CannaVision - 02/2022

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Eyepress Fachmedien GmbH Saarner Str. 151, 45479 Mülheim a. d. Ruhr Jahrgang 01 BvCW Branchenblick Fachbereich “Technik, Handel & Dienstleistungen” Wissenschaft + Praxis Wachsender Werkstoff Hanf-Pilzmyzel Marktübersicht CO2-Extraktoren DAS MAGAZIN FÜR DIE CANNABISWIRTSCHAFT 02 - 22 Recht + Politik Cannabis als Genussmittel

Wir sind die Stimme der Cannabiswirtschaft Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V.

5 FACHBEREICHE - IHRE BRANCHE

IHRE VORTEILE

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• Poli�sche Einflussnahme

• Fachliche Beratung

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• Marktbeobachtungen

• Veranstaltungen

ETABLIERT

• Ermäßigungen

• PR & PA Arbeit

• Qualitätssicherung

• Forschung & Wissenscha�

• Stellenbörse

UNSERE LEISTUNGEN

• Kontakt zu Poli�k & Behörden

• Starke Medienpräsenz

• Wöchentlicher kostenloser Business-Newsle�er

• Publika�onsreihe „ELEMENTE“

• Regelmäßige Treffen aller fünf Fachbereiche

• Website & fünf Social-Media-Seiten

• Interne Veranstaltungen

• Kon�nuierliche Lobbyarbeit

ZUKÜNFTIG

• Einführung von Qualitätssiegeln

• Cannabis Branchenverzeichnis & vieles mehr

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Branchenverband Cannabiswirtscha� e.V. · Luisenstr. 54 · 10117 Berlin

Genussmi�elRegulierung Medizinalcannabis Nutzhanf & Lebensmi�el CBD & weitere Cannabinoide Technik, Handel & Dienstleistung

Auf einen Blick

05 Branchenticker

08 Aus der Wissenschaft

10 BvCW Aktuell

47 Firmenindex

50 Das Beste zum Schluss: Pia Marten

BvCW Branchenblick

11 Vorgestellt

BvCW-Fachbereich “Technik, Handel & Dienstleistungen”

12 Hanf- Forschungsfeld

Gemeinsamer Besuch von Bauernverband und BvCW

13 Forschen fürs Bauen mit Hanf

BvCW im Kontakt mit Bundesministerin Klara Geywitz

Wissenschaft + Praxis

14 Wachsender Werkstoff Hanf-Pilzmyzel

Rebekka Nurkanovic

19 Wie vereinen wir Gesundheit und Cannabis?

Fritz Arndt und Jonas Ohlwein

26 Qualitätssiegel für die Cannabiswirtschaft

Stefan Meyer

Recht + Politik

28 Cannabis als Genussmittel

Dirk Heitepriem und Jürgen Neumeyer

International

32 Globale Bewegung und Marktkräfte

Interview mit Jessica Steinberg

Im Rampenlicht

24 „Niemand will mehr der letzte sein“

Interview mit Luc Richner

36 Sortenvielfalt aus Solingen

Rebekka Nurkanovic

41 Branchentreff in Berlin – ICBC 2022

Daniel Groß

Betrieb + Marketing

43 Gelungener Einstieg in die Cannabisbranche

Falk Altenhöfer

Marktübersicht

48 CO 2 -Extraktoren

Impressum

Anschrift des Verlages

Eyepress Fachmedien GmbH

Saarner Str. 151

45479 Mülheim a. d. Ruhr

Tel.: +49 208 306683-00

Geschäftsführer

Petros Sioutis

E-Mail: p.sioutis@eyepress.de

Herausgeber

Silke Sage, Petros Sioutis, Efstathios Efthimiadis

Chefredakteurin

Rebekka Nurkanovic

Tel.: +49 208 306683-18

E-Mail: RN@cannavision.eu

Anzeigenleitung

Constanze Claßen

Tel.: +49 208 306683-20

E-Mail: CC@cannavision.eu

Marie Sonntag

Tel.: +49 208 306683-21

E-Mail: MS@cannavision.eu

Anzeigenpreise

Preisliste Nr. 01 vom 01.01.2022

Design + Produktion

Efstathios Efthimiadis

Pascal Bruns

E-Mail: produktion@eyepress.de

Erscheinungsweise

Zweimal im Jahr

www.cannavision.eu

Redaktioneller Beirat

Jürgen Neumeyer, BvCW Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V.

INHALT 2022_02 | 3
19 28 14
Fotocredits: Titel: Robert Nelson, S. 4: VectorMine, S. 19: RedUmbrella&Donkey, S. 24: kittyfly, S. 28: merklicht.de, S. 32: marjanblan, S. 43: denisismagilov, S.48: Irina /stock.adobe.com /unsplash.com /pixabays.com

Komplexität rundherum

Fast alle Aspekte rund um Cannabis lassen sich als komplex bezeichnen. Da ist die Hanfpflanze selbst, die vom Samen bis zur Blüte vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bietet, sei es als Nutz-, Heil- oder Genusspflanze, und deren Funktionsweise erst allmählich verstanden wird. Erst kürzlich haben Forscher der University of British Columbia in der Fachzeitschrift Current Biology darüber berichtet, wie sie Drüsentrichome von Cannabis mit Hilfe von Elektronenmikroskopen untersuchten, die die Zellstruktur auf Nanoebene sichtbar machen, um zu ergründen, wie überhaupt Cannabinoide in den Pflanzenzellen hergestellt werden.

Komplex ist auch eine passende Beschreibung für die Herausforderungen, denen sich Politik und Industrie gegenübersehen, bei dem Versuch, Cannabis zu legalisieren und einen neuen Markt zu gestalten. Die Punkte, die dabei beachtet werden müssen, reichen von so unterschiedlichen Themenfeldern wie Gesundheits- und Jugendschutz über die Bindung an internationale Abkommen bis hin zur Bedienung der Nachfrage mit qualitätsgesicherten Waren – um nur einige Aspekte zu nennen. Einen Rückblick auf den Konsultationsprozess und einen Ausblick auf die weiteren Schritte bis zur Vorlage eines Gesetzentwurfes in Deutschland, finden Sie in dem Beitrag ‚Cannabis als Genussmittel’ von Dirk Heitepriem und Jürgen Neumeyer.

Auch die Warenvielfalt kann als komplex bezeichnet werden. Die Anzahl der verfügbaren Produkte, z. B. im CBD Bereich, ist bereits heute groß und steigt stetig. Mit der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch wird ein weiteres

Marktsegment entstehen, dass Wegweiser erfordert. Verbraucher haben die Qual der Wahl, ohne über fundiertes Wissen zu verfügen, das ihnen erlaubt, eine informierte Kaufentscheidung zu treffen. Es ist also an der Zeit, von Seiten der Industrie für Information und Vertrauen zu sorgen. In seinem Artikel ‚Qualitätssiegel für die Cannabiswirtschaft’ gibt Stefan Meyer einen Überblick über die Geschichte der Gütesiegel und präsentiert das Vorhaben der Cannabiswirtschaft, ein Qualitätssiegel zu schaffen, welches die qualitative Zusammensetzung von Produkten nachweist.

Weitere Gesichtspunkte, die die Vielschichtigkeit des Themas Cannabis unterstreichen, werden im Artikel ‚Wie vereinen wir Gesundheit und Cannabis‘ von Fritz Arndt und Jonas Ohlwein aus einer gesundheitsökonomischen Perspektive beleuchtet. Im Interview mit Jessica Steinberg lernen Sie einen ethnografischen Blick auf die globale Cannabisbewegung und Marktkräfte kennen.

Um den diversen Branchensegmenten gerecht zu werden, verfügt der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V., BvCW, über mehrere Fachbereiche. In dieser Ausgabe stellt der Verband den Fachbereich “Technik, Handel & Dienstleistungen” vor. Komplexität also, egal wohin man schaut. Aber das ist ja auch einer der Gründe, warum die Auseinandersetzung mit der Cannabisbranche so interessant ist. Viel Spaß beim Lesen! ↙

VORWORT 4 | 2022_02
RN@cannavision.eu www.cannavision.eu

Ubirch und GS1 Germany: Partnerschaft für digitale Lieferkettenverfolgung

Die Kölner Unternehmen Ubirch und GS1 Germany haben bekannt gegeben, ein Modell zu einer rückverfolgbaren Lieferkette von Cannabis entwickeln zu wollen. Dies geschieht im Rahmen einer Partnerschaft und vor dem Hintergrund der angekündigten Legalisierung von Cannabis. Mit dem Technologie-Unternehmen Ubirch und dem Standardisierer GS1 Germany kommt Know-how zum Thema datengetriebene Prozesse und sichere Supply Chains zusammen. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen ein Modell zur Absicherung der Lieferketten im deutschen Cannabismarkt schaffen, um zum Zeitpunkt der Legalisierung eine Lösung anbieten zu können.

„Wir können hier von den Erfahrungen aus Kanada profitieren, wo lizensierte Hersteller mit Beginn der Legalisierung im Jahr 2018 die globalen GS1-Standards

verwenden, um Cannabis und cannabisbezogene Produkte (wie Zubehör) zu identifizieren und die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette zu ermöglichen“, so Thomas Fell, CEO GS1 Germany. „Nun für Deutschland zu antizipieren und eine mögliche, rückverfolgbare Lieferkette vorzudenken, was das bedeutet in Bezug auf Sicherheit, Transparenz und Effizienz, haben wir uns zusammen mit Ubirch zum Ziel gesetzt.“

„Mithilfe der weltweit etablierten GS1-Standards und der UbirchTechnologie wird es uns gelingen, ein starkes und modifizierbares Modell für kontrolliert abgegebenes Cannabis in Deutschland zu

Cannamedical: Doppelte Auszeichnung

Die Cannamedical Pharma GmbH kann sich über zwei besondere Auszeichnungen freuen: Das 2016 gegründete Unternehmen erhielt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Forschungssiegel “Innovativ durch Forschung” sowie den International Life Science Award 2022 in der Kategorie “Best Medical Cannabis Products Supplier 2022 - Germany”.

“Wir sind stolz darauf, gleich zweimal ausgezeichnet worden zu sein. Die

Awards spiegeln das wider, was uns jeden Tag antreibt: Die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten durch eine breite Auswahl an hochwertigen Cannabinoid-basierten Arzneimitteln zu steigern und die Forschung und Innovation im Bereich Medizinalcannabis voranzutreiben, um zukünftig noch mehr Erkrankten zu helfen”, so David Henn, CEO der Cannamedical Pharma.

Seit 2014 wird das Siegel “Innovativ durch Forschung” an Unternehmen vergeben, die innerhalb von Deutschland aktiv forschen und an einer Vollerhebung zur Forschung und Entwicklung teilnehmen. Die besonderen Forschungsleistungen von Unternehmen sollen hervorgehoben und anerkannt werden. Die Daten werden seitens der Wissenschaftssta-

entwickeln“, erklärt Stephan Noller, CEO von Ubirch. Akteure in der Lieferkette könnten so zweifelsfrei identifiziert und Daten auf Authentizität und Integrität hin überprüft werden – ohne aufwändige und zentrale Systeme. „Wir folgen hier lediglich der Logik der digitalen Transformation und schaffen bei einem unter Verbraucherschutzgesichtspunkten sehr wichtigen Punkt Sicherheit und Vertrauen und damit einen Mehrwert für den gesamten Cannabismarkt.“

Quelle: Ubirch und GS1 Germany

tistik des Stifterverbandes erhoben. Die Auswertungen über die Forschung und Entwicklung innerhalb Deutschlands sind nicht nur Teil der Berichterstattung der Bundesregierung, der EU und der OECD, sondern bestimmen auch, wie die Forschungs- und Förderpolitik langfristig ausgerichtet werden soll. Erstmals kann sich Cannamedical auch über den International Life Science Award 2022 in der Kategorie “Best Medical Cannabis Products Supplier 2022 - Germany” freuen. Mit den International Life Sciences Awards werden Unternehmen gewürdigt, die im Besonderen lebensfördernde Arbeit leisten und ihre Branche antreiben. Dazu hat das Forschungsteam von Global Health & Pharma mittels einer umfangreichen Recherche und Überprüfung der Leistungen der Nominierten das Engagement, die Branchenexpertise und das Innovationsvermögen analysiert und bewertet.

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Branchenticker
Quelle: Cannamedical Pharma GmbH Bild: GS1 Germany Bild: Cannamedical Pharma GmbH

Khiron: Akquisition der Pharmadrug Production GmbH

Khiron Life Sciences Corp. ein weltweit führender Anbieter von medizinischem Cannabis in Europa und Lateinamerika, hat Anfang August bekanntgegeben, dass er die Akquisition der Pharmadrug Production GmbH abgeschlossen hat. Die Akquisition wurde bereits am 31. Mai 2022 angekündigt und gemäß den veröffentlichten Bedingungen abgeschlossen. Mit dem Abschluss der Transaktion hat Khiron seine Präsenz in Europa um einen EU-GMP-zertifizierten Hersteller und Großhändler erweitert und ein

Franziska Katterbach, Präsidentin Khiron Europe.

Foto: Khiron Life Sciences Corp.

aposcope: Marktanalyse

zu medizinischem Cannabis in Apotheken

Die neue aposcope-Marktanalyse „Zukunftsmarkt Medizinisches Cannabis - Insights aus der Apotheke 2022“ zeigt, dass die befragten Apothekeninhaber in der möglichen Abgabe von medizinischem Cannabis mehrheitlich eine Chance sieht, auch wenn sich der wirtschaftliche Nutzen in Grenzen hält.

Nur jeder Fünfte messe dem Geschäft mit medizinischem Cannabis aktuell insgesamt eine hohe Bedeutung für die Apotheke bei. Mögliche Gründe dafür: die geringe Anzahl an belieferten Rezepten pro Monat und der gleichzeitig hohe Aufwand. Denn auch wenn die Rezeptbelieferung überwiegend

europäisches Produktions- und Vertriebszentrum für Pharmazeutika erhalten. Das Unternehmen sieht die Akquisition als eine optimale Ergänzung für Khiron in Europa und sagt, sie stehe im Einklang mit seiner wirtschaftlichen Asset-Light-Strategie. Als eigener Großhändler von Khiron Europe werde die Zielgesellschaft die Produkte von Khiron direkt an deutsche Apotheken vertreiben, was es dem Unternehmen ermögliche, die gesamte Wertschöpfungskette im Land zu kontrollieren und eine höhere Bruttomarge zu erzielen. Mit dieser Übernahme sieht sich Khiron in der Lage, die Erweiterung seines medizinischen Produktportfolios mit zusätzlichen exklusiven Blütensorten, die auf dem Markt nachgefragt werden, und einem THC-dominierten Vollspektrumextrakt zu beschleunigen, der die medizinischen Eigenschaften und Anwendungsbereiche der etablierten THC-Isolat-Formulierungen (Dronabinol) mit den spezifischen Vorteilen eines Vollspektrumextrakts verbindet. Weitere neue Produkte seien bereits in der Pipeline, die das gesamte Spektrum der Therapien mit medizinischem Cannabis umfassen werden, um für jeden Patienten die richtige Therapie anbieten zu können, und weitere Details sollen bald folgen. Franziska Katterbach, Präsidentin von Khiron Europe, erklärte: „Wir freuen uns sehr,

dass wir nun alle notwendigen Genehmigungen und Lizenzen im Zusammenhang mit der Übernahme und Integration der Zielgesellschaft erhalten haben und unseren Wachstumskurs in Europa mit voller Kontrolle über die Wertschöpfungskette bis hin zur Apotheke beschleunigt fortsetzen können. Wir freuen uns sehr, die hervorragende Infrastruktur und das erfahrene Team der Zielgesellschaft zu nutzen, die uns professionell und persönlich bereichern werden. Nach der Eröffnung unserer ZERENIA-Klinik in London im letzten Jahr und der Hinzunahme eines starken Standbeins in Deutschland ist unser europäisches Team nun komplett und bereit, unseren Umsatz in Deutschland zu steigern. Jetzt erwarten wir, unsere Produkte schneller und mit höheren Margen direkt an deutsche Apotheken zu verkaufen, was Vertriebsgebühren spart. Ein erstes Signal in diese Richtung ist die bevorstehende Erweiterung unseres medizinischen Portfolios für Patienten in Europa. Es handelt sich um Produkte, die ausschließlich in Europa hergestellt werden, und unser medizinisches Portfolio deckt nun das gesamte Spektrum der Chemotypen und Darreichungsformen ab. Wir werden rechtzeitig weitere Informationen über unsere neuen Produkte zur Verfügung stellen.“

Quelle: Khiron Life Sciences Corp

reibungslos verläuft, sorgen vor allem die Dokumentation (93 %), die Rezeptabrechnung (92 %) und die Identitätsprüfung (88 %) für Mehrarbeit in den Apotheken.

Knapp drei von vier Befragten betrachten medizinisches Cannabis dennoch als Chance für die Vor-Ort-Apotheken und jeder Zweite, der bereits Kundschaft mit

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Branchenticker
Bild: aposcope

Cannabis beliefert, möchte, dass die eigene Apotheke Anlaufstelle Nummer eins für Cannabis-Patienten wird.

Von welchen Anbietern medizinisches Cannabis bezogen wird, wie deren Lieferfähigkeit bewertet wird sowie weitere Einblicke in die Bedürfnisse und Wünsche der Apothekenteams, verraten die detaillierten

Branchenticker

Studienergebnisse. Die gesamte Marktanalyse mit Informationen zusammengefasst in einem grafischen Ergebnisbericht und einem detaillierten Tabellenband kann bei aposcope erworben werden.

Für die aposcope-Marktanalyse „Zukunftsmarkt Medizinisches Cannabis - Insights aus der Apotheke 2022“ wurden vom 1. bis

Sanity Group:

Erweiterung des Management-Teams

Das Berliner Health- und Life-Science-Unternehmen Sanity Group hat sein Management-Team um CEO Finn Hänsel ausgebaut: Dr. Konstantin Rutz ist neuer Geschäftsführer der medizinischen Sparte, Laura Simonow verantwortet die Consumer-Sparte. Auch auf Gruppen-Ebene wurde das Führungsteam breiter aufgestellt.

Dr. Konstantin Rutz ist nach über fünf Jahren bei der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), wo er als Projektleiter im Bereich Health Care tätig war, zur Sanity Group gewechselt und hat dort die Geschäftsführung des medizinischen Bereichs übernommen. Der 36-jährige Jurist bringt mehrjährige Erfahrung in den Bereichen Pharma, Life-Science und MedTech mit und hat sich zuletzt insbesondere mit PharmaCommercial-Themen beschäftigt.

Zudem ist Tobias Wirth zum Unternehmen gestoßen: Der 44-Jährige verfügt über mehr als 15 Jahre Sales-Erfahrung im Pharma-Bereich, insbesondere in den Indikationsbereichen Schmerz und Onkologie wie auch im Bereich Medizinalcannabis, und ist nun bei der Sanity Group im medizinischen Bereich für den Vertrieb und das Marketing verantwortlich. Er war acht Jahre bei der Teva GmbH in verschiedenen Führungsrollen und zuletzt bei der Cannamedical Pharma GmbH tätig.

Eine Veränderung gab es auch in der Consumer-Sparte der Sanity Group: Seit Mai 2022 leitet Laura Simonow, Gründerin der Naturkosmetikmarke This Place, als Geschäftsführerin die Geschicke des Consumer-Health-Bereichs Sanity Care mit den Marken This Place und VAAY. Bereits im Januar heuerte Florian Blaschke neu bei der Sanity Group an, er verantwortet

10. Juli 2022 insgesamt 501 verifizierte Apotheker und PTA online befragt. Dabei beantworteten die Teilnehmer Fragen zu verschiedenen Themen rund um den Umgang mit medizinischem Cannabis sowie die Entwicklung des Cannabis-Marktes.

Quelle: aposcope

als Chief Finance Officer den Bereich Finanzen der Gruppe. Max Narr, seit 2020 bei der Sanity Group und u. a. Managing Director des Fertigarzneimittel-Joint-Ventures Endosane Pharmaceuticals, ist zudem seit Jahresbeginn als Chief Investment Officer für die Themen Strategie und M&A bei der Gruppe verantwortlich.

Die neue Aufstellung der Führungsebene geht auch auf das Ausscheiden von SanityGroup-Mitgründer Fabian Friede aus dem operativen Geschäft zurück: Friede hatte zum Jahresanfang aus persönlichen Gründen seine Verantwortung als Co-Managing-Director der Sanity Group und Geschäftsführer des medizinischen Bereichs abgegeben; er bleibt dem Unternehmen nach wie vor als Gesellschafter und in beratender Funktion erhalten.

Quelle: Sanity Group

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Management der Sanity Group – v.l.n.r.: Florian Blaschke (CFO), Laura Simonow (MD Sanity Care), Finn Hänsel (CEO), Max Narr (CIO), Dr. Konstantin Rutz (MD Sanity Medical). Foto: Sanity Group – Maximilian König.

Verwendung von Glühwürmchen-Genen zum Verständnis der Cannabisbiologie Cannabis enthält Dutzende von Verbindungen, die als Cannabinoide bekannt sind. Diese werden von Trichomen produziert, kleinen stacheligen Ausstülpungen auf der Oberfläche von Cannabisblüten. Abgesehen von dieser Tatsache wissen Wissenschaftler nur sehr wenig darüber, wie die Biosynthese von Cannabinoiden gesteuert wird. Yi Ma, wissenschaftliche Assistenzprofessorin, und Gerry Berkowitz, Professor am College of Agriculture, Health and Natural Resources der University of Connecticut (UConn), USA, haben Mittel aus der Nationalen Forschungsinitiative des USLandwirtschaftsministeriums erhalten, um die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen hinter der Entwicklung des Trichroms und der Cannabinoidsynthese zu ergründen.

Berkowitz und Ma haben, zusammen mit den ehemaligen Doktoranden Samuel Haiden und Peter Apicella, Transkriptionsfaktoren entdeckt, die für die Trichom-Initiation und die Cannabinoid-Biosynthese verantwortlich sind. Transkriptionsfaktoren sind Moleküle, die bestimmen, ob ein Stück der DNA eines Organismus in RNA umgeschrieben und damit exprimiert wird.

In diesem Fall bewirken die Transkriptionsfaktoren, dass sich die Epidermiszellen der Blüten in Trichome verwandeln. Die Entdeckung des Teams wurde in einem Artikel in der Zeitschrift Plants veröffentlicht. Ähnliche Forschungsarbeiten zu Trichomen wurden auch in Plant Direct veröffentlicht. Aufgrund der potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung des Gens hat die UConn eine vorläufige Patentanmeldung für die Technologie eingereicht.

Mit diesem neuen Zuschuss werden die Forscher weiter ergründen, wie diese

Transkriptionsfaktoren bei der Trichomentwicklung während der Blütenreifung eine Rolle spielen. Berkowitz und Ma werden die relevanten Promotoren, der Teil der DNA, an den Transkriptionsfaktoren binden, klonen. Anschließend werden sie die Promotoren zusammen mit einer Kopie des Gens, das Glühwürmchen zum Leuchten bringt (Glühwürmchen-Luciferase), in die Zellen einer Modellpflanze einbauen. Die Luciferase ist mit dem Cannabis-Promotor fusioniert, so dass der Luciferase-Reporter Licht erzeugt, wenn der Promotor durch ein Signal aktiviert wird.

Die Forscher werden die klonierten Promotoren und die Luciferase in ein Plasmid laden. Plasmide sind ringförmige DNA-Moleküle, die sich unabhängig von den Chromosomen replizieren können. Dadurch können die Wissenschaftler die gewünschten Gene exprimieren, obwohl sie nicht Teil der genomischen DNA der Pflanze sind. Sie bringen diese Plasmide in die

Pflanzenblätter oder Protoplasten, Pflanzenzellen ohne Zellwand, ein.

Wenn der Promotor, der die Luciferase -Expression steuert, mit den Transkriptionsfaktoren in Berührung kommt, die für die Trichom-Entwicklung verantwortlich sind, oder durch andere Signale wie Pflanzenhormone ausgelöst wird, erzeugt der Luciferase“Reporter“ Licht. Ma und Berkowitz werden ein Luminometer verwenden, das misst, wie viel Licht von der Probe ausgeht. Dies wird den Forschern Aufschluss darüber geben, ob die von ihnen untersuchten Promotorbereiche von Transkriptionsfaktoren kontrolliert werden, die für die Entwicklung von Trichomen oder die Modulation von Genen verantwortlich sind, die für Enzyme der CannabinoidBiosynthese kodieren. Sie können außerdem herausfinden, ob die Promotoren auf hormonelle Signale reagieren.

DOI 10.3390/plants11111519

Quelle: University of Connecticut

Gründe für Cannabiserwerb aus illegalen statt aus legalen Quellen

Trotz der Legalisierung des Cannabisverkaufs in Kanada und vielen US-Bundesstaaten gibt es auch dort immer noch einen illegalen Markt. Eine neue Studie, die im Journal of Studies on Alcohol and Drugs

veröffentlicht wurde, legt nahe, dass die höheren Preise und die Unannehmlichkeiten, die mit legalen Quellen verbunden sind, ein Hindernis sein könnten, das die Verbraucher dazu bringt, illegale Anbieter aufzusuchen. Forscher der University of Waterloo in Ontario untersuchten Angaben aus der

Internationalen Cannabispolitik-Studie 2019 und 2020, in der Daten von 16- bis 65-Jährigen erhoben wurden. Die Teilnehmer wurden gefragt, wie viel von dem Marihuana, das sie in den letzten zwöf Monaten konsumierten, aus legalen oder genehmigten Quellen stammte. Wenn

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Aus der Wissenschaft
Yi Ma vor Cannabispflanzen im CAHNR-Gewächshaus der UConn. Foto: Jason Sheldon/UConn Photo

Aus der Wissenschaft

jemand einen Wert von weniger als 100 % angab, wurde er aufgefordert, aus einer Liste von Gründen für den Kauf von illegalem Cannabis zu wählen.

„Legale Quellen haben höhere Preise“ war in beiden Jahren die häufigste Antwort der Befragten in Kanada (35,9 % im Jahr 2019 und 34,6 % im Jahr 2020) sowie in den USA (27,3 % im Jahr 2019 und 26,7 % im Jahr 2020). Bequemlichkeit – abgedeckt durch „Legale Quellen waren weniger bequem“ und „Legale Geschäfte waren zu weit entfernt/es gibt keine in meinem Wohnort“ – stand ebenfalls ganz oben auf der Liste, wobei der Prozentsatz der Befragten, die diese Gründe nannten, zwischen 10,6 % und 19,8 % lag. Andere mögliche Gründe – wie geringe Qualität, der Wunsch, anonym zu bleiben, Liefergeschwindigkeit und Loyalität gegenüber einem Händler – wurden von den Befragten weniger häufig als Faktoren für die Kaufentscheidung genannt.

Der Mitautor der Studie David Hammond, Ph.D., Professor und Lehrstuhlinhaber für Universitätsforschung an der School of Public Health Sciences der University of Waterloo berichtet, dass auch Unterschiede zwischen

Alkohol, Tabak und Marihuana bei Jugendlichen im Pre-Teen Alter

Eine Studie der Michigan Medicine - University of Michigan, USA, zeigt, dass eins von zehn Kindern im Pre-Teen Alter neugierig auf den Konsum von Alkohol oder Tabakprodukten ist. Eins von 50 der befragten Kinder sagte, dass es neugierig auf Marihuana ist.

Immerhin 3 % der fast 12.000 befragten 9- und 10-Jährigen gaben an, dass sie einen Freund haben, der eine dieser Substanzen konsumiert. Und diejenigen, die dies angaben, waren auch sehr viel häufiger neugierig darauf, selbst Alkohol oder Tabak und andere nikotinhaltige Produkte zu probieren.

Bis zu 35 % der Eltern der Kinder gaben an, dass ihre Kinder zu Hause leichten Zugang zu Alkohol haben könnten, während ein geringerer Prozentsatz dasselbe über Tabak (7 %) oder Marihuana (3 %) sagte.

den Gerichtsbarkeiten und Veränderungen im Laufe der Zeit beobachtet wurden. Viele Gründe seien in späteren Jahren zurückgegangen, was Veränderungen in der Anzahl der Geschäfte und dem Preis von Cannabis in Kanada und den US-Bundesstaaten, die den Cannabiskonsum für Erwachsene legalisiert haben, widerspiegele. Möglicherweise könnten die COVID-19-Beschränkungen für einige der Veränderungen zwischen den Antworten der Umfrage von 2019 und 2020 verantwortlich sein. Mehr als 10 % der Befragten sowohl in den USA als auch in Kanada gaben an, dass die Pandemie ihre Möglichkeiten zum legalen Kauf im Jahr 2020 eingeschränkt hat. In mehreren US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen wurde der Lieferservice für legales Cannabis während der Pandemie zu einer Option, was einen Teil des Rückgangs der Befragten erklären könnte, die von langen Lieferzeiten und Unannehmlichkeiten berichteten.

Laut Hammond hängen viele der potenziellen Vorteile der Legalisierung – einschließlich Produktstandards, Einnahmen für legale Unternehmen und eine geringere

Belastung des Strafrechtssystems – davon ab, dass die Verbraucher zu legalen Cannabisquellen wechseln. Angesichts der Bedeutung dieses Themas gebe es erstaunlich wenig empirische Belege für die Faktoren, die bestimmen, wo die Verbraucher ihre Produkte in einem legalen Markt beziehen. Hammond und seine Kollegen schreiben, dass sich künftige Forschungen darauf konzentrieren sollten, wie sich die wahrgenommenen Hindernisse für legale Märkte ändern, wenn sich diese Märkte weiterentwickeln.

Aus Sicht der Forscher nimmt die Zahl der Geschäfte pro Kopf tendenziell zu, wenn die Märkte reifen und es wird erwartet, dass Unannehmlichkeiten weniger ein Hindernis darstellen. Daher müssten die Regulierungsbehörden die Prioritäten der öffentlichen Gesundheit und der Strafjustiz gegeneinander abwägen, um einen wettbewerbsfähigen Markt für legales Cannabis zu schaffen, der den legalen Kauf fördert.

DOI 10.15288/jsad.2022.83.392

Quelle: University of Waterloo

Etwa ein Viertel der Eltern gab an, dass sie noch keine Regeln für ihre Kinder in diesem Alter aufgestellt haben, ob sie diese Substanzen konsumieren dürfen. Die Studie, die in der Juni-Ausgabe der Drug & Alcohol Dependence Reports veröffentlicht wurde, wurde von einem Forscher der University of Michigan geleitet, der Daten aus einem großen nationalen Projekt verwendete.

In allen Gruppen waren die Kinder eher neugierig auf Alkohol oder Nikotin, wenn ihre Eltern sagten, dass diese Substanzen zu Hause leicht verfügbar sind. Dasselbe galt für die Neugier auf Nikotin bei Kindern, deren Eltern keine besonderen Regeln für den Konsum von Tabak oder anderen nikotinhaltigen Substanzen aufgestellt hatten.

Diese Informationen könnten dazu beitragen, künftige Bemühungen um maßgeschneiderte Präventionsbotschaften und -maßnahmen zu unterstützen und die Kinder mit dem höchsten Risiko für künftige Probleme zu identifizieren, sagt Meghan Martz, Ph.D., Hauptautorin der neuen Studie und wissenschaftliche Assistenzprofessorin mit Spezialisierung auf die Entwicklung von Substanzkonsumstörungen in der Abteilung für Psychiatrie am Michigan Medicine, dem akademischen medizinischen Zentrum der U-M.

DOI: 10.1016/j.dadr.2022.100037

Quelle & Bild: Michigan Medicine - University of Michigan

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Meghan Martz

Cannabiswirtschaft empfiehlt Track & Trace bei der Genussmittelregulierung

Um Sicherheit und Vertrauen zu stärken, fordert der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW), dass Nachverfolgungssysteme (englisch: “Track & Trace”) bereits in der Einführungsphase des legalen Marktes zur Pflicht werden. “Somit wollen wir Transparenz und Kontrollen für alle erleichtern und zum Verbraucherschutz beitragen” erklärt Dirk Heitepriem, Vizepräsident und Fachbereichskoordinator für Genussmittelregulierung beim BvCW.

Track & Trace-Systeme verfolgen den gesamten Prozess vom Anbau, über die Verarbeitungsschritte bis hin zum Verkauf. Behörden wie Marktteilnehmende

Empfehlungen zu Herkunfts- und Qualitätsregelung für Genussmittelcannabis

Die Rahmenbedingungen zur regulierten Abgabe von Cannabis werden zurzeit vorbereitet. Soll Cannabis in Deutschland angebaut oder importiert werden? Soll es wie bei medizinischem Cannabis nur in geschlossenen Anlagen oder auf offenem Feld wie beim Nutzhanf angebaut werden dürfen?

Die Cannabiswirtschaft hat hierzu in einem Positionspapier Empfehlungen ausgesprochen:

1. Importe oder deutscher Anbau

Die Cannabiswirtschaft setzt sich für die Schaffung eines regulatorischen Rahmens ein, der den Marktzugang für Produkte aus deutschem Anbau, sowie den Import von Produkten aus Ländern mit vergleichbaren Qualitätsstandards ermöglicht. Um den Anbau in Deutschland zu erleichtern, sollten Fördermöglichkeiten geschaffen und Rahmenbedingungen schnellstmöglich definiert werden.

profitieren gleichermaßen von der lückenlosen modernen Datenerhebung in Echtzeit. Nicht rechtskonforme Produkte gelangen somit auf dem legalen Markt gar nicht erst in Umlauf. Der Datenschutz ist dabei gewährleistet, denn die Nachverfolgung bezieht sich nur auf das Produkt, nicht auf die beteiligten Personen.

“Wichtig ist hierbei, dass das System auch für kleine und mittelständische Landwirte und Unternehmen praktikabel und finanzierbar bleibt. Die Politik muss darauf achten, dass keine bürokratischen Monster aufgebaut werden und auch kleine, aber wichtige Nischenanbieter im kontrollierten Markt mitmachen können. Track & Trace ist

2. Anbauoptionen und Produktionsstandards

Der Anbau soll in geschlossenen Gebäuden (“Indoor”), in Gewächshäusern und auch auf Feldern (“Outdoor”) erlaubt werden. Für die Produktionsstandards empfiehlt der BvCW eine Orientierung an bereits bestehenden internationalen Standards, welche mittelstandsfreundlich an die Bedürfnisse des deutschen Genussmittelmarktes für Cannabis angepasst werden sollten. Eine Übernahme der bestehenden Anforderungen an Medizinalcannabis (GMP, GACP) ist zu vermeiden, da der Detaillierungsgrad und die dadurch verbundenen Kosten für den vorgesehenen Einsatz als übertrieben erscheinen.

3. Schaffung von Planungsund Investitionssicherheit Angesichts der benötigten Vorlaufzeiten zum Aufbau der Produktionskapazitäten ist eine frühzeitige Festlegung der Rahmenbedingungen wichtig, um Planungssicherheit zu schaffen und den Markt noch in dieser Legislaturperiode umfassend bedienen zu können.

sowohl gegenüber der Verfolgung des noch weiterhin erwartbaren illegalen Anbaus sinnvoll, als auch für die Rückverfolgbarkeit bei Herkunfts- und Qualitätsfragen” ergänzt Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des BvCW. Hierzu könne auf bereits erfolgreich etablierte Systeme zurückgegriffen werden. Durch eine offene Programmierschnittstelle (API) könnte eine Kompatibilität mit unterschiedlichen Systemen eingerichtet werden. Auch eine staatliche Zertifizierung unterschiedlicher IT-Lösungen wäre für den BvCW denkbar.

Das Positionspapier des BvCW hierzu wurde als ELEMENTE Band 26 veröffentlicht.

Dirk Heitepriem, Vizepräsident und Fachbereichskoordinator für Genussmittelregulierung beim BvCW, stellt hierzu fest: “Um den Genussmittelmarkt im Wettbewerb mit dem Schwarzmarkt erfolgreich zu machen, werden im ersten Schritt drei Dinge benötigt: Ausreichende Produktmengen in hoher Qualität, ein konkurrenzfähiger Preis und Verfügbarkeit sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. In diesem Papier fokussiert sich der BvCW auf die für die Wirtschaft notwendigen Rahmenbedingen, um zum Start des Marktes ausreichend qualitativ hochwertige Produkte zur Verfügung zu stellen.”

Das Positionspapier hierzu wurde als ELEMENTE Band 24 veröffentlicht.

AUF EINEN BLICK 10 | 2022_01 BvCW aktuell

Vorgestellt

Der BvCW-Fachbereich “Technik, Handel & Dienstleistungen”

Im Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) arbeiten fünf Fachbereiche an der Verbesserung der gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen (THD) ist die Vielfalt an Unternehmen und Gewerbetreibenden besonders groß: Von Start-Ups über mittelständische Unternehmen, von der Entwicklung, der Verarbeitung bis zum Vertrieb. Dazu Hersteller von Anbau-, Beleuchtungs-, Bewässerungs- oder Düngetechnik, genauso wie Verbrauchsmaterialien und Analysetechnik.

Eine zunehmende Relevanz hat auch der Dienstleistungssektor mit auf Cannabis spezialisiertem Know-How wie Transportlogistik, Medien- und Beratungsleistungen oder Wissensvermittlung. Wir vertreten die Interessen dieser innovativen Marktteilnehmer und bieten ihnen Repräsentanz und Vernetzung.

Auch die Mitglieder unseres Fachbereichs bereiten sich auf die kommende Regulierung von Cannabis als Genussmittel vor. So wurde der Handel über “Cannabisfachgeschäfte” eigens in der Regierungserklärung erwähnt. Hierzu setzen wir innerhalb des Branchenverbandes eigene Akzente, die bereits in

die bisherigen Verbandspositionierungen einflossen. Zusätzlich zu unserem Positionspapier, in dem wir transparente Rahmenbedingungen für die Unternehmen der legalen Cannabiswirtschaft fordern, hat der Fachbereich nun ein weiteres Positionspapier auf den Weg gebracht, das sich mit der Legalisierung des Eigenanbaus von Cannabis als Genussmittel befasst. Damit wollen wir die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und Händler des Anbauzubehörs schützen und zu einer vernünftigen Regulierung beitragen. Wir arbeiten an konkreten Vorteilen für unsere Mitglieder und die gesamte Branche. Zum Besipiel haben wir, wie

bereits in CannaVision (CV 01/22) berichtet, eine ausführliche Umfrage zu den Benachteiligungen durch Banken und Finanzdienste durchgeführt und in der Folge das Gespräch mit diesen Firmen gesucht. Ein erstes Ergebnis ist die Erzielung von Mitgliederrabatten, der Zugang zu Zahlungsdienstleistungen für alle aus der Cannabiswirtschaft wird angestrebt. Zudem arbeiten wir aktuell an einem Infoblatt für die gesamte Branche, das Kontoeröffnungen bei Banken erleichtern soll. Weitere Infoblätter, beispielsweise für CBD-Produkte, sind in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich CBD et al. geplant. Darüber hinaus stellen weitere Benachteiligungen von Hanffirmen wie z. B. Werbeeinschränkungen, Sperrungen auf Verkaufsplattformen, Suchergebnisszensur (Shadow Ban) und die diversen Probleme mit Behörden weitere umfangreiche Arbeitsfelder für unsere Zukunft dar, die wir sukzessive anpacken wollen. Neue Mitglieder sind hierzu jederzeit willkommen!

Bei Fragen hierzu können Sie sich an den Fachbereichskoordinator Benjamin Patock (Boveda Inc., bp@cannabiswirtschaft.de) oder an den Verbandsreferenten Michael Greif (mg@cannabiswirtschaft.de) wenden. ↙

BVCW BRANCHENBLICK 2022_02 | 11
Fachbereichskoordinator Benjamin Patock

Bauernverband und BvCW besuchen zusammen Hanf-Forschungsfeld

Verbesserungsvorschläge für BMEL

Aus dem regelmäßigen Austausch zwischen dem Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW), dem Bauernverband und dem Zentralverband Gartenbau heraus entstand die Idee, gemeinsam ein Hanf-Forschungsfeld nahe Potsdam zu besichtigen. Der Hanf wird im Rahmen des Forschungsprojektes “Industrie-Hanf in Brandenburg – Kohlenstoff-Sequestrierung entlang der Wertschöpfungskette vom Anbau bis zum Produkt” angebaut, das vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) koordiniert und gemeinsam mit den Projektpartnern bearbeitet wird.

Somit soll das klimaschonende Potential des Nutzhanfes mit weiteren wichtigen Daten aus dem Feld erforscht werden.

Auf Initiative unseres Vizepräsidenten und Fachbereichskoordinators für Nutzhanf und Lebensmittel, Marijn Roersch van der Hoogte, der in Kooperation mit der agro Saarmund GmbH am Projekt beteiligt ist, konnte dieser Termin Mitte Juli realisiert werden.

Dort werden sowohl Faserhanf als auch zwei Sorten zur Samengewinnung produziert. Auf drei Hektar wächst somit Hanf, der in unterschiedlichen Produkten, von Baustoffen bis hin zu als “Superfood” geltenden Lebensmitteln, vermarktet werden kann. Der Bauernverband schrieb im entsprechenden Beitrag auf seinem Instagram-Kanal “diedeutschenbauern”, dass vor Ort die positiven Aspekte von Hanf im Ackerbau deutlich wurden: eine starke

Beschattung des Bodens, ein niedriger Unkrautdruck, ein guter Erhalt der Bodenfeuchte, intensives Wurzelwachstum und die positive Wirkung als Vorfrucht.

Für das erzeugte Hanfstroh der drei Hanfsorten stellte der Geschäftsführer der agro Saarmund GmbH, Ulrich Benedix, vor Ort seine Ideen für Hanf als Bau- und Verpackungsmaterial aus Hanf vor, zusätzlich können die gewonnenen Hanfsamen der drei Sorten regional als Lebensmittel eingesetzt werden, wodurch die Mehrfachnutzung eines (Nutz-)Hanffeldes wirtschaftlich und agronomisch bekräftigt wird. Der Bauernverband resümiert seinen Beitrag mit der Feststellung: “Nutzhanf ist definitiv eine Kultur mit vielen Möglichkeiten!”

Neben der Praxis des Nutzhanfanbaus und dem Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten wurde auch über die politischen Entwicklungen und Änderungsbedarfe

gesprochen. Der Bauernverband hat unsere Vorschläge für ein vereinfachtes Verfahren beim Nutzhanfanbau aufgenommen und zugesagt, diese bei den kommenden Prozessen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Hinblick auf den Referentenentwurf einer Verordnung zum Integrierten Verwaltungsund Kontrollsystem (InVeKoS) zu berücksichtigen. Hierzu gehören unsererseits insbesondere der Wegfall von Blühmeldungen und Erntefreigaben, die Reduzierung der Kontrolldichte sowie die Umsetzung erhöhter Nutzhanf-THC-Werte.

Der Cannabiswirtschaft ist es wichtig, greifbare Informationen über die breiten Verwendungsmöglichkeiten und jetzigen Herausforderungen an die relevanten Stakeholder zu vermitteln. Auch hierzu freuen wir uns auf die weitere gute Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bauernverband und den beteiligten Ministerien. ↙

BVCW BRANCHENBLICK 12 | 2022_02
Fachbereichskoordinator Benjamin Patock

Forschen fürs Bauen mit Hanf

BvCW im Kontakt mit Bundesministerin Klara Geywitz

Als Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V. (BvCW) haben wir der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), geschrieben und auf Potentiale und Forschungsbedarfe hingewiesen: Hanf als nachwachsender Rohstoff könnte künftig eine deutlich bessere Rolle als viele andere Baustoffe in der Gebäudeerstellung bzw. -sanierung spielen. Die Emission von Beton beträgt derzeit durchschnittlich pro m³ 200 kg CO², demgegenüber die Bindung von Hanfprodukten in Baumaterialien 110 kg CO² pro m³; also eine Differenz von 310 kg CO² pro m³ Baustoff.

Im Rahmen des europäischen grünen Deals der EU-Kommission sollen die Mitgliedstaaten jährlich 3 % der Gesamtfläche aller öffentlichen Gebäude sanieren. Dies ist eine hervorragende Chance, die Bauforschung zu stärken und Wohnqualität nachhaltig zu prägen. Hierzu haben wir vom BvCW Ideen für Forschungsbedarfe bei Hanf als nachhaltigen Baustoff vorgeschlagen. Hierzu gehören Vorschläge für die Themen Bauwesen (insbesondere Hanfkalk & Hanf als Bewehrungstechnologie [Verstärkung von Betonbauteilen zur Erhöhung der Tragfähigkeit mit Naturfasern statt Stahl]), Wohnen (insbesondere Hanfholz als Alternative zu

Tropenhölzern für Möbelbau, Wandverkleidungen und Bodenbeläge) und Stadtentwicklung (insbesondere Hanfplastik, Nutzhanf zur nachhaltigen Stadtbegrünung und zum Bienenschutz, leistungsstarke LEDs mit modifiziertem Kohlenstoff [Graphen] aus Hanf).

Spannend wären beispielsweise Potentialanalysen für Hanf als Naturbaustoff, die Erforschung der wahrscheinlich besseren gesundheitlichen Verträglichkeit von Hanfmaterialien sowie die Einsatzmöglichkeiten von Hanf für Bodenregeneration und Phytomining (= Gewinnung von Metallen durch Pflanzen).

Frau Geywitz bedankte sich für unsere Hinweise und wies auf laufende Projekte

der “Zukunft Bau Forschungsförderung” hin. Der BvCW soll eine Einladung zu kommenden Expertenhearings erhalten. Hier sei eine Berücksichtigung von Hanf im laufenden Forschungsprojekt “Nachhaltigkeit durch Transparenz in der Lieferkette Bau” möglich. Im Rahmen dieser jährlich vergebenen Forschungsförderung wurden für dieses Jahr fünf Vorschläge zur Erforschung von Hanf im Bauwesen eingereicht, die Entscheidungsfindung hierzu läuft noch.

Wer nun eigene Vorschläge einreichen möchte, muss sich noch etwas gedulden: Der nächste Förderaufruf wird auf der Seite www.zukunftbau.de im ersten Quartal 2023 veröffentlicht. ↙

BVCW BRANCHENBLICK 2022_02 | 13

Wachsender Werkstoff

Materialerkundung Hanf-Pilzmyzel

Hanf-Pilzmyzel ist ein Werkstoff, mit dem man Gegenstände entstehen lassen kann. Bei der Produktion wächst ein lebendiger Organismus in vorgegebene Formen hinein. Dem Pilzmyzel, den fadenförmigen Zellen eines Pilzes, wie man sie beispielsweise auch beim Camembert an der Oberfläche sehen kann, wird eine Hanfschäbenmischung hinzugefügt, die es durchwächst und dabei als Nährstoff nutzt. Etwa seit Beginn des Jahrtausends wird an Werkstoffen aus Pilzmyzel geforscht.

Bisher ist Hanf-Pilzmyzel eher ein Nischenwerkstoff, der nicht im großen Stil verwendet wird. Das liegt unter anderem daran, dass er auf einem biologischen Prozess aufbaut, der viele Hürden nehmen muss und für Industrieprozesse noch zu lange dauert. Je nach Ausführung kann es Wochen bis Monate in Anspruch nehmen, bis ein Produkt in die gewünschte Form gewachsen ist. Auch wenn über gute Vorbereitung und externe Dienstleister die Produktionszeiten abgekürzt werden können, erreicht man nicht die Spitzenzeiten, die beispielsweise bei Kunststoff oder Spritzguss erzielt werden, wo in Sekunden oder maximal Minuten gerechnet wird. Doch das wissenschaftliche Interesse an dem Material ist groß und die Möglichkeiten seiner Nutzung und Verarbeitung werden laufend erforscht.

So untersuchen das Sustainable Design Center e. V. und die HTW-Berlin die Materialeigenschaften des Hanf-Pilzmyzels im Rahmen eines Kooperationsvertrages. Prof. Sebastian Feucht, Studiengang Industrial Design und System Design, sieht großes Potential in dem organischen Werkstoff, gibt aber zu bedenken, dass ein neues Narrativ in der Industriegesellschaft erforderlich

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sei. „Von der Werkstoffseite her finde ich es interessant, das Narrativ zu wechseln – dass Produkte wachsen statt produziert werden“, sagt Feucht. „Denn alle reden von Nachhaltigkeit, aber keiner will sich irgendwie verändern.“ Auch in praktischer Hinsicht sei ein Umdenken erforderlich. Die Überlegung Hanf-Pilzmyzel zu verwenden, müsse vor dem Produktdesign stehen, da das Material spezielle Produktionsanforderungen hat.

Warum Hanf?

Im Prinzip kann fast jedes organische Material mit Pilzmyzel verwendet werden. So gibt es auch Versuche, Siedlungsabfälle zu nutzen, um Schadstoffe in biokompatible Materialien umzusetzen. Hanfschäben haben sich in diesem Prozess jedoch bereits bewährt. „Es funktioniert extrem gut und schnell“, sagt Feucht. Für ihn lag ein Anreiz sich mit HanfPilzmyzel auseinanderzusetzen auch darin, dass er für Industriedesigner die Möglichkeit sieht, Produkte zu entwickeln, die hanfwerkstoffbasiert sind, um dadurch Absatz zu generieren, damit in der Folge mehr Hanf angebaut wird. Dadurch werde eine Wertschöpfung für die ganze Pflanze generiert und der Anbau für Bauern attraktiver, was wiederum den Böden zugutekomme. Ein Szenario, bei dem es nur Gewinner gibt. Im Moment befinde sich der Hanfanbau leider an der Grenze der Wirtschaftlichkeit. Doch wenn immer mehr Hanfmaterialien auf den Vormarsch kämen, lohne es sich für Bauern zunehmend, Hanf anzubauen. Unter dem Aspekt Nachhaltigkeit möchte Feucht den Anbau von Hanf ohnehin fördern, denn „Hanffanbau verbessert die Böden, lockert sie auf und baut Humus auf. Und deshalb macht es Sinn, an allen Stellen, Abnehmer für die Hanfpflanze und damit eine Wertschöpfungskette zu schaffen.“

In Form wachsen

Für die Produktion eines Gegenstandes aus Hanf-Pilzmyzel benötigt man eine Form, sozusagen ein Korsett, das dem Material vorgibt, in welche Richtung und in welchem Volumen es wachsen soll. Für eine Schüssel beispielsweise ein äußeres Behältnis, in welches das Ausgangsmaterial eingefüllt wird und eine innere Gegenform, die das Wachstum begrenzt. „Die Form ist im Vergleich zu anderen

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Myzel-Fäden auf Nährstofflösung. Hanfschäben werden mit Nährstoffen, wie Roggen, Kleie oder Reis gemischt. Mit Pilzmyzel durchwachsene Hanfschäben.
Im Prinzip kann fast jedes organische Material mit Pilzmyzel verwendet werden. So gibt es auch Versuche, Siedlungsabfälle zu nutzen, um Schadstoffe in biokompatible Materialien umzusetzen.

Ähnlich wie beim Flaum auf einem Camembert, können Fingerabdrücke auf dem weichen Myzel-Flaum des noch feuchten Werkstoffes hinterlassen werden.

Formen, z. B. für Spritzguss extrem niederschwellig und insofern auch sehr leicht herzustellen und gut für einzelne Produktionen oder Kleinserien geeignet“, erläutert Feucht. Für den Aufbau seiner Materialerkundungen hat der Professor den Biologen Alessandro Volpato hinzugezogen, der ihm die nötigen Schritte im Umgang mit Hanf-Pilzmyzel vermittelt hat. Gemeinsam mit seinen Studenten stellt er Hanf-Pilzmyzel nun für Forschungszwecke her.

In den Seminaren von Prof. Feucht wird für die Herstellung des Materials zunächst ein Pilz extrahiert, den die Studenten zuvor im Supermarkt erstanden haben. Im Prinzip können alle Pilzarten für den Prozess verwendet werden, doch es gibt Unterschiede im Wachstumstempo und im erreichbaren Härtegrad.

Das Pilzextrakt wird in ein Glas Nährstofflösung, z. B. Aga-Aga, gegeben. Da eine Kontamination durch Schimmelpilz das Endprodukt ruinieren könnte, wird die Lösung zunächst im Autoklav sterilisiert. Dann wird das Pilzextrakt sich selbst überlassen und

Prof. Sebastian Feucht, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, hat Industriedesign studiert und 20 Jahre eine Prototypenwerkstatt und ein Designbüro geleitet. 2015 wurde er an der HTW zum Professor mit Schwerpunkt Nachhaltiges Design im Entwurfsprozess, Material und Technologie berufen. 2009 gründete er zudem mit Kolleginnen zusammen das Sustainable Design Center e. V., ein unabhängiges Kompetenznetzwerk für ökointelligente, nachhaltige Entwicklung. „Ich sage gerne, wir machen enkelfähige Produkte oder Lösungen, die Weitblick haben und den Planeten nicht zerstören, sondern wohlwollend mit ihm umgehen und trotzdem Nutzen für den Menschen haben.“

Sebastian Feucht

Foto: Richard Kurc

nach einer Woche Wachstum sind bereits deutlich Myzel-Fäden zu erkennen.

Nach dem Anwuchs ist es Zeit für weitere Nährstoffe. An diesem Punkt kommen die Hanfschäben ins Spiel, die sich als Füllstoff besonders bewährt haben. Sie werden mit Nährstoffen, wie Roggen, Kleie oder Reis, in Tüten gefüllt und ebenfalls sterilisiert. Die Tüten werden (in einem sterilen Raum) mit dem angezüchteten Pilzmyzel geimpft. In der Tüte wächst das Myzel weiter und füllt die Zwischenräume der Hanfschäbenmischung. Das fertige Material ist weiß und flaumig und sieht ein bisschen aus wie Camembert.

Im nächsten Schritt wird der Werkstoff in die Innenform gefüllt und nach einigen Wochen Wachstum ist ein nasses, schwammartiges Gebilde entstanden, das bei 60 C° für eine halbe Stunde getrocknet werden muss, um das Pilzwachstum zu deaktivieren. „Das ist wichtig, denn es könnte sein, dass irgendwo noch eine Pilzspore aktiv ist, die bei langem Kontakt mit Wasser wieder wächst“, erklärt Feucht und fügt hinzu: „Laut Biologen ist hundertprozentiges Deaktivieren schwierig, aber 99,9 % reichen mir aus. Und im schlimmsten Fall wächst ein Fruchtkörper, den man zur Not essen könnte. Der schlimmste Fall ist also nicht wirklich schlimm.“ Beim Trocknen erreicht das Material verschiedene Härtegrade, die unterschiedliche Formen erlauben. Werden dem Materialgemisch noch Hanffasern hinzugefügt, können widerstandsfähige Produkte erschaffen werden, die beispielsweise als Ersatz für Styropor, Hartschaum und Isolationsmaterial zum Einsatz kommen. Für Industriedesigner Feucht steht bei Materialerkundungen immer die Frage im Vordergrund, für welche sinnhaften Produkte ein Werkstoff sich eignet und wie sich seine Eigenschaften verbessern lassen. Bei Hanf-Pilzmyzel sei es noch wichtig, die Ästhetik zu verbessern, denn es ist nicht geruchsneutral und die Optik sei, wie Feucht es vorsichtig ausdrückt „eine andere“. Wohlwollend ausgedrückt, haben Gegenstände aus Hanf-Pilzmyzel einen starken natürlichen optischen Charakter. Doch auch wenn Vintage und Natur zurzeit beliebt sind, stellt das Aussehen von Hanf-Pilzmyzel für Designer eine Herausforderung dar, denn es entspricht nicht der klassischen Vorstellung von Hochglanzdesign. „Da wird viel kaschiert, indem die Produkte mit

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Schüssel aus Hanf-Pilzmyzel.

Textilien oder mit konventionellen Materialien überzogen werden und die Suche nach einem geeigneten Durchfärbungsmittel läuft“, sagt Feucht. Bis diese Frage gelöst ist, wird die Verwendung sich jedoch vermutlich weitgehend auf Produkte beschränken, bei denen das Aussehen keine große Rolle spielt.

Mögliche Einsatzbereiche

Zu solchen Produkten gehören Dämmplatten, Polstermaterialien und Auspackungen. Auch für Polsterstühle ist Hanf-Pilzmyzel geeignet. Es ist sanfter als Holz oder Metall und einige Studierende im Studiengang Industrial Design und System Design arbeiten beispielsweise an Stühlen mit Sitzauflagen. Auf dem Markt gibt es bereits kleine Beistelltische.

Sehr gut vorstellbar ist laut Prof. Feucht die Verwendung für Kühlboxen, für die heute Styropor genutzt wird. Bei der Isolationsfähigkeit kann das Material durchaus mithalten und am Ende ihres Lebenszyklus könnte man die Boxen, anders als Styropor, einfach ins Meer kippen oder auf dem Feld unterpflügen und Gemüse drauf anbauen. Einige Eigenschaften von Hanf-Pilzmyzel setzten aber derzeit noch Grenzen für diese Verwendung, sagt Feucht: „Die Wasserfestigkeit muss beispielsweise weiter verbessert werden. Derzeit beginnt es sich

Leder aus Pilzmyzel kurz vor Marktreife

Leder aus Pilzmyzel ist ein Werkstoff, der kurz vor dem Marktdurchbruch steht. Das Herstellungsprinzip gleicht dem von Hanf-Pilzmyzel und wurde von dem US-amerikanischen Unternehmen Ecovative Design LLC patentiert, das als Marktführer für Pilzmyzelwerkstoffe gilt. Die Materialeigenschaften sind denen von Tierleder ähnlich und Meterware-Produktion ist möglich, so dass es für die Modeindustrie interessant werden dürfte. Als Glasverpackung kommt das Material bereits zum Einsatz. Es gibt auch schon Firmen, die Pilzlederschuhe anbieten, der Preis liegt jedoch noch bei 300 - 700 € für ein Paar Schuhe.

bereits nach einer Woche in Wasser aufzulösen.“ Auch die Rahmenbedingungen im Markt sind schwierig. Aus Sicht des Professors wäre Styropor jedoch schnell vom Markt, wenn die Hersteller für die Entsorgung zuständig wären, denn diese ist kostspielig. „Würde die ordnungsgemäße Entsorgung beim Styropor beim Kauf mit aufgerechnet, würde niemand Styropor kaufen, denn dann würde das Material ungefähr das Zehnfache kosten.“ Die Entsorgung des biologisch abbaubaren Hanf-Pilzmyzels hingegen wäre um ein Vielfaches billiger. Das Umsteuern müsse jedoch politisch gelenkt werden, denn ohne Vorgaben setzten sich solche Veränderungsprozesse nur extrem langsam durch.

Bei der Stabilität von Hanf-Pilzmyzel Werkstoffen ist momentan der Vergleich mit den Weichhölzern Balsaholz oder Kiriholz angemessen. Größere Stabilität ist durch Verstärkung mit Naturfasern möglich, sei es mit Hanf- oder Flachsfasern. Damit könne man bei geringerem Gewicht die Funktionalität von Lehm-Strohwerkstoffen erreichen und vielleicht die von minderwertigem Beton. Was nicht bedeutet, das Hanf-Pilzmyzel nicht mit Beton konkurrieren könnte, da es über einen besseren Isolationseffekt verfügt, den man in architektonische Dickenberechnungen einfließen lassen und so gegenüber Beton sparen könnte.

Im Moment sind Holzkonstruktionen, die mit Hanf-Pilzmyzel isoliert werden, klassisches Fachwerk, das man auch mit HanfKalk (auch Hanfbeton genannt) oder mit Lehm-Strohverbindungen herstellen kann.

„Es gibt auch langjährige Entwicklungen an der TU Berlin, HanfPilzmyzel als Isolations- und Baustoff in einer mehrschichtigen Fassade aufzubauen, als Baustein, weil es 100 % natürlich ist“, berichtet Feucht. „Das Pilzmyzel ist dabei quasi der Klebstoff, der die anderen organischen Materialien zusammenhält.“ Bei diesem Verfahren hat sich Hanfstroh bewährt, da seine Nährstoffe von Pilzen schneller verwertet werden als Gemische mit Lehm oder Sägemehl.

Zurzeit steht vor allem die Verwendung als Verpackungsmaterial im Vordergrund. Für den Verbraucher hat dieses den charmanten

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Stuhl mit Hanf-Pilzmyzel von Nils Sorger, HTW-Berlin, Industrial Design, Prof. Sebastian Feucht. Berlin. Foto Jana Gautier
Für Künstler stellt Hanf-Pilzmyzel eine Inspirationsquelle dar. Sie schaffen z. B. wachsende Skulpturen, indem sie den Pilz nicht deaktivieren.

Vorteil, dass eine solche Verpackung nicht als Abfall entsorgt werden muss, sondern z. B. als Dünger für Blumen weiterverwendet werden kann.

Für Künstler stellt Hanf-Pilzmyzel eine Inspirationsquelle dar. Sie schaffen beispielsweise wachsende Skulpturen, indem sie den Pilz nicht deaktivieren.

Umdenken erforderlich

Hinsichtlich Rentabilität kann Hanf-Pilzmyzel sich nicht mit herkömmlichen Werkstoffen messen. Der Energieverbrauch ist zwar minimal und fällt vor allem in den Schritten Sterilisation und Trocknung an, während die anderen Prozesse kalt laufen. Es gibt auch Versuche, mit Strahlung den Pilz abzutöten, in der Hoffnung, dass es noch weniger Energie erfordert.

Doch der natürliche Wachstumszyklus des organischen Materials erfordert notgedrungen Zeit und wenn Zeit in Geld umgerechnet wird, fällt die Bilanz ungünstig aus. Man könne zwar die Produktionszeit abkürzen, indem man die Impfstoffmenge erhöht und die Füllmaterialien von einem Dienstleister vorproduzieren lässt, sagt Feucht. Unterm Strich müsse man jedoch beginnen, Produktion und den Umgang mit Zeit anders zu betrachten und andere Faktoren als Rentabilität in Betracht ziehen, wenn man Hanf-Pilzmyzel im großen Maßstab nutzen möchte.

Auch das Risiko von Kontaminierung mit Schimmelpilz steht einer industriellen Produktion noch im Wege. „Wobei dieses mit Prozess- und Qualitätsmanagement einzudämmen sein müsste.

Bisher haben viele Biologen, Künstler und Designer mit dem Material gearbeitet, von denen keiner ein richtiges Labor oder eine richtige Werkstatt hat, wo hundertprozentig steriles Arbeiten möglich ist“, gibt Feucht zu bedenken. Seit einiger Zeit werden beispielsweise auch am Fraunhofer IAP myzelbasierte Materialien entwickelt, so dass sich eine Professionalisierung anzubahnen scheint.

Ein wesentlicher Faktor, der als Argument für die Entwicklung von Hanf-Pilzmyzelprodukten in Betracht gezogen werden sollte, sei Nachhaltigkeit. Dafür biete es großes Potential, auch durch kurze Lieferketten. So könne man beim Hausbau vor Ort regionale Werkstoffe verwenden. Zudem seien entstehende Abfälle organisch und

könnten als Bodenverbesserer weiterverwendet werden. Für Feucht ist das ein erstrebenswertes Ziel, denn „damit schließen sich Kreisläufe und zwar regional vor Ort.“

Für weitere Einsatzmöglichkeiten ist sein Ziel derzeit, die Kantenbearbeitung zu verbessern, so dass mit einer guten Gestaltungslösung vielleicht Objekte kreiert werden könnten, die Plastikprodukte ersetzen, z. B. Fernsehgehäuse oder Stereoanlagen. „Dann bliebe zwar aus ökologischer Sicht immer noch die Elektronikproblematik, aber wir hätten wenigstens das Kunststoffgehäuse eliminiert. Mit solchen Produkten könnte sich in der Gesellschaft die Erkenntnis verbreiten, dass technische Produkte auch mit biologisch vernünftigen Werkstoffen herstellbar sind.“ Noch fehlt dafür die Technologie, aber der Nachhaltigkeitsexperte hofft, dass in einigen Jahren vielleicht Bearbeitungsmaschinen entwickelt werden, die Pilzmyzel industriell verarbeiten können.

Da Hanf-Pilzmyzel im Moment preislich bei weitem nicht konkurrenzfähig zu Kunststoff ist, gibt es noch keine Massenproduktion, sondern nur handwerkliche Einzelstückproduktion. Doch die Materialentwicklung steckt ja noch in den Anfängen und Erfahrungen mit anderen Materialien haben gezeigt, wie schnell Entwicklungen stattfinden können. Feucht erinnert sich an die 1990er-Jahre, in denen es zumindest im Westen noch hieß, mit Bambus wäre technisch nichts anzufangen: “Heute wissen wir, dass man aus Bambus ganz tolle Produkte machen kann. Etwas, das in Asien schon lange bekannt war. Und ich glaube, auch für Hanfmyzel ist eine ganz große Entwicklung möglich.“

Aktuell geht der Forscher auch weiter der Frage nach, was man noch Sinnvolles mit Hanf-Pilzmyzel machen kann. „Das will ich als Designer jetzt vorantreiben und ich bringe es in die Lehre ein.“ Seine Studierenden sollen ihre gesammelten Erfahrungen dann als Multiplikatoren mitnehmen, wenn sie nach dem Studium in die Industrie gehen. ↙

Interessierten Lesern empfiehlt Sebastian Feucht die Ausstellung zum Projekt MY-CO BUILD im Futurium in Berlin. Das Projekt der Biotechnologin Prof. V. Meyer (TU Berlin) und des Architekten Prof. Sven Pfeiffer (Bochum) lotet die Möglichkeiten von Pilzmyzel für die Architektur aus. https://futurium.de/de/my-co-build ↙

WISSENSCHAFT + PRAXIS 18 | 2022_02
Da Hanf-Pilzmyzel im Moment preislich bei weitem nicht konkurrenzfähig zu Kunststoff ist, gibt es noch keine Massenproduktion, sondern nur handwerkliche Einzelstückproduktion.

Wie vereinen wir Gesundheit und Cannabis?

Eine gesundheitsökonomische Perspektive

Die prohibitive Politik im Umgang mit Cannabis ist als gescheitert zu betrachten. Der neue Weg der Legalisierung von Cannabis in Deutschland stellt daher sowohl kulturell, ökonomisch als auch ökologisch einen einschneidenden Paradigmenwechsel dar. Viele Fragen sind noch offen: Wie, wo, und wie viel abgeben? Wie kann ein effektiver Jugendschutz gewährleistet werden? Gibt es Mindestpreise für Konsumeinheiten? Wie balanciert man den ökonomischen Anreiz, möglichst viele tägliche Konsumenten zu generieren, mit dem gesellschaftlichen Bedarf einer gesunden Bevölkerung?

Im Vordergrund politischer Diskussionen steht daher das aktuelle Erkenntnisziel „Wie vermeidet Deutschland die Fehler anderer Länder und Regionen bei der Legalisierung und der Formulierung der Rahmenbedingungen?“ Eine elementare Grundlage der Legislative ist dazu die Vision der WHO von „Health in All Policies” (HiAP)1. Die HiAP-Vision zielt darauf ab, dass bei allen politischen Initiativen die Bevölkerungsgesundheit konsequent mitgedacht wird. Dies trifft insbesondere auf Gesundheitssysteme zu, deren Segment der Cannabis-Heilpflanzen Anbau und Handel ist. Für Gesundheitssysteme bedeutet „Health in All Policies“ konkret, die theoretischen und praktischen Leitfragen von „Wie Krankheit behandeln?“ (Pathogenese) bzw. „Wie Geld verdienen mit Krankheit?“ zu „Wie Gesundheit fördern?“ (Salutogenese) bzw. „Wie Geld verdienen mit Gesundheit?“ zu verändern. Und so stellt sich für die junge Cannabisindustrie in Deutschland die Frage: Wie ist der Wertstrom von „seed-to-sale-to-health“ (SSH) zu gestalten, um tatsächlich mit Gesundheit Geld zu verdienen?

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheit_in_allen_Politikbereichen

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2022_02 | 19

Das gesundheitsfördernde Produkt

Qualitativ hochwertige, geprüfte Cannabisblüten sind eine notwenige Ausgangsbedingung, um eine faire Diskussion über den positiven und negativen Einfluss des Konsums führen zu können. Der Cannabis-SSH-Wertstrom beginnt klassisch mit dem Herstellungsprozess von getrockneten Cannabisblüten, auch als Ausgangsmaterial für Folgeprodukte. Die Qualitätskriterien getrockneter Cannabisblüten lassen sich wissenschaftlich als notwendige Bedingung, sowie aus Kundensicht als sinnhafte Bedingung definieren. Zunächst zu den wissenschaftlichen bzw. notwendigen Qualitätskriterien. Hilfreich ist hier das deutsche Arzneibuch mit der Monographie Cannabis Flos (Cannabis Blüten), welches eine medizinische Vorgabe für die Qualität getrockneter Cannabisblüten definiert:

• Geruch: Charakteristisch nach Cannabisblüten

• Max. 3 % Fremdbestandteile

• Max. 11 % Trocknungsverlust

• Max. 14 % Asche

• Max. 5 % säureunlösliche Asche

• Max. 10 % Schwankung THC/CBD bezogen auf Etikettierung

Darüber hinaus werden Rückstände von künstlich chemisch hergestellten Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden oder Schwermetallen

sowohl von Regulatoren als auch von Kunden als qualitätsmindernd und der Gesundheit nicht zuträglich wahrgenommen und dementsprechend durch zertifizierte Analysen ausgeschlossen. Über diese notwendigen Qualitätskriterien hinaus haben Konsumenten aber zusätzliche, individuelle Kriterien, was die Qualität von Cannabisblüten und abgeleiteten Produkten ausmacht. Es wird aktuell mit zwei groben Wirkspektren der Pflanze um Konsumenten geworben. Hersteller und Marken von „Freizeit-Cannabis“ werben um Kunden, deren Fokus auf THC und Geschmack liegen, während Hersteller von medizinischem Cannabis für ihre Patienten ein Bouquet aus Cannabinoiden (THC, CBD, CBN, etc.), Terpenen und Flavonoiden präferieren. Insgesamt können hochwertige Cannabisblüten sowohl notwenige regulatorische Bedingungen, als auch die individuellen Bedürfnisse der Kunden und Bedarfe von Patienten effizient erfüllen.

Die Abgabe

Nach der Herstellung von qualitativ hochwertigen Cannabisprodukten folgt die Abgabe an Kunden und Patienten. Klar ist, ohne die Argumentation zu vertiefen, dass insgesamt ein angemessener Jugendschutz gewährleistet sein muss. An dieser Stelle soll aber nicht weiter auf die wichtige Frage des Jugendschutzes, sowie die abgeleiteten Fragestellungen rund um die Sicherung des

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zukünftigen Sozialstatus von Heranwachsenden eingegangen werden, da dieser Aspekt von Bevölkerungsgesundheit einen eigenen Artikel verdient. Im Weiteren sollen die gesundheitlichen Auswirkungen von qualitativ hochwertigen Cannabisblüten auf gesunde Erwachsene, im Folgenden als 18 Jahre und älter definiert, auf Bevölkerungsebene erörtert werden.

Grundlegende Aspekte der Bevölkerungsgesundheit

Deutschland leidet an Wohlstandskrankheiten, die einerseits durch unnatürliche Mengen an Zucker- und Fettaufnahme, sowie andererseits durch Bewegungsmangel (<4.000 Schritte pro Tag) zustande kommen. Zucker- und fleischlastige Überernährung, sowie Bewegungsmangel sind Faktoren, die bereits jetzt auf fehlgeleitete Kommerzialisierung von menschlichen Bedürfnissen zurückzuführen sind. In Bezug auf Bewegung wurde z. B. systematisch das Bedürfnis, nicht der Bedarf, zu Sitzen befriedigt. Über das Auto für den Transport zur Arbeitsstätte, das Sitzen während der Arbeit, bis hin zum Fernseher, dem PC und Spielesysteme für die Freizeit… Um grundlegende Zusammenhänge zu visualisieren, nutzen wir das Gleichnis vom Spiel Team Krankheit vs. Team Gesundheit. Der Fokus liegt auf jenen Krankheitsbildern, die, dank des medizinisch-technischen Fortschritts, als längerfristig überlebbar (chronisch) gelten. Dies sollte aber nicht über den negativen Einfluss einer solchen chronischen Erkrankung auf die Lebensqualität hinwegtäuschen. Ziel des modernen Bevölkerungsgesundheitsmanagements ist mitunter die Zahl gesunder Lebensjahre zu erhöhen, was im Kontext der Sterbestatistik, die mehrheitlich von chronischen Krankheiten gekennzeichnet ist, aussagekräftiger geworden ist, als der historische Fokus auf die reine Sterberate (Mortalität).

Die Folgen moderner Lebensverhältnisse und individuellen Verhaltens ist ein starkes Team (chronische) Krankheit. Team Krankheit stellt mit der Zeit immer mehr Spieler auf dem Platz, um das Team Gesundheit zu besiegen.

Am Anfang kommen üblicherweise folgende Umstände auf Menschen zu:

• Übergewicht

• Bluthochdruck

• Zuckerwechselstörung (Diabetes Vorstufe)

• Fettstoffwechselstörung

• Asthma

Später entwickeln sich:

• Diabetes Typ2

• Muskel- und Gelenkschmerzen („Rücken“)

• seelische Unausgeglichenheit (Anpassungsstörungen, Angst, Depression)

• „Verkalkung der Arterien“  Schlaganfall, Herzinfarkt

• Herzschwäche

Wir sehen uns daher bereits mit systematischen Problemen der Bevölkerungsgesundheit konfrontiert, bevor typische Verdächtige,

wie Alkohol und Tabak, als Einflüsse beleuchtet werden, welche die vorherigen Krankheitsbilder zusätzlich meist negativ beeinflussen. Um gesund zu bleiben, kann man sein eigenes Team Gesundheit zunächst mit gesunden Alltagsroutinen (Spielposition Offensive) aufstellen:

• Gesundes Trinken (Wasser: 2,5 L/Tag)

• Gesunde Alltagsbewegung (Schritte: 8.000/Tag)

• Gesundes Essen (Mikrobiom) (5 Teile Obst oder Gemüse/Tag)

Die Offensive ist die erste Verteidigungslinie gegen chronische Krankheiten.

Zusätzliche gesundheitsförderliche Faktoren im Alltag (Spielposition Mittelfeld) sind:

• Positive soziale Kontakte

• Seelische Ausgeglichenheit

• Erholsamer Schlaf

• Rauchfreiheit

Schlussendlich, im Falle von Krankheit, besteht die optimale Sekundärprävention (Spielposition Verteidigung) aus:

• Medikationstreue

• Therapieplantreue

• Gute Orientierung im Gesundheits- & Sozialsystem

Dies sind die typischen Spieler, die ein Patient in Deutschland, zusätzlich zu seiner ärztlichen Diagnose und Verlaufskontrolle, 365 Tage im Jahr gegen das Team Krankheit aufstellen kann.

Die Erkenntnis ist, dass die Prävention der Fehlverhältnisse

• Mangelnde Trinkmenge,

• Bewegungsmangel,

• Fehlernährung

gewichtiger ist, als das politische Argument des Jugendschutzes. Dies trifft insbesondere auf Menschen zu, die altersbedingt über geringere Regenerationspotentiale verfügen, um täglich ungesundes Verhalten zu kompensieren.

Cannabis im spielerischen Gleichnis

Wie kann es nun von der Abgabe von Cannabis an die Bevölkerung hin zu Gesundheit auf Bevölkerungsebene kommen („sale-to-health“). Cannabis im Gleichnis ist kein eigenständiger Spieler mit einer speziellen Funktion. Stattdessen ist ersichtlich (siehe Visualisierung), dass Cannabis einen Einfluss auf die Spieler beider Teams hat.

In Bezug auf das Team Krankheit ist festzuhalten, dass nach aktuellem Forschungsstand die Cannabisentourage keinen direkt ursächlichen Effekt auf Blutzuckerwechselstörung, Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Herzschwäche, Herzinfarkte oder Schlaganfälle hat.

Cannabis hat aber durch die Steigerung der Herzfrequenz und Blutdruckabfall, nach akuter Einnahme, einen Effekt auf das HerzKreislaufsystem. Jedoch ist keine relevante Nebenwirkung auf Herz und Kreislauf im üblichen Dosisbereich (5-15 mg) zu erwarten. Der Effekt der Cannabisentourage auf seelische Ausgeglichenheit, welcher im Gleichnis bewusst in beiden Teams auftaucht, um die

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doppelte Effektstärke der psychischen Verfassung zu betonen („Wo kein Wille, da kein Weg!“), ist wissenschaftlich nachvollziehbar. Oft können negative Erfahrungen (Angst, Unruhe, Verwirrtheit) aber wohl auch auf die geläufige Überdosierung durch unerfahrene/ungeübte Menschen zurückgeführt werden. Eine ärztlich eingestellte Therapie ist sehr viel seltener mit stark negativen Nebenwirkungen und Erfahrungen verbunden. Insbesondere, wo gesundheitsförderliche Effekte bereits unter der psychotrop wirkenden Schwelle nachgewiesen werden können und die Medizin entsprechend dosiert werden kann. Der positive Effekt der Cannabisentourage auf Schmerzen und Schmerzempfinden ist belegt, wobei noch viel Forschung möglich ist. Die Cannabisbegleiterhebung der Bundesregierung zeigt, dass Schmerz bisher der häufigste Therapiegrund in Deutschland war. Der Effekt der Cannabisentourage auf COPD wird aktiv erforscht, da die Differentialanalyse zu Tabak(rauch) wichtig ist. Bisher konnte kein ursächlicher Effekt des Rauchens von Cannabis (ohne Tabak) auf die Entstehung einer COPD nachgewiesen werden. U. a. die antioxidantische, antiallergische, atemwegserweiternde und entzündungslindernde Wirkung von Cannabis scheinen eine entscheidende Differenzierung zu Tabakrauch zu sein. Ähnlich den positiven Effekten im Schmerzempfinden, gibt es Hinweise, dass die Cannabisentourage das Empfinden von „Lufthunger“ positiv beeinflusst. Diese Effekte kommen auch Asthmatikern zu Gute. Es besteht die Annahme, dass Cannabiskonsum mit einem geringeren Diabetesrisiko verbunden ist. Der positive Effekt wird auf einen geringeren Nüchterninsulinspiegel und eine bessere Funktion von Beta-Zellen, die in der Bauspeicheldrüse Insulin

produzieren, zurückgeführt. Auch wurde in Studien Cannabiskonsum mit einem geringeren Bauchumfang assoziiert.

Insgesamt ist der Effekt von Cannabis auf die Faktoren des Teams (chronische) Krankheiten neutral bis positiv, und bei der Schmerztherapie aktuell am deutlichsten. Es gibt aber eine große Forschungslücke zum Einsatz bei psychischen und neurologischen Einsatzmöglichkeiten.

Kritisch ist festzuhalten, dass die Cannabisentourage einen direkten Einfluss auf die Grundroutinen gesundes Trinken/Bewegung/Ernährung hat. Dies gilt deutlicher für das Rauchen und Dampfen, als für andere Applikationsformen.

Geschulte Menschen sind in der Lage mögliche akute Negativwirkungen vorhersehen zu können:

• Cannabis verursacht Mundtrockenheit, also sollte man zum Konsum ausreichend trinken.

• Cannabis lässt den Blutzucker fallen und löst Hunger aus. Die Vorbereitung von gesunden Snacks ist möglich.

• Cannabis kann zu Bewegungsunlust verleiten. Der Konsum in der Gruppe im Freien in Bewegung (Spaziergang) ist eine Gegenstrategie.

• Psychische Negativwirkungen (negative Gedanken o. ä.) können mit Tagebuchnotizen eingeordnet werden.

• Negativwirkungen auf Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit, Feinmotorik, Bewegungskoordination bedingen, dass man sich nicht in ein Setting bringt, in dem diese Einschränkungen schwere Unfälle fördern können.

Ihre Stärke spielt die Cannabisentourage bei der Stärkung positiver sozialer Kontakte, erholsamen Schlafes und der seelischen Ausgeglichenheit aus. Der positive Effekt auf die Psyche ist hier zu betonen, da man von Selektionsbias ausgehen kann, was bedeutet, dass geschichtlich die überwiegende Mehrheit der Konsumenten positive Erfahrungen macht und jene mit schlechtem Erleben den Konsum stoppen. Dem Effekt auf die Medikationstreue und die Therapieplantreue allgemein, muss vorurteilsfrei begegnet werden. Die Annahme, dass mehr Medikationseinheiten vergessen werden, ist wohl bei nicht berauschender Wirkung nicht so erheblich, wie der positive Umstand, dass Patienten am ehesten jene Medikation regelmäßig nehmen, die minimale Nebenwirkungen verursacht. Die verhaltenspsychologische Erkenntnis (GegenwartsBias), dass sichere zeitnahe kleine Verluste (Nebenwirkungen) gewichtiger sind, als unklare (große) negative Ereignisse in der Zukunft, läßt sich übertragen.

Insgesamt bietet Cannabis, in einem sinnvollen Rahmen, d. h. gesunde Alltagsroutinen und Faktoren erhaltend, die Möglichkeit, die Gesundheit überwiegend zu stärken, anstatt Krankheit zu fördern. Dies passt letztlich operativ sehr gut zu dem strategischen Zeitgeist, Bevölkerungsgesundheit in allen Politikfeldern zu priorisieren (HiAP). Wichtiger für die Alltagsrelevanz ist aber, dass schlechter Schlaf, seelisches Ungleichgewicht und Schmerzen das Erleben aller anderen bestehenden chronischen Krankheiten negativ verstärken. Genau diese drei Dimensionen werden von der Cannabisentourage aber explizit effektiv und effizient positiv angesprochen.

WISSENSCHAFT + PRAXIS 22 | 2022_02
Der herausragende Stellenwert der zukünftigen Beratung im Fachgeschäft wird dadurch erhöht, dass sich der Fachkräftemangel, durch die Pensionierung der Baby-Boomer-Generation, auch unter Ärzten und Apothekern massiv verschärfen wird.

Erhöhter Beratungsbedarf trifft Fachkräftemangel

Wichtig ist aber nicht nur das Potential der Inhaltsstoffe, sondern auch der zwischenmenschliche Kommunikationsund Austauschprozess, der bei der Abgabe an Konsumenten stattfindet. Dieser Prozess sollte explizit darauf wirken, dass Konsumenten den akuten Negativwirkungen des Konsums holistisch begegnen können. Erfahrungen aus Projekten mit Gesundheitskiosken, Gesundheitslotsen und Gemeindepflegerinnen zeigen, dass Menschen mit einer kreativen Palette an Fragen das Gespräch und die Orientierung im Gesundheits- und Sozialsystem suchen. Und obwohl der Weg über ärztliche Verschreibung leichter werden wird, bleibt eigenverantwortliche Selbstmedikation, wie bei vielen OTC-Produkten, verbreitet. Der herausragende Stellenwert der zukünftigen Beratung im Fachgeschäft wird dadurch erhöht, dass sich der Fachkräftemangel, durch die Pensionierung der Baby-Boomer-Generation, auch unter Ärzten und Apothekern massiv verschärfen wird. Eine Delegation der Beratung zu Phytopharmaka an lizensierte Fachgeschäfte und Apotheken ist deswegen ein Ansatz, der in Kombination mit einem therapiebegleitenden Arzt vielversprechend ist. An technischen Applikationen zur Ermöglichung dieses Therapienetzwerkes wird es nicht scheitern. Aber es ist zu befürchten, dass sich viele Menschen auf Grund falscher Heilsversprechen an Fachgeschäfte wenden werden, was sich in einem ziellosen und übermäßigen, d. h. gesunde Alltagsroutinen einschränkenden, Konsum ausdrücken kann. Es ist deswegen wichtig, zwischenmenschliche Kommunikation neben der physischen Abgabe als Kerngeschäft von Cannabis-Fachgeschäften zu betrachten. Diesen Aspekt sieht der BvCW bereits voraus und hat mit dem ELEMENTE Band 23-Positionspapier „Prävention & Risikominimierung“ und den darin beschriebenen Anforderungen an ein Sozialkonzept eine Vorlage für die praktische Umsetzung formuliert. „Cannabis ist kein Allheilmittel“ ist eine ehrliche Überzeugung, die auf Bereitstellungsseite einer übereifrigen und unehrlichen Kommerzialisierung entgegenwirken kann. In einem gelebten Sozialkonzept könnte dieser Leitspruch zusätzlich den Wert einer holistischen Beratung unterstreichen, um Kunden und Patienten im Gesundheits- & Sozialsystem zu orientieren. Vergleichbar zu Apotheken und Arztpraxen könnten Cannabis-Fachgeschäfte so als regelmäßiger sozialer Kontaktpunkt („social point of return“) dienen. Verkaufs- bzw. Praxispersonal und Konsumenten werden aufgrund der wiederholten Kontakte und Ritualisierungen eine persönliche Beziehung entwickeln können. Durch diese oft als gleichrangig empfundene Beziehung ist es möglich, Reflektions-, Änderungs- und Motivationsprozesse anzusprechen und anzustoßen. Das Prinzip der gleichrangigen Verantwortungspartnerschaft („accountability partner“) könnte damit den balancierten Weg zum Genuss von Cannabis für stark Konsumierende ebnen. Insgesamt ergänzt die schneller zu meisternde gesundheitsförderliche Beratung (Salutogenese) im Cannabisfachgeschäft die historische Kernkompetenz von Ärzten und Apothekern, die Beratung und Heilung von Krankheiten (Pathogenese).

Im Optimum wird ein Präventionsverhältnis geschaffen, in dem Beratung und Begleitung von Erstkonsumenten sowie langfristige

präventive Beratung und Aufklärung für Stammkonsumenten möglich ist. Letztlich sollten sich Cannabisabgabestellen am historischen Ideal von Apotheken, die Bedarfe decken, anstatt Bonbonläden, die Bedürfnisse erfüllen, orientieren.

Zusammenfassung

Wie nun langfristig Geld mit Cannabis und Gesundheit verdienen? Es ist zunächst unabdingbar, dass endlich allen Menschen in Deutschland reine und qualitativ hochwertige Cannabis-Produkte kontinuierlich zugänglich gemacht werden. Durch den Schwarzmarkthandel besteht aus gesundheitsökonomischer Sicht ein systematisches Qualitätsproblem, dass sich in den letzten Jahren akut im deutschen Cannabismarkt durch Streckmittel niederschlägt. Nur, weil es keine doppel-verblindeten RCT-Studien zu den Folgen dieser chemischen Mittel gibt, heißt es eben nicht, dass es keine gesundheitsschädlichen Folgen in der Bevölkerung gibt. Kritisch ergänzt: Unerfahrene Jugendliche sind am untersten Ende der Schwarzmarkt-Wertschöpfungshierarchie, d. h. dass sie statistisch die schlechteste Qualität verkauft bekommen: Qualitätssicherung ist auch Jugendschutz!

Insgesamt aber sind der Schutz von heranwachsenden Menschen, sowie die Abgabemenge pro Zeiteinheit wichtige Detaildiskussionen, die zentrale Herausforderungen nicht voll umfassen. Cannabis darf den modernen, bewegungseingeschränkten, überernährten aber unterhydrierten Lebensstil der meisten Menschen in Deutschland nicht fördern.

Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, können Cannabisabgabestellen im Angesicht einer alternden Gesellschaft und fehlender Arzt-Zeit, mit ihrer Beratungsleistung als Teil einer definierten Strategie der regionalen Bevölkerungsgesundheit (Population Health) verstanden und gelebt werden. Die Legalisierung von Cannabis ist unsere Möglichkeit, aktiv der gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der Bevölkerungsgesundheit einen Impuls entgegen zu setzen. ↙

Fritz Arndt

ist Wirtschaftsingenieur und praktisch forschender Gesundheitsökonom für patientenzentrierte regionale Gesundheitsversorgung. Forschungsschwerpunkt ist die Vermeidung ambulant sensitiver Krankenhausfälle und Arbeitsunfähigkeiten und der Einfluss von Cannabismedizin auf Bevölkerungsebene.

Jonas Ohlwein

ist Pharmazeut und Manager für Gesundheits- und Versorgungsangebote für patientenzentrierte regionale Gesundheitsversorgung. Nebenberuflich ist er Referent im Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit, Digitalisierung der Apotheke und Cannabis.

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2022_02 | 23

„Niemand will mehr der letzte sein“

Schweizer Pilotprojekte schaffen Transparenz und ebnen Wege

Bei der rasanten Entwicklung auf dem Schweizer Cannabismarkt spielen Pilotprojekte eine wichtige Rolle. Transparenz für alle Beteiligten sollen hierbei sogenannte Track & Trace-Systeme schaffen, indem sie Cannabis vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Auslieferung lückenlos rückverfolgbar machen. Das Schweizer Softwareunternehmen Vigia bietet hierfür eine eigene Software an. Im Rahmen der CB Expo 2022 sprach CannaVision mit Luc Richner, CEO der Vigia AG, über erste Rückmeldungen und den Sonderstatus der Schweiz. Von Daniel Groß

Die Schweiz gilt aktuell als Vorreiter in der Cannabisindustrie, wie auch aktuelle Pilotprojekte zeigen. Was sind die Gründe dafür? Richner: Die Schweiz hat erkannt, dass ein Verbot den Konsum von Cannabis für den Freizeitgebrauch nicht einschränkt und der Schwarzmarkt weiterhin floriert. Zudem ist die Akzeptanz der Bevölkerung für eine Legalisierung hoch. Mit den Pilotprojekten soll eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für eine mögliche Ausgestaltung der Cannabisregelung geliefert werden. Die Schweiz hat sich somit für einen strukturierten, einheitlichen und nachhaltigen Ansatz entschieden, um ein funktionierendes Legalisierungsmodell zu finden. Schaut man sich andere Länder an, welche bereits legalisiert haben oder daran arbeiten, ist das meiner Meinung nach sehr fortschrittlich und macht die Schweiz zu einem Vorreiter.

IM RAMPENLICHT 24 | 2022_02

Wie sehen Sie sich im florierenden Schweizer Marktgeschehen für kommende Aufgaben aufgestellt?

Richner: Wir sind das offizielle Rückverfolgungssystem des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für die Schweizer Pilotprojekte. Die Produzenten und Apotheken nutzen die Cannavigia-Software, um ihren Anbau, die Verteilung an die Apotheken sowie den Verkauf von Cannabis an die Konsumenten zu verfolgen. Wir haben somit innerhalb unserer Software bereits eine Umgebung für eine mögliche, zukünftige Legalisierung geschaffen, die wir innerhalb der Pilotprojekte stetig weiterentwickeln können und uns für kommende Aufgaben ideal vorbereitet.

Welche Rolle spielt die Schweizer Bevölkerung dabei und was könnte sich Deutschland abschauen?

Richner: Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung haben sich letztes Jahr für eine Legalisierung ausgesprochen – diese Zustimmung hilft in der Umsetzung von Pilotprojekten. In Deutschland ist die Akzeptanz momentan noch etwas tiefer. Es ist wichtig, einen Ansatz zu wählen, der zum Land und zu seiner Bevölkerung passt. Es bringt nichts, wenn Deutschland einfach das Legalisierungsmodell der Schweiz oder von einem anderen Land kopiert. Man kann von Fehlern und funktionierenden Modellen lernen, muss diese Erfahrungen aber auch auf das eigene Land anpassen.

Vollständige

Transparenz

Wie schätzen Sie die vorangehende Cannabislegalisierung in Deutschland ein?

Richner: Erste Expertenanhörungen in Deutschland wurden durchgeführt und wir hatten das Privileg, unser Wissen an diesen Anhörungen zu teilen und bezüglich eines Rechtsrahmens zu beraten. Jetzt geht es darum, den Ansatz für die Legalisierung zu definieren und umzusetzen. Ich gehe stark davon aus, dass dies in den nächsten Monaten geschehen wird und dass viele Länder nachziehen werden. Einige sind bereits an Legalisierungsmodellen dran – niemand will mehr der letzte sein.

Das Thema Produktnachverfolgung begleiten Sie sehr intensiv. Mit welcher Haltung treten Ihnen Marktteilnehmer entgegen?

Richner: Unsere Branche ist stark reguliert, wobei viele Standards nicht harmonisiert sind. Viele Marktteilnehmer sind überfordert mit den unterschiedlichen Regulationen und Standards. Ein durchdachtes Track & Trace-System bzw. eine klare Produktnachverfolgung wird daher immer sehr begrüßt. Denn vollständige Transparenz in der Lieferkette kreiert eine Brücke zwischen den Standards, macht diese langfristig obsolet und lässt die Marktteilnehmer die Regulierungen problemlos einhalten.

Wie bringen Sie die Branche – darüber hinaus – noch voran?

Richner: Bei Cannavigia haben wir das Ziel, Transparenz und Rückverfolgbarkeit im Cannabis-Ökosystem für Unternehmen und alle involvierten Interessensgruppen der Wertschöpfungskette zu schaffen. Dies soll einfach, sicher und konform mit den entsprechenden Regulierungen geschehen – dafür haben wir unsere Software entwickelt. Darüber hinaus setzen wir uns in der Branche für harmonisierte Standards ein und arbeiten auch eng mit Regierungen und Unternehmen wie GS1 zusammen. Zudem sind wir in der Schweiz in der IG Hanf und in Deutschland im Branchenverband Cannabiswirtschaft, um aktiv an der Mitgestaltung der zukünftigen Cannabisindustrie mitzuwirken.

Sie sind bei der diesjährigen CB Expo als Sponsor vertreten. Wie wichtig sind solche Events für Sie und die Branche im Allgemeinen?

Richner: Wir sind sehr stolz darauf, die diesjährige CB Expo Mitte September als Gold-Sponsor zu unterstützen. Natürlich sind solche Messen für uns interessant, um Neukunden zu akquirieren sowie für die Kundenpflege. Wir sehen solche Messen aber auch als große Chance für die gesamte Branche: Diese ist noch relativ jung und befindet sich in einem stark regulierten Umfeld, jedoch sind Standards und Regulationen fragmentiert. Die Messen dienen dazu, auf die aufstrebende Cannabisindustrie aufmerksam zu machen und ihr eine Plattform zu geben sowie den Diskurs rund um Regulierungen, Standards und aktuelle Entwicklungen zu fördern. Solche Messen helfen, die Industrie zu formen. Genau das möchten wir als Gold-Sponsor der CB Expo unterstützen. ↙

IM RAMPENLICHT 2022_02 | 25
in der Lieferkette kreiert eine Brücke zwischen den Standards, macht diese langfristig obsolet und lässt die Marktteilnehmer die Regulierungen problemlos einhalten.
F o t o : iV ig a GA
Luc R i chner.

Qualitätssiegel für die Cannabiswirtschaft

Zertifizierung schafft Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit

Gütesiegel, Qualitätssiegel oder Gütezeichen haben eine lange Geschichte, auch wenn diese oft andere Bezeichnungen tragen. So kann man sicher sagen, dass die ersten Münzzeichen für eine Prägestelle gleichzeitig auch die ersten Qualitätssiegel der Welt waren. Der Nominalwert einer Münze stand für die Korrektheit des Materials und die Menge. Der verantwortliche Münzmeister musste auf Münzen seinen Prägestempel hinterlassen und stand somit für die bei ihm geprägten Münzen mit seinem Namen ein. Von Stefan Meyer

Unsere heutige Definition für Güte- bzw. Qualitätssiegel stimmt mit der damaligen überein. Ein Qualitätssiegel oder Gütesiegel trifft eine Aussage über die Qualität eines Produktes und über die eingehaltenen Standards. Gegenüber dem Nutzer geht der Hersteller (oder Münzpräger) ein Versprechen zur Qualität, Zusammensetzung und Beschaffenheit des Produktes ein.

Historische Nutzung von Qualitätssiegeln

Schon vor der Prägung der ersten Münzen wurden Metallstücke bzw. Metalldrähte als Geld verwendet und in kleinen Säcken mit einem Siegel verwahrt. Auch diese garantierten damals eine stets gleiche Menge an Wert.

Bereits die alten Ägypter und Mesopotamier nutzten Siegel als Bestätigung für Qualität und Inhalt, zum Beispiel auf Ölamphoren. Nur konnte man damals die Menge nicht genau definieren. Man erinnere sich nur an die Elle als Längenmaß. Sie war immer so rund 50 Zentimeter lang – aber eben nicht genau.

Gerade bei wertvollen Waren war aber eine vergleichbare internationale Maßeinheit dringend notwendig und so setzte sich bei Gold und Edelsteinen die Maßeinheit Karat durch. Der Legende nach wurde das Karat durch das Gewicht des JohannisbrotbaumSamens definiert. Dieser war überall in der Welt, wo er wuchs, durchschnittlich 0,197 Gramm schwer.

Die Geschichte von Qualitätskennzeichen ist kurzweilig und nicht frei von ungewollten Ergebnissen. So führte ein Streit zwischen Herstellern von Schneidewerkzeugen aus Sheffield und Deutschland, die vergleichbare Produkte vertrieben, zur Kennzeichnungspflicht der billigeren und damals noch schlechteren Produkte aus Deutschland. Am 23. August 1887 wurde durch die Unterzeichnung des „Merchandise Marks Act“ der britischen Behörden der Zwang zur Kennzeichnung im Handelsmarkengesetz beschlossen. Seitdem mussten alle deutschen Produkte im Vereinigten Königreich mit dem Aufdruck „Made in Germany“ gekennzeichnet werden. Doch schon nach wenigen Jahren waren die deutschen Schneideprodukte den englischen Produkten zumindest ebenbürtig und so wurde „Made in Germany“ ein anerkanntes Qualitätskennzeichen.

Heute darf ein Hersteller selbst entscheiden, ob er die Herkunft seiner Produkte mit einem „Made in …“ kennzeichnen möchte, wobei sich die Geschichten wiederholen könnten. Produkte mit der Kennung „Made in China“ wurden in den 80/90er Jahren häufig noch als billig und qualitativ minderwertig verstanden. Heute beziehen viele Länder Hightechprodukte aus China, auf welche unsere Industrie angewiesen ist. Man muss nur an den Anfang der Corona-Epidemie denken, als China ganze Industriezweige durch Quarantäneregeln komplett lahmgelegt hat. Es gab plötzlich keine Speicherschaltkreise oder Festplatten für PCs und Notebooks mehr, außerdem war die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten beeinträchtigt.

Qualitätssiegel von heute

In Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt kann jeder ohne gesetzliche Regelungen Qualitätssiegel definieren und nach seinen Vorstellungen vergeben. Damit ist einer gewissen Unsicherheit Tür und Tor geöffnet. Um diesen Sachverhalt abzustellen, hat sich in Deutschland ein Verein gebildet, das Deutsche Institut für Qualitätsstandards und -prüfung e. V. (DIOP). Dieses arbeitet komplett unabhängig und ist nicht profitorientiert.

Das DIOP hat Richtlinien und Umsetzungsbestimmungen für eine unabhängige Bewertung von Produkten und Serviceleistungen entwickelt. Mit einer DIOP-Zertifizierung erhält der Geprüfte ein Zertifikat, welches die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit seiner Qualifizierung bestätigt.

Das wohl bekannteste deutsche Qualitätskennzeichen ist der TÜVPrüfbericht und die angebrachte TÜV-Plakette am Autokennzeichen. Damit wird sichergestellt, dass das genutzte Auto den geforderten technischen Mindestanforderungen der StVO entspricht.

Typische Nutzungsbeispiele eines Qualitätskennzeichens bzw. Gütesiegels sind meistens bezogen auf:

• den technischen Zustand eines Gerätes bzw. Apparates

• die Nachhaltigkeit eines Produktes bzw. Prozesses

• die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer Nutzung bzw. Anwendung

• die Umweltsicherheit bzw. Umweltunbedenklichkeit

WISSENSCHAFT + PRAXIS 26 | 2022_02

• den regionalen Ursprung

• die Internet- bzw. Datensicherheit

• eine Kundenempfehlung

• die Servicequalität

• oder auch auf einen Top-Arbeitgeber

Diese Liste kann nicht vollständig sein, gibt aber eine Vorstellung davon, dass man nahezu für alle Produkte oder Services eine Qualitätsaussage machen und diese mit einem Siegel versehen kann. Heute existieren mehrere Hundert verschiedene Qualitätssiegel allein in Deutschland. Dadurch ist eine Nachvollziehbarkeit der damit verbundenen Aussagen bzw. Zusicherungen für die Kunden meist schwierig bis unmöglich. Dieser Sachverhalt führt sicher auch dazu, dass die Bedeutung und Sicherheit von solchen Siegeln nachgelassen hat.

Ein Grund mehr für den Bundesverband Cannabiswirtschaft BvCW, dem eigenen Qualitätssiegel, bezüglich Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Unabhängigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Das Qualitätssiegel des BvCW

Die Produkte der Hanfbranche werden häufig noch als Waren aus einer gesetzlosen und ungeregelten Grauzone betrachtet, deren Qualität reine Vertrauenssache ist. Oft führte bisher Unwissenheit, Profitgier oder auch der nicht adäquate Produktionshintergrund der Waren zu inakzeptablen Produkten hinsichtlich Qualität und Vertrauen.

Dieser Zustand schadet der gesamten Hanfbranche. Deshalb hat sich der BvCW entschieden, eine Firma zu beauftragen, welche eine unabhängige Qualitätskontrolle der Hanfprodukte aufbauen soll. Diese neugegründete Firma ist die CannaCert UG, welche für den BvCW e. V. diese Leistungen zukünftig anbieten wird. Die CannaCert UG hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Einhaltung der messbaren rechtlichen Parameter und Werte bezüglich Qualität und Zusammensetzung zu prüfen, um dem Auftraggeber die Zusammensetzung zu bestätigen und eine allgemeingültige Aussage zum Produkt bezüglich der Einhaltung von Normen und Regeln zu tätigen. Dabei wird die CannaCert sich bei der Beurteilung und Bewertung der gewählten Parameter ausschließlich auf die gesetzlichen Normen und Grenzwerte beziehen.

Das Unternehmen wird dafür die Produkte von Kunden herkunftsneutral umverpacken und an qualifizierte Labore schicken, welche die Qualität und Zusammensetzung analysieren. Die Umverpackung ist für die Neutralität der Analyse wichtig. Die Analyselabore selbst wurden und werden regelmäßig in Ringversuchen überprüft. Das Kontrollunternehmen wird für seine Arbeit auftragsbezogen bezahlt, also völlig unabhängig vom Ausgang der Qualitätskontrolle. Es übergibt seine Ergebnisse an den Branchenverband, der dann auf der Basis der gesetzlichen und verbandsinternen Grundlagen ein Qualitätssiegel vergeben wird.

Die wichtigsten Ansprüche an das BvCW-Qualitätssiegel sind:

1. die finanzielle Unabhängigkeit der mit einem Qualitätssiegel verbundenen Aussagen

2. die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vergabekriterien

3. die Unabhängigkeit und Qualifikation der Analysenlabore

4. die Nachfragemöglichkeit der Endkunden zur Produktqualität

Die CannaCert baut dafür eine Datenbank auf, in der alle Ergebnisse der kontrollierten Produkte zusammengefasst und über eine Kontrollnummer nachvollziehbar für jedermann abrufbar sein werden.

Zu Anfang werden diese Leistungen für Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel angeboten, die in einem Zusammenhang mit Hanf und dessen Inhaltsstoffen stehen. Dieser Service zum Erlangen eines Qualitätssiegels für Hanfprodukte steht sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern des BvCW offen.

Die Kosten der angebotenen Analysenservices liegen für BvCWMitglieder zwischen 750 und 1.000 EUR pro Produkt und Analyse, für Nichtmitglieder bei ca. 1.200 EUR. Neben der eigentlichen Analyse und Bewertung des Produktes kann und wird es weitere, nicht angemeldete Qualitätsüberprüfungen geben. Diese Maßnahme soll die Stabilität der Produktqualität unterstützen.

Im Falle der Verleihung eines Qualitätssiegels kann der Auftraggeber es natürlich auf dem Produkt oder der Website anbringen bzw. bei Verkauf und Marketing damit werben. Das Qualitätssiegel wird jeweils nur für zwölf Monate gültig sein und im Falle einer Abweichung bei einer unangemeldeten Qualitätskontrolle schon vorher seine Gültigkeit verlieren.

Für Tabakersatzstoffe fehlen zurzeit noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Sobald diese verfügbar sind, werden auch diese Produkte in das Leistungsspektrum der CannaCert aufgenommen.

Als zusätzlichen Service wird die CannaCert auch die Kontrolle der Angaben auf den Etiketten und der Anwendungsempfehlungen, sowie des zwingend notwendigen Qualitätssystems der Produzenten anbieten. Im Falle von Problemen mit dem Etikett oder Qualitätssystem wird auf qualifizierte Ansprechpartner hingewiesen, welche diesen Service für BvCW-Mitglieder zu reduzierten Preisen anbieten.

Zukünftige BvCW-Qualitätssiegel

Zukünftig wird sich das Qualitätssiegel des BvCW nicht nur auf die qualitative Zusammensetzung der Produkte beschränken. Fest geplant ist auch ein Produktwettbewerb, bei dem es neben der Verpackung und Kundenzufriedenheit auch auf die Produktinnovation ankommen wird.

Dies sind jedoch Pläne für die nächsten Jahre und sie werden in Absprache mit den Mitgliedern bei der kommenden Jahreshauptversammlung Gegenstand der Diskussion sein. ↙

Dr. Stefan Meyer ist Präsident des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. und Geschäftsführer der Neo-Livia GmbH. Im BvCW bearbeitet er federführend den Bereich Qualitätssiegel und Analysetechnik.

WISSENSCHAFT + PRAXIS 2022_02 | 27

Cannabis als Genussmittel

Mit voller Kraft auf dem Weg zur Legalisierung?

Die Bundesregierung steht unter Dampf – Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise und immer wieder COVID-19.

Und doch scheint der Weg in Richtung Cannabisabgabe für Erwachsene immer konkreter zu werden. In den letzten Monaten hat das Vorhaben viel Fahrt aufgenommen. Die Zeitpläne sind gesetzt, das Verfahren von Seiten der Bundesregierung lief an. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V. (BvCW) begleitet aktiv diesen Prozess. Einige Einblicke in den Prozess und Zeitplan. Von Dirk Heitepriem und Jürgen Neumeyer

Nachdem Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Frühjahr dieses Jahres ankündigte, den Prozess zur Legalisierung auf die Vorhabenliste seines Ministeriums zu setzen, wurde vom Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert schon im Juni eine umfangreiche Anhörungsrunde organisiert. Insgesamt waren rund 200 Organisationen und Einzelexperten vertreten. Der BvCW war von Industrieseite an diesem Prozess beteiligt. Insgesamt wurden in vier internen und in einer halböffentlichen Anhörung am 30. Juni 2022 Erfahrungen und Wissen ausgetauscht.

Dabei wurden fast alle Aspekte von Handel, Lizenzierungen, Schwarzmarktbekämpfung, Lieferketten, Anbau, aber vor allem von Jugend- und Konsumierendenschutz aufgerufen. Fragen zu den Themen Nutzhanf und CBD-Produkte waren nicht Teil der Diskussion. In diesem Verfahren waren zahlreiche Repräsentanten

nahezu aller Bundesministerien und auch Abgeordnete und deren Büros vertreten. Insgesamt muss man hier dem Team des Bundesdrogenbeauftragten Respekt zollen, einen solchen konsolidierten Prozess binnen kürzester Zeit auf die Beine zu stellen und damit die Gesetzgebung einzuleiten.

Bundesregierungsintern sollen diese Impulse ausgewertet und bis Ende August die Stellungnahmen der verschiedenen Ministerien zusammengetragen werden. Während diese CannaVisionAusgabe erscheint, wird an einem Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Cannabisregulierung gearbeitet, und das Ergebnis anschließend veröffentlicht. Wir erwarten dies für September oder Oktober 2022. Mit Vorlage der Eckpunkte der Bundesregierung wird auch die öffentliche Debatte noch einmal Fahrt aufnehmen. Diese wird auch auf den darauf folgenden Prozess Einfluss haben.

RECHT + POLITIK

Erst Bundesregierung, dann Bundestag und später Bundesrat

Ab Anfang Oktober 2022 wird dann – wie es bei solchen Gesetzgebungsverfahren üblich ist – an einem sogenannten Referentenentwurf der Bundesregierung gearbeitet werden. Dieser wird durch das Bundesgesundheitsministerium vorgelegt. Das Ergebnis kündigte Minister Lauterbach für Ende des Jahres 2022 an, sein Drogenbeauftragter Blienert verschob die Zeit schon mal vorsorglich auf potentiell Anfang 2023. Alles in allem ist das eine durchaus übliche, aber für diese konfliktreiche Fragestellung ambitionierte Zeitspanne.

Erst nach dieser Vorlage wird der parlamentarische Prozess beginnen, d. h. der Referentenentwurf des BMG wird dem Bundestag vorgelegt. Dort beginnen dann die Beratungen. Natürlich sind bereits im Vorfeld auch die entscheidenden Spieler im Bundestag beteiligt, denn diese vertreten die Positionen der Ampelkoalition in dieser Frage (vgl. u. a. CannaVision 01-2022, S. 28). Im Wesentlichen sind das die drogenpolitischen Berichterstatter der Koalitionsparteien: Dirk Heidenblut (SPD), Dr. Kristine Kappert-Gonther (B90/Die Grünen) und Kristine Lütke (FDP). Allerdings haben sich in der Zwischenzeit etliche “mitberatende” Mitglieder des Bundestages (MdBs) in dieser Frage positioniert.

Die Einbringung des Gesetzentwurfs erfolgt über die “erste Lesung” im Bundestag, danach wird der Referentenentwurf an die Ausschüsse überwiesen. Federführend – also in dieser Frage der wichtigste Ausschuss – ist der Gesundheitsausschuss. Anschließend dürfen wir zumindest eine Expertenanhörung erwarten und die Beratungen in den beteiligten Ausschüssen. Dieses Verfahren nimmt üblicherweise ein paar Monate in Anspruch. Wir wären daher eher im Sommer oder sogar im Herbst 2023 bis das Gesetz im Bundestag beraten und dann in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird – idealerweise.

Erst danach wird das Gesetz – zumindest für die zustimmungspflichtigen Teile im Bundesrat – der Länderkammer vorgelegt. Hier ist eine Zustimmung noch unklar und hängt auch mit dem Ausgang einiger Landtagswahlen in diesem und nächsten Jahr ab (u. a. Niedersachsen, Bayern, Hessen). Notfalls muss das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat und dort mit anderen Fragen besprochen oder “gedealt” werden. Insofern ist eine zeitige Verabschiedung frühestens Ende 2023 zu erwarten.

Zu den Inhalten und strittigen Fragen

Die Anhörungen der Bundesregierung haben gezeigt, dass – mit wenigen Ausnahmen – derzeit vor allem über die Frage des “Wie” und nicht mehr über die Frage des “Ob” der Legalisierung

Geladene Experten und der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert nach der fünften Sachverständigenanhörung in Berlin.

diskutiert wird. Das ist aus Sicht der Cannabiswirtschaft ein großer Fortschritt und bestärkt unseren Glauben an einen Erfolg des Vorhabens.

Sowohl der Bundesgesundheitsminister, als auch der Bundesdrogenbeauftragte haben deutlich gemacht, dass die Hauptziele der Schutz von Verbrauchern (Konsumentenschutz, Jugendschutz, etc.) und die Zurückdrängung des Schwarzmarktes sind.

Diesen Zielen möchten wir uns als Cannabiswirtschaft anschließen und haben sie bereits in der Vergangenheit immer wieder selbst vorgebracht. Im Folgenden möchten wir daher die Positionen der Cannabiswirtschaft etwas genauer beleuchten.

Internationaler und Europäischer Rahmen

Sowohl die UN-Konventionen zur Drogenkontrolle (UN Drug Control Conventions von 1961, 1971, 1988), als auch der europäische Rechtsrahmen stellen eine Legalisierung in Deutschland vor besondere Herausforderungen. Hier gilt es Wege zu finden, wie man sich zielführend positioniert. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die jedoch rechtlich und diplomatisch verschiedene Herausforderungen aufwerfen. Einen guten Einblick in die Problematik bietet zum Beispiel die Abhandlung “How to Regulate Cannabis – A practical Guide” der Transform Drug Policy Foundation.

Vor diesem Hintergrund scheint für die Cannabiswirtschaft ein Import von Cannabis als Genussmittel aus anderen Ländern derzeit rechtlich ausgeschlossen. Auch wenn es zunehmend Bemühungen gibt, international neue Wege zu finden, sind diese aus unserer Sicht eher langfristig zu sehen. Von daher ist die Schaffung von Produktionskapazitäten in Deutschland unumgänglich. Dies ist keine Aufgabe die binnen weniger Monate gemeistert werden kann. Produktionsanlagen (Anbau und Weiterverarbeitung) müssen geplant, genehmigt und errichtet werden und erfordern Investitionen in Millionenhöhe.

Schwarzmarkt vs. legaler Markt

Der Leitgedanke der Bundesregierung für eine legale Abgabe von Cannabis an Erwachsene ist die Notwendigkeit, den

RECHT + POLITIK 2022_02 | 29

Schwarzmarkt zurückzudrängen, da dieser Gefahren für die Gesundheit und den Jugendschutz birgt. Gleichzeitig werden die endgültigen Rahmenbedingungen für einen legalen Markt enormen Einfluss darauf haben, wie erfolgreich der Schwarzmarkt bekämpft werden kann. Sind legale Erzeugnisse deutlich teurer, werden bestimmte Produkte gar nicht erst zugelassen und ist der Zugang zu Verkaufsstellen zu kompliziert, wird der Schwarzmarkt sich schnell anpassen und weiterhin erfolgreich agieren können. Vor diesem Hintergrund stehen alle Regulierungsmaßnahmen immer in einem enormen Spannungsfeld zwischen Schutzzielen (Konsumenten und Jugend), Wirtschaftlichkeit und Einfluss auf den Schwarzmarkt. Von daher muss ein legaler Markt den Spagat schaffen, sowohl Konsumenten mit qualitativ hochwertigen Produkten zu beliefern, Anbauern, Weiterverarbeitern und Verkäufern ein profitables Wirtschaften zu ermöglichen und gleichzeitig konkurrenzfähig zum Schwarzmarkt zu sein. Nur so kann eine legale Alternative in der Breite angenommen und erfolgreich werden. In den folgenden Punkten möchten wir mögliche Wege aufzeigen.

1. Anbaubedingungen (Outdoor, Gewächshaus,

Indoor)

Der Anbau von Cannabis in Deutschland muss in verschiedenen Bereichen klar geregelt werden, um einerseits den Anforderungen an Qualität und Sicherheit im Sinne des Gesetzgebers zu genügen, gleichzeitig aber auch qualitativ und preislich konkurrenzfähig gegenüber dem Schwarzmarkt zu sein.

Jede der Anbauoptionen hat Vor- und Nachteile. Deshalb ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass alle Varianten des Anbaus von Cannabis ermöglicht werden. Dies kann jedoch nur in Verbindung mit klaren Standards erfolgen, um eine vergleichbare, gleichbleibende und hochwertige Qualität sicher zu stellen. Ein Ausschluss von Anbauformen birgt das Risiko, dass der Schwarzmarkt in Sachen Preis, Verfügbarkeit oder Qualität konkurrenzfähiger ist.

2. Investitionsbedingungen

Um Produktionskapazitäten in Deutschland zu schaffen, die in Qualität und Verfügbarkeit den Anforderungen eines Genussmittelmarktes noch in dieser Legislaturperiode entsprechen, müssen Investitionen schnellstmöglich beschlossen und möglichen Produzenten ein regulatorischer Rahmen gegeben werden,

Wann Was

der Planungs- und Investitionssicherheit schafft. Betrachtet man alle Elemente der Planung, des Baus sowie der Produktionsprozessoptimierung, muss aktuell eine Zeit von etwa eineinhalb bis zwei Jahren eingeplant werden.

Des Weiteren bewegen sich die zu erwartenden Investitionen je nach Produktionsstandard und -menge in einem hohen zweistelligen oder sogar dreistelligen Millionenbereich je Standort. Die Cannabisindustrie ist bereit, entsprechende Investitionen zu tätigen. Hierzu bedarf es jedoch klarer Rahmenbedingungen, um Investitions- und Planungssicherheit zu schaffen. Entsprechende Bauprojekte müssen schnellstmöglich starten, um rechtzeitig noch in dieser Legislaturperiode ausreichend Produkte in höchster Qualität zur Verfügung zu stellen. Verfügbarkeitslücken zum Start des legalen Markts würden dem Schwarzmarkt in die Hände spielen.

3. Prävention und Konsumierenden-/Jugendschutz

Genuss fördern, problematischen Konsum verhindern und notwendige Hilfen anbieten, das ist der Leitsatz der Cannabiswirtschaft bei der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel für Erwachsene.

Die Schaffung eines Genussmittelmarktes für Cannabis in Deutschland bietet die einmalige Gelegenheit, von Anfang an Prävention als wichtige Säule zu implementieren. Eine moderne und zeitgemäße Prävention zielt auf die Schadensreduzierung, also auf die Minimierung des Risikos eines problematischen Konsums, ab. Wir sollten aus den Fehlern, aber auch den Erfolgen, von Regulierungsmaßnahmen anderer Genussmittel und ähnlicher Branchen in Deutschland, aber auch von anderen Staaten lernen. Nur so wird es möglich sein, einen nachhaltigen Cannabismarkt zu entwickeln und gleichzeitig mögliche Risiken des Konsums sowie die vielschichtigen Gefahren seitens des Schwarzmarktes zu minimieren.

4. THC-Obergrenzen

Nicht nur die Daten der EMCDDA (European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction) zeigen, dass die Nachfrage nach hohen THC-Gehalten in Cannabisprodukten in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Eine Obergrenze für THC im legalen

Juni 2022 Konsultationsprozess der Bundesregierung

September/Oktober 2022 Eckpunktepapier der Bundesregierung, ggf. Kabinettsbeschluss

Anfang 2023

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Beginn der parlamentarischen Beratungen: Lesung im Bundestag

→ im Anschluss an Ausschüsse: Expertenanhörung und Beratungen

Herbst 2023 Beratung im Bundestag, 2.+3. Lesung & Verabschiedung, Vorlage zustimmungspflichtiger Gesetzesteile bei Länderkammer

→ im Anschluss Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat

Ende 2023 Verabschiedung

Derzeitiger Zeitplan für den gesetzgebenden Prozess.

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Markt wäre daher kontraproduktiv. Konsumenten, die nach Produkten mit hohem THC-Gehalt suchen, würden sich weiterhin im Schwarzmarkt bedienen und sich damit den entsprechenden Risiken weiterhin aussetzen. Gleichzeitig ist aus Sicht des Gesundheits- und Verbraucherschutzes allen daran gelegen, möglichst Produkte mit niedrigem THC-Gehalt erfolgreich im Markt zu platzieren.

Alternative Wege, wie eine Wirkung auf den Markt durch die Besteuerung, Aufklärung etc. müssten beschritten werden, um dieses Spannungsfeld zu durchbrechen.

5. Besteuerung (THC vs. Gramm)

Eine angemessene Besteuerung muss sicherstellen, dass die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den illegalen Märkten gewährleistet wird. Gleichzeitig könnte die Steuer auch genutzt werden, um Kaufanreize für Produkte mit geringem THC-Gehalt gegenüber Produkten mit hohem THC-Gehalt zu schaffen, wie bereits bei der Frage nach THC-Obergrenzen beschrieben.

Ist die Steuer zu hoch, verliert der legale Markt die Konkurrenzfähigkeit beim Preis. Ist die Steuer pauschal auf die Menge Cannabis ausgelegt, verliert sie die Möglichkeit einer steuernden Wirkung und THC-Obergrenzen sind kaum umgänglich. Dies würde wiederum dem Schwarzmarkt zu Gute kommen.

Daher sollte der Schritt gewagt und eine Cannabissteuer geschaffen werden, die sich am THC-Gehalt der Produkte ausrichtet.

6. Welche Produkte?

Der Schwarzmarkt ist in der Lage sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen. Dies haben wir auch in Märkten wie Kanada gesehen. Sollten Produktkategorien in einem legalen Markt nicht verfügbar sein (ob politisch gewollt oder aufgrund anderer Hürden), wird der Schwarzmarkt, bei entsprechender Nachfrage, diesen Bereich bedienen.

Deshalb sollten keine Produktformen ausgeschlossen werden. Getrocknete Blüten und lösungsmittelfreie Produkte zum Inhalieren spielen beispielsweise eine große Rolle. Hierbei sollte frühzeitig die Nutzung alternativer Möglichkeiten zur Inhalation unterstützt werden (z. B. Vaporisatoren – Made in Germany, die gleichzeitig den einheimischen Zubehörmarkt fördern). Auch Cannabisextrakte sind wichtig. Sie bieten die Möglichkeit zur Herstellung innovativer Cannabisprodukte, welche sich zum oralen Konsum eignen. Durch eine eigenständige Klassifizierung als Genussmittel sollte sichergestellt werden, dass derartige Produkte nicht als Lebensmittel reguliert werden.

Im Rahmen der Diskussion über die Schaffung des legalen Markts für Cannabis als Genussmittel für Erwachsene drohen andere wichtige Bereiche der Cannabiswirtschaft aus dem Fokus zu verschwinden. So ist es von höchster Wichtigkeit, den erfolgreich etablierten Bereich von Cannabis als Medizin nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuentwickeln. Patienten brauchen auch weiterhin die Begleitung durch Ärzte und die Möglichkeit der Erstattung der Kosten. Aber auch im Bereich der CBD-Produkte gibt es Handlungsbedarf. Hier muss schnellstmöglich Klarheit und für CBD-Shops eine kalkulierbare Existenzgrundlage geschaffen werden. Nicht zuletzt ist auch der Bereich des Nutzhanfes noch nicht klar geregelt. Anbauer müssen enorme Auflagen

erfüllen, laufen dauernd Gefahr ihre Ernte vernichten zu müssen und können das gesamte Potenzial des Hanfes nicht nutzen. Das erklärte Ziel, Cannabis aus der “Schmuddelecke” zu holen, kann nur erreicht werden, wenn wir alle Bereiche der Cannabiswirtschaft einbeziehen. Das bedeutet auch, dass viele andere Fragen noch in den nächsten Wochen und Monaten geklärt werden müssen. Wie sieht es mit einer Entkriminalisierung und Amnestie für Vorstrafen im Cannabisbereich aus? Wie gehen wir mit Cannabis und Straßenverkehr um? Welche Folgen haben die aktuellen Entwicklungen langfristig auf andere Drogen? Für all diese Fragen klare und funktionierende Antworten zu finden, ist eine große Aufgabe. Die Cannabisindustrie ist bereit, ihren Teil zur Lösung dieser Augabe zu leisten.

Fazit

Die Bundesregierung hat trotz aller ungünstigen Umstände, ob national oder international, eine klaren Plan für die Schaffung eines legalen Marktes für Cannabis als Genussmittel vorgelegt. Dies und auch die Organisation der Expertenanhörungen im Juni verdienen Anerkennung. Viele Fragen sind offen und müssen noch geklärt werden, wobei der Spagat zwischen Jugend- und Verbraucherschutz, Bekämpfung des Schwarzmarktes und Wirtschaftlichkeit eine große Herausforderung darstellt. Die Cannabisindustrie unterstützt die Bundesregierung aktiv dabei, diese Hürden zu meistern. Nicht alles wird zu Beginn perfekt sein. Aber alles wird besser sein als der Ist-Zustand. Die Prohibition ist gescheitert. Allein, dass diese Erkenntnis sich weitestgehend durchgesetzt hat, ist ein großer Erfolg. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Es gilt nun, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine starke Cannabisindustrie in Deutschland ermöglichen – und die vielleicht Vorbildcharakter für viele andere Länder weltweit haben können. ↙

Dirk Heitepriem

ist Vizepräsident des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e. V. (BvCW) und koordiniert dort den Fachbereich “Genussmittelregulierung”. Er arbeitet als Vice President External Affairs bei Aurora Europe, die in Kanada bereits Cannabis als Genussmittel produzieren und in Deutschland eine der drei Lizenzen für die Herstellung von Cannabis als Arzneimittel haben.

Jürgen Neumeyer

war nach seinem Abschluss als Dipl.-Pol. ehrenamtlich zehn Jahre Referent für Drogenpolitik bei den BundesJusos und beruflich 17 Jahre Mitarbeiter im Bundestag. Nach einer langjährigen Tätigkeit als selbständiger Politikberater, Headhunter und Lobbyist, setzt er sich heute als Geschäftsführer des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e. V. (BvCW) für die Interessen der Cannabiswirtschaft ein.

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Globale Bewegung und Marktkräfte

Ein ethnografischer Ansatz

Cannabis befindet sich in immer mehr Ländern auf einem einzigartigen Pfad von Kriminalisierung hin zu Legalisierung für den Freizeitkonsum. Während mancherorts die Akteure noch vorsichtig nach dem richtigen Weg suchen, um dieses Ziel zu erreichen, entwickeln sich anderswo bereits neue Märkte. Dr. Jessica Steinberg hat diesen Prozess sozusagen aus der Vogelperspektive betrachtet. In ihrer Dissertation “Cannabis legalization: an ethnography of the global movement and market forces”1, präsentiert sie ein ethnografisches Porträt sowohl des Cannabismarktes als auch der Reformbewegung, die sich in verschiedenen Phasen des Wandels und der Entwicklung befinden. CannaVision sprach mit der Anthropologin über ihren Forschungsansatz und ihre Ergebnisse. Von Rebekka Nurkanovic

Was hat Sie dazu bewogen, die Legalisierung von Cannabis aus einer ethnografischen Perspektive zu untersuchen?

Ich begann meine Arbeit auf dem regulierten Cannabismarkt im Jahr 2016, als ich internationale Beziehungen und Anthropologie an der Universität von St. Andrews in Schottland studierte. Ich hatte auch eine persönliche Verbindung zu Cannabis, da mein Vater kürzlich in ein Cannabisunternehmen in Colorado eingestiegen war, was mein Interesse an diesem Bereich weckte. Das war zu

einem frühen Zeitpunkt des weltweiten Legalisierungsprozesses, noch bevor Kanada oder Uruguay die Legalisierung auf nationaler Ebene vorgenommen hatten. Zu dieser Zeit gab es nur sehr wenig akademische Literatur über reguliertes Cannabis. Die meisten Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf illegales Cannabis. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Bereich für das Verständnis der Wissenschaftler immer wichtiger werden würde. Meine Ethnografie über Cannabis in Colorado im Jahr 2016 führte zu umfassenderen

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1 Steinberg, J. N. Cannabis Legalization: an Ethnography of the Global Movement and Market Forces. University of Oxford, 2022.

Forschungsvorschlägen, die mich zum Zentrum für sozio-rechtliche Studien an der Universität Oxford im Vereinigten Königreich brachten, wo ich vor kurzem meinen Doktortitel in Rechtswissenschaften erworben habe.

In meiner Dissertation habe ich mich mit Prozessen des Wandels und der Kommodifizierung befasst. Im Mittelpunkt meiner Studien stand die Frage, wie komplexe wirtschaftliche Aktivitäten, soziale Kräfte und rechtliche Veränderungen in einem Netz historischer Einflüsse miteinander verwoben sind und wie diese Elemente die Prozesse der Kommodifizierung verkomplizieren.

Wie sind Sie an Ihre Forschung herangegangen? Welche Fragen hatten Sie im Sinn, als Sie anfingen?

Eines der wichtigsten Dinge, die mich fasziniert haben, ist die Tatsache, dass es eine Cannabisbewegung gibt, die schon seit Jahrzehnten existiert, aber auch in vielerlei Hinsicht ihre Form verändert hat. Auf der anderen Seite steht der Cannabismarkt. Auf dieser Seite gab es einige Leute, die Cannabis in ihrer Jugend probiert haben, aber es gab auch viele Unternehmer und Investoren, die noch nie mit Cannabis in Berührung gekommen waren, bis sich eine wirtschaftliche Gelegenheit ergab.

Letztlich ging es bei meiner Feldforschung darum, den Wandel einer sozialen Bewegung und eines entstehenden Marktes sowie die Wechselbeziehung zwischen beiden zu verstehen. Ich fragte: „Wie und warum fühlt sich die Marktaktivität immer noch als Teil einer sozialen Bewegung an?“, „Wie wird die Gegenkultur zum Mainstream?“.

Ich entdeckte, dass der Prozess der Kommerzialisierung im Mittelpunkt dieser Verbindung stand, und ich untersuchte, wie sich eine kontrollierte Substanz in eine Ware verwandelte. Dann interessierte mich, wie moralische, historische und persönliche Imperative dabei eine Rolle spielten. Gegen Ende meiner Forschung ließ ich mich von der Frage leiten, wie diese Industrie einen Präzedenzfall schaffen oder neue/alternative Muster für andere Märkte und Bewegungen hervorbringen könnte, die sich danach entwickeln. Ich stellte fest, dass Cannabis nicht einfach entkriminalisiert oder legalisiert wurde, sondern einer fortlaufenden Regulierung unterliegt, die von den Menschen, der Geschichte, der Forschung und den Erzählungen innerhalb der Bewegung und des Marktes geprägt wurde. Dies war eingebettet in bedeutende Projekte der Selbsttransformation, bei denen die Menschen selbst zu aktiven Akteuren des Wandels wurden. Trotz der uneinheitlichen und unkoordinierten Prozesse der Legalisierung gab es ein Gefühl der Homogenität. Es gab eine Echokammer von unangefochtenen Überzeugungen oder Dispositionen, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer Sache,

die Notwendigkeit, für Rechte zu kämpfen, ein Gefühl der Marginalisierung und Stigmatisierung und das Narrativ der „Coolness“. Gleichzeitig habe ich aber auch eine Menge Abkopplungen gesehen. In Kolumbien beispielsweise wurde ein Hype erzeugt und das ausländische Interesse an den lokalen „ökologischen und wirtschaftlichen Vorteilen“ gesteigert. Die Landwirte waren jedoch der Meinung, dass die Realität des Bodens, des Klimas, der Arbeit und der Ressourcen eine fabrizierte Wahrheit war. Sie sagten, ihr Boden sei durch jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung kontaminiert und diese Bedingungen wären für medizinische Produkte nicht geeignet. Außerdem gibt es dort Mikroklimata, was bedeutet, dass es nicht möglich ist, die gleiche Sorte im ganzen Land auf die gleiche Weise anzubauen. Andere Beispiele berühren die Auswirkungen der Kommerzialisierung, die nicht nur positiv sind. Dies ist mir auch in weiteren Ländern begegnet. In anderen aufstrebenden Märkten wie Simbabwe und Lesotho befürchteten die Menschen, dass sich historische Muster in Bezug auf die Ausbeutung von Land und Arbeitskräften wiederholen könnten. Sie hatten dies bereits bei Tabak, Kaffee und Schokolade erlebt und befürchteten, dass Cannabisinvestoren kommen, das Land an sich reißen und die Vorteile nutzen würden, um es dann für ihre Aktienkurse aufzuwerten. Sie befürchteten, dass die historische Ausbeutung in ähnlicher Weise in der Cannabislieferkette stattfinden könnte.

Als ich diese Diskrepanzen sah, begann ich, etwas tiefer zu graben und fragte mich, warum die Bewegung und der Markt nicht durch solche Abkoppelungen zerbrochen waren. Obwohl zu erwarten ist, dass das Aufkommen der Marktkräfte Formen der Reibung zwischen der Bewegung, dem Markt und den Menschen, die sie bilden, hervorruft, stellte ich fest, dass die Spannungen und die Antipathie gegenüber den Prozessen der Kommerzialisierung das Engagement für die sozialen Normen, die Geschichte und die Ziele der Bewegung stärkten.

Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte der Bewegung und der Menschen die Dinge zusammenhält. Allerdings war alles, was ich betrachtete, sehr nicht-linear und vollzog sich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Stadien mit unterschiedlichem Tempo. Das fand ich an sich schon faszinierend.

Welche Methodik haben Sie angewandt?

Ich habe bei verschiedenen Veranstaltungen und mit verschiedenen Menschen und Organisationen in elf verschiedenen Ländern ethnografische Studien durchgeführt. Aufbauend auf bestehenden Beziehungen und dem (weiteren) Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit nutzte ich die ethnografischen

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Im Mittelpunkt meiner Studien stand die Frage, wie komplexe wirtschaftliche Aktivitäten, soziale Kräfte und rechtliche Veränderungen in einem Netz historischer Einflüsse miteinander verwoben sind und wie diese Elemente die Prozesse der Kommodifizierung verkomplizieren.

Methoden der teilnehmenden Beobachtung und der langfristigen Feldforschung, um einen Einblick in einige der Menschen, Muster und Prozesse zu geben, die die Entstehung, Verbindung und Kommunikation des Marktes und der Bewegung offenbaren. Meine Feldforschung umfasste 26 Konferenzen zwischen November 2018 und Dezember 2019, mindestens 50 formelle Netzwerkveranstaltungen im Zusammenhang mit der Konferenz und Dutzende von informellen Abendessen, Treffen und anderen Veranstaltungen.

Ein weiterer Ort, der Einblicke gewährte, waren die Vereinten Nationen, wo die Cannabisreform mehr als einmal verschoben wurde und schließlich zur Abstimmung kam. Ich habe sie 2018 besucht und an verschiedenen Nebenveranstaltungen teilgenommen. Ich habe die UNO als eine Art Mikrokosmos wahrgenommen, der zeigt, was im größeren Maßstab vor sich geht.

Mein Schwerpunkt änderte sich im Laufe der Arbeit oder meiner Feldforschung ein wenig. Einmal dachte ich, dass ich nur das geschäftliche Element betrachte, ein anderes Mal dachte ich, dass ich auch die rechtliche Seite, die soziale Bewegung, betrachten muss. Dann kam ich immer wieder auf den Gedanken zurück, dass ich diese beiden Einheiten als untrennbar betrachten sollte, weil sie nur zusammen existieren können. Auch die Fragen haben sich im Laufe meiner Forschung weiterentwickelt.

Haben Sie Muster in Bezug auf Legalisierung und Marktentwicklung beobachtet?

In groben Kategorien würde ich die Bereiche vom frühen Stadium der entstehenden Märkte bis hin zu den fortgeschrittenen Märkten betrachten. Es gibt keine eindeutige Möglichkeit, die einzelnen Phasen zu klassifizieren, da sich die sozio-rechtlichen und wirtschaftlichen Veränderungen kontinuierlich vollzogen haben und die Prozesse unscharf werden. Viele meiner Gesprächspartner sprachen jedoch von Phasen nach der Legalisierung, die sich auf den Prozess der Medikalisierung, Normalisierung und

Kommerzialisierung beziehen. Wer investiert? Wer hat Zugang zu Cannabismedikamenten oder anderen Produkten? Welches Angebot ist verfügbar? Welche Arten von Ressourcen stehen zur Verfügung, in der Schule, in Unternehmen usw.?

Im Allgemeinen folgt die Reform jedoch einem Pfad von der Entkriminalisierung über eine Form der Medizinalisierung bis hin zur vollständigen Legalisierung, die in der Regel mit einem Nebenzweig wie einem CBD-Wellness-Markt einhergeht. Das Ziel für viele Einzelpersonen und Organisationen, aber nicht für alle, ist der Freizeitkonsum für Erwachsene.

Kanada ist ein gutes Beispiel, weil man hier verschiedene Phasen beobachten kann. In den frühen Phasen oder sehr jungen Märkten ist die Zahl der Patienten eher gering, die Vorschriften sind unklar oder experimentell, und das Angebot ist uneinheitlich. Wenn der Markt wächst und die Regulierung von einer teilweisen zu einer vollständigen Legalisierung übergeht, würden meine Informanten von der Phase „Cannabis 2.0“ sprechen. Die Produkte werden immer ausgefeilter, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Forschung nehmen zu und die Investitionen in Marketing und Geschäftsentwicklung steigen. Es gibt möglicherweise prominente Befürworter, Unterhaltungsberichte, Verbraucheraufklärung und andere rechtliche Veränderungen. Einige dieser Elemente legitimieren den Cannabiskonsum, andere normalisieren ihn, und manche tun beides.

In der nächsten Phase ändert sich die öffentliche Wahrnehmung. Es könnte eine Beteiligung der großen Sektoren und Unternehmen geben, einschließlich Pharma, Alkohol und Tabak. Die Beteiligung institutioneller Banken, großer Beratungs- und Anwaltskanzleien und anderer Mainstream-Unternehmen tragen dazu bei, den Prozess der Kommerzialisierung und Normalisierung zu mobilisieren.

Die Zuordnung jeder dieser Aktivitäten zu einer bestimmten Phase verdeutlicht die zunehmende Häufigkeit, bedeutet aber nicht, dass sich diese Prozesse gegenseitig ausschließen.

Viele meiner Gesprächspartner sind der Meinung, dass wir an einen Punkt gelangen werden, an dem Cannabis einfach ein weiterer Artikel im Regal sein wird, eine Ware, über die wir nicht mehr nachdenken. Das wäre dann die „Stufe 4.0“, wie einige sagen würden, aber so weit sind wir noch nicht.

Konnten Sie beobachten, dass viele Akteure der Bewegung selbst zu Unternehmern wurden?

Viele Personen, die sich bereits in der Basisbewegung, als Patientenfürsprecher oder sogar in der Zeit des Drogenkriegs engagiert hatten, übernahmen bald eine Rolle und neue Aufgaben auf dem Markt.

Für die meisten von ihnen schien dies organisch zu geschehen. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die dies gut veranschaulicht. Ich traf Callie Seaman im Jahr 2018. Sie nimmt Cannabis zur Behandlung ihrer Epilepsie, bezeichnet sich als Patientenfürsprecherin und betreibt außerdem ein Cannabisgeschäft. Aber sie blieb kritisch gegenüber dem Aufstieg der Marktkräfte. Sie ist der Meinung, dass die Patienten, denen die medizinischen Cannabisunternehmen angeblich „dienen“, manchmal als „Marionetten“ benutzt werden. „Ich bin seit mehr als 17 Jahren im HydroponikGeschäft tätig. Jetzt kommen all diese Leute in Anzügen herein,

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In anderen aufstrebenden Märkten wie Simbabwe und Lesotho befürchteten die Menschen, dass sich historische Muster in Bezug auf die Ausbeutung von Land und Arbeitskräften wiederholen könnten.

und sie sind aus den falschen Gründen dabei“, sagte Callie. Selbst während ihrer Tätigkeit im Cannabisgeschäft blieb sie eine aktive Verfechterin der Werte der Basis und anderer Patientenrechte.

In Kolumbien traf ich „West“ , der mir erklärte, dass er aus den USA geflohen war, als sein millionenschweres illegales Sex- und Drogengeschäft hochgenommen wurde. Er sagte: „Ich lernte die Schwächen der Frauen kennen und nutzte sie, um sie dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben. Ich habe die Geisteshaltung geschaffen, die sie akzeptierten“. In Kolumbien begab sich West in eine Entziehungskur und verwendet jetzt alternative Medikamente, darunter Cannabis, um anderen mit ihrer Sucht zu helfen. Als er jedoch seine jetzige Frau kennenlernte, erfuhr er von der pharmazeutischen Qualität von Cannabis, der Einhaltung von Vorschriften und anderen rechtlichen Anforderungen. Er verurteilt nach wie vor illegale Marktaktivitäten und fühlt sich dafür verantwortlich, neue Standards aufrechtzuerhalten und das Ethos des modernen Marktes zu fördern.

Ich habe mir viele persönliche Veränderungen angesehen und Veränderungen bei Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Überzeugungen beobachtet.

Menschen, die sich moralisch der Cannabisbewegung und ihrem Ethos verpflichtet fühlen, können von wirtschaftlichen Kräften angetrieben werden, was sie zu bewussten Taktiken führt, um marktorientierte Aktivitäten zu übernehmen, und Menschen, die von kapitalistischen Werten angetrieben werden, können etwas Ähnliches wie das Ethos der Cannabisbewegung annehmen.

Ist Ihnen etwas aufgefallen, das auf dem Cannabismarkt einzigartig ist?

Ich habe oft eine Verbindung zwischen Moral und Märkten beobachtet. Niemand, mit dem ich gesprochen habe, würde Cannabis als „moralischen Markt“ bezeichnen. Mir wurde jedoch klar, dass moralische Imperative ein gemeinsamer Nenner sind.

Auf dem Markt gibt es eine unpersönliche wirtschaftliche Aktivität, bei der die Menschen in einem Pool von moralischen Urteilen zusammenkommen. Ich entdeckte, dass der moralische Austausch beginnt, Beziehungen zu gestalten. Obwohl sie sich für verschiedene Bereiche verantwortlich fühlen, ob es sich nun um interne Vereinbarungen über Normen oder Vorschriften, die Einhaltung von Vorschriften oder Bildung handelt, gab es immer eine Form von moralischem Antrieb, was auf den meisten Märkten nicht unbedingt der Fall ist.

Es gibt auch moralische Kräfte, die aus dem historischen Rückstand und der Dauerhaftigkeit der Cannabisbewegung und ihrer Kultur hervorgehen. Viele Menschen waren aufgrund der Art und Weise, wie sie von der Vergangenheit informiert wurden, moralisch eingestellt.

Im Laufe der Arbeit wurde deutlich, dass die Kampagne für eine Gesetzesreform die Gestaltung des entstehenden Marktes katalysiert hat.

Wie würden Sie Ihre wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen?

Meine Erkenntnisse lassen sich in drei Bereiche einteilen:

1. Veränderungsprozesse, 2. der Prozess der Kommodifizierung und seine Folgen und 3. die Beziehung zwischen Markt und Bewegung.

Nach ihrem Grundstudium der internationalen Beziehungen und Anthropologie an der University of St. Andrews in Schottland wurde Jessica Steinberg in ein Masterprogramm an der University of Oxford aufgenommen, wo sie schließlich ihren Doktortitel in Rechtswissenschaften erwarb. Neben der Arbeit an ihrer Doktorarbeit gründete Jessica das Beratungsunternehmen Global C. Seit 2018 arbeitet sie mit börsennotierten Unternehmen, Investoren, Unternehmern, politischen Entscheidungsträgern und Patientenvertretern zusammen, um sie bei der Navigation durch die Nuancen und Vorschriften des Cannabismarktes zu unterstützen. Sie hilft auch bei der Strategie, Geschäftsentwicklung und Markteinführung. Im Jahr 2018 gründete sie zusammen mit Jasmin Thomas die Plattform entOURage Network, um Frauen zusammenzubringen. Die Plattform öffnete sich später für andere marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Themen.

Um einige Schlüsselideen zusammenzufassen: Die Ungewissheit schuf Bedingungen, unter denen die Menschen reagierten und innovativ wurden. Dennoch schwankten diese Prozesse zwischen schnellen Veränderungen und Reformen und langsamer Entwicklung und Stabilität. Die Ungewissheit erzeugte Schichten von Fragmentierung und Fusion, von vertiefter Verbindung und zunehmendem Konflikt sowie von Replikation und Innovation. Durchweg brachte ein Gefühl für moralische Gebote den Markt näher an die Bewegung heran, insbesondere wenn wirtschaftliche und soziale Interessen im Widerspruch zueinander standen. Während die Disruptionen für einige einen Rückschlag bedeuteten, erwiesen sie sich auch als Dynamik für den Wandel. Anstatt einfach nur herauszufinden, wie das Problem der Prohibition zu lösen ist, habe ich festgestellt, dass Menschen, die lokal verankert und global vernetzt sind, aktiv konstruieren, was die Zeit nach der Prohibition bedeutet.

Welche Fragen verdienen es Ihrer Meinung nach, weiter erforscht zu werden?

Ich habe einen ganz bestimmten Zeitraum von 2018 bis 2020 untersucht. Es wäre interessant, den Zeitraum der COVID-Pandemie von 2020 bis 2022 zu betrachten. Ebenso wäre es interessant, den „dunklen Glamour von Cannabis“ näher zu untersuchen – wie und warum es für einen bestimmten Typus von Menschen attraktiv ist. Es wäre auch faszinierend, dem Geldfluss von Cannabis nachzuspüren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Dr. Jessica Steinberg vor der Bodleian Library in Oxford bei ihrer Abschlussfeier im Juli 2022.

Sortenvielfalt aus Solingen

LIO Pharmaceuticals und die Bank of Cannabis

Die Nachfrage nach medizinischem Cannabis wird auf absehbare Zeit steigen und die LIO Pharmaceuticals GmbH hat sich zur Aufgabe gemacht, diese zu bedienen. Das 2018 gegründete Unternehmen hat sich auf den weltweiten Handel mit medizinischem Cannabis sowie seine Verarbeitung spezialisiert. LIOs Firmenmotto lautet „Erfahrung trifft auf Innovation“, denn das Unternehmen ist zwar jung, doch die Gründer und ihre Mitarbeiter bringen gemeinsam etliche Jahrzehnte Erfahrung aus der Pharmaindustrie ins Spiel. Von Rebekka Nurkanovic

Der Sitz von LIO Pharma liegt im nordrhein-westfälischen Solingen mit guter Anbindung an die nahegelegenen Großstädte Köln und Düsseldorf und das umfangreiche Autobahnnetz der Region.

Bis vor einigen Jahren beherbergte das Firmengebäude eine Sparkasse, momentan wird es für die vorschriftsmäßige Handhabung von Cannabis umgebaut. Auch bei einem ehemaligen Geldhaus sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich, damit es den behördlichen Anforderungen an die sichere Lagerung und Verarbeitung von Cannabisprodukten gerecht wird. Die Firmengründer Leena Meertens, Simon Theres, Maurice Thomé, Ibrahim Baldé und Alain Menghé à Menghé haben ihre Niederlassung passenderweise „The Bank of Cannabis“ getauft und werden von dort aus ab diesem Herbst mit ambitionierten Zielen den Handel mit medizinischen Cannabisblüten und -extrakten betreiben. „Egal welche Blütensorte man in Deutschland benötigt, man wird sie in der Bank of Cannabis finden“, sagt Menghé.

Reise mit Umwegen

Die Vorgeschichte von LIO Pharma beginnt mit einer gescheiterten Bewerbung für die Ausschreibung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, 2017. Theres, Thomé und Baldé hatten seinerzeit beschlossen, sich um die raren Lizenzen für die ersten Produzenten, die legal in Deutschland medizinisches Cannabis anbauen dürfen, zu bemühen. Bei den Vorbereitungen auf die Bewerbung zogen sie Menghé aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Market Access Manager in „Big Pharma“ als Berater hinzu. Die Geschäftspartner und Freunde hatten zwar letztlich keinen Erfolg bei den BfArMAusschreibungen, doch die Zusammenarbeit stellte sich als Beginn einer gemeinsamen Reise heraus, die schließlich zur Gründung der LIO Pharmaceuticals GmbH führte.

Thomé und Baldé sind auf visuelle Kommunikation spezialisiert und blicken auf ein Jahrzehnt Erfahrung im Bereich Gründung und Start-up-Kommunikation zurück. Für Gründungsprofi Baldé bestand schon früh kein Zweifel am Potential des medizinischen Cannabismarktes. „In meinem Berufsleben halte ich stets

die Augen insbesondere nach neuen Geschäftsmöglichkeiten, Konzepten, Ideen und Verbindungen auf. So auch in diesem Fall! Als Anfangs die Idee in Austausch mit meinen langjährigen Freunden und Co-Gründern entstand, in den medizinischen Cannabismarkt einzusteigen, brauchte es nur eine Handvoll an Zeitungsartikeln, Interviews und Berichten sowie das eine oder andere Expertengespräch, um das Potential des Marktes zu identifizieren und die Vision mit aller Deutlichkeit zu sehen. Es handelte sich schlicht um eine Revolution! Alles nahm unverzüglich Fahrt auf und der Rest ist Geschichte … unsere Geschichte“, resümiert Baldé die Entstehungsgeschichte von LIO Pharma.

Auch für Leena Meertens, eine erfolgreiche „selfmade“ Unternehmerin aus den Niederlanden mit über 20 Jahren Erfahrung im internationalen Gesundheitswesen, war die Entscheidung das Abenteuer Neugründung zu wagen leicht. „Über meinen Einstieg in LIO Pharmaceuticals brauchte ich damals nicht lange nachdenken. Ein Unternehmen zu gründen und zusammen mit einem kreativen und erfahrenen Team zu arbeiten, das sich in dem spannenden heranwachsenden Markt des medizinischen Cannabis bewegt, war für mich eine Herausforderung, der nicht zu widerstehen war.“

Menghé hingegen kostete es einige Überlegung, bevor er sich entschloss, seine Anstellung in verantwortlicher Position in „Big Pharma“ aufzugeben. Er verfügt über fast 20 Jahre Erfahrung in der internationalen Pharmaindustrie in Marketing, Vertrieb und Management und fühlte sich wohl in seiner Stellung. Ausschlaggebend für den Schritt war auch die Überzeugung, dass er durch seine Kenntnis der Komplexität des Pharmamarktes dazu beitragen konnte, dass die ersten Schritte des jungen Cannabismarktes professionell gestaltet werden: „Als ich eingestiegen bin, war für mich das Ziel, diese Substanz, die so viel Potenzial hat, zu jenen Menschen zu bringen, für die ein medizinischer Mehrwert zu erwarten ist .“

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Die

Schiebetüren aus Metall im Lager für nicht-BTM-Produkte verfügt über einen raffinierten Mechanismus, der es erlaubt sie mühelos mit nur einem Finger zu bewegen.

Von Löwen inspiriert

Als Kenner der Pharmabranche haben die Firmengründer einen gesunden Respekt vor den großen Pharmaunternehmen, mit denen sie theoretisch in Konkurrenz treten. Umso mehr freut es Meertens, Theres, Thomé, Baldé und Menghé, dass Joachim Koops, ehemaliger Geschäftsführer der Ipsen Pharma mit über 40 Jahren Managementerfahrung in der Pharmabranche dem Gründerteam beigetreten ist. „Herr Koops und ich haben unser Berufsleben in Big Pharma verbracht und wissen, wie potent die sind. Tatsächlich war Herr Koops mein direkter Vorgesetzter und Geschäftsführer bei Ipsen Pharma. Wir mussten ein bisschen über uns selbst lachen, dass wir quasi aus dem Nichts ein Pharmaunternehmen gründen wollten, denn es war uns klar, dass wir uns hier auf einem Feld von Elefanten bewegen“, erzählt Menghé vergnügt und erklärt, dass das Unternehmen diesem Umstand auch den Namen LIO zu verdanken hat. „Der Löwe ist weder der Größte, noch der Stärkste im Tierreich – trotzdem ist er der König und wird von allen respektiert.“

Im Pharmageschäft, so die Überlegung des Gründerteams, muss man auch nicht riesengroß sein, sondern vielmehr eine bestimmte Geisteshaltung, Kraft und Flexibilität mitbringen, um sich zu behaupten. Die Symbolik des „Königs der Tiere“ soll versinnbildlichen, welche Eigenschaften die Gründer im Unternehmen kultivieren möchten: Kraft, Autorität, Souveränität, Führungsstärke. Denn sie haben nichts Geringeres vor, als im pharmazeutischen Cannabismarkt eine Führungsrolle zu übernehmen und zu helfen, diesen neuen Markt aufzubauen.

LIO Pharmaceuticals und „The Bank of Cannabis“

Die Vision für LIO Pharma liegt im Bereich des medizinischen Cannabis und ruht auf den zwei Hauptsäulen Blüten/Extrakte und cannabisbasierte Arzneimittel. Aufgrund seiner Recherchen ist das Unternehmen überzeugt, dass vermehrt cannabinoidhaltige Arzneimittel entwickelt werden und verfolgt das Ziel, eine eigene Marke aufzubauen. „Wir haben bereits in Big Pharma die

Markteinführung von zahlreichen neuen Arzneimitteln begleiten können. Insbesondere mit dem AMNOG-Verfahren, das in Deutschland die Grundlage für die Nutzenbewertung und Preisfestsetzung innovativer Arzneimitteln bietet, haben wir äußerst wertvolle Erfahrung sammeln können“, erklärt Menghé. Fokus und Ziel aller Prozesse soll immer das Patientenwohl sein. Aus diesem Grund bietet LIO Pharma auch Informationen und Fortbildungen für Ärzte und Apotheker sowie das CAARE-Tool, eine Online-Plattform die unter anderem Hilfestellung für die Abrechnung von Cannabisrezepten mit den gesetzlichen Krankenkassen leistet. Pläne für eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat LIO Pharma jedoch nicht, sagt der Geschäftsführer: „Wir fokussieren uns auf unsere Stärken, die Distributionsstruktur, den Brückenschlag zwischen Arzneimittelentwicklung und Markt.“

„The Bank of Cannabis“ ist die Basis für das Geschäftsfeld Distribution. Im Kern geht es darum, eine vertikal integrierte Distributionsstruktur aufzubauen, die alle Aspekte von Lagerung, Logistik, Kommissionierung und, zumindest zum Teil, die Herstellung von Cannabis umfasst.

In den vergangenen Jahren ist das Gründerteam rund um die Welt gereist, mit dem Ziel ein starkes Netzwerk an zuverlässigen Partnern aufzubauen, mit denen sie ihr umfangreiches Produktportfolio abdecken können. Für die Auswahl des Produktangebotes werden kontinuierlich der Bedarf im Markt analysiert und verfügbare Produkte hinsichtlich ihrer Relevanz geprüft. Dabei unterscheidet sich LIO Pharmas Auffassung manchmal von dem, was Patienten sich wünschen. „Der Cannabismarkt ist aus meiner Sicht ein Hybrid zwischen Arzneimittel- und Konsumentenmarkt. Anders als bei klassischen Arzneimitteln sind Patienten meist erfahrener mit der Substanz als die verschreibenden Ärzte und fordern bestimmte Produkte in der Verschreibung. Wenn wir von Produktrelevanz sprechen, ist es aber wichtig, dass wir uns zumindest bemühen den rationalen, ausgewiesenen und gerne indikationsspezifischen medizinischen Nutzen darzulegen“, sagt Menghé. LIO Pharma arbeitet u. a. deshalb nur mit ausgewählten Produzenten zusammen, die diese Auffassung teilen und Sorten anbauen, deren Relevanz belegbar ist.

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Alain Menghé à Menghé, CEO & Gründer Ibrahim Baldé, CCO & Mitgründer. Foto: Jannik Hemmerich

Als pharmazeutischer Cannabislieferant bedient LIO Pharma ausschließlich Großhändler und Apotheker. Über die Kooperation mit einem Online-Apotheker wird das Unternehmen seine Aktivitäten in den B2C-Bereich erweitern, indem es die Online-Logistik für ihn betreut. Demnächst ist auch die Installation eines kleinen Labors vorgesehen, damit Produkte vor Ort analysiert werden können. “Dadurch können wir uns weiter spezialisieren. Da unser Partner-Apotheker sehr analyse-affin ist, wird er der Hauptträger für diese Säule des Geschäfts sein“, sagt Menghé.

Als Spezialist für Market Access hat Menghé die Belange aller Stakeholder im Blick und betont die Rolle von qualifizierter Kommunikation, um die verschiedenen Interessen verständlich zu machen und zu adressieren. Im Fall von medizinischem Cannabis sind das unter anderem die teils sehr unterschiedlichen Interessen von Produzenten, Ärzten, Apothekern, Krankenkassen, Patienten und Behörden vor dem Hintergrund eines etablierten und stark regulierten pharmazeutischen Marktes. All diese Stakeholder will LIO Pharma verstehen und in den Aufbauprozess des Marktes einbezogen sehen.

Sowohl beim Aufbau des Unternehmens als auch bei seiner Rolle als Marktgestalter, ist LIO Pharma eine pragmatische Herangehensweise wichtig. Jeder einzelne Schritt wird geplant, geprüft und gegebenenfalls an veränderte Rahmenbedingungen angepasst.

Den Geschäftsführern ist es auch wichtig, während aller Phasen des Geschäftsaufbaus in engem Austausch mit den Behörden zu sein und mit diesen gemeinsam zu wachsen. Die Zusammenarbeit mit den Behörden schildern sie als sehr konstruktiv. „Die Behörden sind sehr offen. Wenn sie merken, dass man ein gewisses Maß an Sachverstand mitbringt und die Spielregeln nicht nur akzeptiert, sondern auch versteht, sind sie gewillt partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und sich auf Diskussionen einzulassen“, berichtet Menghé. „Wichtig war, dass wir Vorarbeit geleistet haben und ein fertiges Konzept präsentieren konnten, als wir mit ihnen Kontakt aufgenommen haben. Das macht es für alle einfacher, die Behörden können konkrete Änderungswünsche formulieren und wir können darauf eingehen.“

Meilensteine

Nach der Gründung im Juni 2018 wurden im folgenden November die Geschäftsaktivitäten aufgenommen. In den ersten zwei Jahren bereisten die Gründer alle Kontinente, analysierten den Markt und bauten das Geschäftsmodell auf.

Dann kam die Coronapandemie und wie viele Firmen bekam auch LIO Pharma die Folgen der Maßnahmen zu spüren. Menghé erinnert sich, dass die Bezirksregierung wenige Wochen vor einer Inspektion den Termin bis auf weiteres absagte. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis sie einen neuen Termin anberaumte und so konnten die Vertriebsaktivitäten erst im vierten Quartal 2021 aufgenommen werden.

Die folgenden Monate nutzte LIO Pharma, um zu prüfen, ob das Firmenkonzept weitere Feinjustierung brauchte – die Vertriebskette, die Logistikkette und Verträge wurden unter die Lupe

genommen und bei Bedarf angepasst, so dass 2022 alles für die Erweiterung des Produktportfolios bereit war.

Nach der Finalisierung des Setups im Herbst 2022 steht Mitte kommenden Jahres die Herstellungserlaubnis für Blüten auf dem Programm. Da alles seine Zeit braucht und Investitionen so getaktet werden sollen, dass keine Komponente brach liegt, soll erst im nächsten Schritt, spätestens Ende 2023, auch der Reinraum für die Verarbeitung von Extrakten fertiggestellt werden. Zu dem Zeitpunkt soll auch das vollständige Portfolio in großer Menge verfügbar sein und Erfahrungen mit den Materialien und Prozessen im hauseigenen Labor vorliegen, damit der Vertrieb für die Online-Apotheke aufgenommen werden kann.

Sicherheit muss sein

Bis alle Geschäftsfelder in den Vollbetrieb gehen können, muss der Firmensitz in Solingen in „The Bank of Cannabis“ verwandelt werden. Der Entscheidung für das ehemalige Sparkassengebäude ging eine bundesweite Suche voraus. Letztlich waren mehrere Aspekte ausschlaggebend: das Gebäude mit der gekachelten Fassade bietet einen repräsentativen Ort mit ausreichenden Lagerkapazitäten und der Möglichkeiten zu expandieren, denn sowohl der Innenbereich als auch der Außenbereich sind mit je etwa 1000 m 2 großzügig bemessen.

Noch kann man in den Räumen im Erdgeschoss ihren ursprünglichen Zweck erahnen, die Wandverkleidung aus Holz hat das typische Flair einer Sparkasse der 1990er Jahre. Bald jedoch wird der ehemalige Publikumsbereich kaum noch zu erkennen sein. Dank der hohen Decken kann LIO Pharma dort zwei vollständige Reinräume installieren lassen, in denen Cannabisblüten und Extrakte vorschriftsgemäß abgefüllt und verpackt werden können.

Der größte Teil des Untergeschosses ist, von Sicherheitstüren geschützt, für die Lagerung von medizinischen Cannabisprodukten und Zubehör vorgesehen. Auch ein Sperr- und Quarantänelager findet dort Platz. Die Raumflucht zwischen zwei Sicherheitstüren verfügt über eine festungsähnliche Sicherheitsausstattung, dabei ist der Bereich für medizinische

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Leena Meertens, RH & Mitgründerin. Foto: JePP

Cannabisblüten und Extrakte am stärksten gesichert und wird von der Belegschaft daher gerne Bunker genannt. Dort befinden sich die Tresore der ehemaligen Sparkasse, die für die betäubungsmittel-gerechte Lagerung zurzeit noch zusätzlich mit Sicherheitsvorkehrungen versehen werden.

Während die massiven Stahltüren der Tresorräume auch dem Laien deutlich signalisieren, dass er einen Hochsicherheitsbereich betritt, sind die restlichen Maßnahmen ebenso unauffällig wie wirkungsvoll: zahlreiche Erschütterungs- oder Bewegungsmelder an Boden, Wänden und Decke leiten Informationen an eine zentrale Schalteinheit weiter, welche Warnsignale unmittelbar an die Kriminalpolizei überträgt. Im Falle des Falles ist so gewährleistet, dass nur wenige Minuten vergehen, bis Einsatzkräfte vor Ort sind und der Ursache des Signals auf den Grund gehen.

Bevor die Schalteinheit ihre Arbeit aufnehmen kann, müssen jedoch noch einige Meter Kabel verlegt werden. Danach werden sich die am Sicherheitskonzept beteiligten Akteure – neben LIO Pharma sind das die verbauende Sicherheitsfirma, der Elektronikhersteller, der Netzbetreiber, die Feuerwehr, das Bauamt und die Kripo – zum Ortstermin treffen und die Schaltzentrale in Betrieb nehmen. LIO Pharma ist stolz auf das ausgeklügelte Sicherheitskonzept und das BfArM zeigte sich von dem Setup so angetan, dass es dieses bereits vor Abschluss der Arbeiten abgenommen hat.

Der größte Raum des „Bunkers“ ist für Blüten reserviert und bietet genug Platz auch für große Gebinde. Direkt dahinter, genauso sicher, aber kleiner, ist der Raum für Extrakte gelegen. Am anderen Ende des Flurs befindet sich ein großer Raum, der genug Kapazität bietet, um Tonnen an Produkten zu lagern, die nicht als Betäubungsmittel einzustufen sind. LIO Pharma denkt dabei z. B. an Zubehör wie Inhalatoren, aber auch an CBD-Produkte. Auch wenn dieser Bereich nicht mehr zum „Bunker“ zählt, ist die Sicherheitsstufe immer noch hoch, denn wie Menghé betont, hat „das Thema Sicherheit oberste Priorität“.

Das Erdgeschoss ist für die Warenannahme und -verarbeitung vorgesehen. Für den Transport der Ware verlässt LIO Pharma sich auf ein Logistikunternehmen, mit dem Menghé bereits seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitet. Um zu vermeiden, dass Externe das Gebäude betreten, soll gelieferte Ware am Hintereingang in einer Schleuse zwischen zwei Glastüren übergeben werden.

Direkt neben dem Wareneingang wird der Logistikverantwortliche seinen Arbeitsplatz haben. Dort soll die Ware fertiggestellt und unverzüglich in den Sicherheitsbereich verbracht werden. „Bei der Handhabung von Cannabis wird immer nach dem 4-Augen-Prinzip gearbeitet, jeder Schritt unterliegt strengen Kontrollen“, erklärt Menghé. Drei Kontrollpunkte sind vorgesehen: bei der Abnahme, bei der Übergabe in den Sicherheitsbereich und erneut bei der Ankunft im Lager. Der Transport dorthin wird über einen eigens dafür vorgesehenen Aufzug erfolgen.

Für die Verarbeitung der Ware werden in Kürze in den ehemaligen Publikumshallen Reinräume installiert. Einer der Reinräume ist für die Verarbeitung und Verpackung der Blüten, einer speziell für Extrakte vorgesehen. Dort werden die drei letzten Stufen der Herstellung gemäß Arzneimittelgesetz stattfinden: die Extrakte werden abgefüllt, etikettiert und freigegeben.

Diversifikation im Team

Um die ambitionierten Firmenziele zu erreichen, hat das Startup bereits ein Team aus zehn Mitarbeitern aufgebaut, mit dem es alle Bereiche von Design, IT und Marketing über Produktdesign und Produktentwicklung bis hin zum Vertrieb intern abdecken kann. „Niemand kann vorhersagen, wie sich der Markt in den nächsten zwei Jahren verändert, daher ist es für mich als Geschäftsführer sehr schön zu wissen, dass ich im Team so vielfältige Fähigkeiten habe“, sagt Menghé zufrieden. „Mit so einem Team ist es kein Problem den Markt zu bedienen, aber natürlich gilt es wachsam, flexibel und kreativ zu bleiben.“ Um auf alle Marktentwicklungen vorbereitet zu sein, liegen bereits Pläne und Konzepte für mehrere Eventualitäten bereit. Das Firmenmotto „Erfahrung trifft Startup“ bzw. „Erfahrung trifft Innovation“ spiegelt sich in der Zusammensetzung der Belegschaft wieder. Für LIO Pharma ist Diversifikation im Team wichtig, weil die Regularien im Arzneimittelmarkt sehr viel spezialisierte Erfahrung erfordern, die jedoch wenig auf die Herausforderungen eines Start-up in einem neuen Markt vorbereiten. „Wir arbeiten bewusst daran, unser Team zu diversifizieren, weil wir festgestellt haben, dass bei einem Start up-Aufbau ein gewaltiger akademischer Hintergrund gut ist, aber nicht reicht“ führt Menghé aus. Das Team besteht einerseits aus sehr erfahrenen Profis mit teils über 30 Jahren Erfahrung in ihrem Metier, wie z. B. im Fall der Verantwortlichen für den Bereich Customer Service und Logistik oder der Qualitätssicherung. Auch der Partner-Apotheker von LIO Pharma ist ein gestandener Geschäftsmann mit drei Apotheken im Münsterland. Andere Mitarbeiter haben hingegen kürzlich erst die Universität verlassen und stehen für die innovative Komponente im Team.

Diversifikation im Team ist sehr fruchtbar, bringt aber auch Herausforderungen mit sich, weil die Arbeitsweise manchmal sehr unterschiedlich ist und LIO Pharma arbeitet intensiv an der Teambildung, damit das Potential sich entfalten kann, ohne dass es wegen der verschiedenen Herangehensweisen zu Problemen kommt.

Auf der positiven Seite der Diversifikation stehen neuen Ideen, die sich entwickeln, wenn man Kreativitätsdrang mit nüchterner Pharmaexpertise paart. Nicht jede davon kann allerdings sofort umgesetzt werden, sei es weil die Zeit noch nicht reif oder die Finanzierung noch nicht möglich ist. Menghé bedauert das, aber strategisches Vorgehen erfordere nun mal, schwierige Entscheidungen zu treffen.

Auf Erfolgskurs

Bisher hat sich das Firmenmotto bewährt und die junge Firma befindet sich auf Kurs. Es werde jedoch weitere Finanzierung benötigt, um die Ziele von LIO Pharma zu verwirklichen. „Die Pharmabranche hat enormes Potenzial, fordert allerdings auch ihren finanziellen Tribut“, sagt Menghé. Die Gründer von LIO Pharma sind zufrieden damit, wie sie alle bisherigen Hürden genommen haben und überzeugt, dass sie mit ihrem Team und einer gehörigen Portion Realitätssinn und Pragmatismus ihr ehrgeiziges Ziel erreichen werden, auf dem pharmazeutischen Cannabismarkt eine Führungsrolle einzunehmen. ↙

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Branchentreff in Berlin

ICBC 2022

Am 19. und 20. Juli 2022 fand im Berliner Hotel Estrel die International Cannabis Business Conference ICBC statt. Die ICBC Berlin ist ein regelmäßiger Treffpunkt für die Cannabisindustrie in Deutschland und nach Angaben der Organisatoren das größte B2B-Cannabis-Event in Europa sowie die am längsten stattfindende B2B-Cannabiskonferenz auf dem Kontinent. In diesem Jahr fiel sie in eine besonders spannende Zeit für die Branche, denn die Legalisierung des Freizeitgebrauchs für Erwachsene scheint in greifbare Nähe zu rücken. Von Daniel Groß

Die Bedeutung eines solchen Schrittes wird von ICBC-Gründer Alex Rogers als wegweisend gesehen. „Wenn Deutschland den Cannabiskonsum für Erwachsene legalisiert, insbesondere die Verkaufskomponente, wird die internationale Cannabisindustrie aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Stellung Deutschlands innerhalb der internationalen Gemeinschaft auf Hochtouren laufen“, lautete die Einschätzung von Rogers in einem Interview mit CannaVision im Vorfeld der ICBC 2022.

Einblick in den Legalisierungsprozess

Entsprechend groß war das Interesse der Konferenzbesucher an dem Vortrag des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert zum Auftakt der Konferenz. Nach einem zufriedenen Rückblick auf die Legalisierung von medizinischem Cannabis im Jahr 2017, ging er auf die Komplexität des Vorhabens der Ampelkoalition ein, Cannabis auch für den Freizeitgebrauch zu legalisieren. Dabei würde die Politik einem strukturierten Prozess und einem festgelegten Zeitplan folgen. Nach intensiven Konsultationen mit Interessenvertretern zu Themen wie Jugendschutz, Prävention, Lieferketten u. v. m. stünde nun die Aufgabe im Vordergrund, Eckpunkte zu formulieren, die alle wichtigen Aspekte aufgreifen, welche schließlich in einen belastbaren Gesetzesentwurf

einfließen sollen. Dafür müssten zahlreiche Fragen betrachtet werden, unter anderem zu Bedarfen, Preisgestaltung, Besteuerung, Gesundheitsschutz, notwendigen Vorlaufzeiten oder ökologischen Belangen. Wichtig für ein Gelingen sei die Zusammenarbeit aller Beteiligten und Bereitschaft zu Kompromissen. Nachdem er die Komplexität des Vorgangs dargelegt hatte, betonte Blienert den Willen der Politik, die Legalisierung zu Genusszwecken im geplanten Zeitrahmen umzusetzen, denn der jetzige Zustand sei als gescheitert zu betrachten und ein Paradigmenwechsel erforderlich. Im Anschluss an seine Rede konnte Blienert begeisterten Applaus von den gut gefüllten Rängen des Auditoriums entgegennehmen.

Meilensteine und Hindernisse

Peter Homberg, Partner im Berliner Büro von Dentons und Leiter der europäischen Cannabis-Gruppe, folgte mit einem Vortrag zur Evaluierung der derzeitigen Lage der deutschen Cannabispolitik und Industrie. Zunächst gab er einen Überblick über bisherige Meilensteine des Legalisierungsprozesses für medizinisches Cannabis sowie über Hindernisse, denen sich der Markt in der Praxis weiterhin ausgesetzt sieht. Zu letzteren gehört beispielweise die Notwendigkeit, zeitaufwändig mehrere Genehmigungen für den Import und Handel einzuholen und Beschränkungen bei der Werbung. Hinsichtlich der

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angestrebten Legalisierung zum Freizeitgebrauch in Deutschland wies Homberg darauf hin, dass Deutschland in verschiedene internationale Abkommen eingebunden ist, die den Anbau und Handel mit Substanzen wie Cannabis zu anderen als medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken untersagen. Dazu gehören UN- und EU-Abkommen und es müsse überlegt werden, wie im Fall einer Legalisierung zu Genusszwecken, die Nachfrage bedient werden könne, ohne gegen Abkommen zu verstoßen. Bezüglich CBD wurde die Bekanntmachung der European Food Safety Authority EFSA vom 07. Juni 2022 erwähnt, nach der die Bewertung von CBD als neuartiges Lebensmittel nach der Novel Food Regulation ausgesetzt wird, bis weitere Daten vorliegen. Das sei ein bedeutsamer Rückschritt für den CBD-Markt, denn Antragsteller für eine Novel-Food-Zulassung wären nun gezwungen, weitere Sicherheitsdaten zu erbringen, die nur unter erheblichem Aufwand erhoben werden können.

Harmonisches Polit-Panel

Wie im Vorjahr moderierte Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Cannabiswirtschaft e. V. (BvCW), eine Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien. Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen), Kristine Lütke (FDP) und Carlos Kasper (SPD) äußerten sich zum Reformbedarf in der Cannabispolitik in Deutschland. Zwischen den Vertretern der Ampelkoalitionsparteien traten erwartungsgemäß keine großen Kontroversen zu Tage. Einigkeit herrschte beispielsweise bei der Überzeugung, dass Cannabis als Medizin verfügbar bleiben und weiter erforscht werden sollte, dafür sei auch eine bessere Datenlage bei der Begleiterhebung notwendig. Keinesfalls dürfe die medizinische Versorgung unter der Legalisierung für den Freizeitgebrauch leiden, wurde betont. Auf die Publikumsfrage, ob auch ausländische Firmen die Möglichkeit erhalten sollen, Cannabis für den deutschen Markt zu erzeugen, zeigten die Politiker sich aufgeschlossen. Lütke sagte, es spreche aus ihrer Sicht nichts dagegen, wenn die Lizenzbedingungen erfüllt werden, auch wenn sie ein Interesse daran habe, die deutsche Wirtschaft zu fördern. Carlos Kasper betonte, dass ihm in jedem Fall eine lückenlose Nachverfolgung der Waren

vom Anbau bis ins Regal wichtig sei, egal wo produziert werde. Ebenfalls einig waren sich die Politiker bei dem Punkt, dass es wünschenswert sei, Hanf aus der „Schmuddelecke“ zu holen und vom Stigma zu befreien, damit das große Potential der Nutzpflanze Hanf ausgeschöpft werden könne. Ob neue Nutzhanf- und CBDRegelungen im Rahmen der Legalisierung in die Gesetzentwürfe einfließen werden, blieb offen, sie würden aber in den Beratungen thematisiert und der Wille sei vorhanden.

Marktfragen im Blick

Weitere Gesprächsrunden des ersten Konferenztages widmeten sich z. B. der Vorbereitung auf den neu entstehenden Markt in Deutschland aus unternehmerischer Sicht, dem Streben nach einem einheitlichen globalen regulatorischen Rahmen für Cannabis oder der Frage, welche aufstrebenden internationalen Märkte Unternehmer und Investoren im Auge behalten sollten. Auch am zweiten Konferenztag fanden zahlreiche Gesprächsrunden zu einem breiten Themenspektrum statt. So wurden beispielsweise die Herangehensweisen verschiedener europäischer Länder an die Cannabislegalisierung besprochen und ein Panel beschäftigte sich mit Nachhaltigkeit und Sicherheit in der Cannabis- und Hanfindustrie.

Ausstellung und Global Investment Forum

Zusätzlich zum dicht gefüllten Vortragsprogramm konnten Besucher die Expo besuchen, die mehr als 100 internationale Aussteller präsentierte. Unter ihnen waren Produzenten ebenso zu finden wie internationale Handelsorganisationen, pharmazeutische Unternehmen, Maschinenhersteller, Importeure- und Exporteure, Interessenvertreter und mehr.

Ergänzend zur B2B-Veranstaltung richtete die ICBC am Vortag der Konferenz auch ein eintägiges Global Investment Forum (GIF) in Berlin aus. Dort konnten Cannabisunternehmen an einer PitchSession vor Investoren auf der ICBC-Hauptbühne teilnehmen. Die nächste ICBC Berlin ist für den 29. – 30. Juni 2023 geplant. ↙

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ICBC-Gründer Alex Rogers v.l.n.r. Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen), Carlos Kasper (SPD), Kristine Lütke (FDP) und Jürgen Neumeyer (Geschäftsführer BvCW) Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung

Gelungener Einstieg in die Cannabisbranche

Dinge, die man wissen sollte

Die Cannabisbranche: jung und glühend heiß. Mit der weltweiten Öffnung und der voranschreitenden Legalisierung strömen Unternehmer aus allen Gesellschaftsschichten in die Branche. Vor nicht allzu langer Zeit war ich einer von ihnen. Seitdem habe ich gelernt, wie man Hindernisse umgeht und Lösungen in einer unberechenbaren Branche findet. Dabei habe ich einige „wichtige Dinge“ gelernt, die ich gerne gewusst hätte, bevor ich in die Cannabisbranche eingestiegen bin. Von Falk Altenhöfer

Im Jahr 2018 bin ich nach Israel zur CannaTech-Konferenz gefahren. Mit dabei: mein Businessplan und der Traum, eine Technologieplattform der nächsten Generation aufzubauen, die es Cannabisunternehmen ermöglicht sich miteinander zu vernetzen und potenzielle gemeinsame Kunden aufzuzeigen – automatisiert und digital! Meine Idee entwickelte sich mit den Jahren weiter und es entstand daraus eine Plattform, über die sich Cannabis-Gründer und Investoren verbinden.

Start-ups in der Cannabisbranche verhalten sich nicht anders, als junge Unternehmen anderer Branchen und so heißt das Motto „Go with the flow“. Dazu gehört auch die Einsicht, dass Cannabisunternehmen eine Ausstiegsstrategie brauchen, noch bevor sie auf den Markt kommen, denn die Hindernisse sind zahlreich und die Exitmöglichkeiten im Hinblick auf die Legalisierung ziemlich genau definiert.

Die Branche ist weniger fortschrittlich als man denkt

Während sich die Cannabisbranche mit halsbrecherischer Geschwindigkeit entwickelt, sieht es hinter den Kulissen leider ganz anders aus. Denn viele Aspekte der Branche hinken der Zeit bedauerlicherweise hinterher. Traditionelle Institutionen wie das Bankwesen, die Medizin, das Bildungswesen, aber auch moderne Werbeplattformen aus Silicon Valley wehren

sich gegen die Zusammenarbeit mit Cannabisunternehmen. Der daraus resultierende, fehlende Zugang selbst zu den grundlegendsten Dienstleistungen schafft frustrierende Hürden, mit denen Unternehmer in anderen Kategorien nicht konfrontiert sind. Und die gute Nachricht? Diese Lücken sind letztlich auch Chancen, denn sie fördern Innovationen. Cannabis ist eine Branche mit viel weißem Raum: Probleme, die es zu lösen gilt, und Marktbedürfnisse, die nur darauf warten, erfüllt zu werden –ein Traum für jeden Unternehmer!

Der Widerstand kommt von überraschenden Seiten

Wenn man erzählt, dass man Cannabis-Unternehmer ist, muss man mit sehr gemischten Reaktionen rechnen. Als ich meinen Freunden und meiner Familie zum ersten Mal von meiner Idee des Cannabis-Start-ups erzählte, waren sie nicht gerade begeistert. Während sie von ganzem Herzen an mein Konzept und meine Fähigkeit zum Erfolg

BETRIEB + MARKETING

glaubten, äußerten viele die Sorge, dass ich ins Visier der Polizei geraten oder sogar ins Gefängnis kommen könnte, nur weil ich in dieser Branche arbeite.

Zwar ist es aktuell leider immer noch so, dass Cannabis in Deutschland illegal ist, dennoch kann auch dieser Boden für junge Start-ups nahrhaft sein. So erwachsen Chancen um die Illegalität herum, mit Hanf (dem Stoff der Zukunft), CBD, im medizinischen Bereich, in der Beratung oder so wie bei mir von der technologischen Seite.

Das Wichtige dabei ist zu erkennen, welche Probleme existieren und daraus passende Unternehmensideen abzuleiten.

Betrachtet man zum Beispiel den pharmazeutischen Bereich, wird schnell klar, dass Ärzte und Apotheker mit bürokratischen Hürden zu kämpfen haben, hinzu kommt die mangelhafte Behandlung des Themas im Studium. Daraus resultierend tun sie sich schwer damit, über Cannabis zu beraten und es an Patienten zu verschreiben. Diese Vorsicht sowie die Stigmatisierung sind das Erbe des gescheiterten Krieges gegen Cannabis. Daher ist es auch von grundlegender Bedeutung, die vielen Beispiele von erfolgreichen Behandlungen mit Cannabis im Medizinischen- sowie Freizeitgebrauch öffentlich, aber vor allem auch bei Ärzten und Apothekern zu beleuchten.

Soziale Gerechtigkeit ist nicht garantiert

Soziale Gerechtigkeit ist nicht garantiert, nur weil es sich um einen entstehenden hippen Markt handelt. Es wäre auch zu schön, wenn eine neue Industrie entsteht

und direkt vieles davon umsetzt, was wir in unserer Gesellschaft aus unseren Fehlern gelernt haben. Zu denken, bei Cannabis wäre alles im grünen Bereich, ist leider ein Trugschluss.

Frauen sind in diesem Geschäft nach wie vor weltweit unterrepräsentiert. Nicht nur an Gründerinnen fehlt es, sondern auch an Frauen in der Belegschaft und in Führungspositionen. Nach Lisa Haag, Gründerin des CannaFem-Netzwerkes in Deutschland bestätigt sich das traurige Bild auch hierzulande, „Der weibliche Anteil in der deutschen Cannabisbranche beträgt nur knapp 10 %!“

Man sollte sich von dieser Zahl jedoch nicht entmutigen lassen. Cannabis ist ein sehr junger Wirtschaftszweig, der für diejenigen, die das Talent und den Eifer haben, durchzuhalten, eine Fülle von Möglichkeiten bietet. Mit der Zeit wird die Legalisierung auf Bundesebene differenzierte Gleichstellungsprogramme und sozial gerechte Regulierungsbehörden mit sich bringen. Bis dahin müssen wir als Gemeinschaft selbst dafür sorgen, dass Unternehmer, die einer Minderheit angehören, die Ausbildung, die Finanzierung, die Betreuung und die Möglichkeiten erhalten, die ihnen helfen, gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen.

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Alle angehenden Unternehmer, die sich unter einer Karriere in der Cannabisbranche nur das Herumwerfen von Geld auf wilden Partys vorstellen, sollten ihren Traum vielleicht noch einmal überdenken. Die Arbeit in dieser Branche

erfordert Leidenschaft, Hingabe und eine dicke Haut.

Für mich ist die Arbeit in der Cannabisbranche die beste Entscheidung, die ich je hätte treffen können, weil ich jeden Tag aufwache mit dem Gedanken, anderen helfen zu können. Ich denke, dass die erfolgreichsten Cannabisunternehmer von einem größeren Ziel angetrieben werden – wie dem Eintreten für Cannabisrechte, der Aufklärung oder auch einer Reform der Strafjustiz.

Ja, es gibt immer noch viele Hürden, mit denen wir Cannabisunternehmer konfrontiert sind: Diskriminierung, ausgrenzende Banken, uneinheitliche Gesetzgebung oder einfach die schiere Sättigung des Marktes mit konkurrierenden (Whitelabel-) Marken und Unternehmen. Trotz alledem ist die Arbeit im Cannabisbereich die persönlich, beruflich und finanziell lohnendste Erfahrung meines Lebens. Solange man die Hindernisse überwindet, sich einen eigenen lösungsorientierten Weg bahnt und die Menschen, denen man dient, als oberste Priorität betrachtet, wird man mit einer einnehmenden und profitablen Karriere belohnt, die in Zweck und Leidenschaft wurzelt.

In den letzten Jahren habe ich viele junge Unternehmen kennengelernt und ihnen in die Branche verholfen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse möchte ich als Rat jedem angehenden Cannabisunternehmer mitgeben, der hofft, ein erfolgreiches Cannabisgeschäft aufzubauen. Sie lassen sich in fünf Hauptpunkte unterteilen: der Zweck des Unternehmens, die Markenpersönlichkeit, die Bedeutung von Netzwerken, die Risikobereitschaft und das Handeln aus Überzeugung.

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sich
mit halsbrecherischer Geschwindigkeit entwickelt, sieht es hinter den Kulissen leider ganz anders aus. Denn viele
der Branche hinken der Zeit bedauerlicherweise hinterher.
Während
die Cannabisbranche
Aspekte

Der Kern: das Warum

„Was möchte ich bewirken, welchen Zweck und Sinn bietet mein Unternehmen?“. Die Beantwortung dieser Fragen ist einer der wichtigsten Schritte, die eine Führungskraft in der Cannabisbranche unternehmen sollte. Unternehmer müssen eine Leidenschaft für das haben, was sie tun, eine klare Vision für das, was sie schaffen wollen, und den Wunsch, es auch in den harten Zeiten zu verfolgen.

Eine Vision kann auf vielen Wegen entstehen, einer davon ist die genaue Marktanalyse. Im Mittelpunkt stehen dabei die verschiedenen Probleme in der Branche oder auch in der Zielgruppe. Der Markt ist groß und so ist für jeden eine Nische zu finden, die Begeisterung weckt. Innovationen entstehen aus Problemen und Passion. Denn wenn alle nur das machen würden, was schon gemacht wurde, wie würden wir uns dann weiterentwickeln und voneinander abheben?

Daniel Schmid, Geschäftsführer von Whiterock, baut das erste klimanegative Modulhaus. Er will damit zu einer

nachhaltigeren Welt beitragen und sagt: „Mein warum? Nicht einfach zusehen, sondern aktiv werden! Wir werden immer mehr Menschen auf dieser Welt, die wohnen müssen und wir wollen, dass das CO²-negativ ist, sodass wir alle in einer schönen und sauberen Welt leben dürfen!“

Die Markenpersönlichkeit

Beim Aufbau einer Marke geht es zum einen natürlich um das Produkt, aber auch um die Geschichte dahinter.

„Die Geschichte, die magische Komponente“, welche den Kunden ermöglicht, eine persönliche Beziehung zur Marke aufzubauen.

Die Persönlichkeit, Überzeugungen, Leidenschaften und Werte der Unternehmer sind der Kern der persönlichen Marke, die treibende Kraft hinter

ihrem Unternehmen. Daraus wächst die Markenidentität, welche ausschlaggebend für alle erfolgreichen Cannabisunternehmen ist.

Nicht ohne Grund verfügen große Unternehmen über Abteilungen, die nur auf die Markt- und Wettbewerbsanalyse fokussiert sind. Denn Kunden kaufen nicht nur ein Produkt oder eine Dienstleistung, sie investieren in die Person, die sie sein möchten. Im Mittelpunkt steht daher für Markenspezialisten die Zielgruppe. Die Wettbewerbsanalyse hilft auch dabei, das Zielpublikum besser zu verstehen.

Im besten Fall stimmen die Interessen des Unternehmens und der Zielgruppe überein, so wie bei Vincent Sparn, der seine Leidenschaft für Gesundheit und Wellness mit seinen Kunden teilt. „Ich bin seit über 20 Jahren in der Fitnessbranche und habe zuletzt eine Fitnesskette geleitet und liebe es über den Körper das beste Gleichgewicht zwischen Körper und Geist herzustellen. Hanfproteine bieten mir genau das. Ich möchte noch mehr Menschen erreichen und über Aminosäuren in Hanf aufklären. Ich liebe es!“

Das Netzwerk ist von grundlegender Bedeutung

Networking ist in jeder Branche von unschätzbarem Wert, aber ganz besonders in der Cannabiskultur, wo die Gemeinschaft geprägt ist von leidenschaftlichen Menschen. Die Cannabisszene wächst jeden Tag und je mehr Verbindungen und Beziehungen die Unternehmer aufbauen, desto mehr Potenzial entsteht, um als Unternehmer und Unternehmen zu wachsen. In fast jedem Staat, in dem Cannabis für den Freizeitgebrauch legal ist, gibt es Veranstaltungen, Konferenzen und Treffen, es lohnt sich sehr diese zu besuchen.

Aber auch digital lässt sich ein starkes Netzwerk aufbauen. Soziale Medien wie LinkedIn oder Instagram

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In der Cannabisbranche gibt es viel Potenzial für Misserfolge, aber auch für Erfolg. Man muss jedoch bereit sein, Risiken einzugehen und zu scheitern.
Daniel Schmid, Geschäftsführer Whiterock Vincent Sparn ist Sportler und arbeitet an einem Pulver aus Hanfsamen für den Fitnessbereich.

können dabei helfen, Kontakte zu finden und zu gewinnen. Mutig sein und seine Visionen teilen lohnt sich – man weiß nie, welche Möglichkeiten sich aus einer FolgeE-Mail oder einer einfachen Kontaktaufnahme auf LinkedIn ergeben können. Jasmina Bergen will beispielsweise auf dem Netzwerkgedanken ihr Geschäftsmodell aufbauen und plant einen Business Club für die Cannabisbranche. „Einen B2B-Club bauen, sodass jeder endlich seine Produkte verkaufen kann – die Vision war groß, kürzlich waren wir auf der MaryJane und haben uns mit jedem vernetzt. Ich liebe es, mich mit Leuten über ihre Bedürfnisse auszutauschen – nun wird ein Produkt auf die Beine gestellt und wir fangen in einer Nische an!“

Gewinnen oder lernen

In der Cannabis-Branche gibt es viel Potenzial für Misserfolge, aber auch für Erfolg. Man muss jedoch bereit sein, Risiken einzugehen und zu scheitern. Denn Scheitern kann der beste Lehrmeister sein. Die Mentalität „Gewinnen oder Lernen“ hilft, aus Fehlern zu lernen, anstatt sie als Misserfolge zu betrachten. So wie die Branche als Ganzes wächst und mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird, muss auch das Unternehmen lernen, sich anzupassen.

Carlo Tenoort hatte anfangs Probleme, Investoren für sein Produkt zu finden –Cannabiszäpfchen auf Basis von CBD,

aber er gab nicht auf. „Menschen mit einer Kur aus CBD für den After zu helfen, trifft gleich auf zwei Tabuthemen. Aber sobald man mit einem Behandlungskonzept überzeugt und die richtigen Partner gefunden hat, bauen sie auf dich. Das braucht immer Zeit – so wie alles, was gut für einen ist.“

Entscheidungen mit Überzeugung treffen

Führungskräfte in der Cannabisbranche müssen Entscheidungen treffen, um neue Chancen zu nutzen und das Unternehmen voranzubringen. Zögern, Zweifeln und Engstirnigkeit schaden nur dem Fortschritt als Unternehmer. Nicht jede Entscheidung wird die richtige sein, auch nicht mit guter Recherche und der Abwägung mehrerer Optionen. Aber das muss sie auch nicht. Laut Harvard Business Review ist es für

entschlossene Führungskräfte zwölf Mal wahrscheinlicher, dass sie leistungsstarke CEOs werden.

Das wichtigste ist also entschlossenes Handeln aus Überzeugung. Nyke Perényi, Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups vyd fasst ihre Sicht so zusammen: „Cannabis bietet unglaublich viele Potenziale, um Mensch und Umwelt zu helfen. Will ich ein Bauchladen werden oder mich spezialisieren? Ein Schritt nach dem Anderen, eine gute Vorbereitung, Leidenschaft und Mut gehören beim Gründen unbedingt dazu.“

Der Einstieg in die Cannabisbranche ist aufregend und kann lohnenswert sein, aber das bedeutet nicht, dass es keine einzigartigen Herausforderungen gibt. (Angehende) Cannabisunternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, was sie bewegen möchten, worauf sie sich einlassen und womit sie es zu tun haben werden. ↙

Falk Altenhöfer ist seit über zehn Jahren erfolgreicher Unternehmer für digitale Geschäftsmodelle. In den letzten fünf Jahren hat er vor allem Investoren und Unternehmer unterstützt, Teams datenbasiert nach der Strategie auszurichten. Vor knapp zwei Jahren gründete er das Cannabis-Start-up STUDIO. Dies hilft Gründern dabei ihre Produktidee oder Dienstleistung schnell und effizient am Markt zu testen, die passende Zielgruppe zu finden und von Beginn an mit den richtigen Partnern zusammenzuarbeiten. Altenhöfer unterstützt auch Gründer kostenlos bei den ersten Schritten. www.cannabis-startups.com

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Frauen sind in diesem Geschäft nach wie vor weltweit unterrepräsentiert. Nicht nur an Gründerinnen fehlt es, sondern auch an Frauen in der Belegschaft und in Führungspositionen.
Carlo Tenoort, Erfinder von Cannabiszäpfchen auf Basis von CBD. Nyke Perényi, Gründerin & Geschäftsführerin vyd. Jasmina Bergen, Mitbegründerin DiGiGrowers GmbH.

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CO2 Extraktion

Für die Marktübersicht CO2-Extraktoren hat CannaVision zehn nationale und internationale Firmen eingeladen, ihre Produkte in Tabellenform nach vorgegebenen Kriterien vorzustellen. Wir danken Superex Supercritical für die Teilnahme.

Für die Marktübersicht in CannaVision 01/2023 stehen Verpackungen für Blüten und Extrakte im Fokus. Firmen, die ihre Verpackungslösungen vorstellen möchten, sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Wir freuen uns über Ihre Email.

Haben Sie eine Idee für zukünftige Marktübersichten? Dann schreiben Sie uns gerne.

Kontakt: info@cannavision.eu

CannaVision erscheint zweimal im Jahr mit einer Auflage von 3.000+ Stück. Das Magazin wird auf Branchenveranstaltungen ausgelegt und auf www.cannavision.eu veröffentlicht.

MARKTÜBERSICHT 48 | 2022_02

CO2 Extraktion

Informationen beruhen auf Firmenangaben und wurden keiner unabhängigen Prüfung unterzogen.

MARKTÜBERSICHT 2022_02 | 49
Legende: ja=x, nein=/, optional=o, Alle
Superex Supercritical https://en.superex.com.tr/ Superex F-500 Superex SC-2000 Superex P-30 Extraktionszylinder Inhalt (L) 0.5 L 2 L 30 L Extraktionszylinder (Stk) 1 1 oder 2, o 1 oder 2, o Dichtungsmaterial Flanschdichtung Flanschdichtung Stangendichtung Max. zulässiger Druck (bar) 345 bar 345 bar 345 bar Max. zulässige Temperatur (°C) 70 °C 70 °C 70 °C Max. CO 2 Durchfluss (kg/h) 0,6 kg/h 12 kg/h 180 kg/h Separator Inhalt (L) 50 ml 0.5 L 10 L Separator (Stk) 2 3 2 or 3, o Separator - max. Betriebsdruck (bar) 1 bar 220 bar 220 bar Separator - max. Betriebstemperatur (°C) 100 °C 70 °C 70 °C CO 2 -Recycler Kapazität (kg) / / 30 kg CO 2 -Recycler Betriebsdruck (bar) / / 100 bar CO 2 -Verbrauch pro Charge (kg) Betrieb Durchschnitt 1.5-2 kg 0,2 kg 5 kg Stromverbrauch pro Charge (kWh) 2000 W/h 3 kWh 25 kWh Gesamtmasse der Anlage ca. (kg) 100 kg 300 kg 2 Tonnen Anlageabmessungen (LxBxH mm) ca. 770 x 400 x 640 1200 x 800 x 1200 2900 x 2500 x 2870 Zertifikate CE (Richtlinie zur Maschinensicherheit) CE PED, o CE PED, o Herstellergarantie 1 year 1 year 1 year Weitere Informationen Erschwinglicher Preis Kann speziell für den Prozess gestaltet werden Im Pilotproduktionsvolumen, skalierbar

Pia Marten

Nachhaltigkeitsbewusste Unternehmerin

Pia Marten ist Geschäftsführerin und Mitbegründerin der Cannovum AG, einem in Berlin ansässigen, voll-lizenzierten pharmazeutischen Großhändler, Importeur und Hersteller von hochwertigem medizinischen Cannabis. Vor der Gründung war Marten im Bereich der erneuerbaren Energien tätig und will nun Nachhaltigkeit auf den deutschen Cannabismarkt bringen. Seit Mai 2021 ist die Cannovum AG an der deutschen Börse gelistet und die heute 32-Jährige die jüngste weibliche Vorständin, die ein Unternehmen an die Börse gebracht hat. Ihre Freizeit verbringt die Unternehmerin gerne mit paddeln, lesen oder mit einem Hörbuch.

Wenn Sie eine Sache auf der Welt ändern könnten, was wäre das?

Es existieren immer noch sehr viele Klischees und gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Cannabis. Das ist die eine Sache, die ich gerne ändern möchte. Ich möchte stattdessen das therapeutisch-medizinische Potenzial der Pflanze hervorheben. So können wir Patienten unterstützen, die von einer Cannabistherapie profitieren könnten. Dafür brauchen wir insgesamt mehr Aufklärung über Cannabis und cannabisbasierte Therapien in der Öffentlichkeit, aber auch eine fundierte medizinisch-pharmazeutische Weiterbildung. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir auch, dass die Kostenerstattung der Therapien durch die gesetzlichen Krankenkassen weiter ausgebaut wird und letztendlich mehr Patienten mit medizinischem Cannabis versorgt werden können. Eine Chance das zu erreichen sehe ich in der Legalisierung.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf?

Ich freue mich jeden Tag mit einem tollen, motivierten Team zusammenzuarbeiten.

Jeder von uns bringt einen individuellen Blick, verschiedene Ideen und Erfahrungen mit. So haben wir schon Großartiges zusammen geschafft. Was uns dabei immer wieder freut und weiter antreibt, ist es, positive Erfahrungen von Patienten zu hören und zu merken, wie sehr Cannabis ihre Lebensqualität verbessern kann. Denn jeder Patient verdient die beste Therapie!

Was ist das Beste an Ihrer Branche?

Das Beste für mich ist es, die Cannabisrevolution mit voranzutreiben und in diesem spannenden Feld zu arbeiten. Die Cannabispflanze hat ein riesengroßes Innovationspotenzial mit diversen Einsatzgebieten und auch das medizinische Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Der Cannabismarkt ist sehr dynamisch. Mit der Legalisierung von Cannabis als Genussmittel kommt ein weiteres wachstumsstarkes Marktsegment dazu. Kurz gesagt: Es wird nie langweilig.

Welche Bedeutung hat Cannabis für Sie?

Cannabis bedeutet für mich Nachhaltigkeit. Zuerst denke ich da natürlich an unsere Cannovum Eigenmarke und an Cannabispflanzen, die ohne den Einsatz von chemischen Pestiziden heranwachsen und bei Sonnenlicht aromatisch reifen. Cannabis ist ein natürliches Produkt mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Es ist ein natürliches Arzneimittel, das bei einer großen Bandbreite an Indikationen angewandt und die Lebensqualität von Patienten verbessern kann. Cannabis ist aber auch ein Genussmittel und ein sehr schnell wachsender Rohstoff, der beispielsweise nachhaltig in der Textil- und Baubranche genutzt wird.

Was darf in Ihrem Reisegepäck nicht fehlen?

Auf jeden Fall Sonnencreme, ein Sonnenhut und ein gutes Buch.

Welches ist Ihr Lieblingsort auf der Welt?

In einer kleinen Bucht in Portugal an der Algarve zu sein, mit einem Vinho Verde in der Hand, gutem Essen und guten Freunden.

DAS BESTE ZUM SCHLUSS 50 | 2022_02
Online www.cannavision.eu DAS MAGAZIN FÜR DIE CANNABISWIRTSCHAFT

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