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Die sechs Subtypen des Prädiabetes
Die herkömmliche Einteilung des Diabetes – primär in Typ-1- und Typ2-Diabetes – gerät bei Diabetologen aufgrund neuer Forschungsergebnisse zunehmend in den Hintergrund. In einer Studie1 aus dem Jahr 2019 wurden fünf Subtypen des Diabetes mellitus Typ 2 identifiziert (siehe Infobox). Jene Subtypen sind mit unterschiedlichen Risiken diabetesbedingter Komplikationen vergesellschaftet. So besteht insbesondere bei zwei Subtypen des Diabetes ein hohes Komplikationsrisiko: Der „schwere insulinresistente Diabetes“ (SIRD) ist mit dem höchsten Risiko verbunden, eine nichtalkoholische Fettleber zu entwickeln. Das größte Risiko einer diabetischen Neuropathie liegt beim Subtyp „schwerer insulindefizitärer Diabetes“ (SIDD) vor.
Unterschiedliches Gefährdungspotenzial auch bei Prädiabetes
Eine aktuelle Studie2 ermöglicht nun einen weiteren Schritt in Richtung der Präzisionsmedizin auf dem Gebiet der Diabetologie. Die Forscher stellten mittels einer Cluster-Analyse fest, dass es auch beim Vorstadium des Typ-2-Diabetes, dem Prädiabetes, sechs klar abgrenzbare Subtypen gibt. Sie unterscheiden sich in der Krankheitsentstehung, dem Diabetes-Risiko und der Entwicklung von Folgeerkrankungen. Die Probanden (n = 899) wurden seit 2003 im Rahmen der Tübinger Familienstudie und der Studie des Tübinger Lebensstilprogramms begleitet. Anhand von 6.810 Teilnehmenden der britischen Whitehall-II-Kohorte konnten die Forscher ihre Ergebnisse bestätigen. Die Subtypen werden wie folgt klassifiziert:
Subtyp 1: niedriges Risiko
Die Probanden des Clusters 1 waren mit einem BMI von durchschnittlich 26,82 kg/m2 übergewichtig, jedoch gesund. Das Diabetes-Risiko ist niedrig.
Subtyp 2: niedriges Risiko
Der Subtyp 2 unterscheidet sich vom Subtyp 1 durch den BMI, welcher beim Subtyp 2 im Normalbereich liegt (durchschnittlich 23,45 kg/m2). Dieser Subtyp zeichnet sich durch das besonders niedrige Risiko aus, an Diabetes und seinen Komplikationen zu erkranken.
Subtyp 3: hohes Risiko
Mit einem BMI von durchschnittlich 29,15 kg/m2 waren die Probanden des Clusters 3 übergewichtig bis adipös. Das genetische Diabetes-Risiko sowie jenes für diesen Subtyp sind hoch. Bei Personen, die dem Subtyp 3 angehören, produzieren die Betazellen nicht mehr genügend Insulin, um den Blutzuckerspiegel im Normalbereich zu halten. Eine Erklärung für die unzureichende Insulinsekretion stellen Fettablagerungen im Bauchbereich und im Pankreas dar. Es besteht das Risiko einer Nephropathie und das kardiovaskuläre Risiko ist als hoch einzustufen – eine erhöhte Intima-Media-Dicke in der A. carotis ließ sich feststellen. Bei Patienten mit einem Prädiabetes vom Subtyp 3 sollte angestrebt werden, den Diabetes durch einen Abbau des viszeralen Fettgewebes mithilfe von Ausdauersport und einer Kalorienreduktion zu verhindern.
Subtyp 4: niedriges Risiko
Die Gruppe des Subtyps 4 wies keine Störungen des Glukosestoffwechsels auf, das Diabetes-Risiko ist niedrig. Zwar ist der Subtyp 4 mit einem mittleren BMI von 31,54 kg/m2 adipös, jedoch befanden sich die Fettablagerungen überwiegend im subkutanen Gewebe und nicht im Bauchbereich. Bezeichnet wird dieser Zustand auch als „metabolisch gesunde Adipositas“ .
Subtyp 5: hohes Risiko
Beim Subtyp 5 sind das Diabetes-, das Nephropathie- und das kardiovaskuläre Risiko am größten. Die Betroffenen sind adipös (BMI im Durchschnitt bei 34,45 kg/m2), der Fettgehalt ihrer Leber ist sehr hoch und sie weisen eine ausgeprägte Insulinresistenz auf. Subtyp 5 geht mit einer höheren Mortalität einher.
Aufgrund des unmittelbaren Risikos, einen Diabetes zu entwickeln, ist eine frühzeitige Intervention ratsam. Betroffene können von Lebensstiladaptionen und/oder einer strengen Diät profitieren. Jene Maßnahmen sollten auf eine Gewichtsabnahme und eine Reduktion des Leberfetts abzielen.
Subtyp 6: hohes Risiko
Subtyp 6 wird dadurch charakterisiert, dass sich bereits Folgeschäden an den Nieren nachweisen lassen, bevor sich der Typ-2-Diabetes manifestiert hat. Kennzeichnend ist eine ausgeprägte viszerale Adipositas (bei einem durchschnittlichen BMI von 34,94 kg/m2). Eine Fettleber kommt selten vor, Betroffene weisen jedoch ein hohes renales Sinusfett auf. Bei einem relativ niedrigen Diabetes-Risiko bestehen dennoch ein hohes Nephropathie-Risiko und eine besonders hohe Mortalität. Die Insulinproduktion der Betazellen war beim Subtyp 6 deutlich gesteigert, aber ausreichend, um die Insulinresistenz zu kompensieren. Neben Fettablagerungen in den Organen könnte jene Hyperinsulinämie für die Nierenschäden (angezeigt durch eine Mikroalbuminurie) verantwortlich sein. Trotz des fehlenden Anstiegs des Blutzuckers sind frühzeitige therapeutische Maßnahmen angezeigt.
Fazit
Die Erkenntnisse hinsichtlich der Subtypen des Prädiabetes können dazu beitragen, die Entwicklung eines Diabetes bzw. damit assoziierter Komplikationen durch eine gezielte Prävention zu verhindern. Die Subtypen 3, 5 und 6 sind besonders gefährdet, daher sind gerade in jenen Fällen eine frühzeitige Identifikation und eine – möglichst maßgeschneiderte – Intervention wichtig. Vor allem der Subtyp 6, bei welchem Komplikationen bereits im Vorstadium des Diabetes entstehen, unterstreicht den Stellenwert der Früherkennung.
Anna Schuster, BSc
Literatur: 1 Zaharia OP et al., Lancet Diabetes Endocrinol. 2019 Sep;7(9):684-694. 2 Wagner R et al., Nat Med. 2021 Jan;27(1):49-57. „Eine neue Diabetesklassifikation? Subtypen von Typ-2-Diabetes haben unterschiedliches Risiko für diabetesbedingte Krankheiten wie Fettleber und Neuropathie“, Deutsches Zentrum für Diabetesforschung. https://bit.ly/2LABO9b (abgerufen am 11.01.2021). „Subtypen bei Vorstufe des Diabetes entdeckt“, Deutsches Zentrum für Diabetesforschung. https://bit.ly/2LAv9Ma (abgerufen am 11.01.2021). Deutsches Ärzteblatt: Prädiabetes: Studie findet 6 Subtypen mit unterschiedlichem Gefährdungspotenzial (05.01.2021).
X Infobox: Die Subtypen des Typ-2-Diabetes und ihr
Anteil – bezogen auf die untersuchten Diabetes-Patienten in % (n = 1.105)1
milder altersbedingter Diabetes (MARD, 35 %) milder adipositasbedingter Diabetes (MOD, 29 %) schwerer autoimmuner Diabetes (SAID, 22 %) schwerer insulinresistenter Diabetes (SIRD, 11 %) schwerer insulindefizitärer Diabetes (SIDD, 3 %)
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*Schmutterer I, Delcour J, Griebler R. (Hrsg.) Österreichischer Diabetesbericht 2017, Wien: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen; 2017