der Versenkung. Das findige fritz-kola-Team erweckte Anjola mit einem Schuss Limettensaft zu neuem Leben und landete damit einen Volltreffer. Der Remix schmeckt ananasintensiv, limettenfrisch und hat noch drei weitere Neuerungen: Er ist bio, fairtrade und vegan.

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TESTEN SIE UNS! In deutschen Metzgerläden sucht man die feinwürzige Brühwurstspezialität aus Rind- und Schweinefleisch, Speck, Knoblauch und Gewürzen namens Extrawurst vergeblich. Zwischen Vorarlberg und Burgenland dagegen ist sie allgegenwärtig. Dass die Berliner Fans der österreichischen Spezialität auch hierzulande nicht auf ihren Extrawurst-Kick verzichten müssen, verdanken sie der Kärntnerin Iris Holborn und ihren rot-weiß-roten kulinarischen Offerten in der Charlottenburger Leonhardtstraße.

„Frische und gesunde Kräuter direkt ins Glas!“ – so werben die Produzentinnen der Allgäuer sell-g‘machts-Manufaktur für ihre acht Chutneys, die sechs Kräuter- und zwei Wildkräuterpestos. Das herbe Brennnessel-Rucola-Pesto etwa ist mit getrockneten Bio-Tomaten, Salz und Pfeffer gewürzt und hatte es uns geschmacklich besonders angetan – als Dip zum Raclette. Die Kräuterfrauen versichern, dass es – ebenso wie die anderen Pestosorten – auch als Brotaufstrich und zu diversen Pastagerichten eine gute Figur macht.

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KOPFSALAT Paulina Negrete

Happy-Buddha-Granola

Mörser mit Stößel aus Gusseisen

Alle Gewürze für Berliner Currywurst

Goldkörner Manufaktur, Berlin

Atelier Berthold Hoffmann, Nürnberg

Schuster Würzerei, Berlin

Der diesjährige Tag der Manufakturen Ende September auf dem KPM-Gelände in Charlottenburg bewies, dass auch im Zeitalter industrieller Massenproduktion der Begriff „Manufaktur“ einen durchaus guten Klang hat. Er steht für handgefertigte und maßgeschneiderte Produkte, für lange Haltbarkeit, hohe Wertigkeit, für außergewöhnliche Qualität und – im Lebensmittelhandwerk – für beste Zutaten und besonderen Geschmack jenseits des Mainstreams. Das gilt auch für viele Spezialitäten aus Hausgemachte Steaksoße

Berlin: für die Edelkakao-Schokoladen der

Handgeschmiedete Eisenpfanne

Eckart Feinkost-Manufaktur, Berlin

Traditionsmanufaktur Rausch ebenso wie

Schmiede Kindermann, Waldkirchen

für die Sorbet-Kreationen der Eismanufaktur von Karolina Stich, die Gewürzmixe von Timo Schuster und – last but not least – für die Alfajores von Paulina Negrete.

Edelkakao-Schokolade, 75%, Costa Rica

Gin & Tonic Marshmallow

Cassissorbet mit Schokoladenganache

Rausch Schokoladen, Berlin

Manufaktur „Got dessert?“, Berlin

EisQueen Manufaktur, Belin

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Paulina Negrete KOPFSALAT

Süßwarenhandwerkerin Paulina Negrete und ihr Mann Mathias Wilkendorf.

Süßes Chile DIE ALFAJORES-BÄCKERIN PAULINA NEGRETE VON UWE AHRENS

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KOPFSALAT Paulina Negrete

Paulina Negrete und ihr Mann Mathias Wilkendorf stammen aus Valparaíso, einer chilenischen Hafenstadt am Stillen Ozean. Beide wuchsen dort auf, gingen zur Schule und studierten: Paulina Sport, Mathias Kunst und Fotografie. Vor neun Jahren kamen sie nach Deutschland. Welche Pläne sie damals hatten? Sie lächeln und bleiben eine Antwort schuldig. Mathias Wilkendorf arbeitet heute als Industriekletterer, Paulina Negrete hat sich als Süßwarenhandwerkerin selbstständig gemacht. Wir begegneten dem Paar während des Tages der Manufakturen auf dem KPM-Gelände. Paulina Negrete stellte dort handgemachte Spezialitäten aus – Alfajores, das sind Doppelkekse aus Mürbeteig, gefüllt mit Dulce de leche. „Das ist die süße Sünde Chiles schlechthin“, erklärt sie mit dem Charme, der nötig ist, um Passanten zum Probieren zu bewegen. „Vielleicht wie Dominosteine in Deutschland, allerdings mit dem Unterschied, dass Alfajores in meiner Heimat das ganze Jahr Konjunktur haben.“

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Alfajores sind übrigens nicht nur in Chile beliebt, sondern auch in den anderen Ländern Lateinamerikas. Paulina Negrete: „...wobei Chile schon ein besonderer Rang zukommt, weil dort die Dulce de leche, ohne die es keine Alfajores gäbe, erfunden wurde!“ Kein Zweifel, die kulinarische Literatur bestätigt es: Im 18. Jahrhundert wurde in Chile erstmals aus Milch, Zucker und Vanille eine Creme hergestellt, die sich als Brotaufstrich schnell verbreitete und den Namen Manjar oder eben Dulce de leche bekam, das bedeutet Süßes aus Milch. „Vor etlichen Jahren hat Argentinien für die Dulce de leche sogar die Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe beantragt“, weiß Paulina Negrete. Was die 37-Jährige als spontane Aktion gegen das kulinarische Heimweh am häuslichen

Ihr zuverlässiger Partner für: Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer, Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m. Gewerbe-Geschirrspülmaschinen Tiefkühl- und Kühlanlagen Arbeits- und Spültische

Herd begann, mauserte sich zum respektablen Konditor-Business. Inzwischen fertigt Paulina Negrete in einer Friedrichshainer Werkstatt acht Alfajores-Sorten und verschiedene Alfajores-Torten. „Natürlich ohne künstliche Farb- und Konservierungsstoffe und bestenfalls mit der Hälfte der in Chile üblichen Zuckermenge.“ Damit ist sie ganz gut im Geschäft – online oder bei South Embassy, La Siesta und anderen guten Feinkostadressen. Ihr 2014 gegründetes Start-up nannte sie übrigens Antojitos – das heißt soviel wie „kleiner Appetit“. www.antojitos.berlin

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Ein Wein für alle Anlässe

Großer Andrang beim ersten Japan Food Festival in Berlin.

„Keizoku wa chikara nari“, heißt es in Ja-

durch die Rechnung. Er allerdings blieb

pan, das bedeutet „Ausdauer ist mächtig“.

hartnäckig – „Keizoku wa chikara nari“ –

Christian Wagner, ein stadtweit bekann-

und tatsächlich, am ersten Septemberwo-

ter Eventveranstalter mit eigener Agentur,

chenende 2019 ging Berlins erstes Japan

kennt die Redewendung und hat sie zur Ma-

Food Festival über die Bühne.

xime seines Handelns gemacht. Bestes Beispiel ist sein jüngstes Baby.

Zwei Tage lang konnten die Besucher kosten und kaufen, was die kulinarische

Jahrelang bemühte sich Wagner, zu-

Japan-Community in Berlin zu bieten hat:

sätzlich zu seinem jährlichen Japan-Fes-

Onigiri und Okonomiyaki, Mochi-Eis und

tival Ende Januar in der Urania ein japani-

Matcha-Cake, Yuzu-Limonade und Saku-

sches Kulinarik-Festival auf die Beine zu

rao-Gin. Unter den rund 40 Ausstellern

stellen, doch immer wieder machten ihm

auch Nihon Mono, eine Unternehmung mit

Probleme und Problemchen einen Strich

ziemlich abgefahrenen Offerten…

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Dagmar Maas KOPFSALAT

NIHON MONO DAGMAR MAAS ERÖFFNET JAPANISCHE GENUSSWERKSTATT VON JÖRG TEUSCHER Hinter Nihon Mono – zu Deutsch „Sachen aus Japan“ – steckt Dagmar Maas. Unserer ersten Begegnung an ihrem zumeist dicht umlagerten Stand auf dem Japan Food Festival folgte eine zweite während der Berlin Food Week. Im Miele Experience Center Unter den Linden leitete sie einen gut besuchten Workshop zum Thema Umami. Besonders hier fiel uns auf, wie sie Menschen begeistern, ja mitreißen kann. Man entkommt ihr nicht. Liegt es an der Leichtigkeit ihrer Rede, am Kenntnisreichtum, an ihrer Überzeugungskraft? Mit adretten Äußerlichkeiten alleine ist die Anziehungskraft dieser Frau jedenfalls nicht erklärt. Dagmar Maas, 46, stammt aus Wolfsburg, studierte in Passau Betriebswirtschaftslehre und startete ihre berufliche Karriere als Unternehmensberaterin bei der KPMG. „Ich war im IT-Bereich unterwegs“, sagt sie. „Was heißt das konkret?“, fragen wir. „Einführung von SAPPersonalwirtschaftssystemen.“ Auf eine weitere Nachfrage verzichten wir. Das Eis, auf das wir uns begeben würden, erscheint uns zu glatt. Dagmar Maas folgte ihrem Mann, einem Telekom-Manager, zuerst für drei Jahre nach Vietnam, später, 2012, nach Japan. Ihre Töchter kamen zur Welt und sie beschloss, sich beruflich neu zu orientieren. Aus der IT-Frau wurde Lady Nippon. Dagmar Maas begann, sich das weite Feld der japanischen Kulinarik zu erschließen. Sie absolvierte in Tokio eine Ausbildung zur Sake-Sommelière und besuchte die Kochschule von Elizabeth Andoh.

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KOPFSALAT Dagmar Maas

Umeboshi – Paste aus gesalzenen, getrockneten und mit roten Perilla-Blättern (Shiso) eingelegten japanischen Pflaumen (Ume).

Azubi in Tokio: Kochlehrerin Elizabeth Andoh und ihre Schülerin Dagmar Maas.

„Es war der 7. November 2012, ein Mitt-

ich musste lernen, wann und wie ein Topf

woch“, erinnert sich Dagmar Maas, „mein

gewaschen wird.“ Auf die Werkzeugkunde

erster Tag in der Kochschule von Elizabeth

folgte die Lehre von den Produkten, „Ko-

Andoh.“ Das Institut der Meisterin befand

chen und Anrichten, das kam erst später.“

sich in unmittelbarer Nachbarschaft der

Und auch die Lektion für Fortgeschrit-

Maasschen Wohnung. „Das war praktisch“,

tene begann mit einem Vortrag über eine

so die 46-Jährige.

vermeintliche Kleinigkeit – dass man das

Sie kannte einige Bücher der Amerikanerin, die allerdings schon ein halbes Le-

Tamagoyaki – Spezielle Pfanne zur Zubereitung des Tamago dashimaki, des berühmten gerollten Japan-Omeletts.

Dagmar Maas muss sich gut angestellt

ihrer Artikel über japanische Kochkunst in

haben, denn die berühmte Kochlehrerin

der New York Times gelesen. „Mehr wuss-

berief sie zu ihrer Assistentin. Zeugnisse

te ich nicht, und was mich erwartete – kei-

oder Zertifikate übrigens stellt Elizabeth

ne Ahnung.“

Andoh nicht aus. „Was du bekommst ist

Dagmar Maas erzählt von der ersten Küchenlektion: „Töpfe waschen, tatsächlich,

Würzmittel, in ihrer feinsten Form: manu-

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weiter benutzt.

ben in Tokio zu Hause ist und hatte einige

Shoyu – Sojasauce, Japans bekanntestes fakturell hergestellt und nicht pasteurisiert.

Blanchierwasser nicht weggießt, sondern

Panama-Hof in der Potsdamer Straße.

das, was du mitnimmst“, sagt sie ihren Schülern.


Dagmar Maas KOPFSALAT

Wasabi – Das gefriergetrocknete Pulver kommt aus der Präfektur Niigata und ist die Dagmar Maas in ihrem Nihon-Mono-Domizil.

beste Alternative zur frischen Wurzel.

Dagmar Maas will in ihrer Kochschule, die

auch außergewöhnliche und entsprechen-

sie im September in einem Souterrain-

de Sake-Accessoires – wer mehr darüber

Raum des Panama-Hofes in der Potsda-

wissen will, kann gleich das nächste Sake-

mer Straße eröffnete, genauso verfahren.

Seminar buchen. Oder einen Kochkurs.

Nihon Mono – Japan im Glas und in

Oder beides zusammen. Also dann: Oishii!

der Flasche, so das Motto ihres kleinen

Übrigens: Ab der kommenden Garcon-

Ladens, vor dessen Eingang sie ein Sake-

Ausgabe wird Dagmar Maas in regelmäßi-

Fass aufgestellt hat. Ein paar Stufen nach

gen Abständen über ihre Erfahrungen mit

unten und schon ist man in einer anderen

japanischen Lebensmitteln berichten.

Welt, Dagmar Maasens Welt – minimalistisch möbliert und dekoriert, alles hat seine Funktion. Sie verkauft hier Küchenwerkzeuge, Kochbücher und Feinkostprodukte, die sie zum größten Teil selbst aus Japan importiert. Es gibt diverse Sake-Sorten,

NIHON MONO Potsdamer Straße 91 10785 Berlin-Tiergarten Tel. 030 – 20 96 69 26 www.nihon-mono.com

Takuan – Der in Nuka doko (mit Wasser und Salz vermischte Reiskleie) fermentierte Daikon ist in Japan sehr beliebt.

Stäbchenbänke – Edles Set mit fünf Stäbchenablagen aus Messing, angeordnet in Form einer Pflaumenblüte.

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KOPFSALAT Wie geht's eigentlich..?

Wie geht's eigentlich..? DORIS BURNELEIT Rathauses eingeladen. Zuständig für das

Unser Bild auf dieser Seite entstand am 16. September 2008, ziemlich spät abends, so gegen zehn. Doris Burneleit hatte über 300 Portionen Tagliatelle mit Steinpilzen gekocht und Minuten zuvor den letzten Teller serviert, dazu Small talk gemacht, sogar Autogramme gegeben und nun keinen Bock mehr auf Fotos. Ein Glas Wein half schließlich, und die Trattoria-Paparazzi-Inhaberin aus Prenzlauer Berg strahlte dann doch noch einmal brav in die Kamera. Klaus Wowereit, damals Regierender, hatte an jenem Septemberdienstag Berliner, die sich politisch, wirtschaftlich, kulturell oder gesellschaftlich für die Stadt engagieren, zu einem Fest in die Höfe des Roten

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GEBOREN 2. Oktober 19** in Lutherstadt Eisleben (** „Nö, das muss nicht in der Zeitung stehen.“) AUSBILDUNG Studium der Wirtschaftswissenschaften in Berlin Aushilfsjobs als Kellnerin während des Studiums Küchen- und Serviermeisterin Gastronomin

kulinarische Wohl der prominenten Partygäste war der Zeremonienmeister HansPeter Wodarz. Für den Palazzo-Patron, ohnehin kein Freund kleiner Brötchen bei solchen Anlässen, genau die richtige Nummer. Der große Meister legte sich ins Zeug und tatsächlich

BERUFLICHE STATIONEN Fioretto, Berlin-Köpenick Fioretto by Carmers, Berlin-Charlottenburg Catering-Service Doris Burneleit Trattoria Paparazzi, Berlin-Prenzlauer Berg

gelang es ihm, die Crème de la crème der

AUSZEICHNUNGEN Aufsteiger des Jahres 1990 (Der Feinschmecker) Restaurateurin des Jahres 1991 (Gault&Millau)

Stefan Hartmann, Michael Hoffmann, Mar-

hauptstädtischen Herdarbeiter an diesem Abend unter einem Zeltdach zu versammeln: Christian Lohse, Sonja Frühsammer, co Müller, Thomas Neeser, Michael Kempf, Herbert Beltle, Holger Zurbrüggen... Und eben Doris Burneleit.


Wie geht's eigentlich..? KOPFSALAT

Doris Burneleits Trattoria Paparazzi (1997-2019).

Ihre Geschichte ist oft erzählt worden. Doris Burneleit, die mit der

war tatsächlich Schluss. Nochmal volles Haus, nochmal Malfatti

Chuzpe eines Wilhelm Voigt als Hauptfrau von Köpenick in Ost-

in Salbeibutter, noch ein Glas Brunello, ein paar Tränchen, Erinne-

Berlin ein italienisches Restaurant eröffnete und es durch Fähr-

rungsfotos, gute Wünsche – und Ende Gelände.

nisse bugsierte, die sich an westlichen Herden keiner vorstellen

„Das Haus ist verkauft worden“, erzählt uns Doris Burneleit bei

konnte. Doris Burneleit, die nach dem Mauerfall zum Liebling der

einem Treffen Ende September, „aber ich habe schon vor dem Ei-

Medien avancierte und zur bekanntesten DDR-Frau nach Katharina

gentümerwechsel gekündigt, weil der Sanierungsstau mit den Jah-

Witt und Margot Honecker. Doris Burneleit, die zur Restaurateurin

ren einfach zu groß wurde.“

des Jahres 1991 gekürt wurde, den Sprung aus dem verschlafenen

Und nun? Rückzug ins Häuschen an der kanadischen Ostküste?

Spindlersfeld/Ost ins quicklebendige Charlottenburg/West wagte

„Auf keinen Fall, es soll weitergehen, auch wegen der Mitarbeiter

und dort – eben noch Everybodies Darling – die volle Wucht der El-

und meiner Tochter Nicole, die Mit-Geschäftsführerin unseres Un-

lenbogen der Konkurrenzgesellschaft zu spüren bekam. Und Doris

ternehmens ist.“ Wieder mal sucht Doris Burneleit gastrogeeignete

Burneleit, die nach ihrem missglückten Westberliner Gastspiel eine

Räumlichkeiten, 30 Plätze, am liebsten in Mitte oder Prenzlauer

stilechte Trattoria in Prenzlauer Berg eröffnete und 22 Jahre lang

Berg. „200.000 Euro Ablöse und 30 bis 45 Euro Quadratmetermiete

erfolgreich betrieb.

sind allerdings utopische Größenordnungen“, betont sie.

Ende Januar 2019 dann – wie aus dem Nichts – die Nachricht, dass der Herd des Kultlokals bald kalt bleiben wird. Am 17. Februar

Die vorerst letzte Nachricht von Doris Burneleit kam Ende November: „Es ist ein Ort in der engeren Auswahl.“

Doris Burneleit während unseres Treffens Ende September 2019.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

Essen wahrnehmen EIN BESUCH BEI DER BERGBÄUERIN UND NATURKÖCHIN REBECCA CLOPATH VON JÖRG TEUSCHER

Markus Herbicht ist Koch, Küchenchef und Cateringunternehmer

Dass Küchengroßmeister wie Heinz Reitbauer aus Österreich, Ana

– und ein Mann, der mit überschwänglichen Formulierungen seine

Roš aus Slowenien und eben Rebecca Clopath aus der Schweiz zur

Branche betreffend ebenso sparsam umgeht wie mit Safran oder

eat!berlin kommen, zeugt vom gewachsenen Renommee des Festi-

Senf. Von Rebecca Clopath allerdings schwärmt er in den höchsten

vals auch außerhalb der deutschen Grenzen (Die nächste eat!berlin

Tönen: „Eine tolle Frau, unglaublich charmant, völlig allürenfrei und

findet vom 20. Februar bis zum 1. März 2020 statt.). Das ist ganz

eine Superköchin.“

und gar positiv. Dass es immer schwerer wird, für solche Auftritte

Die 31-jährige Schweizerin war im Februar 2019 während der eat!berlin Gastköchin in Herbichts Schmelzwerk am Mehringdamm

Karten zu ergattern, ist weniger schön, spricht aber auch für die Berliner Feinschmeckergemeinde.

und präsentierte dort Kostproben einer alpinen Naturküche, die tief

Im Falle des Wiener 2-Sterne-Kochs Heinz Reitbauer gelang es

in ihrer Heimat verwurzelt ist und doch den Blick über den Teller-

uns in diesem Jahr, bei Rebecca Clopath waren andere schneller.

rand wagt. Herbicht spricht von „einer Küche, die Sinn macht, Ver-

Also machten wir uns auf den Weg in die südöstlichste Ecke der

stand hat und deren Qualität in ihrer Einfachheit liegt.“ Und er sagt:

Schweiz, um die hochgelobte Alpenköchin in ihrem Heimatort Lohn

„Worüber andere permanent reden, sie macht es.“

im Kanton Graubünden zu treffen.

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Schweiz KULINARISCHE EXKURSION

Der Kanton Graubünden liegt im Südosten der Schweiz und gilt in der Eidgenossenschaft als der mit den meisten Superlativen. Zum Ersten ist er mit rund 7.100 Quadratkilometern der flächenmäßig größte unter den 26 Kantonen, allerdings mit 27 Einwohnern pro Quadratkilometer auch der am dünnsten besiedelte. Zweitens gibt es nirgendwo sonst in der Schweiz so viel Bio-Landwirtschaft wie in Graubünden – über 60 Prozent aller bäuerlichen Betriebe des Kantons arbeiten biologisch. Und zum Dritten hat kein anderer Schweizer Kanton so viele Sternerestaurants – 16 mit 21 Michelin-Sternen zählt Graubünden derzeit, darunter das Flaggschiff der Schweizer Gastronomie, das 3-SterneRestaurant Burg Schauenstein mit seinem Kapitän Andreas Caminada.

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KULINARISCHE EXKURSION Schweiz

In Lohn scheint die Welt noch ein bisschen mehr in Ordnung als anderswo – auch in der Schweiz. Das Dörfchen in der Graubündner Region Viamala liegt 1.585 Meter über NN und hat 43 Einwohner, von denen die meisten in den sechs Bergbauernbetrieben des Ortes tätig sind, die alle sechs nach den strengen Richtlinien von Bio Suisse arbeiten. Wenn man sich begrüßt, sagt man „Grüezi!“ oder „Allegra!“ – Letzteres ist Rätoromanisch, neben Deutsch und Italienisch die dritte offizielle Amtssprache in Graubünden. Lohn hat ein eigenes Wappen, eine Gemeindekanzlei, eine Kirche, einen Selbstbedienungsladen, der aus zwei Kühlschränken und einer Geldkassette besteht und das Café Fortuna, dessentwegen Feinschmecker auch von weither den Weg nach Lohn suchen.

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Alle Wege nach Lohn – zumindest aus Deutschland – führen über Chur. Die Bündner Kantonshauptstadt ist mit gut 37.000 Einwohnern eine eher winzige Metropole, dafür aber die älteste Stadt der Schweiz – und die brunnenreichste. Von Chur aus windet sich die Autobahn A13 in weiten Bögen nach Süden. Rechts und links des Asphaltbandes wechseln Bilderbuchlandschaften: das liebliche Domleschg mit seinen Burgen und Schlössern, der idyllische Heinzenberg, die wildromantische Viamala-Schlucht. Das Navi signalisiert, die Ausfahrt Zillis zu nutzen: Lohn, sieben Kilometer, und die haben es in sich. Eine schmale Piste führt steil bergauf und ist mit Haarnadelkurven und Spitzkehren gespickt – nichts für Sonntagsautomobilisten, schon gar nicht für solche, die nördlich der Alpen leben. Verständlich, dass der Graubünden-Reiseführer aus einer Churer Buchhandlung die Benutzung des stündlich von Zillis aus verkehrenden Postautos empfiehlt.

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Auf dem Lichthof in Lohn führe ich zweimal pro Jahr die mittlerweile sehr beliebten Esswahrnehmungen durch, in denen ich meine Wahrnehmung von Kultur, Geschichte, Landwirtschaft, Anbau und der Küche vereine. Ich will zeigen, wie alte Getreide, ein Zwerchfell, Haxen, die schwarze Tomate oder die Bergkartoffeln tatsächlich schmecken. Auch was wir alles in der Natur unmittelbar vor der Nase haben. Wunderbare Kräuter, wilde Gemüse und Beeren. Gerne nehme ich euch mit auf eine Reise in die alpine Vielfalt. Rebecca Clopath auf ihrer Internetseite www.rebecca-clopath.ch

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Der Biohof Taratsch, Rebecca Clopaths Zuhause, ist ein stattliches Anwesen am Dorfrand von Lohn – Wohnhaus, Scheunen und Ställe, die sich dicht aneinander schmiegen. Eine Terrasse, die einen weiten Blick ins Land bietet. Im Café Fortuna – drei Tische, zwölf Stühle – finden die Esswahrnehmungen statt. Beginn 12.00 Uhr mittags, Dauer sechs Stunden, Preis 280 Schweizer Franken. Seit vier Jahren veranstaltet Rebecca Clopath diesen Event – kaum, dass die Termine im Internet stehen – 20 Tage im Frühjahr, 20 im Herbst – sind sie auch schon ausgebucht. Wir sitzen mit Gästen aus London, Luzern, München und Zürich in der winzigen Stube. Auftritt Rebecca Clopath, fröhlich und ein bisschen lampenfiebrig. „Ich bin Bäuerin und Köchin“, stellt sie sich vor, kündigt neun Gänge an, einen kulinarischen Streifzug durch die Wiesen und Wälder rund um Lohn und eine verbale Entführung in das Land der Räter, das die Römer einst eroberten und das 1799 als Kanton Rätien, später Graubünden, Teil der Schweiz wurde. „An Guata!“

Gastkoch Wolfgang Mager aus Kärnten am Feuerring.

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Obwohl Rebecca Clopath in keinem der einflussreichen GastroGuides vertreten ist, weder im Michelin noch im Gault & Millau (ihre Esswahrnehmungen passen offensichtlich nicht ins Raster der Führer), gilt sie als „eine der kreativsten Spitzenköchinnen der Schweiz“ und wird in einem Atemzug mit solchen Stars der Schweizer Szene wie Andreas Caminada, Peter Knogl, Sven Wassmer oder Stefan Wiesner genannt. Sie ist regelmäßiger Gast auf den Titelseiten der großen eidgenössischen Food-Magazine, wurde 2016 mit dem Prix Eco für Nachhaltigkeit ausgezeichnet, war 2018 für den Bio-Grischun-Preis nominiert und sitzt mit am Tisch, wenn die Topköche aus dem Alpenraum ihre Genussgipfel abhalten. Anfang September 2019 lud 3-Sterne-Cuisinier Andreas Caminada kulinarische Prominenz zu einem „Future Dialog“ – Teilnehmer u.a. Renè Redzepi (Kopenhagen, Nr. 2 der gastronomischen Weltrangliste 2019), Heinz Reitbauer (Wien, Nr. 17), Rodolfo Guzman (Santiago de Chile, Nr. 26) und – Rebecca Clopath. Wer ist diese junge Frau, die für mehr lokale Produkte als Gegenbewegung zur Globalisierung plädiert, deren Küche tief in ihrer Graubündener Heimat verwurzelt ist und doch den Blick über den Tellerrand wagt und die sich selbst als Naturköchin bezeichnet – „weil ich mit der Natur und aus der Natur koche“? Rebecca Clopath, Jahrgang 1988, wuchs in Lohn auf dem Biohof ihrer Eltern auf. Weil die Schule nicht ihr Ding war, beschloss sie mit 13, Köchin zu werden – ihr Rufname „Rebi“ war wahrscheinlich schon damals nicht nur die Verniedlichung von Rebecca, sondern stand auch ein bisschen für „Rebellin“. Sie verließ das heimatliche Schamsertal, zog ins 300 Kilometer entfernte Wiggiswil im Kanton Bern, um bei Oskar Marti, genannt „Chrüter Oski“, die Kochlehre zu absolvieren. Auf Martis radikale Regionalküche folgte eine noch weit radikalere – die von Stefan Wiesner, genannt „Der Hexer aus dem Entlebuch“, in dessen Gasthof Rössli in Escholzmatt. Nach mehreren vergeblichen Anläufen – inzwischen war Rebecca Clopath Mitglied der Schweizer Juniorennationalmannschaft der Köche geworden und hatte bei der WM 2010 in Luxemburg zweimal Gold gewonnen – nahm sie der eigenwillige Wiesner in sein Team auf. Sie wurde Küchenchefin und rechte Hand des kulinarischen Avantgardisten und leitete dessen Kochschule „Mysterium“. Die nächste Sprosse auf der Karriereleiter schien nur noch eine Frage der Zeit. Doch Rebecca Clopath entschied nach sechs Rössli-Jahren, die auch sechs Jahre Sterne-Stress waren: „Nüt für mi“, was soviel bedeutet, wie „mit mir nicht mehr.“ Sie kehrte nach Lohn zurück, drückte im Bildungszentrum für Haus- und Landwirtschaft die Schulbank und legte die Berufsprüfung Bäuerin ab – in der Schweiz Voraussetzung, als Chef eines bäuerlichen Betriebes Staatsgelder und Investitionskredite zu bekommen. Irgendwann wird sie nun den elterlichen Hof übernehmen – und aus den temporären Esswahrnehmungen wird dann vielleicht doch ein kleines Restaurant...

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Auf Kompromisse lässt sich Rebecca Clopath beim Kochen nicht ein: Ihre Zutaten sind von hier, sind biologisch und saisonal. Zudem setzt sie auf Ingredienzen aus der Natur wie Harz oder Baumrinde. Mit ihrer Zielstrebigkeit und ihrem Südostschweiz am Wochenende, 20. Mai 2017

Charme verblüfft sie die Schweizer Kochszene und fasziniert Medien und das Publikum. ‚Ich will die Leute erden und ein Bewusstsein dafür schaffen, was hinter dem Essen steckt‘, erklärt sie.

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Rebecca Clopath und Gastkoch Rafael Hänni aus Liebefeld/Bern.

Rebecca Clopath geht von Tisch zu Tisch, spricht englisch, hochund schweizerdeutsch, unterstreicht gestenreich, was ihr wichtig ist. Auf drei Fingern ihrer linken Hand Tattoos: das Peace-Zeichen, ein Smiley, ein Tortenstück. Friede, Freude, Eierkuchen. „Wofür steht Eierkuchen?“ „Für eine gerechtere Verteilung der Nahrungsmittel und bei mir auch für eine größere Wertschätzung ihrer Produzenten. Wir Gastronomen bekommen viel Applaus“, so die 31-Jährige, „dabei ist es hauptsächlich dem Bauern zu verdanken, wenn ein Nahrungsmittel schmeckt.“ Für ihre grandiosen Gerichte (s. Seite 96) verwendet sie zumeist bescheidene, in der Region verwurzelte Zutaten: Giersch, Fichtenschösslinge, Lärchenspitzen, Waldmeister. Sie serviert Lardo vom Turopolje-Schwein, in Honig eingelegten Wildknoblauch, Meerrettichblätter, in Kirschsteinöl gegartes Knochenmark, kandierte Löwenzahnwurzel und plädiert für mehr Ess-Wahrnehmung. Dafür also, dem Essen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Handgeschmiedetes Besteck von Thomas Lampert aus Guarda.

Sommeliere Lara Jegge aus Zürich.

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obstund Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Obst-, Gemüse- und Kräutersorten ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Von A wie

Dieter und Marcus Fuhrmann.

Artischocke bis Z wie Zitronengras. Wenn in Berlin oder Brandenburg die wei-

ern, heißt es bei den Küchenchefs dort

Für unser Magazin Garcon stellen die

ßen 7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem

meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

beiden Großhändler Dieter und Marcus

Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäu-

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichna-

ser, Kantinen oder Restaurants ansteu-

migen Fruchtgroßhandels und der Grand

Fuhrmann im Wechsel ihre Produkte vor. Heute: Pimientos de Padrón

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB BRATPAPRIKA AUS GALICIEN VON DIETER FUHRMANN Pimientos de Padrón – die Minipaprika von grüner Farbe und schwacher Schärfe gehören zu den vielen Beispielen, die belegen, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten die Wünsche unserer Kunden und damit unser Angebot verändert haben. Als ich vor über 40 Jahren in die Selbstständigkeit als Fruchtgroßhändler startete, kannte ich nicht einmal den Namen der kleinen Schote, und ich bin mir ziemlich sicher, den meisten Küchenchefs ging es damals genauso. Als 1996 mein Sohn Marcus in die Firma eintrat, wussten wir zwar inzwischen, worum es sich bei Pimientos de Padrón handelt, aber auch da galt das Fruchtgemüse immer noch als ausgemachter Exot. Einer der ersten Berliner Köche, die Pimientos de Padrón regelmäßig servierten, war Anfang der 2000er Markus Herbicht, der im Westin Grand Hotel an der Friedrichstraße kulinarisch Regie führte und zuvor

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

einige Jahre in Andalusien tätig war und sie dort kennengelernt hatte – aber sonst? Heute jedenfalls sind die grünen Paprika-Winzlinge aus Spanien auch

Das 8.300-Einwohner-Örtchen Pad-

hierzulande allgegenwärtig. Genau genommen stammen sie aus Galicien, einer

rón liegt in der nordwestlichsten Ecke

Region im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, wo sie vor allem rund um die

Spaniens, nur wenige Kilometer ent-

Kleinstadt Padrón angebaut werden.

fernt von der berühmten Wallfahrts-

Zwischen Juni und September/Oktober pflücken die Bauern der Gegend die

stadt Santiago de Compostela.

Schoten von den buschigen Sträuchern – rund 15 Tonnen jährlich. Das deckt

Aber auch Padrón hat einiges zu bie-

natürlich bei weitem nicht den Bedarf, so dass die Pimientos, die übrigens zur

ten: die jahrhundertealte Kirche San-

Paprikafamilie Capsicum annuum gehören, längst auch in anderen Landesteilen

tiago Apóstol beispielsweise oder das

kultiviert werden.

Denkmal von Rosalia de Castro, deren

Typisch für die „echten“ Pimientos, also die aus Padrón, ist der unterschiedli-

bedeutendstes lyrisches Werk auch ins

che Schärfegrad der Früchte. „Os pementos de Padrón, uns pican e outros non“,

Deutsche übersetzt wurde („An den

reimen die Galicier, was soviel bedeutet wie „Paprika aus Padrón – einige scharf,

Ufern des Sar“).

andere nicht.“ Ansonsten entspricht die Sorte, was ihren ernährungsphysiologi-

Touristenscharen kommen deswe-

schen Wert betrifft, dem anderer Paprika: Die Früchte enthalten neben Vitamin C

gen allerdings nicht nach Padrón. Von

verschiedene B-Vitamine sowie eine Reihe von Bio-Flavonoiden, die eine durch-

erheblich größerer Anziehungskraft ist

blutungsfördernde Wirkung haben.

da schon die Festa do Pemento, ein

www.dieter-fuhrmann.de

kulinarisches Festival, das immerhin bereits seit 1978 jährlich am ersten Augustsonntag tausende Gäste aus anderen Regionen Spaniens und aus dem Ausland in den Ort zieht, der dann einen Tag lang ganz im Zeichen der Pimientos de Padrón steht.

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Aigner adé, Zollhaus passé (ab 1. Januar 2020 übernehmen die Rutz-Leute mit Hendrik Canis an der Spitze das Kreuzberger Traditionsrestaurant), und Herbert Beltle ist dennoch ein glücklicher Mann. Am Martinstag lud der 62-Jährige zum großen Gänseessen in seine Rôtisserie Weingrün an der Gertraudenbrücke und wirkte ganz und gar nicht, wie Menschen normalerweise wirken, wenn ihnen etwas abhanden gekommen ist – sondern aufgeräumt und gelassen. Doch das nur am Rande, denn hier soll nicht von den Befindlichkeiten eines Spitzengastronomen die Rede sein, sondern von der Küche des angesagten Grillrestaurants, in der Maikel Gööck und Tomislav Sipura Regie führen. Wir baten die beiden 31-Jährigen um Auskünfte zum Thema Pimientos de Padrón. „Eigentlich ist das keine große Sache“, so Weingrün-Küchenchef Gööck, „die kleinen grünen Dinger brätst Du in Ölivenöl bis sie Blasen werfen, Meersalz drüber, fertig.“

Weingrün-Küchenchef Maikel Gööck.

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EHRLICH · EDEL · EXKLUSIV Prämierte Spitzenspirituosen für höchste Ansprüche

Montag, Dienstag und Mittwoch 10 bis 16 Uhr Donnerstag und Freitag 10 bis 18 Uhr Samstag 10 bis 14 Uhr

Maikel Gööck, übrigens ein Eigengewächs aus der Beltle-Schule – er hat seine Ausbildung im Alten Zollhaus absolviert – und Tomislav Sipura, der seinen Beruf im Brandenburger Hof

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erlernte, war das auf die Dauer allerdings einen Tick zu simpel. Sie experimentierten ein bisschen mit den kleinen Schoten und kamen schließlich auf die Idee, die Pimientos de Padrón zu einem Pesto zu verarbeiten. „Wir haben sie entkernt, angebraten und anschließend mit Olivenöl, Pinienkernen und Meersalz grob püriert“, er-

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zählt Küchenchef Gööck. Sous Chef Sipura holt eine Schale mit einer grünen, cremigen Masse und fordert uns auf, zu probieren. Tatsächlich, da ist den beiden Weingrün-Köchen ein geschmacklicher Volltreffer gelungen. Nun servieren sie ihr Pesto neben einer Sauce béarnaise und mediterranem Gemüse zum Rumpsteak. Übrigens: Auf das Entfernen der winzigen Kerne aus den Pimientos de Padrón hätten die beiden Köche getrost verzichten können. Wissenschaftler der englischen University of Reading, die im Auftrag des Küchenstars Heston Blumenthal Tomaten- und Paprikakerne untersuchten, fanden heraus, dass diese weit mehr Glutaminsäure enthalten als das Fruchtfleisch, wodurch auch das Aroma anderer Zutaten verbessert wird. www.rotisserie-weingruen.de

Am Park 5 · 19230 Schwechow/Pritzier Telefon 03 88 56/3 78-20 · Fax 03 88 56/3 78-21 info@schwechower.de


RUBRIKEN Berliner Marktnischen

tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte in Berlin – nicht nur vor Rathäu-

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

sern – die sich wachsender Beliebtheit er-

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-

freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-

rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

gründungsdokument vom 7. März 1232 wird

geschaffene Gendarmenmarkt die wich-

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER Unsere erste Begegnung mit Anita Printz und ihren ayurvedischen Gerichten ist elf Jahre her. Die damals 52-Jährige hatte in Kreuzberg gerade ein Bistro eröffnet, das schnell in aller Munde war. Ihre leichte Küche und die kleinen Preise wirkten magnetisch in der Oranienstraße. Zehn Jahre später war dann Schluss mit der Bistroherrlichkeit, über die Gründe mag Anita Printz heute nicht mehr reden. Sie gründete mit einem starken Partner an der Seite die Anaveda Feinkost GmbH und verlegte ihre Produktionsstätte ins brandenburgische Beeskow. „Hier auf dem Land haben wir den Kopf frei und viel Raum Zu Reformküchen-Zeiten galten Gemüsebratlinge als vegetarischer In-

für die Entwicklung neuer Köstlichkeiten“,

begriff von Fleischersatz. Mangels Würzung schmeckten die fleischlosen

schreibt sie auf ihrer Website.

Flachlinge allerdings meist ziemlich fade. Kein Vergleich zu den Rote-Bete-

Und die sind gefragt auf Berliner Wo-

Bratlingen von Anita Printz. Sie sind, aufgepeppt mit Knoblauch, Petersilie,

chenmärkten. Zum Beispiel Mexikoplatz.

Zwiebeln, Chilipulver und Sojasauce, geschmacklich eine runde Sache.

Der samstägliche Markt am gleichnamigen S-Bahnhof ist zwar ein Winzling – gemessen etwa am Kollwitzmarkt in Prenzlauer

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Berliner Marktnischen RUBRIKEN

Anaveda-Stand am Mexikoplatz in Zehlendorf.

Feinkost-Unternehmerin Anita Printz.

Berg – aber er bietet dafür auch weniger Schnickschnack. Anita Printz, ihre Mitarbeiter Alma Tovàr und Michal Twardo und der

Bio-Wochenmarkt am Hansaplatz

große Verkaufswagen sind hier seit Jahren feste Größen. Artischo-

Altonaer Straße

cken in Kräutervinaigrette, Grilltomaten mit Knoblauch und Orega-

10557 Berlin-Tiergarten

no, Kräuter-Avocado-Creme, Rote-Bete-Creme sowie Kichererb-

Freitag, 12.00 – 18.30 Uhr

sen- und Linsensalat, diverse ayurvedische Eintöpfe und natürlich ihre Bratlinge (s. Seite 102) gehen weg wie die sprichwörtlichen

Wochenmarkt am Mexikoplatz

warmen Semmeln. „Weil es gut und gesund ist“, sagen die Kunden.

Mexikoplatz

Anita Printz ist eine Seiteneinsteigerin ins Feinkostgeschäft. 1989 kam sie aus Ulm nach Berlin, um Soziologie zu studieren. Ir-

14163 Berlin-Zehlendorf Samstag, 9.00 – 15.00 Uhr

gendwann entdeckte sie ein ayurvedisches Restaurant, ihr Interesse war geweckt. Der Beschäftigung mit „ayur“(Leben) und „veda“

Ökomarkt am Nordbahnhof

(Wissen) folgte eine Ausbildung zur ayurvedischen Köchin am Ma-

Elisabeth-Schwarzhaupt-Platz

hindra-Institut im hessischen Birstein. „In dieser Küche“, erklärt

10115 Berlin-Mitte

sie, „vereinen sich sinnliche Bedürfnisse und gesunde Ernährung.“

Mittwoch, 11.00 – 18.00 Uhr

www.anaveda.de

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen

„Trotz Internet und Fernsehküche – Koch-

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-

bücher werden immer ein Kulturgut blei-

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-

ben“, davon sind Johannes Mohr und Swen

treiben seitdem in einem restaurierten

chern aus vergangenen Zeiten und notie-

Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

ren, was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

ABC der guten Schnäpse Ein Lexikon für Feinschmecker Anleitung zur Selbstbereitung von Branntweinen, Likören, Mischgetränken, Bowlen, Limonaden und Punschen mit Reichel-Essenzen Dr. Otto Reichel Otto Reichel Essenzfabrik Berlin-Neukölln, Elbestraße 26-29 Januar 1954 Preis (antiquarisch): 6,00 Euro

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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN

Dr. Otto Reichel (1864-1927).

Das schmale 40-Seiten-Heft aus dem Jahr 1954, das wir diesmal

schnell bekannt. Reichel steigerte die Produktion, das Unterneh-

für unsere kulinarische Nachlese hervorgekramt haben, enthält

men mauserte sich mit den Jahren zum Großbetrieb.

zwar eine erstaunlich große Anzahl Bowlen-, Cocktail-, Grog- und

1907 Umzug in eine eigene Fabrik in der Neuköllner Elbestraße

Likörrezepte, die meisten allerdings dürften selbst Hardcore-Trin-

und Konzentration auf die Fertigung von Essenzen für die Likör-

kern heute den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. „Deutsche Ei-

herstellung. Der Markenname „Lichtherz“ für Reichels natürliche

che“ beispielsweise ist ein Mix aus Dreistern (damals ein beliebter

Aromastoffe überdauerte zwei Kriege und erlebte nach 1945 einen

Branntwein), Chartäuser (ein Kräuterlikör) und Danziger Goldwas-

Aufschwung, den selbst die größten Optimisten nicht für möglich

ser, und „Garten Eden“ besteht zu gleichen Teilen aus Apricot Bran-

gehalten hätten. Der Grund für diesen Boom: Die riesige Zahl von

dy und Pfefferminz-Likör.

Likörfabriken, die im Nachkriegs-Berlin aus dem Boden schossen

Nein, dieses Heftchen war für uns aus einem ganz anderen Grund besonders anregend. Es animierte uns zur Beschäftigung mit einem Unternehmer, der Berliner Industriegeschichte schrieb.

– über 200 waren es 1951. Doch irgendwann war Schluss mit Likör und in den 1970ern auch mit Reichels Essenzfabrik. Richard Reichel, Enkel des Firmengrün-

Otto Reichel, promovierter Chemiker, begann seine Karriere

ders, sanierte die Höfe und eröffnete in den Räumen der früheren

1891 mit der Eröffnung einer Drogerie in der Kreuzberger Eisen-

Destille ein Restaurant, das sich inzwischen in der Spitzengruppe

bahnstraße. Seine Hustentropfen „Medico“, eine schmerzlindern-

der Berliner Gastronomie etabliert hat.

de Salbe namens „Electricum“ und andere Heilmittel machten ihn

www.bibliotheca-culinaria.de

Die Otto-Reichel-Höfe 2019...

... mit dem Eins44, einem der besten Berliner Restaurants.

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Die Preisträger der Berliner Meisterköche 2019...

...im Blitzlichtgewitter der internationalen Presse.

MEISTERKÖCHE

einen Begrüßungssatz verdient gehabt – von einer Begründung

Rausch – das ist Berliner Tradition seit 1918, und das ist Berliner

für die Neubesetzung des Wertungsgremiums gar nicht zu reden.

Gegenwart: ein ganzes Haus nur für die Schokolade, eine Erleb-

Selbst deren ansonsten äußerst eloquenter Vorsitzender Dr. Stefan

niswelt auf drei Etagen und die ebenso mutige wie konsequente

Elfenbein gab sich bei dieser Frage wortkarg, nuschelte etwas von

Strategie, seine Produkte nur noch in diesem Vorzeigegeschäft am

„neuen, jüngeren Gesichtern“ und kam schnell zur Tagesordnung.

Gendarmenmarkt (und im eigenen Onlineshop) zu verkaufen.

Die Jurymitglieder schlugen 130 Kandidaten für die fünf Kate-

Einen geeigneteren, stilvolleren Ort für die Präsentation der Ber-

gorien vor, 25 schafften es auf die Nominiertenliste, fünf in jeder

liner Meisterköche 2019 hätten Berlin Partner Geschäftsführer Dr.

Kategorie. Hinzu kamen die Vorschläge für die Ehrung als gastro-

Stefan Franzke und seine Marketing-Leute kaum finden können.

nomischer Innovator. In geheimer Abstimmung wurden dann die

Weniger Stil hatte dagegen die Art und Weise, wie vier langjäh-

diesjährigen Titelträger gewählt.

rige Jurymitglieder verabschiedet und drei Nachfolger ins Amt ge-

„Es waren die Außenseiter, die überzeugten: der Kiezmeister,

rufen wurden. Heinz Horrmann und Thomas Platt (beide seit 1997

der ,Brotwüsten‘ bereist, die Aufsteigerin unter toughen Typen, ein

ehrenamtliche Juroren) sowie Manuela Blisse und Rose Marie Don-

Meisterkoch, der bei der US-Navy war. Aufgrund ihres Fünkchens

hauser (beide seit 2007) hätten wohl wenigstens ein öffentliches

mehr an Mut und Energie haben diese am Ende das Rennen für sich

Dankeschön und Stefanie Hofeditz (B.Z., BILD), Annika Schönstädt

entschieden“, so Jury-Chef Dr. Stefan Elfenbein.

(Berliner Morgenpost) und Jan-Peter Wulf (nomyblog) zumindest

Garçon gratuliert allen Titelträgern 2019!

Dr. Stefan Franzke und Dr. Stefan Elfenbein, v.li.: „Wenn uns keiner fotografieren will...

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...dann machen wir eben ein Selfie!“


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Gastronomischer Innovator 2019: Bernhard Moser, eat! berlin.

Berliner Meisterkoch 2019: BjĂśrn Swanson, Golvet.

Berliner Aufsteigerin 2019: Sophia Rudolph, Panama.

Berliner Gastgeber 2019: Mathias Brandweiner, Pots.

Berliner Szenerestaurant 2019: Frea (Jasmin Martin und David Suchy).

Berliner Kiezmeister 2019: Florian Domberger, Domberger Brot-Werk.

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Käseprofis: Die Bäuerinnen Carla Occelli und Maria Pinuccia, v.li...

...sowie der Berliner Händler Andrea Torino, Salumeria Italiana in der Markthalle Neun.

respektablen Käsesorten des Piemont. Gut, den grün- oder blauschimmeligen Gorgonzola sowie den Parmesan-Verwandten Grana Padano, die kennt man noch, aber dann? Weil Deutschland ein guter Markt für Käse aus Italien ist, aber

KÄSEMESSE

solche Sorten wie Castelmagno, Murazzano oder Robiola di Roc-

Das Piemont gehört zu den kulinarisch interessantesten Regionen

caverano hierzulande noch ziemlich unbekannt sind, machte sich

Italiens. Kenner schließen die Augen und haben den ambrosischen

eine Gruppe manufaktureller Produzenten aus dem Piemont Ende

Duft der weißen Trüffel aus Alba ebenso in der Nase wie die Aro-

Oktober 2019 auf den Weg nach Berlin. Zu denen, die auf einer Mes-

men von Barolo und Barbaresco.

se im Soho House an der Torstraße ihre Spezialtäten präsentierten,

Sie sprechen über den Riso superfino Carnaroli, Italiens besten

gehörten auch die beiden Bäuerinnen Carla Occelli aus Bossolasco

Reis. Und in aller Munde sind natürlich auch die piemontesischen

– die auch für ihre Butterzubereitungen bekannt ist – und Maria

Traditionsgerichte: Bagna câoda, eine Sauce aus Olivenöl, Knob-

Pinuccia aus Monastero Bormida, deren Käse aus Ziegenrohmilch

lauch und Sardellen als Dip für rohes Gemüse; Vitello tonnato,

schon vor einigen Jahren von Slow Food Italien in die Arche des Ge-

Kalbfleisch mit Thunfischcreme und die berühmten Tajarin, Band-

schmacks aufgenommen wurde. „Carlas Butter und Marias Käse

nudeln, die mit Trüffeln, Fleisch- oder Lebersauce serviert werden.

sollten unbedingt eine Chance auf dem Berliner Markt bekommen“,

Ein bisschen auf der Strecke bleiben bei dieser Fülle die durchaus

so der Händler Andrea Torino aus der Markthalle Neun.


Bitte trinken Sie verantwortungsvoll. | DRINKiQ.com Die Bezeichnung ZACAPA und damit verbundene Logos sind Markenzeichen. Š Rum Creation & Products, Inc. 2016


GARCON-QUIZ VERLAG UND REDAKTION Bild Art Media Verlag Inh. Yvonne Weinlich Marzahner Promenade 26 12679 Berlin Fon 0 30 - 28 86 79 70 Fax 0 30 - 28 86 79 69 info@bildart-verlag.de www.garcon24.de | facebook.de/garcon24 HERAUSGEBER Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) REDAKTION Petra Leonhardt (Leitung) Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer, Wolf-Dietrich Strobel Steven Fritze, Roland Nicolaus, Ivonne Clare (Praktikanten) AUTOREN UND KOLUMNISTEN Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans ­Diener, Stephan Falke, ­Dieter ­Fuhrmann, ­Marcus ­Fuhrmann, Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono, Johannes Mohr, Rafael Neitzsch, Jörg Teuscher, Thorsten Tonski GRAFIK, ILLUSTRATIONEN UND LAYOUT Nicole Haar www.nicole_haar@web.de TITELBILD Marie Geißler www.mariegeissler.de

Margarethe Martha Maria (Mary) Hahn

Wir wollen wissen, worum es sich bei dem

gehört zu den produktivsten deutschen

letzten Gericht – Falsches Hirn – handelt:

Kochbuchschreiberinnen. Die Bibliografie der 1867 im niederschlesischen Zobten (heute Sobótka) geborenen und im Februar 1929 in Berlin-Lichterfelde gestorbenen Autorin und Verlegerin weist über 60 kulinarische Veröffentlichun-

A um Buchweizengrütze B um Muschelragout C um Tomatenrührei

gen aus – darunter eine 1928 unter dem markigen Titel „Segen deutscher Erde in

Ihre Antwort bitte an:

der Küche“ erschienene Sammlung von

Bildart Media Verlag

365 Rezepten deutscher Traditionsgerichte (Mary Hahn‘s Kochbuch-Verlag G.m.b.H. Berlin-Steglitz). Neben Berliner Schnitzel, Bremer Gepflückten Finken, Erfurter Puffbohnen und Hamburger Linsen gibt es dort Falschen Hasen, Falschen Kaviar und Falsches Hirn.

Redaktion GARÇON Marzahner Promenade 26 12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 31. Januar 2020. Die Gewinne werden per Post zugesandt.

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GARÇON

FOTOS Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garçon, Reinhold Lissner, Berlin-Lichterfelde (1/S.7 oben), ZS Verlag/Annabell Sievert (1/S.32 li.), Restaurant Frea (1/S.32 re. oben), Musa Enikeev (1/Zeichnung S.52), Florian Glauert (1/S.53 re. oben), Metzgerei Stefan Zimmermann privat (1/S.69 re. oben), Tourismuswerbung Lautrec (1/S.73 re. oben), Sébastien Marty privat (1/S.73 li. unten), Dagmar Maas privat (1/S.82 oben), eat!berlin/Pia Negri (1/S.86), Gault Millau Schweiz/Pascal Grob (1/S.93 li. unten), Luzerner Zeitung/Pius Amrein (1/S.93 Mitte re.), Salz und Pfeffer (1/S.93 re. oben), Schweizer Fleisch (1/S.93 li. oben), Tourismusorganisation Santiago Turismo (1/S.99 re. oben), Richard Reichel privat (3/S.105 oben), Roland Nicolaus (2/S.105 unten). ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Heiko Gralki, Henriette Jüngel anzeigen@bildart-verlag.de DRUCK www.erfolgssysteme24.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abon­ nement. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Ver­lages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Ver­vielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.


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