Hausarzt 01/2021

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Hausarzt extra

Vertrauensverhältnis in der Praxis

Foto: © shutterstock.com/ Vitali Michkou

Die Rolle von Hausärzten in Hinblick auf Adhärenz, Health Literacy und Empowerment

Hausärzte nehmen eine besondere Funktion und damit Rolle innerhalb des Gesundheitswesens ein. Vor allem aus dem vertrauensvollen Arzt-PatientenVerhältnis resultiert eine zentrale Stellung, aber ebenso – und das wird gelegentlich übersehen – eine besondere Verantwortung.

Wechselseitiges Vertrauen An der Auffassung „Vertrauen verpflichtet!“ – ist etwas Wahres dran. Da Hausärzten für gewöhnlich großes Vertrauen entgegengebracht wird und darum eine besondere Form der Intimität herrscht, in welcher Rat gesucht wird, ist dieses Vertrauensverhältnis natürlich auch anfällig für Einflussnahmen. Insbesondere der für jede medizinische Intervention vorausgesetzte „informed consent“ sollte stets nichtdirektiv zustande kommen, was allerdings jeder realen Kommunikationsstruktur widerspricht: Kommunikationsverhältnisse, erst recht jene, die durch Vertrauen und Intimität bestimmt sind, unterliegen immer schon

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Jänner 2021

wechselseitigen Einflussnahmen. Anspruch und Wirklichkeit sind zweierlei Dinge und ersteres muss wohl eher als Ideal gesehen werden.

Bedeutende Schnittstellen­ funktion Nun muss man jenen Umstand nicht zwangsläufig bedauern, zugleich versteht man, warum Hausärzten eine zentrale Funktion – und damit freilich auch eine Form der Macht – im Gesundheitswesen zukommt. Genau diese Schnittstellenfunktion prädestiniert Hausärzte allerdings dafür, als Brückenbauer und Transmissionsriemen für Verbesserungen im Gesundheitssystem zu fungieren. Derzeit bestehen enorme gesellschaftliche Herausforderungen, von denen COVID-19 nur eine ist. Die bisherigen Entwicklungen erfordern bereits nachhaltige Initiativen insbesondere in Bezug auf die individuelle Gesundheitskompetenz. Bei jenen haben Hausärzte – neben anderen Funktionsträgern – eine herausragende Vermittlungsposi-

tion. Man denke etwa an die (global) immer noch steigenden Zahlen von Übergewicht und Adipositas, an den Bewegungsmangel (verschärft durch aktuelle Home-Learning- und HomeOffice-Strategien), an die problematische Ernährung und damit insgesamt an all das, was gemeinhin als Zivilisationskrankheiten bezeichnet wird, welche wiederum bei den Erkrankungen und Todesursachen ganz oben rangieren. Wie diese derzeit noch kulminierenden Probleme sich verlässlich bewältigen lassen, ist nicht ganz klar. Eines zeigt sich aber seit längerer Zeit: Der Mangel an eigenverantwortlichem Gesundheitsverhalten, also an Empowerment, resultiert weniger aus Unkenntnis denn aus emotionalen Schwierigkeiten mit der Motivation.

Evolutionärer Hintergrund Das Problem lässt sich auch evolutionsbiologisch beschreiben: Für biologische Systeme ist evolutionär die biologische Fitness eine Frage der Effizienz, also


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