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Berliner Marktnischen

Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange Tradition. Der erste urkundlich erwähnte Markt ist der Spandauer, bereits im Stadtgründungsdokument vom 7. März 1232 wird er genannt. Im benachbarten Berlin sind der Molkenmarkt und der 1728 von Friedrich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss geschaffene Gendarmenmarkt die wichtigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins.

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Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte in Berlin – nicht nur vor Rathäusern – die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“ stellt Garcon Händler vor, deren Offerten auch eine weite Anreise wert sind.

ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER

„C’est ce qu’on fait de mieux”, nuschelt ein Mann mit vollem Mund. Das ist zwar nicht die feine französische Art, aber wo er Recht hat, da hat er Recht. Es gibt in Berlin nichts Besseres. Die Galette Complète von Nicolas Janiaud punktet mit den nussigen Aromen des Buchweizens und dem Duft des sanft schmelzenden Gruyère, der mit dem Bio-Ei eine perfekte Verbindung eingeht. Seit sieben Jahren ist Nicolas Janiaud eine feste Größe auf dem Karl-August-Platz. Man kennt sich, man grüßt sich. Bonjour, Bubar! Bubar? Der 39-Jährige winkt ab. „Eine lange Geschichte.” Wir haben Zeit. „Weil ich mich als junger Mann nur ungern rasiert habe, nannte mich mein Onkel ‚Barbu‘, der Bärtige. Und weshalb wurde daraus Bubar? „Nach dem Jurastudium wurde ich Rechtsanwalt und musste mich natürlich rasieren, da hat er einfach die Silben vertauscht.” Sie sind Anwalt? „Schon, aber das ist unwichtig, ich bin völlig unwichtig. Wichtig sind hier nur die Crêpes und Galettes, compris?”

Seine Crêperie ist ein schmuckloser Sprinter mit Seitenklappe, keine blau-weiß-roten Papierfähnchen, keine Bildchen von Saint-Malo, kein Asterix, kein Obelix, nichts. „Das ist ein Imbisswagen und kein Folkloreladen”, sagt Janiaud, während er sein mise en place beendet.

Punkt sieben kommt der erste Kunde: „Mein Frühstück bitte.” Natürlich weiß der Crêpier, was der Mann wünscht. Beurre Sucre, kurz Beursuc, das Original, ein Crêpe, nur mit Butter und Zucker. Schon zehn Minuten später geht es Schlag auf Schlag – Crêpe, Crêpe, Crêpe, mit geraspelter Schokolade, hausgemachtem Karamell, manchmal auch mit Maronencreme.

Die Galette-Jünger sind am frühen Morgen noch in der Unterzahl, erst gegen acht ist Herzhaftes gefragt und dann meist „complete”, also mit Schinken, Ei und Käse, das volle Programm. „Die Güte des Galettes hängt von den Grundprodukten ab”, doziert Nicolas Janiaud, „vor allem vom Mahlgrad des Buchweizenmehls, aus welchen Sorten es geschmischt wurde und dass es frisch ist.

Maître Nicolas Janiaud und Mitarbeiterin Audrey Baicry.

Und natürlich davon, dass der Crêpier sein Handwerk versteht.” Er, Janiaud, versteht es, weil er es bei einem Meister gelernt hat. „Ein Jahr lang bei Johann Joncour in Plomelin!” 2013 kam er nach Berlin, klapperte alle Wochenmärkte ab und entschied sich schließlich für den Karl-August-Platz. „Wegen der Kunden und wegen der Kollegen.” Er unterbricht das Gespräch und wendet sich seiner Crêpe-Platte und dem dünnflüssigen Teig zu, den er mit Hilfe eines Teigrechens aufträgt. Nun ist er doch wieder ein bisschen Anwalt, einer für den guten Geschmack.

Crêpes und Galettes auf dem Wochenmarkt am Karl-August-Platz 10627 Berlin-Charlottenburg wenn nicht coronabedingt anders angeordnet: Mittwoch, 8.00-13.00/Samstag, 8.00-14.00 Uhr