Mittendrin in V
Kairos – der günstige Augenblick Vor vielen Jahren hörte ich Martin Strele von Kairos in einem Vortrag sagen, dass die Erde ausreichend Ressourcen biete, um für jeden Menschen auf der ganzen Welt den Lebensstandard einer Schweizer Mittelstandsfamilie in den 70er Jahren zu bieten. Ein Bild, das mich seither begleitet. Die gesamte Weltbevölkerung könnte ein Leben in Würde leben und dabei den Kriterien des Pariser Abkommens der CO₂-Emissionen entsprechen. Text und Foto: Daniela Egger
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ch stelle mir vor, wie die Welt aussehen könnte, wenn die Verteilgerechtigkeit so weit ausgereift wäre, dass jeder Familie und jedem Menschen von Bangladesch über New York bis nach Sierra Leone anständiger Wohnraum und Einkommen zur Verfügung stehen, die Kinder selbstverständlich zur Schule gehen und die Eltern vor Ort ihr Auskommen finden. Eine Schweizer Durchschnittsfamilie im Jahr 1968 konnte auf einigen Wohlstand blicken und ein sorgenfreies Leben führen – den Kindern eine Ausbildung sichern, ein Auto fahren, Küchengeräte und Waschmaschine nutzen und sich über die Jahre ein Eigentum finanzieren. Der Planet Erde produziert ausreichend Rohstoffe, um dies für jeden einzelnen Menschen, der heute lebt, zu ermöglichen. Die Familie würde vielleicht keinen Yoga-Kurs auf Bali buchen, aber sie würde Urlaub machen können. Warum sind wir als vernunftbegabte Wesen also nicht dazu in der Lage, etwas so offensichtlich Sinnvolles umzusetzen? Oder nur allein mit den Ressourcen der Erde so hauszuhalten, dass auch zukünftige Generationen noch eine Chance auf ein anständiges Leben haben? Martin Strele hat dazu eine Antwort, die zumindest für unsere Region nachdenklich macht: „Ein bestimmter Fatalismus unserer Gesellschaft wird auch vom katholischen Glauben begünstigt – da darf man am Ende eines sündigen Lebens durch die Beichte Absolution erhalten. Die Leute glauben, dass es eh nicht geht,“ sagt er. „Das beschäftigt mich sehr. Wir denken viel darüber nach, wie wir ein Bewusstsein schaffen können für das, was wir mit unseren Entscheidungen auslösen. Wir können alles verändern, jederzeit, vor allem unser eigenes Verhalten. Und der beste Moment dafür ist jetzt.“
Neokolonialismus heute
Der katholische Fatalismus und die Wissenschaft stehen einander seit alters her gegenüber – möglichweise ist es aber auch nur ein tief verankerter Neokolonialismus, der uns immer noch die alte
„Wir denken viel darüber nach, wie wir ein Bewusstsein schaffen können für das, was wir mit unseren Entscheidungen auslösen. Wir können alles verändern, jederzeit, vor allem unser eigenes Verhalten. Und der beste Moment dafür ist jetzt.“