marie 61/ Juni 2021

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Mittendrin in V

HÜTERIN DER GESCHICHTEN Der Blick über den Walgau ist atemberaubend. In einem ehemaligen Ausflugsrestaurant oberhalb von Schnifis hat sich Andrea Heingärtner (51) ihr ganz persönliches Paradies geschaffen. Dort geht die ausgebildete Steinmetzin und Bildhauerin ihren größten Leidenschaften nach: Innen, indem sie Schritt für Schritt die Schätze im alten Gasthaus restauriert, und außen, indem sie mit Hammer und Meißel alle möglichen Arten von Steinen in Kunstwerke verwandelt. Wie es dazu kam, erzählte sie marie-Mitarbeiterin Brigitta Soraperra, für die sie keine Unbekannte ist. Text: Brigitta Soraperra, Fotos: Petra Rainer

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ie war meine engste Sandkastenfreundin und lebte in unmittelbarer Nachbarschaft zu meinem Elternhaus in Nenzing. Sie war ein Jahr jünger als ich und Einzelkind, meine Familie bildete für sie „ein zweites Zuhause“, wie sie heute sagt. Wir spielten miteinander Verstecken, „Indianerlis“ und mit Barbies, hatten die gleichen Freund*innen und im Fasching waren wir ein unzertrennliches Gespann: sie das Rotkäppchen, ich der Clown. Als sie zehn Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern und damit auch unsere beiden Leben. Sie zog mit ihrer Mutter weg aus meiner Heimatgemeinde, am Anfang hielten wir noch einen losen Kontakt, der später abbrach. Nach der Matura verließ ich für lange Zeit Vorarlberg und kehrte erst vor wenigen Jahren zurück. Umso neugieriger war ich, als mir erzählt wurde, dass Andrea Heingärtner „verrückterweise“ das ehemalige Gasthaus „Walgaublick“ gekauft habe und dort jetzt wohne. Vor kurzem besuchte ich sie und entdeckte nicht nur einen wunderbaren Ort und eine alte Freundschaft, sondern einen außergewöhnlichen Lebensweg.

Unfreiwillig entwurzelt

„Als meine Eltern sich 1979 scheiden ließen, bin ich so ziemlich aus allen sozialen Netzen gefallen“, erzählt mir Andrea in ihrem beeindruckenden Wohnzimmer, in dem eine riesige Bartheke aus den 1960ern als echtes Prunkstück thront. „Einer Freundin wurde sogar verboten, mit mir zu spielen, weil ihre Eltern fanden, aus einem Scheidungskind, da werde nichts Gscheites.“ Außerdem litt sie nicht nur unter der Trennung der Eltern, sondern durch den Umzug auch unter dem Verlust ihrer heißgeliebten Großmutter, die im Nach-


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