Kronen Zeitung - Salzburger Festspiele

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AUSSTELLUNG

Jedermanns Juden S

chüler mit Trompeten rotten sich in der Altstadt zusammen. Ihr Ansinnen ist der lautstarke Protest. Gegen das jüdische Element und die neu bearbeitete Jedermann-Produktion, mit der soeben die ersten Salzburger Festspiele auf dem Domplatz eröffnet werden. Man schreibt den 22. August 1920. Die Polizei ist rasch zur Stelle und verhindert die Aktion. Es ist die Zwischenkriegszeit, die speziell in Salzburg zerrissen ist zwischen Katholizismus und Deutschnationalismus. Unter diesen Rahmenbedingungen finden die ersten Salzburger Festspiele als katholisch-neobarockes Spektakel statt. Getragen von den Gründervätern, dem jüdischen Visionär Max Reinhardt und dem jüdisch abstammenden Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal, der trotz seiner tiefen Verwurzelung in der katholischen Kultur zur Zielscheibe antisemitischer Angriffe wird. Ebenso wie der erste Jedermann-Darsteller Alexander Moissi, der kein Jude ist, dessen Name aber als hebräisch eingeordnet wird. Oder der Dirigent Bruno Walter, der als einer der wenigen jüdischen Künstler nach dem Krieg wieder bei den Salzburger Festspielen in Erscheinung tritt. Im Spannungsfeld von jüdischer Prägung, katholischer Tradition und antisemitischen Attacken spannt die Ausstellung den Bogen von der Gründung der Salzburger

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Den Spuren der Salzburger Festspiele kann man in diesem Sommer auch in Wien folgen: Das Jüdische Museum zeigt die Ausstellung „Jedermanns Juden“ u. a. mit noch nie gezeigten Objekten aus dem Nachlass von Max Reinhardt. Text: Elisabeth Patsios

Festspiele bis in die Nachkriegszeit. „Es war die Vision des brillanten Max Reinhardt, die Stadt als Kulisse zu verwenden. Eine geniale Idee, die auch hundert Jahre später genauso frisch geblieben ist“, sagt Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien. Ein spannendes Expo-

Szene aus dem „Jedermann“ im Jahr 1929: Alexander Moissi und Luis Rainer in seiner Paraderolle als „Tod“.

nat der Ausstellung ist für sie Reinhardts persönliches Reisegepäck. „Seine Koffer sind ein starkes Symbol für das Weggehen-Müssen.“ SALZBURG VERSUS BAYREUTH

Salzburg stand von Anfang an in Konkurrenz zu Bayreuth. Die weltoffene, süddeutschkatholische Note gegen den preußischen Protestantismus. „Es musste erst die Monarchie untergehen, bevor sie auf der Bühne wieder auferstehen konnte“, sagt Ausstellungskurator Marcus Patka. Die Kirche als Ort der Inszenierung hat man in katholisch-konservativen Kreisen schwer übelgenommen. Die Antisemiten reizte besonders, dass jüdische Künstler mit christlichen Themen Geschäfte machten. Wohlhabende Touristen der frühen 1920er-Jahre standen unter Generalverdacht, „jüdisch“ zu sein. Man sprach vom „verjudeten Fremdenverkehr“. Dazu kam die Diskrepanz, dass man zwar für die Bevölkerung spielen wollte, diese sich die teuren Eintrittskarten aber gar nicht leisten konnte. Mitte der 1920er-Jahre erweiterten Opern den Spielplan. Mozart in Salzburg gegen Wagner in Bayreuth. Salzburg war nun offizielle Kulturhochburg. In den 30er-Jahren florierten die Festspiele dann unter dem Stardirigenten Arturo Toscanini. Er hatte sich geweigert, in Bayreuth unter Hitler zu dirigieren, und wechselte nach Salzburg, wo man


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