Hausarzt GYNÄKOLOGIE/UROLOGIE/ANDROLOGIE
Das Stiefkind der Gynäkologie
Etwa ein bis drei Prozent der erwachsenen Frauen leiden an Lichen sclerosus. Die Dunkelziffer ist hoch.
Tritt Juckreiz im Intimbereich auf, so wird in vielen Fällen eine Pilzinfektion vermutet. Jucken ist aber auch eines von mehreren Symptomen des genitalen Lichen sclerosus. Die chronische gutartige entzündliche Hauterkrankung gilt als „Stiefkind der Gynäkologie und wird häufig übersehen“, weiß die Geschäftsführende Ober ärztin der Frauenklinik Innsbruck, Dr.in Alexandra Ciresa-König und MINI MED-Vortragende.*
Problem Fehldiagnose Zu den häufigsten Symptomen von Lichen sclerosus (LS) zählen neben Juckreiz und Brennen auch Schmerzen im Intimbereich (siehe Infobox, S. 18). Deshalb kommt es oft zur Fehldiagnose Pilzinfektion. Die Diagnoseverzögerung wird mit circa fünf Jahren angegeben.2 Leider werden die Beschwerden von Frauen – nämlich das Einreißen der Haut bei Geschlechtsverkehr, ein diffuses Trockenheitsgefühl oder Brennen – oft
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Oktober 2021
nicht hinreichend ernst genommen. Die Haut wird trotz sichtbarer mini maler Hinweise als „normal“ bezeichnet. Das führt zu weiteren Diagnose verzögerungen. Auch bei Kindern ist der Leidensdruck durch den chronischen Juckreiz sehr groß und die erfolglosen Therapieversuche durch Antibiotika, Pilzcremen und Wurmtabletten etc. sind zahlreich. Als wichtiges klinisches Merkmal von Lichen sclerosus gilt die porzellan artige weißliche Verfärbung im Bereich der Vulva – hier vor allem der kleinen und großen Labien – und rund um den Anus. Man spricht in diesem Zusammen hang auch von einer erkennbaren „figure of eight“ bzw. 8er-
Expertin zum Thema: OÄ Dr.in Alexandra CiresaKönig Geschäftsführende Oberärztin, Frauenklinik Innsbruck
Figur.1 Der Juckreiz zieht Kratzeffekte und Einblutungen nach sich, später sogar die Sklerosierung der Haut. Für die Diagnose sei eine Biopsie nur im Zweifelsfall, bei ausbleibendem Therapieerfolg oder bei nicht abheilenden Ulzerationen bzw. malignitäts verdächtigen Veränderungen angezeigt, da die Veränderungen meist pathognomonisch und eindeutig in Richtung eines Lichen sclerosus wiesen, berichtet OÄ Ciresa-König.
Auftreten und Häufigkeit Grundsätzlich können Frauen, Kinder und selten auch Männer von der Erkrankung betroffen sein. Man nimmt
„Wenn wir Lichen sclerosus früh entdecken, gut und ausreichend lang behandeln, dann kann eine Frühform auch so reversibel sein, dass keine Veränderungen mehr sichtbar sind.“
Foto: © Ciresa-König, privat
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Lichen sclerosus vulvae bleibt oft ohne Diagnose