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Seelsorge Seel sorge in Alterszentren Zwischen Einsamkeit und Angst
Die gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie stellten die Altersheime auf eine harte Probe. Das Coronavirus forderte viel – auch im Hinblick auf die Einsamkeit der Bewohnenden. In diesen unsicheren Zeiten war Seelsorge nicht «abgesagt». Im Gegenteil, in den Seniorenheimen sind Seelsorger und Seelsorgerinnen «angesagter» als zuvor.
«Wie geht es meiner Zimmernachbarin? Sagen Sie ihr einen lieben Gruss von mir.» So wurde ich im Alterszentrum Rosental gegen Ende Jahr oft gefragt. Alle Bewohnenden waren über Wochen isoliert in ihren Zimmern, denn plötzlich waren die Hälfte der Seniorinnen und Senioren und viele Pflegende an Covid-19 erkrankt. Und es wurden noch mehr. Die Heimleitung und ihr Team setzten sich enorm ein, man half untereinander, es kam Hilfe von aussen. Zwischendurch brauchten auch wir gegenseitig Ermutigung: Leidende zu sehen und immer wieder Abschied nehmen zu müssen, tat weh. Belastend war auch die Sorge, Covid-19 aus dem Heim nach draussen zu schleppen. Ich kam noch nie so viel mit den Angestellten ins Gespräch. Bereits Anfang 2020 waren laufend neue und verschärfte Schutzmassnahmen eingeführt worden. Mitte März wurden die Alterszentren komplett abgeriegelt. Die Freiwilligen und die Aktivitäten fehlten. Niemand durfte nach draussen gehen. Ab dem 16. März wurden alle Gottesdienste abgesagt. Im Mail der Heimleitung stand hingegen: «Wir sind sehr froh, wenn ihr eure seelsorgerische Tätigkeit weiter wahrnehmt (vielleicht sogar ausbaut, wenn es geht) und die Bewohnenden einzeln besucht. Für sie ist die Situation jetzt sehr unangenehm, langweilig und teilweise beängstigend.» Die Bewohnenden waren sehr dankbar für jeden Besuch der Seelsorge. Oft hörte ich nur zu. Manche sprachen von ihren Sorgen und Ängsten, andere schauten dankbar oder nachdenklich auf ihr Leben zurück, sprachen ungelöste Knoten an. Nicht wenige sprachen vom Sterben. Wir hielten manche Klagen aus, und den Ärger über Meinungen von draussen, dass die Leute eh nicht mehr lange gelebt hätten. Immer wieder durfte ich auch mit Staunen erfahren, wie ruhig und gelassen viele sind – durchaus dankbar, dass sie schon so lange leben durften und sehr bewusst, dass irgendwann jedes von uns gehen wird. Da Besuche bei über hundert Bewohnenden Zeit in Anspruch nehmen, druckte ich
Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Wie stark hat Sie die Situation dort belastet? Bei der Seelsorge ist menschliche Nähe sehr wichtig. Was hat Sie bewegt? Gab es in dieser schwierigen Zeit auch schöne Momente?
Abschied von 20 verstorbenen Bewohnern
Foto: Zita Haselbach
Liebe Zita Haselbach. Sie sind Seelsorgerin im Alterszentrum Rosental in Winterthur. In der akuten Corona-Phase im Frühjahr 2020 herrschte in Altersheimen Besuchsverbot.
Flyer mit Grüssen, Impulsen und farbigen Fotos. Erst kürzlich zog eine Frau das Bündel aus ihrem Nachttisch und sagte, sie würde noch jeden Abend einen Impuls lesen. Zu Ostern konnte ich in jedes Zimmer einen kleinen Topf Osterglocken bringen und viel Dankbarkeit erfahren. Zu Weihnachten war für viele die Isolation vorbei und sie durften zum ersten Mal wieder in den Speisesaal. Wir organisierten spontan eine Feier mit Lichtern, Krippe und Weihnachtsmusik. Aber es war hart, denn nun wurden die vielen Lücken erst sichtbar. So entstand der Wunsch, ruhig eine gemeinsame Abschiedsfeier zu gestalten. «Wir nehmen Abschied von Herrn E., von Frau O., von Frau T. … .» Zwanzig Namen, zwanzig Lichtlein. Es ging zu Herzen, zwanzig Mal tauchten ein bekanntes Gesicht und eine meist längere Geschichte vor uns auf. Nach der Feier sagte mir eine Bewohnerin: «Jetzt kann ich mich wieder dem Leben zuwenden.» Ich spürte noch nie so stark, wie sehr die Seelsorge in den Altersheimen geschätzt wird.