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Die andere Art des Schrittmachers
Sakrale Neuromodulation kann die Lebensqualität bei Inkontinenz verbessern
Leider sind Inkontinenz und Entleerungsstörungen nach wie vor ein Tabuthema. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Betroffene? Zu den ohnedies unangenehmen Symptomen kommen häufig sozialer Rückzug und Selbstisolation hinzu. Prim. Dr. Martin Haydter, Abteilungsvorstand der Urologie am Landesklinikum Wiener Neustadt, berichtet: „Inkontinenz bedeutet für viele – je nach Schweregrad des Harnverlustes – eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Auch aus einer Entleerungsstörung mit Restharnbildung oder vollständig fehlender Spontanmiktion ergeben sich Beeinträchtigungen im Alltag. Insbesondere aufgrund des erforderlichen Selbstkatheterismus.“ Die Behandlungsoptionen sind zwar zahlreich, aber die physikalischen und medikamentösen Therapien bringen nicht immer den gewünschten Erfolg. In solch einem Fall können Verfahren der Neuromodulation eingesetzt werden, um den Patientinnen und Patienten wieder ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen.
Urologische sowie proktologische Indikationen
Die sakrale Neuromodulation (SNM) gibt einem großen Patientenkollektiv Anlass zur Hoffnung. „Indiziert ist das Verfahren sowohl bei überaktiver Blase mit Harnverlust, Blasenentleerungsstörungen und kombinierten Blasenfunktionsstörungen als auch bei Stuhlinkontinenz“, erläutert Prim. Haydter. Die minimalinvasive Methode wird in zwei Schritten angewandt: „Zuerst werden die sakralen Elektroden operativ in die Neuroforamina S3 implantiert, anschließend erfolgt eine Testphase mit externen Impulsgeneratoren – diese kann sich über vier bis sechs Wochen erstrecken. Bei Therapieerfolg, sprich einer zumindest 50-prozentigen Symptomverbesserung, werden in einer zweiten Operation die permanenten Impulsgeber implantiert.“ Die Stimulation der Sakralnerven ähnelt technisch der Arbeitsweise eines Herzschrittmachers – daher werden in Bezug auf die SNM auch die Begriffe Blasenschrittmacher, Darmschrittmacher oder Beckenbodenschrittmacher gebraucht. Kontraindikationen liegen selten vor. Anatomische Gegebenheiten können die Elektrodenimplantation erschweren oder undurchführbar machen – dank alternativer Zugangswege oder Elektrodenpositionierung lassen sich diese jedoch meist umgehen. Bei schwangeren Patientinnen ist die SNM laut Prim. Haydter kontraindiziert. Zudem weist der Urologe darauf hin, dass vor der Implantation eine genaue Abklärung erfolgen müsse und die im Therapiealgorithmus des jeweiligen Krankheitsbildes vorgeschalteten Behandlungen hinreichend ausgeschöpft worden sein sollten.
Bedeutende Erfolgsquote
Neben der SNM können auch peripher ambulante Verfahren – etwa die
periphere tibiale Nervenstimulation (PTNS) – zur Anwendung kommen. „Die PTNS benötigt keinen operativen Eingriff, allerdings ist hier die Datenlage – verglichen mit jener zur sakralen Neuromodulation – schwächer, vor allem in Hinblick auf Langzeitergebnisse“, weiß Prim. Haydter. Periphere Verfahren erfordern meist eine MaintenanceTherapie mit wiederkehrender Heimanwendung – folglich ist die Adhärenz der Patienten hier häufig mangelhaft. „Bei der SNM hingegen ist die Therapieadhärenz insofern hervorragend, als das System ständig läuft und vom Patienten nicht gespürt wird“, erklärt der Experte. Je nach Indikation verzeichne die SNM eine Erfolgsquote von etwa 50 bis 70 Prozent. Für Patienten ohne Therapieabbruch sind sogar Erfolgsraten von über 80 Prozent dokumentiert worden. In der Per-Protokoll-Analyse im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie über SNM bei überaktiver Blase hat die Fünf-Jahres-Erfolgsrate 82 Prozent betragen.1 Bei Stuhlinkontinenz sind 89 Prozent erreicht worden.2
Experte zum Thema: Prim. Dr. Martin Haydter
Abteilungsvorstand der Urologie am Landesklinikum Wiener Neustadt „Bei der SNM ist die Therapieadhärenz hervorragend, da das System ständig läuft und vom Patienten nicht gespürt wird.“
Wieder sorgenfreier leben
Ein Therapieerfolg bringt für Betroffene eine erhebliche Erleichterung des Alltags mit sich. Prim. Haydter bekräftigt: „Bei jenen Patienten, die auf die SNM ansprechen, kommt es teils zu einer massiven Verbesserung der Lebensqualität.“ Viele Freizeitaktivitäten, die vorher nicht oder nur eingeschränkt möglich waren – etwa Schwimmen oder Fahrradfahren –, können wieder unbeschwert ausgeübt werden. Der soziale Radius erweitert sich und die Mobilität wird gesteigert. Reisen können unbeschwert unternommen werden, ohne dass Sorgen bezüglich der Katheter oder Einlagen bestehen, die gegebenenfalls am Urlaubsort zu beschaffen wären. Auch muss man nicht ständig daran denken, wo sich die nächstgelegene Toilette befindet. Das Wissen um eine SNM ist nicht nur für Fachärzte relevant. Hausärzte kennen ihre Patienten oftmals besonders gut und sind deren Vertrauenspersonen. Das Tabuthema Inkontinenz und Blasenfunktionsstörungen gilt es zu durchbrechen. „Wichtig ist die Kenntnis des Systems auch bei Zuweisungen zu einem MRI. Erst die neueste Generation des Systems ist für diese Untersuchung zugelassen“, macht Prim. Haydter aufmerksam.
Anna Schuster, BSc
Literatur: 1 Siegel S et. al., J Urol. 2018 Jan;199(1):229-236. 2 Hull T et. al., Dis Colon Rectum. 2013 Feb;56(2):234-45.
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