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Das regeln die Marienkäfer“

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In ihrem Naturgarten „Hortus biodiversitas“ kreucht und fleucht es von allerlei Nützlingen. Dafür muss man gar nicht so viel tun. Ein Gespräch mit Caroline Büsel und Markus Rottmar aus Götzis über Mulch, torffreie Erde, Totholzhecken und die „Schädlingspolizei“.

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Text und Fotos: Christina Vaccaro

Ein Naturgarten zeichnet sich zum einen durch eine natürliche Bewirtschaftung aus. Das heißt: ohne Gift, ohne synthetischen Dünger, ohne Torf. Zum anderen durch eine natürliche Bepflanzung im Sinne heimischer Arten, also heimischer Stauden und Wildsträucher. Pflanzen, die für die Insekten- und Vogelwelt einen Nutzen haben und keine fremdländischen oder hochgezüchteten Arten, von denen keine Raupe und kein Vogel etwas hat.

Ein Schild zeigt, wo‘s lang geht. Und tatsächlich: Nach unbeantwortetem Türklingeln sind Caroline und die kleine Anna Sophia im Garten hinter dem Haus anzutreffen. Dies ist kein gewöhnlicher Garten mit Thujenhecke und kurz gehaltenem Rasen. Es blühen viele Gänseblümchen, einige Margeriten und Himmelschlüssel. Hie und da sieht man eine Kuckucks-Lichtnelke. Doch eigentlich fällt der Blick nicht auf den Boden, sondern in die Höhe: Junge Obstbäume und Wildrosen säumen die Grundstücksgrenze, in der Mitte des Gartens spendet eine stattliche Linde Schatten, weiter hinten grünt ein Holderbaum. „Unser Garten ist Teil des Hortus-Netzwerks und heißt Hortus biodiversitas, denn genau darum geht es uns – die Biodiversität zu fördern“, erklärt Caroline Büsel. Die 42-jährige Götznerin ist Volksschullehrerin, gelernte Landschafts- und passionierte Gärtnerin. Gemeinsam mit ihrem Partner Markus Rottmar hat sie vor fünf Jahren das Haus ihrer Großeltern übernommen und begonnen, den 600 Quadratmeter großen Garten zu einem artenreichen Naturgarten umzugestalten. „Bereits nach zwei Jahren hat sich die Artenvielfalt erheblich gesteigert, mit zahlreichen Insekten, verschiedensten Hummel- und Bienenarten, zwei Igeln...“

Die richtigen einfachen Maßnahmen

Das klingt nach viel Arbeit. Befragt man das Gärtnerpaar, täuscht das. „Ich kann innerhalb kurzer Zeit sehr viel tun, wenn ich die richtigen Maßnahmen setze“, beginnt Caroline. Der erste Schritt zur Verwandlung in einen Naturgarten ist das Pflanzen von Obstbäumen und Wildsträuchern und das Anlegen einer Totholzhecke. „Es ist einfach. Wenn ich den Insekten eine Nahrungsgrundlage schaffe und ihnen Unterschlupf biete, in dem ich es ein bisschen ,wild‘ habe, vielleicht etwas Mulch oder totes Holz herumliegen habe, Löcher zwischen Steinen lasse, dann kommen sie ruck zuck“, so die Frau mit großer Artenkenntnis.

Markus, dessen Elternhaus einen Wein- und Obstbau führt, ergänzt: „Alle diese Maßnahmen kann man auf dem Platz einer Tuhjen- oder Buchshecke umsetzen. Die meisten Buchbäume, die heute noch in Vorarlberg stehen, müssen regelmäßig gespritzt werden, da der Buchsbaumzünsler bei uns keine natürlichen Feinde hat.“ Thujen wiederum sind in Mitteleuropa nicht heimisch, besitzen einen sehr hohen Wasserbedarf, sind leicht giftig und „nützen Insekten rein gar nichts“, wie Caroline betont. Als Heckenpflanzen sind sie aufgrund ihrer Schnittverträglichkeit sehr beliebt, doch ökologisch wertvolle Alternativen gibt es zuhauf: Kor-

nelkirsche, Aronia (Apfelbeeren), Wildrosen mit einfachen (nicht gefüllten) Blüten, Hartriegel, Holder, Schlehdorn, Haselnuss und viele mehr.

Gerade in kleinräumigen Strukturen sehe man die Effekte von richtiger Bepflanzung viel schneller als in der Landwirtschaft, sagt Markus. „Wenn wir hier den richtigen Nützling haben, hat der die Schädlinge auch im Griff. Wenn unser Holderbaum Blattläuse hat, was sich nicht vermeiden lässt, dann regeln das die Meisen, Marienkäfer und Schlupfwespen innerhalb weniger Wochen – und dann haben wir im gesamten Garten keine Blattläuse mehr.“ So funktionierte das auch in der „klassischen“ bäuerlichen Landwirtschaft vor 50 Jahren, als ein kleinparzelliger Mischbetrieb Standard war.

Wachsendes Bewusstsein auch in Vorarlberg

Langsam aber doch denken immer mehr Menschen in Richtung Naturgarten. „Viele sind sich aber nicht bewusst, dass der Strauch, den sie haben, keinen Nutzen für Bienen und Schmetterlinge bringt“, sagt Caroline. Es gäbe noch viel zu tun, doch der Stein sei im Rollen. Gemeinsam mit einem kleinen Team vergeben Caroline und Markus „Natur im Garten“-Plaketten, die ein Zeichen nach außen setzen sollen: Hier wird weder mit Gift, synthetischem Dünger noch Torf gearbeitet. Gibt es etwas Wildwuchs, so ist das gewollt – den Insekten zuliebe. Letztes Jahr waren es rund 100 Plaketten.

In Carolines und Markus‘ Gemüsebeeten gibt es keinen Wildwuchs. Mulch, also pflanzliche Reste wie Heu, speichert die Feuchtigkeit, schützt den Boden und unterdrückt Unkraut. Auch Schnecken sind kein Thema: Die eigens angefertigte Komposterde ist frei von Schneckeneiern und ungewünschten Pflanzensamen. Mit dem Kompost wird auch ein Kreislauf geschlossen. Den Schneckenzuwuchs aus den benachbarten Wiesen halten vier Hühner – die „Schädlingspolizei“, wie Markus sie nennt – fest im Griff. Und der Tipp zur Blumenwiese? „Sehr spät mähen, sodass sich die Blumen versämen können und dann auch nicht jede Woche, sondern eher alle drei bis vier Wochen, oder am besten gleich nur zwei Mal im Jahr. Wir nehmen das Gras weg. So wird der Boden magerer“, erklärt Caroline.

Durch ihre vielen Aus- und Weiterbildungen (von Permakultur bis zu Blühbotschaftern) stehen Caroline und Markus Natur-im-Garten-Plaketten-Ansuchern mit Rat und Tat zur Seite. Markus besitzt auch den Pflanzenschutz-Sachkundenachweis, er weiß: „Als Privatanwender kann man Pestizide gar nicht richtig dosieren, weil die Mittel hochkonzentriert sind. In der Landwirtschaft wird teilweise ein halber Liter eines Pflanzenschutzmittels mit 1000 Liter Wasser verdünnt. Das reicht, um einen Hektar, also 10.000 Quadratmeter, zu behandeln. Jetzt dosiere das mal runter – da müsstest du in die Apotheke gehen, damit sie dir das für einen Liter rauswiegen können. Mit Haushaltsgeräten geht das gar nicht.“

Selbstversorgung und Erdung

Neben der Freude an der Artenvielfalt nennen Caroline und Markus die Wertschätzung für Kräuter, Beeren und frisches Gemüse, mit dem sie sich während der Saison selbst versorgen können, und die Erholung. Markus: „Ich sitze den ganzen Tag am Schreibtisch vor dem Computer. Auch wenn es abgedroschen klingt – mit und in der Erde und mit Pflanzen zu arbeiten, das erdet einfach unglaublich. Die Gartenarbeit holt einen, egal wie stressig es gerade ist, runter. Wenn man einen halben Tag im Garten gearbeitet hat, ist man wieder ausgeglichen.“ Informationen zur „Natur im Garten“-Plakette gibt es unter www.ogv.at/natur-im-garten

Titel: Förderung der Artenvielfalt im Hausgarten Datum: Dienstag 29. Juni 2021 um 19:30 Uhr Ort: Emil‘s Stickerei, Götzis, Oberes Tobel 15 Anmeldung unter Angabe von Namen, Wohnort und Telefonnummer per Mail an: caroline.buesel@gmx.at Die aktuellen Corona-Maßnahmen müssen eingehalten werden (geimpft, getestet oder genesen, FFP2-Maske). Begrenzte Teilnehmerzahl – Eintritt frei!

VORTRAG

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