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24 | 22.11.2021 | SQUID GAME

Nichts für Kinderaugen Die südkoreanische Brutaloserie Squid Game sorgt für Hektik an den Schulen und für Aufruhr bei den Eltern: Was soll man tun? Verbieten? Mit den Kindern darüber reden? Zwei Medien­experten geben Auskunft.

Eine überdimensionale Roboterpuppe im orangen Kleidchen mit zwei Zöpfchen steht vor einem Baum. Neben ihr wachen zwei Figuren in roten ­Overalls mit schwarzen Masken. Hinter ihr lauern 456 Frauen und Männer im grünen Trainingsanzug mit Nummern auf dem Rücken. Schaut die Puppe zum Baum und singt, ­dürfen sich die Menschen im grünen Trainingsanzug bewegen. Dreht sie sich aber um, müssen alle ­Grünen stillstehen. Das Spiel «Green Light – Red Light», besser bekannt als «ZeitunglesenStopp», ist eine der ersten Szenen der südkoreanischen Netflix-Serie «Squid Game». In fünf wei­teren Kinderspielen wie Seil­ ziehen, Murmelspiel und Himmel und Hölle müssen die Teilnehmenden gegeneinander antreten. Sie sind alle hoch verschuldet und wegen des versprochenen Millionengewinns für die Gewinner mit von der ­Partie. Auf dem Spiel steht aber nicht nur Geld. Wer verliert, bezahlt mit dem Leben. Der Plot ist nicht «nur» brutal, er wirft auch

einen kritischen Blick auf die Leistungsgesellschaft und den kapitalistischen Wettkampf – und liefert sozusagen eine Metapher für den Killerkapitalismus. Die Serie mit Altersfreigabe ab 16 stürmt die Netflix-Charts, die Berichte darüber führen die Meistgelesen-Ranglisten auf News­portalen an. Seit bekannt wurde, dass Kinder Spiele aus «Squid Game» auf den Pausenhöfen nach­ spielen und Verlierer verprügeln, sind viele Eltern in Aufruhr und die Schulen alar­miert. Viele Gemeinden haben die Schulleitungen in Rundschreiben zu Wachsamkeit aufgerufen. Wir haben Kim Gray, Fachmitarbeiterin von zischtig.ch*, und Philippe Wampfler, Medienpäda­ goge, Sekundarlehrer und Kulturwissenschaftler, gefragt, wieso «Squid Game» fasziniert, was gefährlich daran ist und wie Kinder und Jugendliche damit umgehen könnten. * Der Verein zischtig.ch, spezia­ lisiert auf Medienbildung und Prä­ vention, schult jährlich Tausende Schülerinnen, Schüler und Eltern. Mehr Infos: klick-tipps.net, saferinternet.at und www.migmag.ch/squidgame

Bild: Netflix

Text: Benita Vogel

Warum fasziniert «Squid Game»? Das Design, die Uniformfiguren, die Melodie – die Serie ist gut gemacht, wie ein buntes Computergame. Sie nimmt vielschichtige aktuelle Themen auf. «Der Erfolgsdruck oder der Wettbewerb, in dem man steht, spricht Erwachsene an», sagt der ­Medienpädagoge Philippe Wampfler. Und der Hype bei den Erwachsenen färbe auf Jugendliche und Kinder ab. Diese seien neugierig. «Gewalt fasziniert Jugendliche per se – das muss nicht negativ sein.»

«Jüngere Kinder knüpfen bei den Kinderspielen an, die sie nach­ spielen», wie Kim Gray vom Verein zischtig.ch ergänzt. Die können sie einfach nachspielen. «Die Serie eignet sich mit den Maskenfiguren und den weissen Symbolen auch gut, um sie beispielsweise als Filter auf anderen Kanälen wie Tiktok weiterzuverwenden», so Gray. Bei vielen Kindern und Jugendlichen gehe es auch darum, auf dem Pausenplatz mitreden zu können, um den Kick,


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