Engagement im Ehrenamt
Foto: Alina Dajnowicz
Mit Handicap nach oben Alex Dajnowicz und sein Team organisieren das Klettern für Menschen mit Beeinträchtigungen von Klaus Utzni Kletterern, die alle voll motiviert die Wand hochkraxeln. Wie alle übrigen Sportler im Kletterzentrum auch – nur mit einem großen Unterschied: sie haben ein Handicap. Sie gehören der Gruppe der ParaVertikalen (PV) an, ein Angebot der Sektion seit Anfang 2019, dem sich derzeit rund 30 Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen angeschlossen haben. Alex, 49, ist der Leiter des Trainerteams, dem Alina, Franzi, Kerstin, Maxi, Hannes, Matthias, Volker und Mathias angehören. Alex ist diesmal das Ehrenamtsportrait gewidmet, stellvertretend für das gesamte Team. Zurück zu Karen, die grade eine 3+-Route hochklettert. Mit viel Ehrgeiz, wie sie nach dem Abseilen sagt. Wie alle anderen ParaVertikalen auch muss sie stets an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen, denn es gilt, zusätzliche Probleme zu überwinden. „Das Aufsetzen der Füße kostet viel Kraft, das Gleichgewicht
Foto: Alex Dajnowicz
Vor fünf Jahren überbrachte ein Arzt Karen eine schlimme Nachricht: Sie werde ein Leben lang im Rollstuhl sitzen. Damals war ihr Sprachzentrum gestört, sie konnte nicht mehr reden, ein Bein spürte sie nicht mehr. Die 51-Jährige leidet an Multipler Sklerose. MS ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die häufig zu Behinderungen führt. Doch Karen gab nicht auf. Sie kämpfte sich verbissen zurück in ein einigermaßen normales Leben. „Dank der Therapie und weil ich wieder klettern konnte“, sagt sie rückblickend. Jetzt sitzt sie nicht mehr im Rollstuhl, spricht wieder. Und steigt angeseilt und vollauf konzentriert nach oben, von einem Tritt und Griff zum nächsten, an der zehn Meter hohen Wand im Kletterzentrum. Unten steht ebenso konzentriert Alex Dajnowicz, der Karen am Seil sichert und in dieser Stunde die Verantwortung übernommen hat für eine kleine Gruppe von Kletterinnen und
Das Team der ParaVertikalen (v.l.n.r.: Matthias Benedek, Alex Dajnowicz, Sarah Scheel, Alina Dajnowicz und Volker Hergeth).
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Alex fühlt sich nicht nur in der Kletterhalle heimisch, sondern auch in den Bergen.
zu halten und die Koordination sind weitere Probleme für mich“, umreißt sie die Schwierigkeiten in der Kletterwand. Auch Uschi, 60, leidet an MS, die bei ihr vor elf Jahren diagnostiziert wurde. Früher, so erzählt sie, spielte sie Handball bei TG Viktoria Augsburg und TV Jahn Augsburg, fuhr Motorrad, lief Ski. Auf all dies muss sie, wie sie sagt, „schweren Herzens“ verzichten. „Dafür kann ich aber klettern“, sagt Uschi, dankbar für das Angebot der Sektion. „Ich muss es mir zutrauen, und ich muss es bewältigen können“. Man sieht, dass das Hochgehen in der Wand alles andere als einfach für sie ist. Langsam setzt sie einen Fuß auf, zieht sich hoch. Besonders wichtig sei ihr eine gute Sicherung am Seil. Sie habe Vertrauen in die Trainer*innen. Auch Corinna, 24, deren rechte Hand durch eine Lähmung beeinträchtigt ist, klettert gerade eine 3+ und weiß, dass sie sich auf Alex, der sie am Seil hält, verlassen kann. Beim Klettern ist ihre rechte Hand verspannt, sie spürt sie weniger, auf Dauer lässt die Kraft nach. Die PV sind ein Projekt der Inklusion, das Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigtes Klettern ermöglichen soll. Die Idee dazu, die im Vorstand geboren wurde, haben Alina Dajnowicz, die 2. Vorsitzende der Sektion, und ihr Ehemann Alex aufgegriffen. „Die ParaVertikalen sind Alinas Baby“, sagt Alex anerkennend. Alina hat als Trainerin die
alpenblick 1 | 2022
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