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Im Dienst der Kirche: Arbeit, die man oft nicht sieht
Im Dienst der Kirche:
Arbeit, die man oft nicht sieht
Gewöhnlich beginnt eine Messfeier mit dem Einzug des Pfarrers und der Messdiener von der Sakristei an den Altar. Die Sakristei ist ein wichtiger Nebenraum der Kirche, in dem die liturgischen Gegenstände für den Gottesdienst aufbewahrt werden. Und wer hat Zutritt hinter die Kirchenkulissen? Alle, die einen liturgischen Dienst wahrnehmen, von Ministrantinnen über Lektoren und Organisten bis zu den Zelebrierenden. Dazu gehören auch die Sakristane und die Sakristaninnen, auch Sigristen/Sigristinnen genannt. Sie bereiten alles vor, was für die Feier gebraucht wird: die liturgischen Gefässe mit Hostien, Wein und Wasser für die Gabenbereitung, die liturgischen Bücher und Gewänder, Kerzen und Weihrauch und vieles mehr.
«Wenn mich die Leute fragen, sage ich meistens, ich bin der Sigrist.» Für Carlo Corazzolla aus der Pfarrei St. Peter und Paul war früh klar, dass er gerne Sakristan werden möchte. Der gelernte Schreiner arbeitet als Sakristan in dritter Generation. Schon sein Grossvater war in Italien im Sakristanendienst tätig. «Ich wusste immer, wenn die Stelle als Sakristan in der Pfarrei St. Peter und Paul frei wird, dann melde ich mich», berichtet er stolz. Schon seit seiner Jugend fühlt sich Carlo Corazzolla mit der Pfarrei verbunden. Heute kennt er jede Ecke der Kirche und weiss genau, wo Arbeiten anfallen. Gewissenhaft leistet er seit 30 Jahren Dienst in der Pfarrei und hält immer für alle ein Lächeln bereit. Die Entscheidung zum Sakristanendienst sei für ihn richtig gewesen, betont er. «Ich habe gerne Kontakt mit Menschen. Häufig komme ich in der Kirche mit Leuten ins Gespräch; man kennt sich und so auch die Geschichten der Leute.» Vor allem Offenheit sowie Freude an der Liturgie und am Pfarreileben sind, neben der Ausbildung, wichtige Fähigkeiten, die eine Sakristanin oder ein Sakristan auszeichnen sollte.
Ein vielseitiger Beruf, der Flexibilität erfordert
Zwischen 60 und 80 Gottesdienste finden in den katholischen Kirchen der Stadt Winterthur wöchentlich statt. Hauswarte und Sakristaninnen halten die Kirchen innen und aussen in Stand, bereiten die Liturgie vor und unterstützen die Seelsorgenden vor und während des Gottesdienstes. Sie organisieren den Blumenschmuck und sind zuständig für die technischen Anlagen in Kirche und Pfarreiräumen. Dazu zählt auch das pünktliche Läuten der Kirchenglocken. Sie kümmern sich weiter um die sachgemässe Aufbewahrung und Pflege der liturgischen Gewänder und Gegenstände. Neben dem Kirchengebäude besitzen die Pfarreien weitere Versammlungsräume, die für Veranstaltungen vorbereitet werden müssen. Daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Sakristanen, Seelsorgenden und Pfarreiteam wichtig. Die Arbeitszeiten der Sakristaninnen und Sakristanen sind oft unregelmässig, daher wird von ihnen eine hohe Flexibilität erwartet.
Carlo Corazzolla liebt seine Arbeit und ist gerne im Hintergrund tätig: immer bereit, um mit handwerklichem oder technischem Einsatz zu unterstützen. Am besten findet er das selbstständigeArbeiten und die flexible Zeiteinteilung. Unangenehm sind für ihn die Präsenzzeiten am Wochenende: «Mit einem freien Wochenende pro Monat ist das herausfordernd für Familie und Freunde», betont er.
Über den Dächern von Winterthur: Carlo Corazzolla im Glockenturm der Kirche St. Peter und Paul.
Eine Situation, die sich niemand hatte vorstellen können Nachdem der Bundesrat Mitte März 2020 die «ausserordentliche Lage» erklärt hatte, wurde das kirchliche Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt. Das Verbot öffentlicher Gottesdienste bedeutete: keine Osterfeiern, keine Erstkommunionfeiern, keine Firmungen, kein Religionsunterricht, keine Bildungs- und Vereinsveranstaltungen. Vieles war in Planung – und nun? Alles abgesagt. Ansammlungen von mehr als fünf Personen wurden
Susanna Partalov arrangiert den Blumenschmuck in Töss.

Susanna Partalov, Sakristanin St. Josef
verboten. Um in dieser speziellen Zeit das solidarische Miteinander zu bewahren, brachten einige Pfarreien die «Frohe Botschaft» in Form einfach gestalteter Gottesdienste zum Mitfeiern per Video zu den Gläubigen nach Hause.
Für die Hauswarte und Sakristaninnen hat sich das Leben und die Arbeit im Corona-Jahr verändert. Das Schlimmste war, dass während des Lockdowns keine Gottesdienste mehr stattfinden konnten.
Für alle war der Lockdown im Frühjahr ein Schock und die Absage der Gottesdienste ein absoluter Tiefpunkt. Es war das erste Ostern, an dem keine Messen und Andachten stattfinden durften. Trotz der offenen Türen blieben viele aus Angst vor dem Virus der Kirche fern. Der Gang durch die leeren Räume machte traurig. Spontane Begegnungen, ungezwungene Gespräche, lieb gewordene Rituale, all das fiel weg.
Gottesdienste unter veränderten Bedingungen
Die Erleichterung war gross, als Ende Mai wieder Gottesdienste gefeiert werden durften. Durch die vom Bundesrat sowie vom Bistum Chur vorgeschriebenen Schutzmassnahmen mussten viele Dinge in den Pfarreien neu organisiert werden, damit die Hygienevorschriften eingehalten und das Schutzkonzept umgesetzt werden konnte. Neue Schwierigkeiten entstanden: Es galt, Distanzregeln beim Sitzen, aber auch beim Eintritt und beim Verlassen der Kirche, zu gewährleisten. Türklinken, Sitze, Geländer und alle verwendeten Gegenstände mussten nach jedem Gottesdienst desinfiziert und Hygienestationen bei allen Eingängen aufgestellt werden. «Die Sicherheits- und Hygienemassnahmen mussten kurzfristig umgesetzt werden. Die Unsicherheit war gross. Wir hatten keine Erfahrung, wie eine Eucharistiefeier unter solch gravierenden Einschränkungen funktionieren soll. Da mussten wir ein paar Umwege in Kauf nehmen, bis alles gelaufen ist. Die Verwaltung hat uns in dieser Zeit mit der Organisation von Desinfektionsmittelspendern, Masken und Glaswänden sehr unterstützt», berichtet Carlo Corazzolla.
Unsicherheit und Zweifel
Schutzkonzepte an die örtlichen Verhältnisse anzupassen war das eine, die Regeln durchzusetzen weitaus schwieriger. Auch wenn das Verständnis für diese Massnahmen gross war, führten sie immer wieder zu Diskussionen, insbesondere wenn Leute wegen der begrenzten Personenzahl vom Gottesdienst ausgeschlossen werden mussten. Einzelne verzichteten in der Folge ganz auf den Gottesdienstbesuch. Das hinterliess oft ein schlechtes Gefühl oder Zweifel, ob das, was man tun musste, richtig sei. In diese Unsicherheiten mischten sich auch persönliche Gefühle der Hilflosigkeit und die Befürchtung, andere oder sich selbst anzustecken und zu gefährden.
Im Laufe des letzten Jahres dominierte das Virus unser Leben. Voll besetzte Kirchen an Weihnachten? In Corona- Zeiten undenkbar. So übertrug die Pfarrei St. Peter und Paul an Weihnachten erstmals Gottesdienste im Livestream per Internet. Die Organisation sei nicht einfach gewesen und habe von verschiedensten Seiten viel Einsatz verlangt, so Carlo Corazzolla. Auch andere Pfarreien machten sich Gedanken über Online-Gottesdienste als Alternativlösung: Die italienischsprachigen Mitchristen konnten im ersten Lockdown die Sonntagsmesse aus ihrem Pfarreiheim live mitfeiern. Die Pfarrei St. Laurentius
«Ich möchte eine schön geschmückte Kirche.»
Sarmad Yono, Sakristan St. Marien
«Leute wegschicken zu müssen tat mir weh.»
Rony Ciuffi-Meshkoro, Sakristan St. Laurentius
Wir haben die Hauswarte und Sakristaninnen nach ihren Erfahrungen im Corona-Jahr 2020 gefragt. Es wird von ganz persönlichen Momenten im Alltag berichtet:
Das Labyrinth von St. Peter und Paul wird regelmässig gepflegt.

stellte die Gottesdienste der Osterzeit per Video online zur Verfügung. Kreativität und Einsatzbereitschaft machen es seit Dezember möglich, dass Live-Gottesdienste aus St. Peter und Paul über das Internet übertragen werden können. Die Pfarrei St. Urban bietet ebenfalls eigene Livestream-Gottesdienste an. Als die Gottesdienstfeiern in den Kirchen unter Einhaltung strenger Auflagen wieder möglich waren, musste viel Gewohntes zurückgelassen werden. Nicht alle sehen die Online-Gottesdienste als Alternative oder Ersatz. Für sie gehören die Gemeinschaft, der Friedensgruss und das Gemeindesingen dazu. «Die ganze Corona-Zeit und alles, was an Veränderungen gekommen ist, hat uns als Team mehr zusammengeschweisst. In St. Peter und Paul haben wir uns gegenseitig unterstützt, um gemeinsam die neue Situation zu meistern. Das habe ich als schön empfunden», erzählt Carlo Corazzolla. Das Betreten einer schön geschmückten Kirche gehört für Susanna Partalov dazu. Während des Lockdowns legte sie noch mehr wert als sonst darauf, den Kirchenraum von St. Josef mit ihren selbst gemachten Blumengestecken freundlich und einladend zu gestalten. In St. Urban fanden vom Sommer bis Ende Oktober jeweils freitags für die Seniorinnen und Senioren des benachbarten Altersheims ökumenische Gottesdienste im Freien statt. Johnson Gopurathingal erfüllt es mit Stolz, wenn er von der grossen Freude der Bewohnerinnen und Bewohner erzählt, die von ihren Balkonen aus mitfeierten. Sehr schön waren auch die Gottesdienste, die während des Sommers in St. Ulrich im Freien stattfanden. Samuel Meshkoro hatte grosse Freude, diese vorzubereiten, auch wenn sie einen Mehraufwand bedeuteten. Dafür erhielt er viele positive Rückmeldungen.
Sakristanen und Sakristaninnen sind still Schaffende im Hintergrund. Ihnen gebührt ein besonderer Dank und Anerkennung für die vielen Aufgaben, die sie in Kirche und Gemeinschaft leisten.
Text und Interviews: Daniela Todesco; Stephanie Scharnitzki Fotos: Thomas Suter, Oliver Sittel
Es gab viel zu tun
Die alltäglichen Aufgaben der Hauswarte und Sakristaninnen veränderten sich durch Corona. Während des Rony Ciuffi-Meshkoro, Lockdowns wurde die Zeit für eine gründliche Hauswart und Sakristan Reinigung sämtlicher Räume oder für Umge bungsarbeiten und neue Bepflanzungen St. Laurentius genutzt. Auch das Streichen von Kirchen «Der Lockdown war ein Schock! Ich habe mich bänken und Wänden im Pfarreiheim einsam gefühlt, und in meiner Arbeit als Hauswart war ich gehörte dazu. Mit der Wiederaufnahme auch alleine. Das war beängstigend, da ich nicht wusste, wie es weitergehen wird. der Gottesdienste ab Ende Mai wurde Grundsätzlich ist das letzte Jahr aber gut gelaufen. Schwierig war die Umsetzung der die Arbeit aufwendiger und anspruchsvoller. Nicht nur Kirche und PfarreiSchutzmassnahmen. Mittlerweile ist dies schon Routine geworden. Das ist wichtig, zentrum, auch die Toiletten mussten denn ab dem zweiten Quartal feiern wir sonntags zwei statt einem Gottesdienst und täglich gereinigt und desinfiziert dazwischen bleiben nur 15 Minuten zum gründlichen Desinfizieren. Trotz des zusätzlichen werden. Wegen der begrenzten Angebots hatten die Leute wenig Verständnis, wenn sie weggeschickt wurden, weil Besucherzahl wurden zusätzliche die Gottesdienste auf 50 Personen begrenzt sind. Da gab es schwierige Situationen, Gottesdienste angeboten. Dazwischen die bei mir ein schlechtes Gefühl und Zweifel hinterliessen, ob ich etwas falsch musste jedes Mal gereinigt und gemacht habe. Ich möchte niemanden von der Kirche und dem Gottesdienst desinfiziert werden. ausschliessen. Leute wegschicken zu müssen, tat mir weh.»
«Da während des Lockdowns alle Gottesdienste und Anlässe abgesagt wurden, hatte ich viel Zeit für eine gründliche Reinigung sämtlicher Räume. Die Umsetzung der Schutzmassnahmen bedeutete mehr Arbeit. Nach den Gottesdiensten muss beispielsweise jeder Stuhl desinfiziert werden. Für mich ist es schwierig, als «Aufsicht» auf Maskenpflicht und Einhaltung der Distanzregeln hinzuweisen, da ich die Leute nicht verletzen möchte. Insbesondere, weil ich viele persönlich kenne. Sagen zu müssen ‹Es findet nichts statt› und die Leute wegschicken zu müssen ist nicht einfach. Obwohl es keine Gottesdienste gab, war die Kirche während des Lockdowns nicht leer. Im Gegenteil, es kamen mehr als sonst. Sie kamen, um zu beten und um Kerzen anzuzünden. Sie haben auch mit mir das Gespräch gesucht, da sich viele einsam fühlten. Während des Lockdowns habe ich die Kirche immer geschmückt. Die Blumengestecke mache ich schon immer selbst. Ich möchte eine schön geschmückte Kirche.»
Toni Partalov, Hauswart und Sakristan Herz Jesu
«Die neue Situation brachte viel Ungewissheit mit sich. Schlimm war, dass keine Gottesdienste mehr stattfanden. Unter den Pfarreimitgliedern waren Ängste spürbar. Auch das Team hatte Bedenken, ob die Pfarreimitglieder nach dem Verbot der Gottesdienste wieder zurück in die Kirche kommen würden. Als Gottesdienste wieder erlaubt waren, gab es etliche Fragen bei den Kirchenbesuchern wegen der Schutzmassnahmen. Einige verzichteten deshalb ganz auf den Besuch beim Gottesdienst»
Susanna Partalov, Sakristanin St. Josef
Sarmad Yono, Hauswart und Sakristan St. Marien
«Es war mein erstes Jahr als verantwortlicher Sakristan und Hauswart. Im Lockdown musste ich die Leute auf Abstand halten, alles desinfizieren und Abklärungen treffen, wenn neue Massnahmen angeordnet wurden. Das war nicht einfach. Der erste Lockdown war eine schwierige Zeit.
Obwohl man Gott besonders nahe sein wollte, gab es keine Zusammenkünfte. Immerhin blieb die Kirche als Raum offen, dort fanden die Leute Ruhe und Trost. Es Johnson Gopurathingal, waren Gott sei Dank nie viele Leute gleichzeitig in der Kirche. Diese Leere tat mir im Herzen weh. Ohne Menschen konnten die Gebäude ihrem Zweck nicht gerecht Hauswart und Sakristan St. Urban werden. Insgesamt war das Jahr trotz allem ein gutes Jahr. In St. Marien gab es «Während des ersten Lockdowns nutzte keinen Corona-Ausbruch, obwohl viele Leute über die ganze Zeit sehr nervös waren. ich die Zeit für Umgebungsarbeiten und Aber wir sind gut durch diese Zeit gekommen. Aber die menschliche Nähe fehlte ein- neue Bepflanzungen. Als im Juni Gottesfach. Manche Leute sind deswegen krank geworden. Besonders schlimm war dienste unter strengen Abstands- und es, wenn sie an Covid-19 erkrankten. Das hat uns alle sehr belastet. Hygieneregeln stattfinden konnten, bedeutete Ich denke, es braucht noch einige Zeit, bis es annähernd so ist dies Mehrarbeit. Nicht nur das Pfarreizentrum, wie vor der Pandemie.» auch die Toiletten und Büros mussten täglich gereinigt und desinfiziert werden. Der Lockdown war eine sehr schwierige Situation für mich. Plötzlich fand kein Pfarreileben mehr statt – unvorstellbar. Ich spürte auch die Sorge der Menschen vor der Krankheit und davor, wie es «Es war eine unwirkliche und schwierige weitergehen sollte. Die Leute waren ängstlich und die
Situation, als plötzlich keine Gottesdienste Kirche leer. Keine Kinder, die spielten und lachten. Es war mehr stattfinden durften. Für mich ein Schock: traurig. Die Lebendigkeit und Freude waren nicht die leeren Räume, die fehlenden Kontakte mit den mehr da, es fehlte der Kontakt mit den Menschen.
Pfarreimitgliedern – sehr schlimm. Schwierig war Obwohl die Kirche offen war, kamen kaum Leute. zudem, dass einige Leute kein Verständnis hatten für Ich machte mir Sorgen, dass ich mit einer eventuellen die Situation. Es lag ja nicht in meinen Händen, etwas zu ändern. Krankheit andere anstecken und gefährden könnte. Ich
Ich denke, die Leute hatten einfach Angst. Mit der Umsetzung von war hilflos, wie es weitergehen sollte. Es gibt aber auch Schutz- und Hygienemassnahmen gab es keine Probleme. Die etwas, auf das ich und das gesamte Pfarreiteam stolz ganze Situation wird von den Kirchenbesuchern sind: die Livestream-Gottesdienste, die wir im letzten so weit akzeptiert.» Quartal erfolgreich umsetzen konnten.»