Weinseller Nr. 26 (Gesamt)

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NATURWEIN ZU TISCH Wie serviert man einen Naturwein am besten und wann? Zentral bei dieser Überlegung ist, mit wem man diesen Wein geniesst. Denn bekanntlich hat Weingenuss verschiedene Toleranzzonen.

Text ________ Ilona Thétaz Illustrationen ________ Emma

D

a hat man erfolgreich einen Naturwein gekauft. Man ging zu diesem Zweck gut gelaunt in einen modisch eingerichteten kleinen Laden in einem hippen Kreis. Dort standen die Flaschen in Etageren, in Reih und Glied. Allesamt bunt etikettiert, gut benannt. Aus allen Ecken der Welt. Der Verkäufer konnte mit einigen gut platzierten Adjektiven DEN Wein für dich auswählen.

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Den Wein eingepackt in eine Craftpacktasche, schlendert man raus aus dem Kreis in seinen eigenen. Man fühlt sich zeitgenössisch, und mit dabei hat man das Gefühl, quasi einen Rebstock in besagter Lage mit Aussicht in seiner Tasche zu haben. Der Einkauf fühlt sich gut an, irgendwie aufregend, ein Naturwein! Der Wein wird im Weinregal neben Pingus, Fendant les Terrasses und Co. verstaut und wartet auf seinen Wirkungskreis. Jetzt aber, wann soll der angesagte Naturwein auf den Tisch? Kann ich unseren Gästen vom Vorstandsessen des Turnvereins Obergastatelen solch einen Tropfen entkorken? Darf man das? Und wenn er dann offen ist, wie geht man mit dem Gefühl und der Nase um, weil man zu grösserer Sicherheit einmal denkt, OUPS, der Wein ist nicht mehr gut? Wie setzt man Naturwein in unseren Weinalltagen ein?

Und wem soll man ihn eigentlich ganz und gar nicht vorsetzen? Übermütig hole ich eine Birnenwähe aus dem Backofen, es riecht milde nach der Frucht, es liegt Butter in der Luft und die angerösteten Haselnüsse verleiten dazu, sich zu Hause zu fühlen. In diesem Moment denke ich an einen Wein, einen Altesse aus der Savoie. Klirrend wie


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