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Eine andere Art von Liebe
EINE ANDERE ART VON LIEBE: LEBEN UND LIEBEN MIT ALZHEIMER
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Einst war Norma Morris Publizistin für Rockbands, Bühnenstar und bekannte Autorin. Seitdem sie an Alzheimer und Parkinson erkrankt ist, dokumentiert ihr Mann Ed Morris ihr Leben in seinem Buch „Stardust: An Alzheimer‘s Love Story“. Die Geschichte beschreibt die Beziehung der beiden und schildert Normas alltägliche Kämpfe. Doch bei all dem findet Morris auch immer wieder Schönes in ihren neuen Lebensumständen.
Text: Jim Patterson, Illustrationen: Shannon Kelly Norma Morris ist heute nicht mehr sie selbst, und nur ein medizinisches Wunder könnte ihren Zustand wieder rückgängig machen. „‚Elegant‘ ist das Wort, das ich mit ihr verbinde“, erzählte ihr Ehemann Ed Morris über Norma bevor sie unter der Parkinson-Krankheit und Alzheimer zu leiden begann. Sein neues Buch „Stardust: An Alzheimer’s Love Story“ ist eine Zusammenstellung seiner lyrischen und rührenden Erinnerungen an seine Pflege von Norma, welche er zuvor auf Facebook geteilt hatte.
Ed und Norma waren beide viele Jahre lang viel im Music Row-Geschäft tätig, dem Herzstück von Nashvilles Countrymusik-Industrie. Ed war der Redakteur für Country-Musik bei Billboard und schrieb bis vor kurzem für die Webseite des Country-Musik Fernsehsenders CMT.com. Norma arbeitete für die PR-Agentur ihrer Tochter, Erin Morris Huttlinger, und konnte unter anderem Ralph Stanley und Steve Wariner zu ihren Kunden zählen. „Bei ihr sah es so aus, als würde sie auf Highheels sprichwörtlich in den Raum gleiten“, erinnert sich Ed an seine erste Begegnung mit ihr 1959 an der Ohio Universität in Athens, im US-Bundesstaat Ohio. Er selbst hatte gerade sein Studium abgeschlossen und sie war die Assistentin des Leiters der Journalismus-Schule. „[Norma hatte] den perfekten Gang. Sie hatte eine leise Stimme. Sie war absolut nicht streitlustig, und genau deshalb kommt es mir heute so vor, als würde ich mich um eine Fremde kümmern. Sie war schlichtweg eine elegante, sprachgewandte Frau.“
Steve Goetzman, der Schlagzeugspieler der Band Exile, arbeitete mit Norma, als sie die Publicity-Managerin dieser Band war, und auch, als er Wariners Manager war. „Wenn ich an Norma denke, ist ‚zurückhaltend‘ das erste Wort, das mir in den Kopf kommt“, sagte Goetzman. „Da sie eine kleine, zurückhaltende Frau mit leiser Stimme ist, überrascht einen immer ihr messerscharfer, trockener Humor. Die Ruhe, die sie ausstrahlt, täuscht über das grenzenlose Repertoire ihrer Sticheleien hinweg.“
Als Mutter war Norma das Elternteil, „das dafür sorgte, dass wir immer alles hatten, was wir brauchten“, sagte Morris Huttlinger. „Ich habe zwei jüngere Geschwister
und … ich denke, wir alle haben unsere Gepflogenheiten des Hauses von ihr gelernt. Ihr bedeuteten Familientraditionen sehr viel und wir ehren diese heute noch.“
Viele in Nashville kannten Normas Leistungen vor ihrer Karriere als Publicity-Managerin nicht. Sie war Mitautorin eines Collegelehrbuches über Computerkenntnisse, wirkte in „BEI IHR SAH Musicals auf der Bühne mit und veröffentlichte Fotos in mehreren Magazinen, wie beispielsweise People oder TV Guide. „Sie war bescheiden und kompetent in allem, was sie tat“, ES SO AUS, sagte Ed. „Ich habe nie erlebt, dass sie bei etwas scheiterte.“ Nachdem sie 35 Jahre getrennt gelebt, aber dennoch ihre Ehe aufrechterhalten hatten, zog Ed in Normas Haus außerALS WÜRhalb von Nashville, um für sie rund um die Uhr zu sorgen. In einem Artikel, der zwei Jahre davor in der Zeitschrift Salon veröffentlicht worden und anschließend in sein Buch inteDE SIE AUF griert worden war, erklärte er ihre unkonventionelle Ehe, die andere Romanzen beinhaltete sowie ein getrenntes Zuhause. „Ich bin meinem Vater für seine Hingabe für Mutter sehr HIGHHEELS dankbar“, sagte Morris Huttinger. „Er hat so viel zu tun, ganz egal, wie viel wir mithelfen. Er muss sich 24 Stunden am Tag um eine Person kümmern, die immer hilfloser und weniger SPRICHkommunikationsfähig wird – die immer weniger sie selbst ist. Es ist eine anstrengende Aufgabe, die wirklich schwer wäre, wenn er sie nicht so sehr lieben würde.“ WÖRTLICH Erste Anzeichen von Vergesslichkeit zeigte Norma ungefähr im Jahre 2015. Die Diagnosen waren sowohl Alzheimer als auch Parkinson. IN DEN RAUM Laut der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation Mayo Clinic sterben in Folge von Alzheimer Gehirnzellen ab, sodass es zu Einschränkungen im Denken, Handeln und den GLEITEN“sozialen Fähigkeiten sowie zu erheblichem Gedächtnisverlust kommt. Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende Störung des Nervensystems, die zu Zittern, Muskelsteife,
Bewegungsarmut, ausdrucksloser Mimik sowie leiser und undeutlicher Aussprache führt.
Keine der Krankheiten ist heilbar, auch wenn Medikamente den Prozess verlangsamen können. „Stardust: An Alzheimer’s Love Story” stellt die Norma von heute dar, die vergesslich und ängstlich ist und oft nicht die Worte findet, um sich auszudrücken. Sie kann auch stur sein, und sie dazu zu bringen, ihre tägliche Palette an Pillen zu schlucken, ist oft ein epischer Kampf. Trost spendet ihr eine ritualähnliche tägliche Routine mit Nelsons Album Stardust, das auch als Inspiration für den Titel des Buches diente.
Folgendes ist ein typischer Ausschnitt aus dem Buch: „Sie möchte etwas so dringend haben, dass sie zu zittern beginnt, etwas, das sie inmitten der kaleidoskopischen Bruchstücke ihres zerbrochenen Gedächtnisses nicht in den Fokus rücken kann, etwas, dem sie keinen Namen geben kann, auch wenn ihre Lippen darum kämpfen, es in Worte zu fassen. Sie lehnt sich nach vorne wie ein Baum, dessen Wurzeln sich lösen, ihr dünner Arm ist nach dem Fernseher ausgestreckt, wie der Ast eines Ahornbaums, der sich im Winter der Sonne entgegenstreckt.“
Elaine Schock, Eigentümerin des PR-Unternehmens Shock Inc., hat Eds Beiträge auf Facebook gelesen. „Eds Beiträge sind schön, doch sie sind mehr als das, sie sind mutig“, sagte sie. „Ich habe jeden Beitrag über seine Liebe zu Norma und ihre Kämpfe gelesen. Es raubt mir den Atem und bricht mir das Herz.“
Das Buch ist an manchen Stellen überraschend witzig. Ed, ein leidenschaftlicher Anhänger der Linken und ein Atheist, wechselt das Thema und denkt über seine kategorische Abneigung gegenüber Sport nach (auch wenn seine eigenen Kinder sportbegeistert waren), sowie über seine Ablehnung jeglicher körperlicher Arbeit und Heimwerkerprojekten (was einer der Gründe war, warum er nicht mit Norma zusammenlebte), sowie seine Antipathie gegenüber dem Lied „Amazing Grace“ (wörtlich übersetzt „Wundervolle Gnade“). „Es sind nicht so sehr die Melodie oder der unterwürfige, sich selbst erniedrigende Text, die mich stören – auch wenn sie das gewiss tun“, schrieb er. „Es ist vielmehr die Tatsache, dass das Lied gesungen wird, auch wenn gar keine Gnade, wundervoll oder andersartig, in Sicht ist. Die Ironie, einen Gott anzubeten, der einen nur mit Tod, Verstümmelung und schlechtem Wetter beschert, ist für meinen Verstand zu viel zu begreifen, ohne dabei ein Glas Wein in der Hand zu haben.“
Norma schätzte ihre Privatsphäre vor ihrer Krankheit, doch Ed meint, sie würde keine Einwände gegenüber dem Buch haben, da sie kurz zuvor dem Artikel über ihre Ehe für die Zeitschrift Salon ihren Segen gegeben hatte. „Ich habe die Perspektive eines Reporters“, sagte er. „Je mehr Wahrheit ich der Gemeinschaft bringen kann, desto besser.“ Ed hofft, dass sein Buch anderen in ähnlichen Umständen Trost spenden und gute Ratschläge geben könne. „Es zeigt, … dass da mehr ist als nur Trauer und der Weg nach unten“, sagte er. „Ich denke, wenn man das Leben mit einer gewissen Lebensfreude angeht, wird es um einiges leichter. Sehr viel hängt dabei von der emotionalen Beschaffenheit des Pflegers ab.“
Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Stefanie Kraus Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von The Contributor / INSP.ngo
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