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Hilfe, mein Bergretter versteht mich nicht! Text: Wolfgang Ladenbauer, Sandra Hinterlechner Foto: Wolfgang Ladenbauer

Im Umgang mit Verunfallten am Berg spielt neben der medizinischen Versorgung auch die psychische Betreuung eine große Rolle – was allerdings nicht allen R ­ ettern bewusst ist. Wolfgang Ladenbauer lässt uns im folgenden Artikel an seiner langjährigen Erfahrung als Arzt und Bergretter teilhaben und erläutert uns die fünf Grundregeln der Psychischen Ersten Hilfe (PEH). Diese richten sich aber nicht nur an R ­ ettungs-Profis, sondern an uns alle, und zeigen, wie wir mit einfachen Mitteln einer ­verunfallten Person psychisch beistehen können – sollten wir einmal zu Erstrettern werden. Folgende Situation: Eine etwa 50-jährige ­Wanderin stürzt im alpinen Gelände und kullert ein gutes Stück eine felsdurchsetzte Grasflanke hinunter. Die Familie muss hilflos zusehen, kann selbst nicht helfen und verständigt sofort die Bergrettung, die auch zeitnah eintrifft. Was ­passiert? Der Hubschrauber nähert sich der Verletzten, der behandelnde Arzt steigt aus, fragt die Verunfallte nach ihrer Versicherungs­ nummer, steigt wieder zurück in den Hubschrauber und fliegt davon. Die Verunfallte liegt allein im Gelände und denkt, sie sei tot­ geweiht. In diesem Fall hatte die Frau durchaus Ver­letzungen, aber es herrschte keinerlei ­Lebensgefahr. Sie wusste nicht, dass die Retter nur noch einmal wegfliegen, um ihre Rettung ­vorzubereiten und fünfzehn Minuten später wieder zurückkehren würden, um sodann die Bergung durchzuführen und sie ins Spital zu fliegen. „In diesem Fall wurde alles falsch gemacht, was man in einer Rettungssituation nur falsch machen kann“, so Bergrettungs-Profi Wolfgang Ladenbauer, „da mit der Verunfallten nicht kommuniziert wurde und sie unnötigerweise

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Todesangst ausstehen musste, da man sie in Unwissenheit über ihren Zustand und den ­Rettungsprozess gelassen hat.“ Deshalb hält Wolfgang Ladenbauer fest: ­Psychische Erste Hilfe (PEH) sollte ein ­inte­grierter Bestandteil jeder Ersten Hilfe sein und ist ein ganz zentrales Instrument im ­Rettungsprozess. PEH ist „alles, was wir mit einem in Not Geratenen, also Verunfallten, ­Erschöpften oder Verirrten tun und was nicht zu den rein m ­ edizinischen Verrichtungen gehört“. Im Folgenden präsentiert uns Wolfgang die wichtigsten Ergebnisse einer umfassenden ­Untersuchung der Bergrettung Nieder­ österreich, die festhält, was von Verunfallten als gewünscht oder störend erlebt worden war. Aus dieser Studie ergaben sich die folgenden 5 Grundregeln für die Psychische Erste Hilfe. 5 Grundregeln der (alpinen) PEH: 1. Sage, dass du da bist, wer du bist und was geschieht! 2. Suche oder biete vorsichtigen ­Körperkontakt! 3. Sprich, informiere und höre zu! 4. Akzeptiere feinfühlig den Verunfallten in seinem Zustand! 5. Schirme den Verletzten vor Zuschauern ab! Grundregel 1: Sage, dass du da bist, wer du bist und was geschieht! Die Aufnahme und Aufrechterhaltung v­ erbaler Kommunikation mit Information und Aufbau einer Beziehung sind am Anfang das W ­ ichtigste. Allgemeine Informationen und im speziellen ­Informationen über die Helfer haben sich als besonders wichtig herausgestellt. Die Nennung der Namen der Helfer und wie der Verletzte


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