
20 minute read
by George Tatge No
DER REPORT

WEINWISSEN
44 Das Weinbuch
Oz Clarke: Mit 100 Flaschen die Geschichte des Weins erklärt
86 Die Weinpublikation
James Magazine
108 Die Geheimnisse der Sommelière Paula Bosch
Fine Wines – die «Crème de la Crème» der Weinwelt
150 Die Traube – La Grappe
Cornalin – historischer Walliser
EMPFEHLUNGEN STORIES
52 Weinseller 2022
Highlights aus Spanien Spanien-Evolution
100 Die Entdeckungen
Chandras Weinkühlschrank
128 Chef’s Table
Guten Appetit im Château du Clos de Vougeot
146 Wein-Travel
Oliver Mumenthaler, Singapur


Foto ©Lenny Kravitz für Dom Pérignon
40 Swiss Wine Unplugged by Victoria James
Der Komiker im Restaurant Manhattan mit dem Schweizer Pinot Noir
89 Martin Walker
Martin Walker zum Klimawandel und den Auswirkungen für die Weinberge von Bergerac und Bordeaux
94 Natürlich mit Ilona
Naturwein zu Tisch
118 Die Markenstory
Nach Ungarn mit Royal Tokaji
137 Italienische Weinpoesie by George Tatge No 10
Conte Vistarino – Strapiombo (Steilhang)
156 Kabarett Sauvignon
Thomas C. Breuer No 9 – Argentinien und Chile
DIES UND DAS
9 Editorial
160 Impressum / Vorschau auf N° 27 2022

ITALIEN

Castello di Brolio
Ricasoli ist als eines der ältesten Weingüter Italiens dokumentiert.

Ein Sangiovese-Rebenmeer vor dem historischen Schloss. Ich stelle mir vor, wie wunderschön wohl die Farbenpracht im Herbst sein muss.

Die Grundmauern des Castello di Brolio gehen auf 1141 zurück.





Der Bruder meiner Grossmutter mütterlicherseits war nicht nur ein begnadeter Koch, er war auch ein preisgekrönter Ciclista, der wenn immer möglich auf sein Fahrrad sass und durch Italien tourte. Cesare Torelli – 2,10 Meter gross – war mein Lieblingsgrossonkel, da er immer die wildesten Geschichten von seinen Ausflügen erzählte und grosse Freude an meinem angeborenen Appetit hatte. Es war auch er, der mir zum ersten Mal vom Castello di Brolio erzählte, zumal er auf einer seiner Touren am Castello vorbeikam und so fasziniert war, dass er immer wieder davon berichtete, nicht wissend, dass wenige Jahre nach seinem Tod ein offizielles Radrennen genau hier stattfinden sollte – die Eroica.
Barone Ricasoli — toskanische Weinkultur seit 1141
Müsste man eine Folge von «Downton Abbey» in Italien drehen, wäre das Castello di Brolio der richtige Schauplatz – inklusive des Barone Francesco Ricasoli, der das Weingut seit 1993 leitet. Viel älter ist die Geschichte des Gebäudes und seiner Vorfahren. Begonnen hat alles 1141.
Sie wurde 1997 aus Liebe zum Radsport in Gaiole in Chianti gegründet. Der Zauber der Eroica verdankt einen Grossteil seines Charmes auch dem Staub der weissen Strassen, die durch die Weinbergslandschaften der Toskana führen, von denen auch Cesare immer sprach – nicht ohne dabei auch immer einen Schluck Chianti des Castellos zu trinken. Kaum betrat ich den Empfangsbereich des Castello di Brolio, war Cesare wieder bei mir – zumindest in Gedanken, denn das erste Objekt, das man sieht, ist nicht etwa ein weinspezifisches, sondern ein Rennrad, ganz abgesehen davon, dass es ein ganzes Eroica-Museum vor Ort zu besuchen gibt. Auch wenn die Weine von Castello di Brolio gerade wieder in aller Munde sind (was wir Francescos Terroir-Projekt zu verdanken haben, auf das wir gleich zu sprechen kommen), war Wein nicht immer Zentrum seines Seins. Das pure Gegenteil der Antinoris oder Frescobaldis – ähnlich historische Adels- und Weinbaufamilien, die die globale Weinevolution in den letzten 30 Jahren massiv geprägt haben, national wie international. Mit önologischer Tradition und Innovation. Bei Ricasoli scheint es erst jetzt zu beginnen – und gar nicht schlecht. Letztes Jahr erhielt einer der neuen LagenSangiovese, der CeniPrimo 2018, bereits 100 Punkte von James Suckling. Auch uns haben diese Weine sehr gut gefallen (siehe Box).
Für einmal auch etwas Sportliches, zumal der Radrennsport auf Castello di Brolio auch eine Rolle spielt. Das Rennrad «L’Eroica» basiert auf dem Modell «Campione d’Italia», das Bianchi ab den 1950ern produzierte.
Barone Francesco Ricasoli war bis 1993 als Fotograf tätig. Seither sorgt er sich um das Wohlergehen seines historischen Erbes, das gerade dabei ist, seine neue Pracht zu offenbaren.

Es wird angenommen, dass das Bollwerk aus der Feder des Architekten Giuliano da Sangallo stammt.

Die Frage ist daher naheliegend, warum man bis jetzt nicht gleich intensiv von Ricasoli gesprochen hat wie von den anderen Adelsfamilien. Eine der Antworten ist sicher die, dass Francesco Ricasoli in seinem Herzen ein Fotograf ist, der diesen Beruf auch ausgeübt hat. Also zwei ganz unterschiedliche Künste. Die eine ist eine Momentaufnahme, die andere ein wie Quecksilber kaum festzuhaltender Moment, zumal Wein sehr lebendig ist und sich ständig verändert. Zum Glück ist der Barone aber auch sehr von Japan angetan, von der Reduktion auf die Perfektion und dem ultimativ Schönen – und genau das spürt man beim Verkosten seiner neuen Lagenweine Colledilà, Roncicone und CeniPrimo. Er hat durch sie einen Weg gefunden, sich der bellezza des Sangiovese zu nähern, was er jetzt Ernte für Ernte und Schritt für Schritt und mit viel Geduld tut.


Francesco Ricasoli ist ein Mann von vielen Talenten. Als Fotograf genoss er einen besonders kreativen Austausch mit unserem Fotografen Jacopo Salvi.


Mittelitalien ist die Heimat der Toskana und damit eine der weltweit bekanntesten Weinregionen. Es ist auch die Heimat des Chianti, des Brunello di Montalcino und des Vino Nobile di Montepulciano. Drei Weintypen, die alle aus der Sangiovese-Traube vinifiziert werden. Aus ihr werden je nach Herkunft sowohl leichte, süffige wie auch komplexe, vielschichtige Rotweine produziert. Die Traube eignet sich wunderbar für den Barrique-Ausbau und hat ein interessantes Alterungspotenzial. Typische Aromen eines traditionellen Weines sind Sauerkirschen, Veilchen, Kräuter, Himbeeren, Johannisbeeren und im Abgang auch Schwarzteenoten. Die Säure ist markant und erinnert an jene Säure, die man in Tomaten findet. Ebenfalls markant sind die trockenen und straffen Gerbstoffe, die dem Wein eine schöne Struktur verleihen und ihn zu einem perfekten Speisebegleiter machen. Modern vinifizierte Weine kommen geschliffener, dichter und runder daher. Man entdeckt viel Vanille, schwarze Kirschen und Pflaumen. Gerne wird diese Sorte auch mit Cabernet Sauvignon gemischt. In der Regel dominieren dann die Cassisaromen im Wein. Sangiovese ist eine komplexe und charaktervolle Traubensorte, die dank ihrer frischen Fruchtnote und saftigen Säure sehr süffig ist. Bei Blindverkostungen wird Sangiovese gerne mit Nebbiolo verwechselt, weil sie beide eine blasse bis mittlere Farbe aufweisen, einen mittleren bis vollen Körper und einen ähnlichen aromatischen Stil und einen mässigen bis hohen Gehalt an sandigen Tanninen zeigen, die sich vor allem auf dem Zahnfleisch bemerkbar machen. Jedoch sind die SangioveseTannine nicht ganz so ausgeprägt und qualitativ hochwertig wie Nebbiolo-Tannine. Besonders bei jungen Weinen fühlen sie sich kürzer an und lassen an Schmirgelpapier denken. Ausserdem hat die Frucht eine andere Textur als die NebbioloFrucht. Sangiovese hat eine unverwechselbare staubige Qualität. Oft zeigt die Traube auch etwas mehr Fruchtkonzentration am mittleren Gaumen.

Betriebsleiter Massimiliano Biagi erklärte mir die Ausrichtung der Sangiovese-Trauben und Francesco die Erkentnisse seiner 30-jährigen Bodenstudie der Terroirs rund um das Castello.



Steht man auf der Terrasse des Castello di Brolio, hat man einen unvergesslichen Blick auf die Toskana, ihre Rebberge und ihre Weite – auch sieht man das Schloss von weitem. Was für ein strategisch perfekter Punkt, der bei klarem Wetter auch einen Blick auf Siena erlaubt. 120 Personen (deren Familien teils seit Generationen hier tätig sind) arbeiten für den Barone, der mit seinen zwei Schwestern auf dem Castello aufgewachsen ist. «Ich bin im Schloss geboren, ich habe alles gesehen, was mich umgibt, seit ich mich erinnern kann: Die 1200 Hektaren Wald und Land waren immer die Räume um mich herum. Die 240 Hektaren Weinberge waren immer die bezaubernden Weiten, wo ich sah und sehe, wie die Trauben für den Brolio-Nektar kultiviert werden, und die 26 Hektaren Olivenhaine, denen wir das wertvolle flüssige Gold zu verdanken haben.» Brolio ist auch ein grosser Treffpunkt für Wein- und Geschichtsinteressierte. 50000 Besucher werden hier jedes Jahr empfangen und in den verschiedenen Restaurants verpflegt. Die ältesten Steine des Castello stammen aus dem Hochmittelalter. So erklärt Francesco: «Heute weist das mehrfach wiederaufgebaute und renovierte Schloss die Merkmale verschiedener Epochen auf: die mittelalterlichen Bollwerke, romanische und gotische Elemente und die typischen Merkmale des toskanischen 19. Jahrhunderts.» Die Geschichte des Castello di Brolio und der Familie Ricasoli füllt ganze Bände. Schon im Reich Karls des Grossen zählt die Familie Ricasoli zu den Würdenträgern unter den adeligen Lehnsherren. Anfang des 13. Jahrhunderts beginnt die Dynastie sich zu verzweigen und vereint sich dann erst zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert wieder. Seit Beginn des 13. Jahrhunderts kämpft die Familie an der Seite von Florenz und über Jahrhunderte schreiben Generationen von Ricasoli und das Castello di Brolio Geschichte: von den endlosen Schlachten gegen Siena bis hin zur Einheit Italiens. Bettino Ricasoli, der «Eiserne Baron» (Barone di Ferro), wird nach Cavour zweimal Ministerpräsident im neu vereinten Italien. Bettino «geistert» auch heute noch im Castello herum und auch wenn es um Chianti Classico generell geht – denn erstens soll er 1872 die Rezeptur des Chianti Classico erfunden haben und zweitens gilt er als «Geist des Schlosses», der nachts schwarz gekleidet immer wieder auf einem weissen Pferd durch das Chianti-Gebiet reitet. Der Legende zufolge soll er sehr streng und mit eigenen Vorstellungen gesegnet gewesen sein. Er verbot die religiöse Verehrung der Jungfrau Maria und erlaubte hingegen die Verehrung des Sant’Isidoro, des Heiligen der Bauern, der Gehorsam gegenüber seinem Herrn predigte. Auch soll er offenbar die Pfirsiche an den Bäumen und die Trauben seiner Reben gezählt haben, um sicherzugehen, dass die Bauern nichts von seiner Ernte gestohlen hatten. Wie dem auch sei – Bettino verstarb 1880, vor über 140 Jahren. Zum Glück habe ich erst nach meinem Besuch auf Brolio von dieser Geschichte erfahren, sonst wäre mein Schlaf etwas unruhiger verlaufen, denn diese Geschichte liess mich gleich an den 1939 erschienenen Schwarz-Weiss-FilmKlassiker «Sherlock Holmes – Der Hund von Baskerville» von Sidney Lanfield denken.


Auf der Reise mit dabei ist auch Flavio Scannavino vom Hotel de Ricci in Rom. Zusammen mit Massimiliano Biagi und Barone Francesco Ricasoli verkosteten wir Weine direkt aus den Fässern. Doch zurück zur Gegenwart, die auf Brolio besonders farbenfroh ist – von den sanften grünen Hügeln, die das Schloss umzingeln, zu der rötlichen Burg und der generell sehr bunten Flora des Gebiets. Eine gesunde Umwelt und Nachhaltigkeit sind für Francesco ein Muss. «Wir betreiben seit vielen Jahren eine immer naturfreundlichere Landwirtschaft. Wir haben Nein gesagt zur chemischen Unkrautbekämpfung und zu Pestiziden und uns für Düngungs- und Schädlingsbekämpfungsmethoden entschieden, die über die Richtlinien der biologischen Landwirtschaft hinausgehen», betont er. «Das Gebiet von Ricasoli ist eine grüne Lunge, deren Erhaltung eine jahrhundertealte Tradition hat.
Während in den Wäldern auch eine artenreiche Fauna lebt, die dank der gesunden Umwelt gut gedeiht, begünstigt die nachhaltige Bewirtschaftung der Weinberge auch das Leben und die Arbeit der bestäubenden Insekten und der wirbellosen Landtiere, die die Böden aufbessern», erklärt er weiter.

Beratender Önologe an seiner Seite ist Carlo Ferrini, dem wir zahlreiche Topweine Italiens zu verdanken haben, so etwa San Leonardo, Castello di Fonterutoli, Petrolo, Poliziano, Tasca d’Almerita oder Masciarelli – wie auch die bezaubernden Weine seines eigenen Weingutes Giodo in Montalcino. Die beiden ästhetisch gleich kalibrierten Liebhaber der schönen Künste arbeiten seit Jahren an einer aufwendigen Terroirstudie, der wir die drei neuen «Chianti Classico Gran Selezione»-Weine zu verdanken haben. «Colledilà» war der erste. Dazu der Barone: «Dieser Cru zeichnet sich durch seine komplexe Struktur und grosse, moderne Eleganz aus. Das Terroir ist ein kalkhaltiger Ton, felsig, reich an Calciumcarbonat und arm an organischer Substanz.» Der Weinberg Colledilà liegt auf einer geologischen Formation namens Monte Morello, auch bekannt als Alberese. Er ist sieben Hektaren gross und liegt auf 390 Meter über dem Meeresspiegel. Der zweite Cru trägt den Namen «Roncicone». «Seine ausgeprägte florale Frische verschmilzt mit anfänglichen würzigen Noten. Säure und gut definierte Mineralität und ganz feine Tannine sind hier zentral», fügt Francesco weiter

Unweit des Weingutes befindet sich dieser mächtige Baum, der eine noch mächtigere Aura hat. In Bernardo Bertoluccis Filmdrama «Stealing Beauty» ist er Schauplatz einer Liebesnacht.



hinzu. Erneut handelt es sich um einen reinen Sangiovese, der aber auf einem anderen Boden gedeiht. Hier handelt es sich um pliozäne Meeressedimente mit sandigen Ablagerungen und Felsgestein sowie Lehm in tieferen Schichten. Der Roncicone-Rebberg befindet sich auf einer geologischen Formation von Meeresablagerungen. Der Weinberg mit Südostausrichtung ist rund zehn Hektaren gross und liegt auf 320 Meter über dem Meeresspiegel. «CeniPrimo» ist der dritte Cru, über den der Barone besonders gerne zu erzählen scheint – auch wenn es sich um den kleinsten der drei Rebberge handelt. Die sechs Hektaren liegen auf 300 Meter über dem Meeresspiegel und sind nach Südwesten ausgerichtet. «Für mich verrät dieser Wein, wie ein grossartiger Sangiovese schmecken muss», meint Francesco und fährt fort: «Der Weinberg liegt im grossen Tal des Flusses Arbia im südlichen Teil des Grundstücks. CeniPrimo befindet sich auf einer antiken geologischen Flussterrasse. Jeder von uns produzierte Wein hat eine sehr eigenständige Persönlichkeit, obwohl alle in demselben Gebiet hergestellt werden. Das Verdienst liegt in den vielfältigen Böden, Höhenlagen und Mikroklimata, die es uns ermöglichen, die wahre Natur des Brolio-Terroirs hervorzuheben.» Es gibt heute also keinen Grund mehr, warum der Name Ricasoli nicht wie andere toskanische Adelsnamen erblühen sollte und Weingeniesser auf der ganzen Welt dazu animiert, von der historisch einmaligen Toskana zu träumen, wenn sie einen Schluck Castello di Brolio trinken oder wenn sie mit dem Rennrad davor vorbeifahren – entweder bergauf oder bergab.

Colledilà Roncicone CeniPrimo
Das Nachtessen im grossen Saal. Ursula Thurner war ebenfalls dabei und genoss mit uns die hausgemachten Tortelli, die perfekt zu einem Glas Castello di Brolio passten.

DIE VERKOSTETEN
WEINE

Roncicone 2018 Chianti Classico Gran Selezione

«SCHLANK UND KÜHL»
Die Etiketten der Weine von Castello di Brolio sind weder zu modern noch zu altmodisch, sondern dekorativ und zeitlos.

Wir beginnen die Verkostung mit der höchsten Lage und gehen tiefer runter zu CeniPrimo. Dieser Cru verführt tatsächlich mit einer schönen Frische. Noten von schwarzen Kirschen, Pflaumensorbet und Zedernholz sind zu erkennen. Im Gaumen saftig, viel Struktur und erneut eine strahlende Frische. Mineralisch und etwas reduktiv. Strahlt die Klar- und Kargheit einer architektonischen Kreation von Peter Zumthor aus. Straff, kühl und sehr fruchtig auf der einen und mysteriös und eigenständig auf der anderen Seite. Klassischer Stil mit viel Zeitgeist. Intellektuell und aus einer vergangenen Zeit. Wenn man nach einem aromatisch ganz eigenständigen Sangiovese sucht, dann ist dies ein gutes Beispiel dafür.
18,25 PUNKTE
Colledilà 2018 Chianti Classico Gran Selezione
«ELEGANT UND STRAHLEND»
Im Vergleich zum ersten ist hier die Nase deutlich fruchtiger mit einer marmeladigen Erdbeerkonzentration. Im Gaumen viel komplexer und stoffiger. Hat dennoch etwas Kontrolliertes in sich, das die wuchtigen Fruchtaromen in Schach hält. Nicht ganz einfach zu verstehen. Ist fast schon wie eine atonale SchönbergKomposition – man muss sich darauf vorbereiten und auch das Gehör dafür haben. Dunkle Früchte, Stachelbeeren und rote Kirschen sind zentral. Elegant von A bis Z. Ist der adligste unter den drei.
18 PUNKTE
CeniPrimo 2018 Chianti Classico Gran Selezione
«BAROCK UND CHARISMATISCH»
In der Nase verführt dieser unverblümt – hat fast etwas vulgär Gefallendes. Sehr komplex und dicht. Noten von schwarzen Kirschen, Brombeeren und Cassis. Die Tannine sind präsent und gut eingebunden. Wird den meisten gefallen, da er etwas Balsamisches offenbart. Hollywood-charismatisch à la George Clooney. Ein Schmeichler, der einen wie ein dickes rotes Samttuch einhüllt und gemütlich stimmt.
18 PUNKTE
Castello di Brolio 2010 Chianti Classico DOCG
Schöne Reife und dichte Aromen von Leder, Tabak und Unterholz. Die Tannine sind dicht, intensiv und präsent. Backpflaumen und Kirschen im Abgang. Ist reif, aber nicht müde. Klassischer, robuster Chianti mit guter Struktur. Die Frucht ist hier nicht so strahlend frisch wie bei den drei Crus.
17 PUNKTE
Castello di Brolio 2013 Chianti Classico DOCG
Nase ist blumig-exotisch. Hat eine delikate Unruhe in sich. Papaya, Quitten und Mango im Gaumen mit zusätzlichen Leder- und Antiquitätenshop-Nuancen. Die Tannine sind fein und die Komplexität intensiv.
17 PUNKTE
Hat eine schöne, kühle Note. Zedernholz, Stachelbeeren, Cassis und Kirschen. Dicht und klassisch mit einer tollen Präsenz. Die Struktur ist komplex und man fühlt die feinen, delikaten aber straffen Tannine. Im Vergleich zu den anderen ist hier die Frucht pur und strahlend. Hier hat es neben dem Sangiovese noch eine ganz kleine Menge an Abrusco im Wein.
17,75 PUNKTE
Bezugsquelle in der Schweiz: WWW.ARVI.CH WWW.FLASCHENPOST.CH
18,25 PUNKTE
Wow – che bello. Hier gehen wir in eine ganz andere Richtung. Hat schwarze Kirschen, Cassis, Leder und feine, straffe Tannine. Blumig und charmant, ganz im Stil der drei Crus. 100 % Sangiovese. Wurde im ersten Covid-Jahr fertig vinifiziert und man hat das Gefühl, dass alle etwas mehr Ruhe und Zeit hatten. Falls man die Weine von Castello di Brolio noch nicht kennt, ist das der ideale Jahrgang für einen Start.
18 PUNKTE
Castello di Brolio 2011 Chianti Classico DOCG
Sehr charmant, schmelzig und elegant. Verführt im Nu und lässt an Tabak, Schokolade und Cassis denken. Auch Backpflaumen. Ist sehr komplex und frisch im Abgang. Schön die Frische, die er gekonnt zelebriert. Keine Spur von Überreife.
17,75 PUNKTE
Castello di Brolio 2015 Chianti Classico DOCG
Ein Klassiker! Sehr präsent, ausgewogen und in toller Balance. Fast schon ein Chianti, wie er im Buche steht. Zedernholz, getrocknete Mandarinenschalen und Kirschen. Intensiv und präsent.
Das Hauptziel dieses Zonierungsprojekts war es, die wesentlichen Terroirtypen des Anwesens und des Landes zu untersuchen, um sowohl agronomische als auch önologische Entscheidungen zu treffen und diese auch im Rebberg umzusetzen, sowie die Nachhaltigkeit zu erhöhen. Die von Francesco Ricasoli durchgeführte Zonenstudie identifizierte bei Brolio neunzehn verschiedene Bodentypen, was auf die unterschiedliche Bodenzusammensetzung hinweist, die in weiten Teilen des Chianti-Classico-Gebiets zu finden ist. Die für die Brolio-Weinberge typische grosse Vielfalt ist bereits mit blossem Auge erkennbar. «Parzelle für Parzelle vinifizierter Wein hat es uns ermöglicht, Gebiete mit besonderen Qualitäten und Potenzialen zu identifizieren und daraus Weine mit Struktur und unverwechselbarem Geschmack herzustellen. Unser Anwesen kann in mindestens fünf Hauptbodensubstrate unterteilt werden», erklärt Francesco Ricasoli.
DIE BODENSTUDIE
VON CASTELLO DI BROLIO
FORMATION MACIGNO DEL CHIANTI
Boden, der allgemein als Arenaria (italienisch für Sandstein) bezeichnet wird und aus Sand und Felsen besteht, gut entwässert und mit wenig organischem Material ausgestattet ist. Höhenlagen von 400 bis 500 Meter über dem Meeresspiegel und variable Ausrichtung, Rebdichte von 5500 bis 6600 Pflanzen pro Hektare. Rebsorten: Sangiovese, Merlot, Chardonnay. Die Böden bringen komplexe und gut strukturierte Weine hervor. Dieses Gebiet eignet sich besonders gut für den Weinbau und umfasst einen Teil des Weinbergs Casalferro.
SCAGLIA TOSCANA

Auch Brolios Tonstein oder Galestro (Schieferboden) genannt. Die Böden sind sehr dünn und die geologischen Formationen in diesem Gebiet sind die Scaglia Toscana und die Formation Macigno del Chianti. Die Höhe reicht von 400 bis 500 Meter über dem Meeresspiegel, die Weinberge sind nach Westen, Nordwesten und Süden ausgerichtet. Die Rebdichte beträgt 5500 bis 6600 Pflanzen pro Hektare. Rebsorte: Sangiovese. Wein mit hohem Tanningehalt, komplexer Struktur und intensiver Mineralität.
FORMATION MONTE MORELLO
Kalkstein, allgemein Alberese genannt. Kalkhaltiger Lehmboden, felsig, reich an Kalk und Lehm und arm an organischer Substanz. Die Höhe reicht von 350 bis 390 Meter über dem Meeresspiegel, Südost-, Süd-, Westausrichtung. Rebsorten: überwiegend Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Merlot. Die Rebdichte beträgt 6600 Pflanzen pro Hektare. Weine: ausgezeichnete Struktur, Körper und Beständigkeit, mit weichen und süssen Tanninen. Das Gebiet ist ideal für Sangiovese und umfasst den Weinberg Colledilà.
ALTE FLUSSTERRASSE
Fluss-Lakustrin-Ablagerungen, die im Pliozän-Pleistozän entstanden sind. Die Ablagerungen sind schluffig, schlecht strukturiert, mit Ton. Die Höhenlage variiert zwischen 260 und 300 Meter über dem Meeresspiegel, Südwestlage. Reben: Sangiovese und Cabernet Sauvignon. Rebdichte von 5500 bis 6600 Pflanzen pro Hektare. Weine mit komplexer Aromapalette, guter Struktur, hohem Tanningehalt, Körper und Abgang. Dieses Gebiet umfasst einen Teil des Weinbergs CeniPrimo.
MARINE ABLAGERUNG
Pliozäne Meeressedimente mit Sandablagerungen und Felsen, die durch die Einwirkung des Meeres geglättet wurden, und Ton in tieferen Schichten. Guter Gehalt an organischer Substanz. Die Höhen in diesem Gebiet reichen von 300 bis 350 Meter über dem Meeresspiegel, variable Ausrichtung. Rebdichte von 5500 bis 6600 Pflanzen pro Hektare. Rebsorten: überwiegend Sangiovese. Weine aus diesen Böden sind frisch, mit würzigen Noten, eleganter Säure und ausgeprägter Mineralität. Dieses Gebiet umfasst einen Teil des Weinbergs Roncicone.
Ricasoli
Eine schöne Illustration des Stammbaums aus dem Jahr 1584 ist eines der ersten Bilder des Chianti-Gebiets und das Familienarchiv enthält Exportbelege aus dem späten 17. Jahrhundert. Der vielleicht berühmteste historische Beitrag stammt jedoch von Baron Bettino Ricasoli, der nicht nur zweimal italienischer Premierminister war, sondern nach 30 Jahren des Experimentierens und der Dokumentation die ursprüngliche Rezeptur für den Chianti-Wein entwickelte, die zum Standard für die Region wurde. Das Herz der RicasoliWeinproduktion befindet sich auf Castello di Brolio, einem prächtigen Schloss in der Gemeinde Gaiole in Chianti, das als Aussenposten erbaut wurde, um Florenz gegen die rivalisierende Stadt Siena zu verteidigen. Auf dem Anwesen wurden antike Kanonenkugeln und noch neuere Artilleriegranaten aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die die historische strategische Bedeutung der Burg mit Blick auf das gesamte Chianti-ClassicoGebiet belegen. Barone Francesco Ricasoli leitet das Weingut seit 1993 mit tiefstem Respekt für seine renommierten Vorfahren. Die ständige Untersuchung der Bodentypen und die klonale Selektion des BrolioSangiovese gehören zu seinen grössten Leidenschaften und er war für die vollständige Renovierung und Neukartierung der Weinberge verantwortlich. Die Geschichte Italiens kann nicht ohne die herausragenden Beiträge der Familie Ricasoli erzählt werden, die seit 1141 Wein produziert. Ricasoli ist als eines der ältesten Weingüter Italiens und als viertältestes Familienunternehmen der Welt dokumentiert.


Kein Report ohne ein spezielles Auto-Bild … so kommt es mir zumindest bald vor. Hier entdeckte Jacopo gerade drei jeepähnliche Erlkönige, die vor dem Castello auf Probefahrt waren. Was für ein Happening.
