DOSSIER
Haben E-Fuels eine Zukunft?
V
O H₃C
O CH₂
REDAKTION TOURING | FOTO EMANUEL FREUDIGER
iele hegen den Wunsch, konventionelle Autos mit sauberem, CO2-freiem Treibstoff auftanken zu können, statt auf Elektromobilität umzusteigen. Synthetische Treibstoffe, sogenannte E-Fuels, kann man wie Benzin und Diesel in Verbrennungsmotoren verwenden. Wie E-Fuels hergestellt werden, lesen Sie im Artikel «Aus Strom wird Gas» auf Seite 18. Wie effizient sind E-Fuels?
Bei der Verbrennung im Motor können zehn bis 35 Prozent der Energie in Kraft umgewandelt werden, der Rest verpufft als Wärme. Die Energieträger E-Fuels ändern nichts am Treibstoffverbrauch. Um eine Energieeinheit E-Fuel herzustellen, werden etwa zwei Energieeinheiten Strom benötigt, der Wirkungsgrad beträgt also ungefähr fünfzig Prozent. Weil heute in der Schweiz (und auch weltweit) circa gleich viele Energieeinheiten Treibstoff verbraucht werden, wie Elektrizität produziert wird, würde sich also der Strombedarf gegenüber heute in etwa verdreifachen, wenn man mittels E-Fuels den CO2-Ausstoss aus den Motoren stoppen würde. Und diese zusätzliche Stromproduktion müsste aus erneuerbaren Quellen stammen, damit die CO2-Rechnung aufgeht. Sind E-Fuels eine Alternative?
Der grosse Vorteil von E-Fuels besteht darin, dass für ihren Einsatz keine Umstellung der Motorentechnologie auf der Fahrzeugseite erforderlich ist. Doch dieser Vorteil ist, wie wir gesehen ha-
ben, nicht umsonst. Nicht zufällig setzen heute sämtliche Akteure auf Elektroantriebe und Batterien mit einem Wirkungsgrad zwischen 65 und 75 Prozent. Wo können E-Fuels sinnvoll eingesetzt werden?
E-Fuels werden dort Anwendung finden, wo eine direkte Elektrifizierung nur schwer oder gar nicht möglich ist: beispielsweise im Flugverkehr, in der Schifffahrt, der chemischen Industrie, der Stahlindustrie und im LangstreckenSchwerlastverkehr. Auch in der langfristigen Energiespeicherung könnten sie hilfreich sein. E-Fuels können zudem dazu beitragen, die Grenzen der erneuerbaren Ressourcen in dicht besiedelten Ländern zu überwinden. Darüber hinaus bieten sie eine Exportchance für Regionen, die reich an erneuerbaren Energien sind, wie der Nahe Osten, Nordafrika, Lateinamerika und Australien.
CH₃ n
E-Fuels und Schadstoffe Ein vielversprechender synthetischer und sauberer Kraftstoff ist Oxymethylenether (OME). Die OMESynthese basiert auf Methanol, das zu Formaldehyd oxidiert und anschliessend zu OME umgewandelt wird. Die OME-Herstellung läuft bislang nur in Pilotprojekten. Das Endprodukt hat den Vorteil, dass Sauerstoff direkt eingelagert ist. Dadurch entstehen bei der Verbrennung im Dieselmotor weniger Russ und Stickoxide, mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt. OME birgt Potenzial, aber auch Grenzen, denn beispielsweise ist er nicht mit allen Dichtungsmaterialien kompatibel.
Was gibt es beim breiten Einsatz von E-Fuels zu bedenken?
Wer auf die künftige Verfügbarkeit von E-Fuels in grossem Massstab setzt, riskiert, in der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen festzustecken, falls ihre Verbreitung hinter den Erwartungen zurückbleiben sollte. Die Hoffnung auf E-Fuels kann von der dringenden Notwendigkeit ablenken, die Nutzung von Energie auf breiter Front billiger, sauberer und effizienter zu gestalten. In vielen Sektoren ist das bereits mit Elektroantrieben und Wärmepumpen möglich. ◆
E-Fuels sind für Lastwagen eine mögliche Option
SASCHA GRUNDER Funktion: Leiter Umwelt und Support
20 touring | Februar 2022
RENÉ DEUTSCHER
Beruf: Dipl. Umweltnaturwissenschaftler ETH Kontakt:
tcs.ch/experte