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Qualitätssiegel für die Cannabiswirtschaft
Gütesiegel, Qualitätssiegel oder Gütezeichen haben eine lange Geschichte, auch wenn diese oft andere Bezeichnungen tragen. So kann man sicher sagen, dass die ersten Münzzeichen für eine Prägestelle gleichzeitig auch die ersten Qualitätssiegel der Welt waren. Der Nominalwert einer Münze stand für die Korrektheit des Materials und die Menge. Der verantwortliche Münzmeister musste auf Münzen seinen Prägestempel hinterlassen und stand somit für die bei ihm geprägten Münzen mit seinem Namen ein. Von Stefan Meyer
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Unsere heutige Definition für Güte- bzw. Qualitätssiegel stimmt mit der damaligen überein. Ein Qualitätssiegel oder Gütesiegel trifft eine Aussage über die Qualität eines Produktes und über die eingehaltenen Standards. Gegenüber dem Nutzer geht der Hersteller (oder Münzpräger) ein Versprechen zur Qualität, Zusammensetzung und Beschaffenheit des Produktes ein.
Historische Nutzung von Qualitätssiegeln
Schon vor der Prägung der ersten Münzen wurden Metallstücke bzw. Metalldrähte als Geld verwendet und in kleinen Säcken mit einem Siegel verwahrt. Auch diese garantierten damals eine stets gleiche Menge an Wert. Bereits die alten Ägypter und Mesopotamier nutzten Siegel als Bestätigung für Qualität und Inhalt, zum Beispiel auf Ölamphoren. Nur konnte man damals die Menge nicht genau definieren. Man erinnere sich nur an die Elle als Längenmaß. Sie war immer so rund 50 Zentimeter lang – aber eben nicht genau. Gerade bei wertvollen Waren war aber eine vergleichbare internationale Maßeinheit dringend notwendig und so setzte sich bei Gold und Edelsteinen die Maßeinheit Karat durch. Der Legende nach wurde das Karat durch das Gewicht des JohannisbrotbaumSamens definiert. Dieser war überall in der Welt, wo er wuchs, durchschnittlich 0,197 Gramm schwer. Die Geschichte von Qualitätskennzeichen ist kurzweilig und nicht frei von ungewollten Ergebnissen. So führte ein Streit zwischen Herstellern von Schneidewerkzeugen aus Sheffield und Deutschland, die vergleichbare Produkte vertrieben, zur Kennzeichnungspflicht der billigeren und damals noch schlechteren Produkte aus Deutschland. Am 23. August 1887 wurde durch die Unterzeichnung des „Merchandise Marks Act“ der britischen Behörden der Zwang zur Kennzeichnung im Handelsmarkengesetz beschlossen. Seitdem mussten alle deutschen Produkte im Vereinigten Königreich mit dem Aufdruck „Made in Germany“ gekennzeichnet werden. Doch schon nach wenigen Jahren waren die deutschen Schneideprodukte den englischen Produkten zumindest ebenbürtig und so wurde „Made in Germany“ ein anerkanntes Qualitätskennzeichen. Heute darf ein Hersteller selbst entscheiden, ob er die Herkunft seiner Produkte mit einem „Made in …“ kennzeichnen möchte, wobei sich die Geschichten wiederholen könnten. Produkte mit der Kennung „Made in China“ wurden in den 80/90er Jahren häufig noch als billig und qualitativ minderwertig verstanden. Heute beziehen viele Länder Hightechprodukte aus China, auf welche unsere Industrie angewiesen ist. Man muss nur an den Anfang der Corona-Epidemie denken, als China ganze Industriezweige durch Quarantäneregeln komplett lahmgelegt hat. Es gab plötzlich keine Speicherschaltkreise oder Festplatten für PCs und Notebooks mehr, außerdem war die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten beeinträchtigt.
Qualitätssiegel von heute
In Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt kann jeder ohne gesetzliche Regelungen Qualitätssiegel definieren und nach seinen Vorstellungen vergeben. Damit ist einer gewissen Unsicherheit Tür und Tor geöffnet. Um diesen Sachverhalt abzustellen, hat sich in Deutschland ein Verein gebildet, das Deutsche Institut für Qualitätsstandards und -prüfung e. V. (DIOP). Dieses arbeitet komplett unabhängig und ist nicht profitorientiert. Das DIOP hat Richtlinien und Umsetzungsbestimmungen für eine unabhängige Bewertung von Produkten und Serviceleistungen entwickelt. Mit einer DIOP-Zertifizierung erhält der Geprüfte ein Zertifikat, welches die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit seiner Qualifizierung bestätigt. Das wohl bekannteste deutsche Qualitätskennzeichen ist der TÜVPrüfbericht und die angebrachte TÜV-Plakette am Autokennzeichen. Damit wird sichergestellt, dass das genutzte Auto den geforderten technischen Mindestanforderungen der StVO entspricht. Typische Nutzungsbeispiele eines Qualitätskennzeichens bzw. Gütesiegels sind meistens bezogen auf: • den technischen Zustand eines Gerätes bzw. Apparates • die Nachhaltigkeit eines Produktes bzw. Prozesses • die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer Nutzung bzw. Anwendung • die Umweltsicherheit bzw. Umweltunbedenklichkeit
• den regionalen Ursprung • die Internet- bzw. Datensicherheit • eine Kundenempfehlung • die Servicequalität • oder auch auf einen Top-Arbeitgeber
Diese Liste kann nicht vollständig sein, gibt aber eine Vorstellung davon, dass man nahezu für alle Produkte oder Services eine Qualitätsaussage machen und diese mit einem Siegel versehen kann. Heute existieren mehrere Hundert verschiedene Qualitätssiegel allein in Deutschland. Dadurch ist eine Nachvollziehbarkeit der damit verbundenen Aussagen bzw. Zusicherungen für die Kunden meist schwierig bis unmöglich. Dieser Sachverhalt führt sicher auch dazu, dass die Bedeutung und Sicherheit von solchen Siegeln nachgelassen hat. Ein Grund mehr für den Bundesverband Cannabiswirtschaft BvCW, dem eigenen Qualitätssiegel, bezüglich Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Unabhängigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Das Qualitätssiegel des BvCW
Die Produkte der Hanfbranche werden häufig noch als Waren aus einer gesetzlosen und ungeregelten Grauzone betrachtet, deren Qualität reine Vertrauenssache ist. Oft führte bisher Unwissenheit, Profitgier oder auch der nicht adäquate Produktionshintergrund der Waren zu inakzeptablen Produkten hinsichtlich Qualität und Vertrauen. Dieser Zustand schadet der gesamten Hanfbranche. Deshalb hat sich der BvCW entschieden, eine Firma zu beauftragen, welche eine unabhängige Qualitätskontrolle der Hanfprodukte aufbauen soll. Diese neugegründete Firma ist die CannaCert UG, welche für den BvCW e. V. diese Leistungen zukünftig anbieten wird. Die CannaCert UG hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Einhaltung der messbaren rechtlichen Parameter und Werte bezüglich Qualität und Zusammensetzung zu prüfen, um dem Auftraggeber die Zusammensetzung zu bestätigen und eine allgemeingültige Aussage zum Produkt bezüglich der Einhaltung von Normen und Regeln zu tätigen. Dabei wird die CannaCert sich bei der Beurteilung und Bewertung der gewählten Parameter ausschließlich auf die gesetzlichen Normen und Grenzwerte beziehen. Das Unternehmen wird dafür die Produkte von Kunden herkunftsneutral umverpacken und an qualifizierte Labore schicken, welche die Qualität und Zusammensetzung analysieren. Die Umverpackung ist für die Neutralität der Analyse wichtig. Die Analyselabore selbst wurden und werden regelmäßig in Ringversuchen überprüft. Das Kontrollunternehmen wird für seine Arbeit auftragsbezogen bezahlt, also völlig unabhängig vom Ausgang der Qualitätskontrolle. Es übergibt seine Ergebnisse an den Branchenverband, der dann auf der Basis der gesetzlichen und verbandsinternen Grundlagen ein Qualitätssiegel vergeben wird.
Die wichtigsten Ansprüche an das BvCW-Qualitätssiegel sind: 1.die finanzielle Unabhängigkeit der mit einem Qualitätssiegel verbundenen Aussagen 2.die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vergabekriterien 3.die Unabhängigkeit und Qualifikation der Analysenlabore 4.die Nachfragemöglichkeit der Endkunden zur Produktqualität
Die CannaCert baut dafür eine Datenbank auf, in der alle Ergebnisse der kontrollierten Produkte zusammengefasst und über eine Kontrollnummer nachvollziehbar für jedermann abrufbar sein werden. Zu Anfang werden diese Leistungen für Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel angeboten, die in einem Zusammenhang mit Hanf und dessen Inhaltsstoffen stehen. Dieser Service zum Erlangen eines Qualitätssiegels für Hanfprodukte steht sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern des BvCW offen. Die Kosten der angebotenen Analysenservices liegen für BvCWMitglieder zwischen 750 und 1.000 EUR pro Produkt und Analyse, für Nichtmitglieder bei ca. 1.200 EUR. Neben der eigentlichen Analyse und Bewertung des Produktes kann und wird es weitere, nicht angemeldete Qualitätsüberprüfungen geben. Diese Maßnahme soll die Stabilität der Produktqualität unterstützen. Im Falle der Verleihung eines Qualitätssiegels kann der Auftraggeber es natürlich auf dem Produkt oder der Website anbringen bzw. bei Verkauf und Marketing damit werben. Das Qualitätssiegel wird jeweils nur für zwölf Monate gültig sein und im Falle einer Abweichung bei einer unangemeldeten Qualitätskontrolle schon vorher seine Gültigkeit verlieren. Für Tabakersatzstoffe fehlen zurzeit noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Sobald diese verfügbar sind, werden auch diese Produkte in das Leistungsspektrum der CannaCert aufgenommen. Als zusätzlichen Service wird die CannaCert auch die Kontrolle der Angaben auf den Etiketten und der Anwendungsempfehlungen, sowie des zwingend notwendigen Qualitätssystems der Produzenten anbieten. Im Falle von Problemen mit dem Etikett oder Qualitätssystem wird auf qualifizierte Ansprechpartner hingewiesen, welche diesen Service für BvCW-Mitglieder zu reduzierten Preisen anbieten.
Zukünftige BvCW-Qualitätssiegel
Zukünftig wird sich das Qualitätssiegel des BvCW nicht nur auf die qualitative Zusammensetzung der Produkte beschränken. Fest geplant ist auch ein Produktwettbewerb, bei dem es neben der Verpackung und Kundenzufriedenheit auch auf die Produktinnovation ankommen wird. Dies sind jedoch Pläne für die nächsten Jahre und sie werden in Absprache mit den Mitgliedern bei der kommenden Jahreshauptversammlung Gegenstand der Diskussion sein. ↙
Dr. Stefan Meyer
ist Präsident des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft e.V. und Geschäftsführer der Neo-Livia GmbH. Im BvCW bearbeitet er federführend den Bereich Qualitätssiegel und Analysetechnik.