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Die Bedeutung von Genmutationen in der Krebstherapie Genetische Testungen und neue Therapiemöglichkeiten bei Eierstock- und Prostatakrebs
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engeschichte nicht über alle BRCAMutationen Aufschluss geben, da eine Familienanamnese in vielen Fällen nicht vorhanden ist. Somit wird zum Bei spiel jeder Frau mit der Diagnose Eier stockkrebs eine genetische Testung der BRCA1/2-Gene und eine HRD-Testung (Testung auf eine sog. „genetische Insta bilität“) angeboten, und zwar unabhän gig von der Familiengeschichte.
Neue Therapiemöglichkeiten
Die große Herausforderung bei Eier stock- und Prostatakrebs ist die Tatsa che, dass es sich jeweils um einen „stillen Krebs“ handelt, der lange keine spezifi schen Symptome verursacht und teilwei se erst in einem fortgeschrittenen Stadi um bemerkt wird. Genetische Testungen und darauf aufbauende zielgerichtete Therapien stellen hier eine bedeutsame Ergänzung der Früherkennung und Be handlung besagter Krebsarten dar.
Genmutationen steigern das Krebsrisiko Prostata- und Eierstockkrebs können genetisch bedingt sein und resultie ren häufig aus Mutationen in einem der beiden Gene BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer Gene 1 und 2), die so wohl Frauen wie auch Männer von Ge burt an in sich tragen. BRCA1/2-Gene haben eine wichtige Funktion bei der Reparatur von Zellschäden. Verände rungen in jenen Genen sind vor allem dafür bekannt, dass sie das Risiko einer Brust- oder Eierstockkrebs-Erkrankung deutlich erhöhen, sie können jedoch auch die Entstehung von Melanomen,
Darm-, Bauchspeicheldrüsen- oder Pro statakrebs begünstigen. Eine Mutation der BRCA1/2-Gene be steht entweder ausschließlich in den Tu morzellen (somatische Mutation) oder in allen Körperzellen (Keimbahnmutation). Jene Unterscheidung hat eine große Bedeutung, da die Keimbahnmutation erblich bedingt ist (etwa 10 bis 15 % der Prostata- und Eierstockkrebsfälle). Ein Träger jener Mutation gibt sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an seine Nachkommen weiter. Deshalb spielt die Familienanamnese bei der Abschätzung des Krebsrisikos und folglich bei der di agnostischen Vorgehensweise eine tra gende Rolle.
Genetische Testungen Sind Familienangehörige des Patien ten bekannt, die z. B. an Prostata- oder Eierstockkrebs leiden, gehört er einer Risikogruppe an: „Diese Risikogruppen sollten sich in Bezug auf BRCA testen lassen, das empfehlen wir dringend“, betont Univ.-Prof. Dr. Gero Kramer, Universitätsklinik für Urologie, Med Uni Wien. Dennoch kann die Famili
Das besonders Wertvolle an dem Wissen über eine BRCA-Mutation: Inzwischen gibt es zielgerichtete Therapien mit ak tuell neuen medikamentösen Zulassun gen, die sich genau jenen Gendefekt zu nutze machen – die PARP-Inhibitoren. PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase), ein Schlüsselenzym, ist an der Repa ratur von DNA-Einzelstrangbrüchen beteiligt. Wenn der Reparaturmechanis mus der Zelle aufgrund einer BRCA1/2Mutation bereits beeinträchtigt ist und eine PARP-Hemmung hinzukommt, „vermag die Zelle die Erbinformati on nicht mehr zu retten. Es kommt zu Doppelstrangbrüchen, zu sehr schweren Schädigungen der Zelle und dadurch zu einem Absterben der Tumorzelle“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christian Marth, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Innsbruck. „Die Beeinflussung der genetischen Reparaturmechanis men als neue Säule der Therapie des Ei erstockkrebses ist wirklich ein ganz ent scheidender Fortschritt“, unterstreicht der Gynäkologe. Und Prof. Kramer fügt hinzu: „Diese Therapien sind beim me tastasierten Prostatakarzinom lebens zeitverlängernd.“ Anna Schuster, BSc Quelle: AVISO Pressegespräch: Weltkrebstag: Prostata- und Unterleibskrebs oft in der Familie – Kampagne „New Normal, Same Cancer – Neuer Alltag, gleicher Krebs“ soll Bewusstsein schaffen, 14.01.2021.
Dieser Beitrag wurde im Fortbildungs-Fragebogen auf S. 23 berücksichtigt.
März 2021
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