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Chronische perianale Fisteln bei Morbus Crohn

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Stammzellen als neuartige und schonende Behandlungsmöglichkeit

Sie sind meist Ausdruck eines komplizierten Krankheitsverlaufes und können die Lebensqualität von Menschen mit Morbus Crohn (MC) erheblich beeinträchtigen: perianale Fisteln. „Oftmals leiden viele Patienten nicht nur an chronischen Schmerzen, sondern auch unter einer partiellen Stuhlinkontinenz, die sich infolge austretender Sekrete und Darminhalte durch irreguläre Verbindungen nach außen manifestiert“ , gibt Univ.-Prof. Dr. Anton Stift, Facharzt für Chirurgie, AKH Wien, zu bedenken. Neben medikamentösen und vor allem operativen Verfahren, die eine enorme Expertise der behandelnden Ärzte erfordern, erzielt die Stammzelltherapie mit allogenen Fettstammzellen vielversprechende Ergebnisse.

Experte zum Thema: Univ.-Prof. Dr. Anton Stift

Facharzt für Chirurgie, Klinische Abteilung für Allgemeinchirurgie, Medizinische Universität Wien

Entartungsgefahr bei Chronifizierung

Rund die Hälfte aller MC-Patienten zeigt eine perianale Beteiligung, die sowohl bei Befall des Kolons (41 %) als auch bei Befall des Rektums (91 %) in Erscheinung tritt. „Fisteln stellen keine simplen Verbindungsgänge dar, sondern haben oftmals Verengungen, Verzweigungen sowie mehrere Öffnungen“ , ergänzt Prof. Stift. Neben der massiven Verschlechterung der Lebensqualität von Betroffenen bestehe die Gefahr einer malignen Entartung. Besonders bei einem chronischen Fistelleiden von mehr als zehn Jahren kann sich mit einer Häufigkeit von 0,7 % ein Fistelkarzinom entwickeln.¹

„Der Abszess ist die Mutter der Fistel.“

Diagnostik und medikamentöse Behandlung

Kommt es im Rahmen des MC zu einem perianalen Fistelleiden, empfehlen die Leitlinien eine MRT des Beckens als Instrument der Ausbreitungsdiagnostik. Als Äquivalent kann der transrektale endoskopische Ultraschall (TRUS) gemeinsam mit der rektalen Untersuchung erfolgen. Der Diagnostik kommt bei der Wahl der Behandlungsstrategie eine Schlüsselrolle zu. Generell sind perianale Fisteln bei MC eine der größten therapeutischen Herausforderungen und bedingen eine enge interdisziplinäre Abstimmung unterschiedlicher Fachärzte wie Chirurgen oder Gastroenterologen.² Obwohl der Einsatz von Antibiotika zur Primärtherapie von Fisteln weit verbreitet ist, ist dessen rationale Basis begrenzt. Nichtsdestotrotz lindern sie rasch die Symptomatik bei einer akuten Entzündung der Fistel und bei starken Beschwerden wie Schmerzen und Aus- >

fluss, sie können die Fistel allerdings nicht heilen. Unabhängig davon geht ein dauerhafter Einsatz von Antibiotika immer mit der Gefahr der Resistenzentwicklung einher.³ Zwecks der Vermeidung einer langfristigen systemischen Steroidtherapie sollte eine immunsuppressive Therapie insbesondere bei Patienten mit Prädiktoren für einen ungünstigen Verlauf in Betracht gezogen werden. „Vor der Einleitung einer systemischen immunsuppressiven Therapie ist ein Abszess auszuschließen oder zu drainieren, da die Therapie sonst schwere Komplikationen hervorrufen kann“ , so der Experte. Bei hoher Krankheitsaktivität des MC bzw. zur Therapie perianaler Fisteln werden primär auch Anti-TNF-AlphaAntikörper eingesetzt. Die zusätzliche Gabe von Steroiden gilt es wegen Nebenwirkungen und negativer Effekte auf die weitere Fistelausdehnung nach Möglichkeit zu vermeiden.²

Operatives Vorgehen

Die perianale Fistel stellt eine häufige Indikation für eine Operation dar. „Die Wahl des operativen Verfahrens richtet sich nach dem Fistelverlauf und seiner anatomischen Beziehung zum Schließmuskel“ , macht der Chirurg aufmerksam. Unterscheiden ließen sich hierbei Verfahren mit bewusster Durchtrennung von Schließmuskelanteilen (Fistelspaltung) von solchen, welche die Schließmuskelintegrität weitestgehend zu erhalten versuchten (plastischer Fistelverschluss). Asymptomatische, einfache perianale Fisteln sollten nur im Ausnahmefall chirurgisch therapiert werden. Eine hochgradig entzündete und verstopfte Fistel (Abszess) ist jedoch auf jeden Fall chirurgisch zu versorgen, um ein Abszess-Rezidiv zu verhindern und die akuten Symptome zu behandeln. Dabei kommt eine Abszess- bzw. Fadendrainage zur Anwendung. Diese wird durch die Fistelgänge geführt und außerhalb des Körpers verknotet. Dank jenes Verfahrens lässt sich die Fistel offen halten und Flüssigkeit ableiten. Nach Ausheilung bzw. bei inaktivierter Fistel ohne aktive entzündliche Veränderungen im Rektum kann abschließend ein plas-

Das Wichtigste in Kürze

Fisteln sind häufig sehr komplex und beeinträchtigen die Lebensqualität Betroffener massiv. Insbesondere bei chronischem Fistelleiden besteht die Gefahr einer Entartung. Therapeutische Schritte sollten in interdisziplinärer Abstimmung erfolgen. Antibiotika können die Fistel nicht heilen, lindern allerdings akute Entzündungssymptome. Neben einer immunsuppressiven Therapie kommen bei perianalen Fisteln und schweren MC-Verläufen Anti-TNF-Alpha-Antikörper zum Einsatz. Asymptomatische perianale Fisteln erfordern keine chirurgische Intervention. Die Abszess- bzw. Fadendrainage zählt zu den Methoden der Wahl, eine Fistelspaltung birgt bei komplexen Fisteln die Gefahr der Stuhlinkontinenz. Die Injektion allogener Stammzellen konnte in Studien bereits gute Erfolge verzeichnen. Die langfristigen Ziele der Behandlung perianaler Fisteln sind eine verbesserte Lebensqualität der Patienten sowie die Heilung der Fistel.

tischer Fistelverschluss durchgeführt werden. Komplexe Fisteln dürfen wegen des Risikos einer Stuhlinkontinenz in der Regel nicht gespalten werden. Alternativ wird hierbei die innere Öffnung des Fistelganges operativ verschlossen, um das Eindringen von Flüssigkeit und Stuhl zu verhindern.² „In besonders schweren Fällen wird auch die Anlage eines Stomas erwogen, damit die betroffene Region zeitweilig ruhen kann und symptomfrei bleibt“ , erklärt Prof. Stift.

Stammzelltherapie

„Stammzellen sind eine neuartige Behandlungsmöglichkeit von komplexen perianalen Fisteln bei MC“ , informiert der Experte. Dabei werden allogene Stammzellen direkt in die Wand der perianalen Fistel injiziert, um so die Proliferation von Lymphozyten zu hemmen und die Bildung proinflammatorischer Zytokine zu verringern.4 „Die dadurch erzielte lokale immunregulatorische Aktivität der Stammzellen reduziert einerseits die Entzündung und fördert andererseits die Abheilung sowie den Verschluss der Fistel“ , fügt der Chirurg hinzu. Ein bedeutender Vorteil der Stammzelltherapie bestehe zudem darin, dass sie den Schließmuskel nicht beeinträchtige. Stammzellen zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus: Sie können sich selbst replizieren und sich in unterschiedliche Gewebearten verwandeln, darüber hinaus Entzündungen in ihrer Umgebung erkennen und darauf antientzündlich reagieren. Diese Eigenschaften zeigten bereits vielversprechende Ergebnisse in klinischen Studien zu MC und anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen.4

Kurz- und langfristige Behandlungsziele

Das kurzfristige Ziel der Behandlung perianaler Fisteln ist die Linderung von Symptomen wie Schmerzen, Druckgefühl und Ausfluss. Überdies sollen Abszesse als hochgradig entzündete Formen einer Fistel und das Übergreifen der Entzündung auf den Körper verhindert werden. „Die generelle Behandlungsstrategie der Fisteln richtet sich nach deren Verlauf (Komplexität)“ , betont der Experte. Subkutane und intersphinktere Fisteln könnten gespalten werden, alle anderen würden zunächst drainiert und dann einer Behandlung zugeführt. „Langfristig gelten das Sistieren des Ausflusses, der Verschluss und damit die Heilung der Fistel als Ziele“ , führt Prof. Stift aus. Außerdem soll die Behandlung die Funktionsfähigkeit des Schließmuskels nicht beeinträchtigen, die Lebensqualität der Patienten verbessern und ihnen folglich ein möglichst uneingeschränktes Leben bieten.

Mag.a Nicole Resl

Literatur: 1 Schneider M et al., Schweizer Medical Forum 2016; 16(42):887-895. 2 Preiß JC et al., Z Gastroenterol. 2014, 52:1431-1484. 3 Gionchetti P et al., J Crohns Colitis 2017; 11(2):135-149. 4 Panes J et al., Lancet 2016, 388(10051):1281-90.

Update: Thrombosen und Krebserkrankungen

NOAK eignen sich sehr gut zur Therapie der tumorassoziierten venösen Thromboembolie

In der EU versterben jährlich doppelt so viele Menschen an den Folgen einer venösen Thromboembolie als an Mammakarzinom, Prostatakrebs, AIDS und Verkehrsunfällen zusammen. Ein Viertel dieser Thrombosen kommt bei Krebspatienten vor. Insbesondere bei Tumorentitäten wie dem Magen- und dem Pankreaskarzinom besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Blutgerinnsel in den Gefäßen bildet.

Symptome häufig schleichend

Die Symptome einer Thrombose treten nicht immer unmittelbar auf, sondern können sich auch langsam über einen Zeitraum von mehreren Wochen entwickeln. Meist kommt es zu einer einseitigen Schwellung eines Beines mit Spannungsgefühl und Schmerzen. Bei onkologischen Patienten mit einem zentralvenösen Zugang (z. B. Port-a-Cath) ist außerdem häufig ein Arm betroffen. Das Blutgerinnsel, welches sich in den venösen Gefäßen der Extremität gebil-

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det hat, kann sich lösen und über die Blutbahn in die Lunge wandern. Die sogenannte Lungenembolie betrifft rund ein Drittel aller Patienten mit einer Thrombose im Oberschenkel. Symptome umfassen Kurzatmigkeit, vermehrtes schnelles Atmen (Tachypnoe), Brustschmerzen (vergleichbar mit jenen bei einem Herzinfarkt) oder Husten. Als diagnostische Maßnahme wird eine Spiral-CT vorgenommen. Die Gründe für eine Thrombose bzw. Pulmonalembolie sind vielfältig: ein höheres Lebensalter, eine lange dauernde Reise, eine Schwangerschaft oder eine frühere Thrombose. Bei Krebspatienten kommen weitere Risikofaktoren hinzu: Dazu zählen ein fortgeschrittenes Tumorstadium, Immobilität, eine Tumoroperation, die unkontrollierte Gabe von Erythropoetin und der bereits erwähnte zentralvenöse Zugang.

Primäre Thromboseprophylaxe

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und Risikobeurteilung

Zur Beurteilung des Risikos einer Thrombose bei Krebspatienten kann der Khorana-Score herangezogen werden. Dieser sehr zuverlässige Score, welcher eine einfache Bestimmung des Risikos ermöglicht, berücksichtigt unter anderem die Tumorentität, die Thrombozyten- und Leukozytenanzahl sowie den Hämoglobinspiegel.1 Patienten mit einem Score von 3 oder mehr kann eine Dauerprophylaxe mit einem „neuen“ Antikoagulans (s. u.) angeboten werden. Auf jeden Fall sind Personen mit einem hohen Score über Symptome einer Thrombose bzw. eines Lungeninfarkts sowie über die Notwendigkeit einer sofortigen ärztlichen Kontrolle und Bildgebung zu informieren. Nach einer Tumoroperation ist das Thromboserisiko für einige Wochen deutlich erhöht. Eine postoperative „Thrombosespritze“ mit Heparin für vier Wochen bietet einen guten Schutz.

Therapie der tumorassoziierten Thrombose

Wenn eine Thrombose auftritt, ist eine zumindest dreimonatige Therapie mit Antikoagulantien erforderlich. Zu den älteren Medikamenten zur Blutverdünnung zählen die Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon, Acenocoumarol und Warfarin. Für Krebspatienten sind diese Präparate nicht gut geeignet, da die Wirkung von der Nahrungszufuhr abhängt und es aufgrund einer schwankenden Nahrungszufuhr vermehrt zu Über- und Unterdosierungen kommt. Daher stellte die subkutan verabreichte Heparinspritze für viele Jahre die Standardtherapie zur Verhinderung einer neuerlichen Thrombose dar (sekundäre Thromboseprophylaxe). Die über Monate benötigte tägliche Heparininjektion ist für zahlreiche Patienten belastend. Glücklicherweise stehen seit etwa zwei

Autor: Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann

Leiter des Zentrums für Tumorerkrankungen am Ordensklinikum Linz, Leiter des Tumorzentrums Oberösterreich

Jahren die „neuen Antikoagulantien“ – etwa Edoxaban, Apixaban und Rivaroxaban – für die orale Einnahme zur Verfügung. Jene Medikamente werden synthetisch hergestellt und eignen sich sehr gut zur Behandlung der tumorassoziierten venösen Thromboembolie. Vorsicht ist geboten, wenn das Antikoagulans in der palliativen Situation oder vor Abschluss der Tumortherapie (bei kurativer Behandlungsintention) abgesetzt wird: Das Rezidivrisiko ist in diesen Situationen besonders hoch und etwa die Hälfte der Thromboserezidive tritt nach Absetzen der Blutverdünnung auf. Die Therapie mit Antikoagulantien sollte daher bis in die hoch palliative Lebensphase bzw. bis zwei Wochen nach Abschluss der Tumortherapie (in einer kurativen Situation) durchgeführt werden.

Keine Empfehlung für Kompressionsstrümpfe

Zu Beginn einer Thrombose können Kurzzugbandagen dazu beitragen, dass die Schwellung schneller abklingt. Die anschließend oftmals verordneten Kompressionsstrümpfe der Klasse II haben keinen Nutzen in der Behandlung von akuten Thrombosen: Sie verhindern weder das Auftreten eines postthrombotischen Syndroms noch ein Thromboserezidiv.2 Bei weniger als 10 % der Patienten kommt es im Verlauf des ersten Jahres zu einem sogenannten postthrombotischen Syndrom der betroffenen Extremität: Wenn dieses auftritt, ist eine Kompressionsstrumpftherapie (Klasse II) indiziert. <

Quelle: „Onkologie für die Praxis“, Onlinekongress des Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, 16.-17. Oktober 2020. Eine Nachlese finden Sie auf: www.ordensklinikum.at/onkologie2020

Literatur: 1 Khorana-Score: www.mdcalc.com/khorana-riskscore-venous-thromboembolism-cancer-patients 2 Kahn SR et al., The Lancet, Volume 383, Issue 9920, 2014, 880-888.

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