Hausarzt 01/2021

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Hausarzt extra

Impfunsicherheit verstehen und ihr zielgenau begegnen

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Das 5C-Modell unterstützt Ärzte bei der Impfberatung

Die Kluft zwischen Wissen und Glauben Die Suche nach den Ursachen von Impfmüdigkeit, -skepsis und -gegner-

schaft entwickelt sich, befeuert durch die COVID-19-Pandemie, mittlerweile weltweit zu einer interdisziplinären Herausforderung, hinter der vor allem die große Frage nach der stärker werdenden Kluft zwischen Wissen und Glauben in unserer Gesellschaft steht. Während die WHO den Einsatz von Impfungen (nach dem Zugang zu sauberem Wasser) als die zweitwichtigste Errungenschaft im Dienst der Weltgesundheit bezeichnet, haben seit Mitte der 1970er Jahre immer mehr Menschen Zweifel an oder Vorbehalte gegen Impfungen oder lehnen diese kategorisch ab.

Foto: © shutterstock.com/ Tomasz Trojanowski

Die Anfang Jänner 2021 durchgeführte Umfrage von Unique research in Hinblick auf die COVID-19-Impfbereitschaft der Österreicher brachte ein ernüchterndes Ergebnis: Von den 500 befragten Bürgern gaben 31 % an, dass sie sich „ganz sicher“ impfen lassen würden, sofern sie die Möglichkeit dazu hätten. Weitere 20 % beantworteten die Frage mit „eher ja“, woraus gefolgert werden kann, dass aktuell etwas mehr als die Hälfte der Österreicher das Angebot einer COVID-19-Schutzimpfung annehmen würden. Summa summarum liegt die Impfbereitschaft bei 51 %. Im Vergleich dazu beträgt sie in Deutschland gemäß einer von Infratest dimap zur selben Zeit durchgeführten Umfrage 75 %. Auch wenn Österreich sich laut einem im Jahr 2018 von der EU veranlassten Bericht über das allgemeine Impfvertrauen (State of vaccine confidence in the EU 2018) mit Platz 13 im Mittelfeld befindet, werden Herr und Frau Österreicher ihren Ruf als Impfmuffel wohl nicht so schnell los. Denn wenn es um die Beurteilung der Faktoren „Wichtigkeit“ und „Sicherheit“ der Influenza-Impfung geht, nimmt unser Land den letzten bzw. vorvorletzten Platz unter den 28 Mitgliedstaaten ein.

Skepsis und Gegnerschaft als Begleitphänomene Die Gründe von Skeptikern und Gegnern waren und sind vielfältig. Aus Sicht der Psychologie sind jedoch zwei zentrale Vorbehalte erkennbar: erstens der Aspekt der „Unnatürlichkeit“ einer Impfung an sich, zweitens der Aspekt des „Einbringens eines potenziell schädigenden Agens“ in den menschlichen Körper, kombiniert mit der Angst vor Schäden, die den Nutzen bei Weitem überwiegen können. Es sei jedoch angemerkt, dass impfkritische bzw. impfgegnerische Bewegungen nicht allein auf dem Boden medizinischer Laien gedeihen, wovon nicht nur das Beispiel des 1901 gegründeten „Vereins impfgegnerischer Ärzte“ zeugt, sondern auch so manche Stellung-

nahmen und Initiativen von Medizinern in der Gegenwart. In puncto Motivation fällt oftmals auf, dass der Wille zum Dissens bei einigen Proponenten den Willen zum konstruktiven Dialog massiv dominiert.

Ärzte und die „Impfmoral“ Die ärztliche Einstellung zu Schutzimpfungen ist insofern bedeutsam, als sie für die „Impfmoral“ der Bürger im jeweiligen Land in hohem Maße verantwortlich zeichnet, wie die EU-weite Studie

X Tabelle: Das 5C-Modell des Impfverhaltens – konstituierende Faktoren und mögliche Interventionen Fehlendes Vertrauen (Confidence)

Fehlendes Risikobewusstsein (Complacency)

Praktische Barrieren (Constraints)

Hohes Informations­ bedürfnis (Calculations)

Schutz der Gemeinschaft (Collective responsibility)

Gängige Mythen entkräften

Risiko von Folgeerkrankungen erklären

Impferinnerungen verschicken

Mediale Effekte erklären

Nur eingeschränkt anwendbar: Furchtappelle und Kontextualisierung

Fachübergreifendes Impfen

Zielgruppengerechtes Angebot von Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen (selbst verfasste Infoblätter, Broschüren …)

Aufklärung über Beitrag für den Schutz der Gemeinschaft

Schmerz- und stressfreies Impfen

Aufsuchendes Impfen Anreize zum Impfen schaffen (Vorträge, Fragestunden …)

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Jänner 2021

Risikokommunikation

Information über individuellen Beitrag für die Eradikation von Erkrankungen


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