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Check deine Kletterausrüstung
Persönliche Schutzausrüstung im Bergsport
Check deine Kletterausrüstung! In Anlehnung an den ersten Teil dieser 2-teiligen Serie, der im letzten oben° erschien, erklärt euch Andreas Würtele im Folgenden die wichtigsten Schritte, wie ihr die Sicherheit eurer Kletterausrüstung überprüfen könnt.
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Text und Fotos: Andreas Würtele, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Sicherheitseinrichtungen am Berg, Sachkundiger für PSA im Bergsport
Einbindeschlaufe: Das schützende Material ist durchgerieben und das tragende Gurtband in der Schlaufe bereits abgescheuert

Einleitend eine kurze Zusammenfassung aus dem ersten Teil dieser Serie, in dem wir vor allem auf die Skitourenausrüstung eingegangen sind: Die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) wird überall dort eingesetzt, wo einzelne Personen vor Risiken für ihre Gesundheit oder ihr Leben geschützt werden müssen. Beispiele sind etwa der Gehörschutz, der Atemschutz oder eine Schnittschutzhose.
Um Menschen bei Tätigkeiten in großer Höhe vor dem Herunterfallen zu schützen, kommt die PSA gegen Absturz zum Einsatz, wie beispielsweise bei Dachdeckern oder Monteuren. Nachdem ein Versagen dieser Ausrüstung schwerwiegende Folgen für die betreffende Person hat, gibt es strenge gesetzliche Vorgaben für den Verkauf und die Verwendung dieser speziellen PSA. Natürlich finden im professionellen Bereich auch Überprüfungen des Materials durch unabhängige Prüf- und Zertifizierungsinstitute statt oder auch eine jährliche Überprüfung durch Sachkundige.
Dass auch die Kletterausrüstung unter die PSA gegen Absturz fällt, ist den wenigsten bekannt.
Während man als KletterhallenbetreiberIn, BergführerIn oder auch als alpiner Verein ein gezieltes
PSA-Konzept für sein „Geschäft“ entwerfen und implementieren sollte, da beim Verleih natürlich Fragen der Haftung greifen, möchte ich mich im Folgenden auf einige Tipps zur Bewusstseinsbildung für den privaten Bereich beschränken.
1. Unterscheidung zwischen metallischen, textilen und Kunststoff-Komponenten
Während die PSA aus Metall (zum Beispiel Karabiner, Sicherungsgeräte) – vorausgesetzt sie ist in einwandfreiem Zustand (mehr dazu weiter unten) – praktisch unendlich haltbar ist, haben textile und Kunststoff-Komponenten ein vom Hersteller vorgegebenes Ablaufdatum.
Vor allem bei Helmen ist die Alterung durch UV-Strahlung, die durch das Tragen im Freien unausweichlich auftritt, ein Thema, da der Kunststoff spröd wird und die schützende Energieabsorption unter Umständen nicht mehr einwandfrei auftritt. Im schlimmsten Fall kann der Helm einfach zerbröseln. Wie lang ein Ausrüstungsgegenstand maximal verwendet werden soll, bestimmt der Hersteller und schreibt das in die Gebrauchsanleitung (das ist das Zettelwerk, welches man meist beim Kauf gleich unbeachtet herunterreißt und entsorgt). Dem Internet sei Dank, hat man über die Herstellerseiten meist eine zweite Chance!
2. Sichtprüfung
Es lohnt sich wirklich, Zeit aufzuwenden und jeden Ausrüstungsteil genau anzusehen: Sind alle Nähte in Ordnung, ist das Bandmaterial noch nicht abgenutzt, sind die Metallteile nicht schon verschlissen, z. B. durch
Der Kunststoff bei diesem Helm ist spröde und er sollte unbedingt ausgetauscht werden häufige Verwendung abgeschliffen, sodass scharfe Grate entstanden sind, deformiert oder korrodiert? Gerade bei gebogenen oder umgekanteten Metallteilen, wie sie bei Sicherungsgeräten oder Steigeisen vorkommen, sollte man zusätzlich genau auf Übermüdungs-Brüche oder -Risse achten.
Wenn man die oben gestellten Fragen nicht eindeutig mit Ja beantworten kann, lohnt sich der Besuch beim Bergsporthändler seines Vertrauens.
3. Funktionsprüfung
Funktionieren noch alle Gegenstände wie am ersten Tag? Blockieren die Gurtschnallen noch richtig, quetscht das Grigri das Seil noch richtig ein oder ist schon ein gewisser Durchlauf dabei? Sollte auch hier nicht immer ein eindeutiges Ja herauskommen, lohnt sich wieder die Tour zum Fachhandel.
4. Wartung und Reparaturen
Was man alles selber machen darf, findet man in der bereits erwähnten Gebrauchsanleitung. Ebenso finden sich darin Infos, wie man die Ausrüstung pflegt. Generell kann man sagen, dass man immer nur mit lauwarmem Wasser und ohne Chemie hantieren sollte, maximal mit ein wenig Seife. Jedoch wirkt sich das Befreien von Schmutz und Staub meist recht positiv auf die Funktionalität – insbesondere bei beweglichen Teilen – aus. Scharfe Grate und Kanten kann man ganz vorsichtig mit feinem Schleifpapier entschärfen, solange die Materialstärke (mindestens 80 Prozent des Urzustandes) insgesamt noch akzeptabel ist. Zudem bewirkt oft ein kleiner Tropfen Öl echte Wunder: Schwer gängige Karabiner schließen wieder sauber, Wirbel bei Klettersteigsets drehen sich plötzlich wieder und Klettersteigkarabiner knirschen auf einmal nicht mehr so schrecklich beim Bedienen. Wichtig: Sparsam mit der Schmierung umgehen, andere (textile) Teile abdecken und keine Allzweck-Wundermittel à la WD-40 verwenden, denn die verkleben meist nur. Am besten eignet sich Teflon-Spray.
5. Austausch
Egal, ob am Ende der Lebensdauer eines Produkts eingeschränkte Funktionalität steht oder lediglich sichtbare Abnützungsspuren, schließlich stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Austausch. Dies soll kein Plädoyer für die Bergsportindustrie sein, aber unsere Ausrüstung wird – im Großen und Ganzen – durchaus zum Positiven weiterentwickelt: Entweder werden die Produkte bequemer, leichter, einfacher in der Anwendung oder sicherer. Zudem ist gerade im Kletterbereich eine Preisentwicklung nach unten zu beobachten. Der Autor hat zu Beginn seiner „Karriere“ (in Schilling-Zeiten) deutlich mehr für Gurt, Seil, Express und Co. bezahlt als man heute für deutlich bessere Produkte, selbst von namhaften Markenherstellern, ausgibt. Aber unterm Strich muss jeder selbst entscheiden, ob ihm sein Leben die paar Euro wert ist, oder ob man den gleichen Geldbetrag beim letzten Bier einspart. Denn, wie eingangs erwähnt, ein Versagen der PSA bei Absturz ist fatal!
links: Materialabtrag Karabiner – das passiert durch intensive Nutzung


rechts: Auf Dauer werden Sicherungsgeräte durch das Seil und Schmutz abgeschliffen. Vor der Verwendung eines solchen Gerätes sollte man zumindest einen genauen Funktionstest machen.