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Nur ein laues Lüftchen?

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Unterwegs mit

Unterwegs mit

Noch drehen wenige Rotorblätter im Wind

Windenergie entfaltet ihr Potenzial im tiefen Winter, wird aber in der Schweiz trotz der positiven Erfahrungen der Betreiber noch wenig genutzt. Der Weg, um die vom Bund in der Energiestrategie 2050 festgelegten Ziele zu erreichen, ist noch lang. Ein Blick auf die aktuelle Lage.

TEXT PASCALE STEHLIN | FOTO VALENTIN FLAURAUD / KEYSTONE

Die Schweiz zählt derzeit 41 grosse Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 86,5 Megawatt (MW). Im

Jahr 2020 produzierten diese Anlagen 146 Gigawattstunden (GWh) und übertrafen die Prognosen der Betreiber um vierzehn Prozent. Die Zahlen für 2021 liegen noch nicht vor, doch mit der kürzlich erfolgten Inbetriebnahme des neuen Windparks am Gotthard ist mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 144 Gigawattstunden zu rechnen. Dies entspricht dem Verbrauch von 40 000 Schweizer Haushalten, also fast 0,2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs unseres Lands.

Die Ziele des Bunds, die in der vom Schweizer Volk angenommenen Energiestrategie 2050 festgelegt wurden, sehen vor, den Anteil der Windenergie auf sieben Prozent anzuheben. Im Winter erzeugen Windkraftanlagen zwei Drittel ihrer Produktion. Während dieses Zeitraums ist der Energiebedarf für Heizung und Beleuchtung höher, und die Schweiz stellt auf Importe ab. Die Windenergie ist ein wertvoller Teil des Energiemix, denn sie schafft einen Ausgleich für die im Winter geringer ausfallende Produktion von Solar- und Wasserkraft. Um die fürs 2050 gesetzten Ziele zu erreichen, müssen neue Projekte genehmigt werden, wobei die Prozesse nach wie vor langwierig und aufwendig sind. Zum Vergleich: In Österreich gibt es über 1300 Windturbinen, die dreizehn Prozent des Stromverbrauchs decken.

Der Windpark auf dem Mont Crosin ist mit sechzehn Windkraftanlagen der grösste der Schweiz. Ein mutiger Mitarbeiter der Firma Juvent SA führt die Wartung in 150 Metern Höhe durch

Vorbildcharakter

Der grösste und älteste Windpark der Schweiz liegt im Berner Jura und wird von der Juvent SA betrieben. Seine sechzehn Windturbinen erstrecken sich auf dem Gebirgszug der Montagne du Droit über neun Kilometer zwischen MontSoleil und Mont-Crosin. Die acht ältesten wurden 2013 und 2016 in zwei Etappen durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt. Dank dem Repowering verfügt der Windpark über eine installierte Leistung von 37,2 Megawatt, und die geplante Produktion liegt bei jährlich siebzig Gigawattstunden. 2020 produzierte der Park unter optimalen Windbedingungen 85 Gigawattstunden erneuerbare Energie für mehr als 18 900 Vier-Personen-Haushalte (4500 kWh/Jahr). Insgesamt zählt der Berner Jura 23 900 Haushalte. Somit versorgte Juvent mehr als 75 Prozent mit Strom. Im selben Jahr erzeugte der 1996 initiierte Park nahezu sechzig Prozent der gesamten Windenergie der Schweiz. Tessin tritt auf den Plan

Neu wird auch im Tessin Windkraft erzeugt. Nach einem langen Genehmigungsverfahren konnte der Gotthardwindpark Ende 2020 eingeweiht werden, achtzehn Jahre nach der Präsentation des ersten Projekts. Die fünf 98 Meter hohen Windräder des Parks werden jährlich zwischen sechzehn und zwanzig Gigawattstunden erzeugen und sollten den Strombedarf der Haushalte der Leventina decken.

Grünes Licht in der Waadt

Die Bauarbeiten des ersten Windparks im Kanton Waadt begannen letzten Oktober und werden 2023 abgeschlossen sein. Das Windparkprojekt in Sainte-Croix durchlief ein langes Verfahren, bis hin zu den letzten, im Frühling abgewiesenen Beschwerden vor Bundesgericht. Es sieht die Errichtung von sechs Windkraftanlagen an den Standorten La Gittaz-Dessus und Montdes-Cerfs vor. Mit einer Produktion von 22 Gigawattstunden pro Jahr decken sie den Verbrauch der Gemeinde Sainte-Croix, private Haushalte plus Industrie. Ein hoffnungsvoller Zwischenerfolg für die Windbranche und die Energiewende laut Lionel Perret, Geschäftsführer von Suisse Éole: «Sieben weitere Projekte sind vor Bundesgericht hängig. Fallen die Entscheide positiv aus, kämen 460 Gigawattstunden dazu, was die Produktion der Windkraft in den nächsten Jahren vervierfachen würde. Angesichts der technischen Fortschritte betreffend Produktion und Kostensenkung bei der Windkraft, ist das Potenzial noch lange nicht ausgenutzt.»

● Windpark ● Grosse, unabhängige Anlagen

108 Gesuche für Windkraftanlagen sind derzeit öffentlich aufgelegt. 62 sind Gegenstand eines Verfahrens vor Bundesgericht. Angesichts der Dringlichkeit der Energiewende könnten diese zumeist langwierigen Verfahren die Erreichung der Ziele bis 2050 gefährden. ◆

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