fernsicht
Fernsicht Text und Foto: Andreas Wiederin, Vorstandsvorsitzender
Eine unsichtbare Gefahr mit geringer Eintritts- Wahrscheinlichkeit aber potentiell dramatischen Folgen. Keine Ahnung, wie knapp eine Situation an einer Katastrophe war, außer es geht wirklich schief. Das Übernehmen von Verantwortung für sich und andere. Risikomanagement durch der Situation angepasstes Verhalten und wo nötig Schutzausrüstung. Spreche ich noch von einer Skitour oder schon von der „neuen Normalität“ mit COVID-19? In unserem Alltag sind wir ein in der Geschichte beispielloses Maß an Sicherheit gewohnt. Wir können uns im Normalfall vom Arbeitsplatz bis zur Skipiste darauf verlassen, dass sich irgendjemand darum kümmert, für uns alle denkbaren Gefahrenquellen so weit wie möglich unschädlich zu machen. Und wenn doch etwas passiert, haftet meistens irgendwer. Dabei ist bei genauer Betrachtung nichts s icher, sondern alles letztlich Statistik, und jede Entscheidung ein Spiel mit Eintritts-Wahrscheinlichkeiten. Und es kommt noch schlimmer: Oft k önnen wir ein bestimmtes Risiko nur reduzieren, indem wir ein anderes erhöhen.
Ein Beispiel von unseren Hochtouren: Das Gehen in der Gletscherseilschaft entschärft die Konsequenzen eines Spaltensturzes, allerdings bezahlen wir dafür mit der Möglichkeit eines unhaltbaren Sturzes der gesamten Seilschaft auf steileren Hängen – wir müssen abwägen. Ähnlich verhält es sich bei der Wahl zwischen Schnelligkeit, dem besten Mittel gegen Steinschlag oder herannahende Gewitter, und optimaler Absicherung beim Alpinklettern, die die Konsequenzen eines Sturzes minimiert. Die Situation der vergangenen Monate hat mir wieder einmal vor Augen geführt, wie universell die Strategien eigentlich sind, derer wir uns bedienen, um unsere kleinen und großen Abenteuer gut zu überstehen. Am Berg können wir lernen, uns jenseits gesicherter Räume, im Spannungsfeld oft widersprüchlicher Anforderungen zu bewegen. Wir trainieren, richtige Entscheidungen zu treffen, obwohl wir nicht alle Faktoren kontrollieren können. Vielleicht hilft uns das ja auch, ein gutes Maß zu finden zwischen unseren sozialen (Berg-)Aktivitäten und der Minimierung von COVID-19-Übertragungsrisiken. Das mit dem Lieber-draußen-treffen ist für uns im Alpenverein sowieso der beste Tipp!
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