ArztAssistenz 01/2021

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Arzt ASSISTENZ Fortbildung

Die Bedeutung von Genmutationen in der Krebstherapie Genetische Testungen und neue Therapiemöglichkeiten bei Eierstock- und Prostatakrebs

Foto: © shutterstock.com/ Anusorn Nakdee

engeschichte nicht über alle BRCAMutationen Aufschluss geben, da eine Familienanamnese in vielen Fällen nicht vorhanden ist. Somit wird zum Bei­ spiel jeder Frau mit der Diagnose Eier­ stockkrebs eine genetische Testung der BRCA1/2-Gene und eine HRD-Testung (Testung auf eine sog. „genetische Insta­ bilität“) angeboten, und zwar unabhän­ gig von der Familiengeschichte.

Neue Therapiemöglichkeiten

Die große Herausforderung bei Eier­ stock- und Prostatakrebs ist die Tatsa­ che, dass es sich jeweils um einen „stillen Krebs“ handelt, der lange keine spezifi­ schen Symptome verursacht und teilwei­ se erst in einem fortgeschrittenen Stadi­ um bemerkt wird. Genetische Testungen und darauf aufbauende zielgerichtete Therapien stellen hier eine bedeutsame Ergänzung der Früherkennung und Be­ handlung besagter Krebsarten dar.

Genmutationen steigern das Krebsrisiko Prostata- und Eierstockkrebs können genetisch bedingt sein und resultie­ ren häufig aus Mutationen in einem der beiden Gene BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer Gene 1 und 2), die so­ wohl Frauen wie auch Männer von Ge­ burt an in sich tragen. BRCA1/2-Gene haben eine wichtige Funktion bei der Reparatur von Zellschäden. Verände­ rungen in jenen Genen sind vor allem dafür bekannt, dass sie das Risiko einer Brust- oder Eierstockkrebs-Erkrankung deutlich erhöhen, sie können jedoch auch die Entstehung von Melanomen,

Darm-, Bauchspeicheldrüsen- oder Pro­ statakrebs begünstigen. Eine Mutation der BRCA1/2-Gene be­ steht entweder ausschließlich in den Tu­ morzellen (somatische Mutation) oder in allen Körperzellen (Keimbahnmutation). Jene Unterscheidung hat eine große Bedeutung, da die Keimbahnmutation erblich bedingt ist (etwa 10 bis 15 % der Prostata- und Eierstockkrebsfälle). Ein Träger jener Mutation gibt sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an seine Nachkommen weiter. Deshalb spielt die Familienanamnese bei der Abschätzung des Krebsrisikos und folglich bei der di­ agnostischen Vorgehensweise eine tra­ gende Rolle.

Genetische Testungen Sind Familienangehörige des Patien­ ten bekannt, die z. B. an Prostata- oder Eierstockkrebs leiden, gehört er einer Risikogruppe an: „Diese Risikogruppen sollten sich in Bezug auf BRCA testen lassen, das empfehlen wir dringend“, betont Univ.-Prof. Dr. Gero Kramer, Universitätsklinik für Urologie, Med­ Uni Wien. Dennoch kann die Famili­

Das besonders Wertvolle an dem Wissen über eine BRCA-Mutation: Inzwischen gibt es zielgerichtete Therapien mit ak­ tuell neuen medikamentösen Zulassun­ gen, die sich genau jenen Gendefekt zu­ nutze machen – die PARP-Inhibitoren. PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase), ein Schlüsselenzym, ist an der Repa­ ratur von DNA-Einzelstrangbrüchen beteiligt. Wenn der Reparaturmechanis­ mus der Zelle aufgrund einer BRCA1/2Mutation bereits beeinträchtigt ist und eine PARP-Hemmung hinzukommt, „vermag die Zelle die Erbinformati­ on nicht mehr zu retten. Es kommt zu Doppelstrangbrüchen, zu sehr schweren Schädigungen der Zelle und dadurch zu einem Absterben der Tumorzelle“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christian Marth, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Innsbruck. „Die Beeinflussung der genetischen Reparaturmechanis­ men als neue Säule der Therapie des Ei­ erstockkrebses ist wirklich ein ganz ent­ scheidender Fortschritt“, unterstreicht der Gynäkologe. Und Prof. Kramer fügt hinzu: „Diese Therapien sind beim me­ tastasierten Prostatakarzinom lebens­ zeitverlängernd.“ Anna Schuster, BSc Quelle: AVISO Pressegespräch: Weltkrebstag: Prostata- und Unterleibskrebs oft in der Familie – Kampagne „New Normal, Same Cancer – Neuer Alltag, gleicher Krebs“ soll Bewusstsein schaffen, 14.01.2021.

Dieser Beitrag wurde im Fortbildungs-Fragebogen auf S. 23 berücksichtigt.

März 2021

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