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Unterwegs in Brandenburg

Prignitz

Ruppiner Seenland

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Uckermark

Barnimer Land

Seenland Oder-Spree

Havelland

Wer in der Mark reisen will, der muß zunächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen. Der Reisende in der Mark muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben.

Fläming

Dahme-Seenland

Spreewald

Unterwegs in Brandenburg PETZNICK — PETERSDORF — POTZLOW GERSWALDE — GRÜNHEIDE VON JÖRG TEUSCHER

Es ist mit der märkischen Natur wie mit machen Frauen. ‚Auch die häßlichste‘ — sagt das Sprichwort — ‚hat immer noch sieben Schönheiten!‘ Ganz so ist es mit dem Lande zwischen Oder und Elbe; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise.

Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg Die Grafschaft Ruppin Vorwort zur zweiten Auflage, Berlin 1864

Lausitzer Seenland

Elbe-Elster-Land

Die Uckermark kennt viele Superlative, objektive wie subjektive. Zur ersten Kategorie gehört die Tatsache, dass sie der größte Landkreis Deutschlands ist, immerhin genauso groß wie das Saarland, das kleinste deutsche Bundesland, wenn man Berlin, Hamburg und Bremen außen vor lässt. Fakt ist auch, dass sie zu den am dünnsten besiedelten Gegenden der Republik zählt, ein wald- und seenreicher, aber menschenarmer Flecken, lediglich 53 Einwohner leben hier auf einem Quadratkilometer.

Was das Subjektive, die Eindrücke also betrifft – mich verzaubert diese Landschaft immer wieder neu, wenn ich in der Uckermark unterwegs bin. Stille Alleen, gesäumt von Buchen und Linden und manchmal auch von knorrigen Obstbäumen, weite Niederungen, sanfte Hügelgebiete, idyllische Seen, 400 insgesamt, sagen die Touristiker. Pittoreske Dörfer, prachtvolle Herrenhäuser, kleine Kirchen von schlichter Schönheit.

Die Uckermärker sind stolz auf stille Badestellen und ruhige Angelplätze und auf mehr als 1.000 Kilometer Wanderwege. Einer der reizvollsten ist der 2009 eingeweihte und vom Deutschen Wanderverband mit dem sperrigen Titel „Qualitätswanderweg wanderbares Deutschland” bedachte Märkische Landweg. 217 Kilometer lang, führt er durch den Naturpark Uckermärkische Seen, im Nordwesten zwischen Boitzenburg, Lychen und Templin gelegen, durch das UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin mit seinen uralten Eichen, dem zum Weltnaturerbe gehörenden Buchenwald Grumsin, über 3.000 Mooren und einer Vielzahl an seltenen Tieren und Pflanzen bis zum Nationalpark Unteres Odertal im Osten, einer weitgehend intakten Flussauenlandschaft.

Die Schönheiten des Landstrichs im Norden Brandenburgs entdeckten nach der Wende auch viele Berliner. Wer es sich leisten konnte, kaufte hier ein Ferienhaus oder zog gleich ganz aufs Land – Entschleunigung, Alternativen zu den Einengungen der Großstadt, Nachhhaltigkeit, ein Leben am Rande der Konsumkultur, der Trend zur Uckermark ist ungebrochen.

Neben dem Tourismus sind Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk die Geldbringer in der Region. Der Uckerkaas aus Bandelow ist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, genauso die fruchtigen Spezialitäten der Apfelgräfin Daisy von Arnim aus Lichtenhain und die feinen Obstweine von Edda Müller und Florian Profitlich aus Kraatz. In Schönermark brennt Cornelia Bohn einen respektablen Whisky, und in Blankensee presst Saskia Gräfin Hahn ein ganz besonderes Mohnöl.

Wir besuchten bei unserem Uckermark-Trip im September 2020 Obstbauern in Grünheide und Pilzzüchter in Petznick, trafen in Petersdorf einen guten alten Bekannten, verabschiedeten uns in Gerswalde von dem Glut-und-Späne-Meister Michael Wickert, der den Ort in Richtung Schwarzwald verlassen wird und hörten von der Zuckerblütenproduzentin Anja Merkel in Potzlow, wie Corona eine kleine Manufaktur kaputt macht.

Der promovierte Biologe Andreas Kirbach und Manuel Gross, Mechatroniker von Beruf (Bild v. li.), stammen zwar nicht aus der Uckermark, sind aber seit einiger Zeit hier zu Hause. Aus einer Zufallsbekanntschaft wurde Freundschaft, aus gleichen Interessen ein gemeinsames Unternehmen. Im August 2019 gründeten Kirbach und Gross in Petznick vor den Toren Templins eine Zuchtpilzfarm, deren Name Programm ist: Frische Kappen...

Der 56-jährige Maik Fritsch stammt aus Templin, ist also ein waschechter Uckermärker. Wer es nicht hört, der schmeckt es auf jeden Fall, denn Fritsch, Koch von Beruf, gilt als ausgewiesener Kenner der regionalen Küche seiner Heimat und als ebensolcher Könner bei der Zubereitung solcher Traditionsgerichte wie Hechtfrikassee, Rehlungwurst, Rinderzungenkadümzel oder eben Nudelsuppe mit Plum und Speck...

„Hest nüscht sehen, kast nüscht seggen.”

(Uckermärker Redensart)

Als die diplomierte Landschaftsarchitektin Anja Merkel vor elf Jahren begann, in ihrem Potzlower Garten essbare Blüten anzubauen und ein Verfahren entwickelte, die Botanicals zart zu verzuckern, gab es jede Menge Lob. Die Marketinggesellschaft pro agro zeichnete Merkels filigrane süße Pretiosen aus, das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin verlieh sein Prüfzeichen, Konditoren aus halb Europa jubelten. Doch dann kam Corona...

Er liebte die Uckermark-Landschaft, die Sommerwochenenden in Gerswalde, sein kleines Glut-&-Späne-Gartenlokal auf dem Gelände der ehemaligen Schlossgärtnerei. Und die Gäste liebten ihn und seine Räucherkunst. Viele Berliner kamen jedes Wochenende nur wegen Michael Wickerts Fischplatten nach Gerswalde. Trotzdem hat sich der 45-Jährige nun entschieden, die Uckermark Richtung Baden-Württemberg zu verlassen...

Dr. med. Michael Weber, 53, ist Facharzt für Anästhesiologie und Chef der international tätigen Hire a Doctor Group, einer Zeitarbeitsfirma für Ärzte mit Sitz in Berlin. Vor einigen Jahren erwarb der gebürtige Potsdamer und bekennende Uckermark-Fan eine defizitäre Mosterei sowie einige Streuobstwiesen in der Region seiner Träume, gründete die Firma UMBIO und produziert seitdem erstklassige Obstsäfte...

Begehrt

ANDREAS KIRBACH UND MANUEL GROSS PRODUZIEREN UCKERMÄRKISCHES UMAMI

Frühsommer auf dem Kollwitzmarkt. Corona war da, aber doch fern, Touristen und viel Schicki und Micki flanierten, hier ein Häppchen, dort ein Schwätzchen.

Mitten in all dem fröhlichen Marktgewusel ein junger Mann hinter einem kleinen Stand, vor sich ein paar Körbe mit Austernseitlingen und Shiitakepilzen. Makellose Ware, aber keine Kunden. Dann und wann ein bisschen geheucheltes Interesse: Astrein, aber wir waren schon einkaufen. Endlich mal kein Schau-, sondern ein Kauflustiger, ein älterer Herr mit weiblicher Begleitung und beide offensichtlich mit dem Thema sehr vertraut.

Das Gespräch drehte sich um Substratproduktion, Myzelentwicklung und Fruchtkörperbildung, der junge Mann hinter dem Tresen erzählte von seinem und seines Geschäftspartners Start ins Pilzzuchtgeschäft, von ihren Erfahrungen und Zielen. Der ältere Herr kaufte eine Tüte Shiitake, und wir hörten – neugierig geworden – das, worüber Andreas Kirbach, so der Name des Verkäufers,

Dr. Andreas Kirbach und Manuel Gross, v.li.

bisher nicht gesprochen hatte: „Weil die Restaurants, unsere wichtigsten Kunden, monatelang geschlossen waren, hatten wir die Idee mit diesem Marktstand”, so Kirbach, „Not macht eben erfinderisch.”

Was das Besondere an ihren Pilzen sei, wollten wir wissen. Es folgte eine Einladung nach Petznick, einem 118-Einwohner-Dörfchen vor den Toren Templins am Rande des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin.

Andreas Kirbach und Manuel Gross empfangen uns auf dessen Grundstück, das auch ihre Edelpilzfarm beherbergt. Im August 2019 gegründet, ist die Anlage noch ein „Farmchen”, aber sie soll wachsen – trotz Corona. Kirbach, 43, stammt aus Görlitz, studierte an der Freien Universität Biologie und promovierte mit dem Thema „Navigation und Kommunikation von Honigbienen” zum Dr. rer. nat.; der 37-jährige Gross ist in Parchim gebürtig, der Ausbildung zum Mechatroniker folgte eine über zehnjährige Tätigkeit in der Medizintechnik – für beide war die Pilzzucht also Neuland.

Dennoch schafften sie es schnell, sich in die fremde Materie einzufuchsen. „So kompliziert ist die Sache nun auch nicht”, erklären sie, „man braucht ein sauberes Substrat aus einheimischen Laubhölzern und entsprechende Pilzbrut, mit der das Substrat geimpft wird, dann wachsen die Pilze. Wichtig ist es, in jeder Phase für die richtige Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu sorgen und für die notwendigen Lichtverhältnisse.”

Derzeit wachsen in ihrer Anlage Austern- und Kräuterseitlinge sowie Shiitake, die sagenhaften chinesischen Umami-Lieferanten. Dazu gibt es Weiße Buchenpilze sowie Pioppini, die Südlichen Ackerlinge, die in Italien wegen ihres maronenähnlichen Aromas als Delikatesse gelten. „Solange wir auf die Gastronomie-Kunden verzichten müssen, ist eine Erweiterung der Sortenvielfalt natürlich kein Thema”, sagt Andreas Kirbach. Dafür verschicken die beiden Züchter seit Anfang November Frisch- und Trockenpilze auch an Otto Normalverbraucher (bei Interesse: mail@frischekappen.de).

Das Berliner Szenerestaurant 2019...

Auch Andreas Kirbach und Manuel Gross hoffen auf ein baldiges Ende des Lockdowns. „Unsere wichtigsten Abnehmer sind eben Berliner Küchenchefs, und wenn deren Herde kalt bleiben, haben wir ein Problem”, sagt Kirbach und verweist auf das Frühjahr. „Als Bandol sur mer, Mrs. Robinson´s, Barra, FREA, Otto und andere Kunden keine Pilze brauchten, weil sie geschlossen waren, hatten wir über 80 Prozent weniger in der Kasse.” Kirbach und Gross traten die Flucht nach vorn an und mieteten einen Stand auf dem Kollwitzmarkt in Prenzlauer Berg. Hier lernten wir die beiden kennen...

FRISCHE KAPPEN

Henkinshainer Weg 11 17268 Templin OT Petznick Tel. 0151 - 23 60 69 55 www.frischekappen.de www.coldehoern.de

... war vor der Pandemie der beste Kunde der Frische Kappen GbR.

Manuel Gross und FREA-Küchenchef Yahir Franco.

Verblüht

ANJA MERKEL WILL DIE ZUCKERBLÜTENHERSTELLUNG AUFGEBEN

Landschaftsarchitektin und Unternehmerin Anja Merkel.

Den Tipp für einen Besuch in Potzlow, einem 500-Einwohner-Dörfchen rund zehn Kilometer südlich von Prenzlau, bekamen wir von Heidrun Lange. Genauer gesagt, wir entnahmen ihn ihrem lesenswerten Buch „Uckermark – Die 99 besonderen Seiten der Region” .

Wir folgten also den Spuren der Journalistin nach Potzlow Ausbau – das sind ein gutes Dutzend hübsch herausgeputzter Landhäuser mit viel Grün drumherum.

Am Anwesen mit der Nummer 6a weist ein Schild den Weg: Obstgarten Uckermark GbR. Das ist der Name der Firma von Anja Merkel. Der freundlichen Begrüßung folgt eine ernüchternde Erklärung. „Corona hat unser Geschäft zum Erliegen gebracht”, sagt die 52-Jährige, „wenn kein Wunder geschieht, geben wir auf.”

Anja Merkel, gebürtige Berlinerin, studierte in Dresden Landschaftsarchitektur und zog gemeinsam mit ihrem Mann 2008 in die Uckermark. Ein Jahr später begann sie, essbare Blüten zu verzuckern. „Was so einfach klingt, war es natürlich nicht”, gab sie damals in einem Interview zu Protokoll, „ich musste viel recherchieren, experimentieren und investieren bis das Ergebnis für mich und vor allem für die Kunden zufriedenstellend war. ”

Köche, Konditoren und Patissiers waren dann weit mehr als nur das. Sie lobten, dass die Hornveilchen-, Kornblumen-, Lavendel-, Süßdolden- oder Wildrosenblüten – nachdem Anja Merkel ihre Hand angelegt hatte – Form und Farbe behielten, dass durch den Zucker ihre Aromen deutlich intensiviert wurden und dass das alles ohne chemische Farb- und Hilfsstoffe erreicht wurde.

Zu Anja Merkels Kunden zählten das Berliner Sternerestaurant Facil, Guido Fuhrmanns Werkstatt der Süße, das Tortenstudio Luca sowie weitere Konditoren, sogar in Österreich und der Schweiz. Die Zuckerblüten machten Schlagzeilen, Anja Merkel erhielt Auszeichnungen, die Blütenwelt schien in bester Ordnung. Doch dann – siehe oben. Nun basteln die Landschaftsarchitektin und ihr Mann, Bauleiter von Beruf, an einer neuen Unternehmensidee.

Abgefüllt

MICHAEL WEBER UND SEIN TEAM STELLEN SUPER-SÄFTE HER

„Zumutung”, das ist noch die freundlichste Bezeichnung für die Verbindung zwischen Grünheide und dem Rest der Welt. Die meisten greifen tiefer in die Wortschatzkiste der Deftigkeiten. „Wer nicht muss, der lässt´s”, sagen die Einheimischen trocken. Wir müssen. Immerhin weisen Schilder links und rechts der kopfsteingepflasterten Buckelpiste zuverlässig den Weg: UMBIO – GUTES AUS DER UCKERMARK.

Das so Benannte liegt auf einer Anhöhe und sieht auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär aus. Produktionshallen und ein großer Hof, viel Beton, der Charme des Zweckmäßigen. Hunderte Apfelbäume und Haselnusssträucher ringsum lassen das Areal freundlicher wirken, der weite Blick ins Uckermärker Land und der freundliche Empfang durch eine junge Frau heben den ersten Eindruck schließlich vollends auf.

Louise Friedländer (Bild S. 84, u., li.) stammt aus Köln und war, bevor sie zu UMBIO kam, in der Modebranche tätig. Dann entschied sie sich für das wirklich Wichtige im Leben. Dem Praktikum in der Uckermark wird ein Studium an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde folgen – Fachrichtung Ökolandbau. Die 33-Jährige serviert routiniert die UMBIO-Fakten, man merkt, sie ist den Umgang mit Journalisten gewohnt. Wir notieren: UMBIO bewirtschaftet 22 Hektar, größtenteils Streuobstwiesen, auf denen über 100 alte und einige neuere Apfelsorten wachsen. Altländer Pfannkuchenapfel, Landsberger Renette, Rheinischer Bohnapfel, Jakob Fischer, Signe Tillisch, Kaiser Wilhelm, Boskop, Gelber Richard, rund 1.000 Hochstämme. Dazu Birnen, Pflaumen, Süßkirschen, Hasel- und Walnüsse. Gemüseanbau. Eigene Bienenvölker. „In unserer Mosterei werden wir in diesem Jahr schätzungsweise 20.000 Liter Apfelsaft pressen”, sagt Louise Friedländer und fügt hinzu: „Mit dem Kauf unterstützen Sie die Pflege unserer Streuobstwiesen und die Neuanlage und leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung alter Obstsorten.” Wir haben verstanden und kaufen.

Am Sortierband: Karola Feistel und Viktoria Mokretsova, v.re.

An der Saftpresse: Julian Schiller und Nikolas Bohrisch, v. re.

Mosterei-Chef Nikolas Bohrisch.

Chef der Bio-Mosterei ist der 33-jährige Uckermärker Nikolas Bohrisch, zupackend und wortkarg. Seine Mitarbeiter sind Studenten. „Ökolandbau Eberswalde, die wissen, wie’s läuft”, Bohrischs höchste Form der Anerkennung.

Außerdem erfahren wir, dass hier das Obst mit einer traditionellen Packpresse gepresst wird, nicht die modernste Technik, aber eine, die die beste Saftqualität liefert. Wir hören, dass der Saft nicht gefiltert wird, also naturtrüb bleibt, um seinen typischen Geschmack zu erhalten und dass er besonders schonend pasteurisiert wird. „Damit das Aroma drinbleibt”, wie Bohrisch sagt. „Kommen Sie doch zum Mosterei-Tag”, schlägt Louise Friedländer vor, dann haben wir genug Zeit, um Ihre Fragen zu beantworten, und dann ist auch Herr Doktor Weber da.” Wir überlegen – ein zweites Mal die Buckelpisten-Zumutung? – und verabreden uns mit Herrn Doktor Weber schließlich in Berlin. Michael Weber, Dr. med. und Inhaber von UMBIO hat sein Büro auf einem Gewerbehof

in Prenzlauer Berg und ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Hire a Doctor Group (s. Seite 77 re. unten). „Zwei Tage in der Woche bin ich in Berlin, ansonsten arbeite ich in der Uckermark.”

Der 53-Jährige erwarb 2015 die damals defizitäre Mosterei, investierte kräftig und fügte dem Mostgeschäft weitere Standbeine hinzu. „UMBIO produziert, veredelt und vertreibt inzwischen außer den Bio-Premium-Säften auch Honig von unseren Bienen, Wildbret von Tieren, die auf Bio-Flächen oder in den Uckermark-Wäldern erlegt wurden und – natürlich saisonal – Lammfleisch von Bio-Lämmern.”

UMBIO – GUTES AUS DER UCKERMARK

Am Gutshof 1 17291 Oberuckersee OT Grünheide Tel. 039863 - 63 90 75 www.coldehoern.dewww.umbio.de

Dr. Michael Weber: „Wir sind überzeugte Cuvée-Fans, weil wir die geschmackliche Harmonie lieben.”

Unverhofft

EIN WIEDERSEHEN MIT DEM KÜCHENCHEF MAIK FRITSCH

Petersdorf, 90 Einwohner, liegt rund zehn Kilometer südöstlich von Templin nahe des Lübbesees und gehört zu jenen Winzlingsdörfern, die bei einer Uckermarktour normalerweise links liegen bleiben. Wir machten uns dennoch auf den Weg.

Auf der Suche nach authentischen Klassikern der Uckermärker Regionalküche hatten wir einen Tipp bekommen: Maik’s Hofwirtschaft in Petersdorf. Der Name steht für die Sache. Vor der ehemaligen LPG-Lagerhalle sind Tische, Stühle und einige Sonnensegel aufgebaut, Tafeln informieren, was hier serviert wird: Hecht im Speckmantel, Wildschweinleber, Wrukensuppe, Zwiebelkuchen.

Dann kommt Maik – und wir staunen nicht schlecht. Der Mann ist ein alter Bekannter. Kennengelernt hatten wir Maik Fritsch vor sieben Jahren, damals stand er im Ringenwalder Gasthof zur Eisenbahn am Herd, ein gebürtiger Uckermärker, der die Traditionsrezepte seiner Heimat zubereitete und die Frage nach seinem Kochstil kopfschüttelnd mit einem Wort beantwortete: "Uckermärkisch". Dann kredenzte er uns Rinderzungenkadümzel, Rehlungwurst und Kloppschinken mit Suernudeln und lieferte gratis dazu eine kleine Einführung in das Uckermärker Küchenplatt. Die Kartoffel zum Beispiel heißt zwischen Prenzlau und Templin Nudel, Riewnudeln sind demnach geriebene Kartoffeln, also Kartoffelpuffer und Suernudeln Buttermilchkartoffeln. Kadümzel schließlich hat nichts mit Nudeln zu tun – dahinter verbirgt sich ein feines Frikassee - mal aus Kaninchenfleisch, mal aus Rinderzunge.

Fritschs Regionalofferte passte in die Zeit, der Hamburger FEINSCHMECKER sang Lobeshymnen, die hauptstädtischen Tageszeitungen stimmten ein und am Ende stand sogar die Nominierung zum Brandenburger Meisterkoch 2013. Wie gesagt, das ist sieben Jahre her, in denen es für Maik Fritsch nicht nur bergauf ging.

Seine damalige Partnerin zog zurück nach Berlin, er verließ das Ringenwalder Eisenbahn-Gasthaus, ging als Koch nach Petersdorf und schaffte es hier immerhin zum kulinarischen Geheimtipp.

Ausgeräuchert

MICHAEL WICKERT VERLÄSST GERSWALDE

Die Uckermark wird häufig mit dem Saarland verglichen. Viel haben der größte Landkreis und das kleinste Bundesland allerdings nicht gemeinsam – eigentlich außer der Größe gar nichts. Die gewaltigsten Unterschiede gibt es in Genussfragen. Während im Saarland französisches Savoir-vivre und damit die Wertschätzung guter Küche schon immer eine wichtige Rolle spielte, herrscht in der Uckermark von alters her die kulinarische Kargheit Preußens. Und während sich zwischen Saarbrücken und Weiskirchen gleich ein halbes Dutzend erstklassiger Gourmetadressen drängelt, muss man zwischen Prenzlau und Templin selbst eine passable Landhausküche mit der Lupe suchen.

Das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass – wenn von der kulinarischen Uckermark die Rede ist – meist zuerst Gerswalde genannt wird. Die 1.600-Einwohner-Gemeinde ist ein beliebtes Ausflugsziel mit vielen Sehenswürdigkeiten. Das ehemalige Schloss derer von Arnim beherbergt heute ein Jugendheim mit handwerklichen Ausbildungsstätten; die Ruine der mittelalterlichen Wasserburg wurde in den 1990ern aufwändig saniert; es gibt ein Fischereimuseum, eine Heimatstube, eine Wehrkirche, und es gibt den Großen Garten.

Man findet ihn auf dem Gelände der früheren Schlossgärtnerei, und er gilt mit seinen gastronomischen Angeboten – dem Café „Zum Löwen”, der Bar „Paradieschen” und dem Gartenlokal „Glut und Späne” – als das kulinarische Nonplusultra der Uckermark.

Tatsächlich Furore macht hier aber nur Michael Wickert. Inzwischen muss man sagen „machte”, denn Wickert wird am Jahresende seine Zelte in Brandenburg abbrechen, doch dazu später.

Der 40-jährige Agrar- und Fischereiwissenschaftler, der während seines Studiums auf Fischfarmen in Australien, Brasilien, Südafrika und der Schweiz forschte und nach dem Studium zwei Jahre lang eine Forellenzucht in der Normandie leitete, kam – via Markthalle Neun – 2016 nach Gerswalde.

Michael Wickert, Süßwasserfisch-Spezialist und Autor: Im Frühjahr erscheint sein Fischräucherbuch (Ulmer Stuttgart).

Hier etablierte er seine Fischräucherei und ein Fischbistro, und hier wäre er auch gern geblieben, doch der Klimawandel machte seine beruflichen Pläne zunichte.

Wickert hatte sich vorgenommen, selbst eine Fischerei zu betreiben, aber die Tatsache, dass rund um Gerswalde in kurzer Zeit drei Fischereibetriebe schließen mussten, ließ ihn nachdenklich werden. „In der Region wird es immer wärmer und trockener”, berichtet er, „dadurch verlieren die Seen viel Wasser – der Wasserspiegel des Gelandsees rund 20 Kilometer südlich von Gerswalde beispielsweise, ist in den letzten drei Jahren um 70 Zentimeter gesunken. Das sind 70 Millionen Liter Wasser weniger.” Er spricht über die Folgen, über das Algenwachstum, das begünstigt wird und über die steigende Bildung von Geosmin, einer Substanz, die einen modrigen Geschmack verursacht. „Da kannst du räuchern soviel du willst, der bleibt.” Im Süden, etwa im wasserreichen Schwarzwald, hofft er nun auf bessere Bedingungen für sein Vorhaben.